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Veröffentlicht am 15.07.2019

Salz im Wind

Salz im Wind
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Anna scheint ein Glückskind zu sein. Sie lebt in Glückstadt, der Kleinstadt an der Elbe, und schätzt deren Vertrautheit und Beschaulichkeit sowie die Verlässlichkeit der Bewohner. Außerdem steht ihre Hochzeit ...

Anna scheint ein Glückskind zu sein. Sie lebt in Glückstadt, der Kleinstadt an der Elbe, und schätzt deren Vertrautheit und Beschaulichkeit sowie die Verlässlichkeit der Bewohner. Außerdem steht ihre Hochzeit mit ihrem Traummann Oliver, der wie sie in der Firma ihres Vaters – Storm Energie – arbeitet, unmittelbar bevor. Und obwohl sie inzwischen nicht mehr klein, blond und zart wie eine Fee ist, sondern eher Maße im handfesten Format aufzuweisen hat, möchte sie es sich nicht nehmen lassen, in einem wunderschönen Kleid vor den Traualtar zu treten. Dafür verzichtet sie gern auf ihre geliebten Pralinen. Sie versucht es zumindest.

Es könnte also nicht besser laufen. Doch weit gefehlt, ganz so einfach ist es nicht. Denn nach Begegnungen mit Erik, ihrem ehemaligen Babysitterkind, und Robert, dem Aufsichtsrat von Storm Energie, kommen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Entscheidung auf. Und das betrifft nicht nur die geplante Hochzeit.

Ist es wirklich so, dass Anna keinen anderen Mann als Olli finden wird, der sie mit ihren paar Pfunden zu viel liebt und mit ihr sein Leben teilen will, wie ihr Vater behauptet?

Johanna Benden hat eine leichte und zugleich spritzige Erzählmelodie, mit der sie in „Salz im Wind. Nach der Ebbe kommt die Flut“ den richtigen Ton trifft und vergnügliche Lesestunden bereitet. Ihr gelingt es auf wunderbare Weise, den Leser in das Geschehen einzubinden, damit dieser es mit viel Freude begleitet. Dabei offenbart die Autorin ein großes Talent, ihre Figuren mit ihren Vorzügen und Schwächen zu charakterisieren, ohne diese vorzuführen. Sie bilden das Gerüst der Geschichte, werden einem schnell vertraut und dürfen aber wie Annas Vater auch ordentlich kantig und bestimmend sein.

Besonders Anna ist unbefangen, ehrlich und ein Schatz, der (noch) im Verborgenen blüht und von ihrem Weg abgewichen ist, das allerdings gar nicht sieht. Genauso wenig bemerkt sie, dass sie in ihrer Tätigkeit als Controllerin in der Firma von ihrem Vater – bewusst oder unbewusst – klein gehalten wird. Ihre Schwäche für Pralinen ist zu gut nachzuvollziehen. Anna kann prima zuhören und sich hervorragend auf andere Menschen einlassen, spürt, wie es ihnen geht. sie ist ein kreativer Mensch, hat jedoch leider ihre Kunstfertigkeit beiseite gelegt und sich mit ihrer Gegenwart arrangiert.

Erst Erik und Robert locken sie aus ihrem Schneckenhaus, in dem sie es sich mit Olli gemütlich machen wollte, hervor. Beide Männer zeigen nämlich ebenfalls großes Interesse an ihr.

Erik, auf den Anna als Kind aufgepasst hat, würde immer noch als ihr Ritter Kunibert für sie in die Bresche springen. Er offenbart eine unkomplizierte, herzliche und zugewandte Art, die nicht nur Annas Herz höher schlagen lässt.

Nicht minder liebenswürdig und aufrichtig ist Robert, der gleichermaßen mit Wertschätzung und Zuneigung gegenüber Anna aufwartet. Er ist der Meinung, dass Anna jemanden verdient, der sie respektiert, bestärkt und unterstützt, um ihre Träume zu verwirklichen.

Und so kommt, was kommen muss: High Noon in Glückstadt. Welcher der drei Männer wird den „Kampf“ gewinnen? Das wird hier natürlich nicht verraten...

Veröffentlicht am 02.07.2019

Das Licht im Dunkeln

Dunmor Castle - Das Licht im Dunkeln
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„Es war immer der gleiche Traum. Er verfolgte sie schon seit vielen Jahren, und sie rannte darin immer, floh vor einer namenlosen Bedrohung, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Aber es war kein ...

„Es war immer der gleiche Traum. Er verfolgte sie schon seit vielen Jahren, und sie rannte darin immer, floh vor einer namenlosen Bedrohung, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Aber es war kein Monster, das sie verfolgte. Es war nicht mal eine konkrete Gestalt. Nur ein dunkler, gesichtsloser Schatten. Er würde ihr wehtun, wenn sie stehen blieb, auch wenn er stets flüsternd das Gegenteil behauptete. Er log, das wusste sie instinktiv, deshalb lief sie um ihr Leben...“ (Seite 10)

Als Lexie Cavendish wegen dieses Albtraums wieder einmal schlafwandelt, steht sie nach dem Erwachen mitten auf der Straße und wird fast von einem Auto überfahren. Zwei Jahre hatte sie Ruhe vor diesen Angst einflößenden Bildern. Es ging ihr bis dahin gut, sie übt ihren Traumjob als Innenausstatterin bei Howard Enterprises aus und will nach einer frühen Kurzehe nach vorne blicken. Bis sie vor das Auto von Grayson Fitzgerald gerät.

Der junge Mann entpuppt sich allerdings nicht nur ein Kontrahent ihres Chefs, in dessen Auftrag sie ins nordirische Cerigh reist, um Pläne für die Umgestaltung der Innenräume Burg Dunmor Castle zu entwerfen, sondern auch unehelicher Sohn des derzeitigen Eigentümers Duncan O'Donnell, wobei Grayson nicht daran interessiert ist, dass Dunmor Castle an Howard Enterprise verkauft wird.

Von Anfang an spürt Lexie bei ihrer Ankunft in Cerigh eine merkwürdige Befangenheit. Nicht allein das Dorf, nein auch Dunmor Castle erscheint ihr seltsam vertraut. Und nicht nur das. Einige Bewohner sind irritiert von ihrem Auftauchen, lehnen sie ab, haben Angst, andere wiederum geben ihr Hinweise. Denn es überrascht nicht, dass sich bald die Vermutungen bestätigt, dass Lexies unterschwelligen Kenntnisse begründet sind. Als Kind war sie hier zu Hause, ihre Mutter Fiona hat einst auf Dunmor Castle gearbeitet, bis sie eines Tages verschwand und Lexie letzten Endes im Kinderheim landete. Ohne Zweifel ist dieses Verschwinden ursächlich für das Trauma von Lexie, mit dem sie das Geschehen in der Vergangenheit verdrängt. Aber kann sie Licht ins Dunkel bringen?


Kathryn Taylor hat mit „Dunmor Castle. Das Licht im Dunkeln“ eine wahrlich geheimnisumwitterte Geschichte ersonnen, die sie in der ihr eigenen angenehmen Leichtigkeit erzählt und die vor allem von der fesselnden Handlung profitiert. Von Anfang an schafft es die Autorin, eine durchgängig plausible, gleichwohl äußerst mysteriöse Atmosphäre zu beschreiben, in der die Träume, deren Bilder Lexie zum Schlafwandeln treiben, eine große Bedeutung darstellen. Die Autorin legt behutsam Spuren, von denen viele (noch) nicht zum Ziel führen. So entwickelt der Leser Hypothesen und Spekulationen, ohne jedoch tatsächlich zu Ergebnissen zu gelangen.

Kathryn Taylor spielt hervorragend mit den Mutmaßungen: Wie lässt sich die Ehrlichkeit jedes einzelnen einschätzen? Wer sagt die Wahrheit, wer lügt und warum?

So präsentieren sich ihre Figuren mit Licht- und Schattenseiten und bilden eine illustre Schar mit den unterschiedlichsten Eigenschaften, die beim Leser für Wohlwollen oder auch negative Empfindungen sowie ein Mitdenken und -fühlen sorgen. Viele haben etwas zu verbergen. Einige mögen es gar nicht, dass Lexie, nachdem klar ist, dass sie in Cerigh etwas über ihre im Dunkeln liegende Herkunft und Vergangenheit und ebenso das Schicksal ihrer Mutter erfahren kann, an alte Geheimnisse rührt. Auch diejenigen, die ihr wohlgesonnen sind, halten sich bedeckt. Andere sind offenbar sogar gefährlich.

Auf jeden Fall ist Lexie in etwas hineingeraten ist, dessen Ende sie nicht absehen kann.

Dabei hatte Lexie trotz trauriger Kindheit im Heim und einer frühen Ehe ihr Leben, das sie sich aufgebaut hat, auf die Reihe bekommen. Sie ist eine zurückhaltende junge Frau, geht einem Beruf nach, der ihr Freude bereitet und sie glücklich macht, und sie verfügt mit Betty über eine Freundin, die ihr den Rücken stärkt und auf ihrer Seite ist.

Kann sie da auch mit Grayson rechnen? Er macht durchaus einen sympathischen, freundlichen Eindruck, ist indes zugleich nicht wirklich durchschaubar, ja teilweise genauso rätselhaft wie die gesamten Ereignisse in Cerigh und auf Dunmor Castle.

Erfreulicherweise stellt Kathryn Taylor die sich zwischen Lexie und Grayson anbahnende Liebesgeschichte nicht komplett in den Vordergrund. Vielmehr schildert sie an Hand der vielen Begegnungen, wie sich das Verhältnis entwickelt, das von Ablehnung bis hin zur Anziehung zwischen den beiden reicht.

„Dunmor Castle. Das Licht im Dunkeln“ hat alles, was bei einer unergründlichen Geschichte vermutet werden kann: interessante Schauplätze, Geheimnisse, Abenteuer, Gefahren, Liebe, facettenreiche und undurchsichtige Figuren. Sie hat nur einen - wenn auch zu vernachlässigenden - Nachteil, sie ist nicht zu Ende erzählt und schließt mit einem Cliff“Hänger“ der besonderen Art. Es tröstet, dass „Der Halt im Sturm“ Ende August zu erwarten ist.

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Veröffentlicht am 30.06.2019

Ich werde fliegen

Ich werde fliegen
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New York 1993/1994. Lucy Adler ist 17, jeweils zur Hälfte Jüdin und Italienerin, stammt aus einem liebevollen Elternhaus und hat einen schlauen Kopf, mit dem sie alles hinterfragt. Sie geht auf eine elitäre ...

New York 1993/1994. Lucy Adler ist 17, jeweils zur Hälfte Jüdin und Italienerin, stammt aus einem liebevollen Elternhaus und hat einen schlauen Kopf, mit dem sie alles hinterfragt. Sie geht auf eine elitäre Privatschule in Manhattan, spielt mit sehr viel Talent Basketball. Es gibt nur zwei Probleme. Sie ist ein Mädchen, und sie ist heimlich in ihren besten Freund Percy verliebt. Mit dem kann sie zwar über französische Existenzialisten diskutieren, mehr als ihre Gedanken teilt er allerdings nicht mit ihr.

Percy selbst bekommt nämlich von Lucys Gefühlen gar nichts mit. Er sieht gut aus, ist den Mädchen gegenüber sehr aufgeschlossen und wechselt sie wie Kaugummi, ohne je wirkliche emotionale Bindungen einzugehen. Percy bewegt sich mit Leichtigkeit durch die Welt, hat ein echtes Problem mit Autoritäten, nutzt jedoch die ihm als Sohn reicher Eltern gegebenen Freiheiten aus und versucht gleichzeitig, sich deren Einfluss zu entziehen. Im Grunde bleibt ihm aber wegen seiner schlechten schulischen Leistungen nichts anderes übrig, sich dem Willen und den Konventionen zu beugen, weil er ohne Hilfe keine Möglichkeit hat, auf einer Elite-Universität angenommen zu werden. Etwas, das für Lucy keine Mühe darstellt...


Dana Czapnik wurde in New York geboren und ist begeistert von ihrer Heimatstadt. Das wird in ihrem Debütroman „Ich werde fliegen“ in einer sehr intensiven Art und Weise durch umfangreiche und atmosphärisch dichte Beschreibungen deutlich. Die Detailverliebtheit ist für indes für Außenstehende, die New York nicht kennen, in ihrer Üppigkeit das eine oder andere Mal zu viel.

Ansonsten fällt die Autorin mit einem lebhaften Schreibstil auf, der aufrichtig und authentisch klingt und mit jugendlicher Energie angereichert ist. Leider zeigt sich hierbei ebenfalls ein Hang zur Ausschweifung, der das Lesen ab und an anstrengend macht.

Dana Czapnik hat sich hervorragend in das Seelenleben ihrer Protagonistin hineinversetzt, wenn diese aus ihrer Sicht über ihre Stadt, ihre Generation, die Klassenunterschiede in der Gesellschaft, ihre Zukunft und Träume, ja auch über ihr Liebesleben und die Stellung der Frauen nachdenkt.

Lucy ist kein Mädchen von der Stange. Sie ist keine Schönheitskönigin, eher eine Außenseiterin, die sie ab und an danach sehnt, einem bestimmten Ideal zu entsprechen.

„Nietzsche sagt, dass Schönheit dann am edelsten ist, wenn sie allmählich in das Herz und den Verstand einsickert. Er nennt es den langsamen Pfeil der Schönheit. Die Art von Schönheit, die man zuerst vielleicht gar nicht wahrnimmt, die uns dann aber nicht mehr loslässt. Was für eine wunderbare Vorstellung. Ich wünschte, ich könnte daran glauben.“ (Seite 108 f.)

Dabei hat Lucy das mit ihrer aufgeweckten und erfrischenden Art, Dinge anzugehen, gar nicht nötig. In ihr verknüpfen sich Natürlichkeit mit Intelligenz und Nachdenklichkeit mit Verletzlichkeit, treffen Selbstbewusstsein auf Unsicherheit und Zynismus auf Weisheit.

Bei einem Blick in die Tiefen ihrer Seele entpuppt sich eine vielschichtige Persönlichkeit, die in sich die Tochter, Freundin, Basketballspielerin und das Mädchen mit Liebeskummer trägt, aber nicht zu denen gehört, die sich von ihrem Schmerz über unerwiderte Liebe brechen lassen.

Denn das Leben hält noch viel für sie bereit. Lucy wird ihre Flügel ausbreiten und fliegen…

Veröffentlicht am 30.06.2019

Kaltenbruch

Kaltenbruch
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1954 sind im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch die Folgen des Krieges noch spürbar. Neben der angestammten Dorfgemeinschaft leben hier jetzt unter anderem auch mehr schlecht als recht Flüchtlinge aus ...

1954 sind im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch die Folgen des Krieges noch spürbar. Neben der angestammten Dorfgemeinschaft leben hier jetzt unter anderem auch mehr schlecht als recht Flüchtlinge aus den einstmals deutschen Gebieten jenseits der Oder. Vor allem Frauen wie Berta Kaminski aus Breslau, ohne einen Mann, aber mit vielen Kindern, haben es schwer. Die Integration ist verhalten, Misstrauen/Argwohn und Ablehnung – bis auf wenige Ausnahmen – groß.

Während beispielsweise seine Geschwister Anfeindungen ausgesetzt sind, ist Rudi Kaminski anerkannt. Auch Marlene, die als Kind in Köln ausgebombt wurde und dabei ihre Mutter verlor, hat es nach Umwegen über Großmutter und Heim gut getroffen. Sie ist auf dem Bauernhof der Leitners, wo sie gemeinsam mit der Mutter einige Sommer verbracht hatte, untergekommen. Genauso wie Dana, deren Mutter den Platz der verstorbenen Frau Leitner eingenommen hat.

Da geschieht ein Mord und stellt das stillschweigende Arrangement der Dorfbewohner auf den Kopf. Der siebzehnjährige Heinrich Leitner, genannt Heini, liegt mit einer Axt hinterrücks erschlagen auf dem Erdbeerstand, an dem er kurz zuvor noch mit Marlene gesehen worden war. Statt ihrer wird Gruber, ein Dorfbewohner, der bekanntermaßen dem Alkohol verfallen und keiner Schlägerei in der Kneipe abgeneigt ist, blutbesudelt am Tatort aufgefunden. Allerdings beteuert er vehement seine Unschuld. Und Schlüter, Fabrikant und sein Arbeitgeber, nur sekundär an Politik interessiert, einer, der immer alle gut behandelt (hat, auch die Zwangsarbeiter), besorgt ihm einen Anwalt.

Es ist am Düsseldorfer Kommissar Peter Hoffmann, die Frage zu klären, ob Gruber der Täter ist. Unterstützung erhält er vom jungen schlaksigen Polizeimeister Kröger, der im Dorf seinen Dienst verrichtet, und Lisbeth Pfau, die zunächst lediglich kommentarlos als Schreibkraft fungieren soll, dann aber beweist, dass sie durchaus zu eigenen klugen Überlegungen fähig ist.

Schnell beißt sich der äußerst unwillig agierende und überheblich wirkende Hoffmann an Gruber als Täter fest und will diesen so möglichst bald überführen, um das Provinznest verlassen zu können. Doch nur wenige Tage später wird Gruber selbst zum Opfer und kommt gewaltsam zu Tode. Hat Heinis Mörder erneut zugeschlagen?


Michaela Küpper hat für ihr Debüt „Kaltenbruch“ einen interessanten, selten besehenen Zeitpunkt gewählt. Fast zehn Jahren nach dem zweiten Weltkrieg sind die Menschen zwar wieder zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt, die Nachwirkungen des Krieges prägen sie und ihren Alltag, der vor allem aus harter Arbeit besteht, indes immer noch. Die Dorfgemeinschaft ist nicht mehr unter sich. So wundert es nicht, dass Zugezogenen gegenüber wenig Akzeptanz bekundet wird, vielmehr Unbehagen und ebenso Missgunst vorherrschen. Die Autorin skizziert mit wachem Auge die unterschiedlichen Figuren, und nach einiger Zeit gelingt es, sie zuzuordnen. Die Darstellung zeigt sich als einleuchtend und glaubwürdig, erschließt jedoch das eine oder andere Mal erst im Verlauf der Handlung.

Peter Hoffmann sieht auf den ersten Blick aus wie ein Pennäler, verhält sich allerdings nicht so. Auch auf den zweiten Blick ist er kein Zeitgenosse, dem die Sympathie zufliegt. Vielmehr stößt die Art, wie er mit Gruber umgeht, unweigerlich ab. Aber auch Hoffmann hat sein Päckchen zu tragen und offenbart gewisse Schicksalsmomente, in denen das Verständnis für ihn wächst.

Der Plot in seinem historischen Gewand ist merkbar detailliert recherchiert und durchdacht. Er präsentiert einen kniffligen Kriminalfall, mit Raum für eigene Überlegungen, ohne diesen in den Mittelpunkt zu setzen. Die Geschichte wird wechselnd aus Sicht einzelner Figuren erzählt.

Michaela Küpper schreibt ohne Effekthascherei, zurückhaltend und manchmal distanziert, bringt das Wesentliche aber mit überzeugenden und ergreifenden Bildern nahe, besonders wenn es darum geht, die beklemmende Vergangenheit zu schildern. Dabei entsteht leider auch eine Gefühlskälte, die erst nach und nach aufgebrochen wird und im gegenwärtigen Geschehen nicht durchgängig tiefgreifende Emotionalität aufweist.

Trotzdem ist „Kaltenbruch“ ein lesenswerter Roman mit einer gut aufgearbeiteten Zeitgeschichte und Protagonisten, die sich in kein Korsett pressen lassen, deshalb auffallen und mögliches Potential für ein Wiedersehen bieten.

Veröffentlicht am 24.06.2019

Was mir von dir bleibt

Was mir von dir bleibt
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Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam ...

Manche Bücher machen es mir schwerer als andere. Diese Bücher beginne ich, lege sie eine Weile beiseite, fange dann erneut an und lese sie in einem Rutsch durch. Zu diesen “schwierigen” Werken gehört Adam Silveras „Was mir von dir bleibt“. Und dabei kann nicht nicht einmal genau erklären, warum das so ist. Aber ich will es zumindest versuchen.

Zunächst einmal liegt es an der Thematik. Adam Silvera schreibt über die gleichgeschlechtliche Liebe und spielt von Anfang an mit offenen Karten:

Theo McIntyre ist tot, er wird nie mehr zurückkehren. Zurückbleiben nicht nur seine Eltern und seine kleine Schwester, sondern auch Griffin, der mit ihm seinen Lieblingsmenschen und die erste große Liebe verliert, und Jackson, sein aktueller Freund. Denn Griffin hat sich von Theo getrennt, als dieser wegen seines Studiums nach Kalifornien gezogen ist. Und die Hoffnung, die Beziehung irgendwann fortsetzen zu können, zerschlägt sich, als Theo Jackson kennenlernt und sich im Grunde entliebt. Obwohl sie dadurch unweigerlich zu Konkurrenten geworden sind, stehen nun sowohl Griffin als auch Jackson vor einem gemeinsamen Verlust und ahnen nicht, dass sie einander retten werden.

„Du hast uns allein gelassen. Dein Tod hat uns zu zwei Teilen in diesem zusammengestümperten Puzzle gemacht, das sich noch nicht recht zu einem Bild fügen will, aber trotzdem etwas erkennen lässt: zwei verliebte Jungs. Verliebt in jemanden, der nie mehr zurückkehrt.“ (Seite 242 f.)

Griffin und Jackson beginnen miteinander zu sprechen und offenbaren dem jeweils anderen die Erlebnisse, die sie mit Theo verbinden. Stück für Stück setzen sie das Puzzle zusammen und unternehmen im Angesicht ihrer Trauer den Versuch der Annäherung und Reparatur...


Adam Silvera erzählt die hauptsächlich in New York und daneben in Los Angeles angesiedelten Geschichte zwar aus der Ich-Position von Griffin, allerdings nicht linear und aus zwei Blickwinkeln heraus. Neben der 2016 einsetzenden Gegenwart ist es die Vergangenheit im Jahr 2014, die mit dem Outing von Theo und Griffin Relevanz erhält, als die beiden innerhalb des Dreiergespanns, zu dem noch Wade gehört, ihre Gefühle füreinander begreifen.

Der achtundzwanzigjährige Autor, selbst homosexuell, schildert mit erstaunlicher Ruhe und einem treffsicheren Selbstverständnis ein Thema, das nicht nur in der Gegenwartsliteratur nach wie vor keine uneingeschränkte Akzeptanz erfährt. Hingegen trifft die gleichgeschlechtliche Beziehung unter Jugendlichen in seinem Roman auf positive Resonanz. Griffin und The müssen sich nicht ständig erklären. Ihre Familien heben sich wohltuend von den sonstigen Bedenken und Abneigung äußernden Elternpaaren ab, sind geprägt von Offenheit und Empathie, komplizieren das Verhältnis ihrer Söhne nicht, sondern geben ihnen jedwede Unterstützung und Zustimmung. Ja, es entsteht der Eindruck, dass Homosexualität und damit Sexualität kein Problem ist, sondern eben eine „normale“ Sache zwischen heranwachsenden Liebenden ist. So wie es sein sollte.

Adam Silvera bringt es tatsächlich fertig, eine Welt zu schaffen, deren Mittelpunkt nicht der sonst übliche vorherrschende Weltschrott von kaputten Beziehungen und Intoleranz ist. Denn auf Grund des endgültigen Verlustes durch den Tod ist die Tragik schon ergreifend und gefühlsbestimmt genug. Das mag ein wenig fernab der Realität erscheinen. Es passt indes gut zum Verhalten von Griffin, der sich zur Verarbeitung seiner Trauer in Paralleluniversen denkt und daraus Hoffnung schöpft. Tatsächlich ist es so, dass Griffin Theo als stillen Beobachter und Zuhörer betrachtet, dem er mit erstaunlich ausgeprägter Fähigkeit zur Selbstreflektion wie beiläufig noch einmal ihre gemeinsame Geschichte wiedergibt.

Hinzu kommt, dass es Adam Silvera gelingt, neben der Fülle an emotional aufwühlenden Gefühlen, auch heitere Akzente zu setzen, Hoffnung und Zuversicht aufzubauen.

Hervorzuheben ist außerdem die Komplexität seiner Figuren, deren Darstellung Realitätsnähe und Facettenreichtum aufweist. Vor allem Griffin fällt zweifelsfrei auf, prägen ihn doch seine enorme Sensibilität und außerdem seine Zwangsstörungen. Gerade Zahlen, das Gehen auf der richtigen Seite machen sein Leben aus, Theo hat das akzeptiert. Als Theo nicht mehr da ist, befinden sich Griffins Empfindungen in einem ständigen Auf und Ab, und seine depressiven, angstbeeinflussten Zustände nehmen einen großen Teil seines Daseins ein. Und zur Trauerbewältigung gesellt sich die Frage, ob Griffin einen Weg zu sich selbst und zu einer gewissen Normalität finden wird.


„Was mir von dir bleibt“ ist ein queeres Jugendbuch, das sich nicht nur mit viel Herzblut und Glaubwürdigkeit der gewählten Materie hingibt, sondern diese auch auf überzeugende und altersgerechte Weise umsetzt.