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Veröffentlicht am 16.05.2023

Sonntags im Bagno

Sonntags am Strand
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Schauplatz des neuen Romans von Alexander Oetker ist ein Bagno an der italienischen Adria. Seit Jahren hält Enzo, der Betreiber des Bagno, strikt an seinem Tagesablauf fest, Sonntags besonders, denn da ...

Schauplatz des neuen Romans von Alexander Oetker ist ein Bagno an der italienischen Adria. Seit Jahren hält Enzo, der Betreiber des Bagno, strikt an seinem Tagesablauf fest, Sonntags besonders, denn da kommen viele Stammgäste.

Etwa Signor Conte, der einheimische alte Fischer, der Sonntags den ganzen Tag an Enzos Bar sitzt, die Familie aus der Stadt, bestehend aus den Eltern Giulia und Davide mit ihren kleinen Zwillingen und dem Teenie-Sohn Giacopo, Signora Ada aus dem Dorf und das junge Paar Felice und Alberto aus Turin.

Der Autor lässt uns solch einen Sonntag miterleben, in dem er diesen Tag beschreibt. "Da waren drei Farben: Das Weiss des Sandes, das Blau, des Himmels. Die dritte Farbe war ein leuchtendes Gelb". Ein Sonntag wie jeder andere. Oder doch nicht?

Sprachlich sehr schön erzählt der Autor, wie sich Davide und Giulia bereits bei der Anfahrt in die Haare bekommen, wie Alberto scheinbar keine Lust auf nichts hat, während man sich als Leserin fragt, wieso Felice noch an der Beziehung hängt und Giaocopo dabei zusieht, wie er sich um seine kleinen Geschwister kümmert und sich endlich traut, mit einer Mitschülerin zu sprechen, die sich ebenfalls am Strand aufhält und wie sich die Inhaberin des Bagno nebenan mit Enzo konkurrenziert.

Es ist eine ruhige Erzählung, die es aber in sich hat. Oetker ist ein guter Beobachter. Noch ahnt man, als Enzo (und wohl alle anderen Charaktere) das Bagno bei Sonnenaufgang, all'alba, startklar macht und über seine Besucher nachdenkt, noch nichts von den Geschehnissen des Tages, die in der Nacht, la notte, enden. Themen sind Beziehungen und die Liebe, l'amore, aber auf eine ganz feine, leise Art. Auch die Überraschungen, die sich im Laufe der Geschichte, des Tages, ergeben, kommen genauso leise daher. Es ist ein wenig, als ob man als Leser
in neben Signor Conte sitzt - vielleicht eher am anderen Ende der Theke, man möchte ja niemanden stören und selbst nur beobachten. Am Ende legt man das Buch mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht zur Seite und denkt sich "schön wars".

Nach "Mittwochs am Meer", dem jetzigen "Sonntags am Strand" wird es im Oktober mit "Stille Nacht im Schnee" einen weiteren Roman des Autors in diesem Stil geben. Nachdem ich "Mittwochs" und "Sonntags" gelesen habe, bin ich sehr neugierig auf die "Stille Nacht".

Fazit: Sonntags am Strand (oder auf dem Sofa, im Garten, auf dem Balkon oder im Freibad) lesen!
5 Punkte.

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Veröffentlicht am 17.04.2023

Grandioser Roman gegen das Vergessen

Die Kinder von Beauvallon
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Seit Bettina Storks in "Das geheime Lächeln" kurz Dieulefit erwähnte, wusste ich, über dieses Dorf möchte ich mehr wissen. Das wollte Storks auch - die für ihre akribischen Recherchen bekannte Autorin ...

Seit Bettina Storks in "Das geheime Lächeln" kurz Dieulefit erwähnte, wusste ich, über dieses Dorf möchte ich mehr wissen. Das wollte Storks auch - die für ihre akribischen Recherchen bekannte Autorin reiste in die Drôme und konnte sich vor Ort mit Augenzeugen unterhalten. Daraus entstand "Die Kinder von Beauvallon", ein Roman, der in Dieulefit spielt und erzählt, was die Bewohner dieses kleinen französischen Dorfes so Grossartiges taten im zweiten Weltkrieg.

Die Résistance-Bewegung versteckte jüdische Bürger bei Familien und befreite Kinder aus den Lagern. Einige davon kamen nach Dieulefit, in die Schule Beauvallon. Insgesamt waren es 1500 Menschen, die sich dort verstecken konnten vor den "boches", wie die deutschen Besetzer und Nazis von den Franzosen genannt wurden. Anhand fiktiven Figuren wie Agnes erzählt Bettina Storks die Rolle, die Dieulefit (Dieu le fit = "Gott hat es gemacht") in den Kriegsjahren inne hatte.

Radiomoderatorin Agnes soll verdeckt einen Beitrag vorbereiten - die Zeit ist 1965 in Deutschland anscheinend noch nicht reif, um offen über die Kriegsjahre zu reden - um über die Deportation der Sulzbacher Juden zu berichten.

Agnes ist persönlich betroffen, denn ihre Kindheitsfreundin Lily wurde vor ihren Augen deportiert. Alles was sie noch hat, ist ein halbes Fotos mit dem Bild von Lily. Die andere Hälfte hat Lily mitgenommen. Ob Lily überlebt hat, weiss Agnes nicht, denn sie hat nie wieder etwas von ihr gehört. Als Agnes in ihren Recherchen auf Dieulefit stösst, reist sie nach Frankreich und erkundigt sich in Beauvallon u.a. auch nach Lily. So stösst sie auf Jean-Pierre Roche, bekannt aus Storks früheren Romanen, der anscheinend der beste Freund von Lily in Beauvallon war. Lily hat den Krieg überlebt, aber keiner weiss, wo sie sich nun aufhält. Agnes geht allen Spuren nach.

Was für ein grossartige Geschichte - auch wenn Agnes und Lilys Geschichte fiktiv sind, glaubt man beim Lesen jedes Wort. Glaubt, dass sich alles genau so abspielte wie Bettina Storks die Lebensgeschichten der Betroffenen schildert.

Eindrücklich und klar, ohne Sentimentalitäten, aber dennoch äusserst feinfühlig, erzählt die Autorin nicht nur von den Lehrerinnen und Schülern von Beauvallon und den Bewohnern des Ortes, sondern auch anhand Jolie, einer jungen Frau, die so viele Leben rettete, dabei immer in der Gefahr, ihres eigene dabei verlieren zu können.

Fazit: Ein grandioser Roman gegen das Vergessen - gehört unbedingt gelesen!
5 Punkte.

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Veröffentlicht am 16.04.2023

Eine Geschichte mit Tiefgang

Das Glück in den Wäldern
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Das Lesen von "Das Glück in den Wäldern" (und auch alle anderen Bücher von Patricia Koelle) wirkte auf mich wie ein entspannter Urlaub, der einen sofort mit bereits wenig gelesenen Sätzen vom Alltagsstress ...

Das Lesen von "Das Glück in den Wäldern" (und auch alle anderen Bücher von Patricia Koelle) wirkte auf mich wie ein entspannter Urlaub, der einen sofort mit bereits wenig gelesenen Sätzen vom Alltagsstress runter holt. Buchen sind es diesmal, die im zweiten Teil der Sehnsuchtswald-Reihe eine Rolle spielen. Im ersten Band waren es Kiefern.

Als Franzi erfährt, dass sie schwanger ist, getraut sie sich endlich, Kontakt zu ihrer älteren Schwester Luna aufzunehmen. Luna schob dies auch schon lange vor sich hin und als sie sich endlich vorgenommen hat, dies im Sommer zu tun, kommt ihr Franzi zuvor. Nach fast 30 Jahren der Trennung haben sie sich viel zu erzählen, und vor allem auch Luna kann Franzi endlich erzählen, weshalb sie und ihr Vater Stellan sich nahe standen.

Der Roman ist eine Reise in die Vergangenheit der beiden Schwestern, erzählt aber auch vom hier und jetzt, vom Annähern der beiden, die ihren Vater und seine Art liebten und im Laufe des Romans weitere Leute kennenlernen, die Stellan und seine besondere Art gekannt haben.

Es ist eine eher ruhige Geschichte, geschuldet der Aufarbeitung der Kindheit der Protagonistinnen, aber auch dem Thema "Hochsensibilität". Es gibt weniger Schauplatzwechsel als üblich, trotzdem gibt es ein Wiedersehen mit dem Geschichtengarten. Auf dieser "Reise" kommen Franzi und Luna auch dem Geheimnis des zweiten Windes aus Band 1 auf die Spur.

Patricia Koelle findet immer wieder spezielle Dinge oder Begebenheiten, die sie in ihren Romanen unterbringt. Wenn ich beim Lesen solche "Dinge" entdecke, freue ich mich direkt schon beim Lesen auf ihre Erklärung im Nachwort, wo sie die gefunden oder wie sie sich real zugetragen habe.

Fazit: Wie immer sorgen ein idyllisches Setting, interessante Figuren und eine Geschichte mit Tiefgang für schöne Lesestunden.
5 Punkte.

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Veröffentlicht am 15.04.2023

Schlaflose Zeiten

Kretische Nacht
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Schlafen? Wird überbewertet. Die "Bösen" auf Kreta agieren aktuell gerne Nachts. Weshalb Michalis Charisteas und Pavlos Koronaios in ihrem fünften Fall viel zu wenig Schlaf bekommen. Zuerst zerschellt ...

Schlafen? Wird überbewertet. Die "Bösen" auf Kreta agieren aktuell gerne Nachts. Weshalb Michalis Charisteas und Pavlos Koronaios in ihrem fünften Fall viel zu wenig Schlaf bekommen. Zuerst zerschellt ein Boot an einem Felsen, mitten in der Nacht, und nicht nur die beiden Kommissare werden zum Tatort gerufen, auch Jorgos und sogar Karagounas erscheinen vor Ort. Dass der Polizeihef himself hinkommt ist schon sehr speziell - auch einige andere Dinge, die er in diesem Fall macht.

Die Kreter mögen es zu tratschen, reden aber gar nicht gerne mit der Polizei. In diesem Fall haben es Michalis und Koronaios mit schwierigen Zeitgenossen zu tun: zum einen schützt Revierleiter Christos Minotis seine Dorfbewohner eher, als dass er den Kommissaren etwas preisgibt, zum anderen hauen Zeugen immer wieder ab, und niemand erzählt wirklich etwas Bedeutendes. All das, plus weitere Nachtruhestörungen, erschweren die Ermittlungen der beiden Kommissare aus Chania.

In all dem Gewirr schaffen es Michalis und Pavlos dann doch noch Licht in die dunkle Nacht zu bringen. Privatleben ist kaum drin. Dabei hat Michalis etwas im Sinn. Leider hat seine Familie Wind davon bekommen. Und, erraten, die Familie gibt kaum Ruhe, bis Hannah wieder im Land ist.

Thematisch geht es in "Kretische Nacht" unter vielem anderen um Archäologie und Tourismus, auch um Korruptionsverdacht (warum darf der eine an bester Strandlage bauen und der andere nicht?), ein bekanntes Thema an Urlaubsdestinationen weltweit und leider immer wieder aktuell. Nikos Milonas nähert sich dem Thema an und umrahmt damit seinen neuesten Kriminalroman.

Mit diesem fünften Fall hat der Autor erneut einen intensiven und fesselnden Fall geschaffen. Oftmals gibt es in Krimi-Reihen so um den vierten oder fünften Band herum schwächere Fälle, doch Nikos Milonas hält bisher den Spannungsbogen konstant hoch. Vielleicht gibt es im nächsten Band auskunftsfreundlichere Zeugen, so dass für Abwechslung gesorgt ist. Obwohl ihm die Ideen für weitere Fälle wohl nicht so schnell ausgehen.

Eine schlaflose Nacht haben vielleicht auch die einen oder anderen Leser - nicht weil sie wie Charisteos aus dem Schlaf gerissen wird, sondern weil sie erst gar nicht ans Schlafen denken, solange dieser Band nicht ausgelesen ist.

Fazit: Auch diesen kniffligen Fall lösen Charisteas und Koronaios gekonnt!
5 Punkte.

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Veröffentlicht am 13.04.2023

Grandios - emotional und bodenständig

Die Bibliothek der Hoffnung
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Dass Menschen vor Bombenangriffen Schutz in U-Bahn-Stationen suchen, ist uns heutzutage spätestens seit den Bildern von letztem Jahr aus der Ukraine bekannt. Nicht nur Schutz, sondern auch eine Zuflucht ...

Dass Menschen vor Bombenangriffen Schutz in U-Bahn-Stationen suchen, ist uns heutzutage spätestens seit den Bildern von letztem Jahr aus der Ukraine bekannt. Nicht nur Schutz, sondern auch eine Zuflucht und eine Art Wohnungsersatz bot im zweiten Weltkrieg auch eine Londoner Tube-Station.

In der Haltestelle Bethnal Green gab es neben Schlafmöglichkeiten und anderem auch eine kleine Bibliothek. Bücher, das wissen wir seit der Pandemie, sind keine Luxusgegenstände, sondern tägliche Notwendigkeit. Buchhandlungen und Bibliotheken können den Menschen viel Gutes tun. Nicht nur für Kinder, die lesen lernen und denen damit eine ganz neue Welt eröffnet wird, sind Bücher ein grosser Segen. Dies denkt auch Clara Button, die Leiterin der Bibliothek in der Station Bethnal Green, um die es in "Die Bibliothek der Hoffnung" geht. Zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Ruby Munroe unternehmen sie alles Mögliche und Unmögliche, um den Kindern und Frauen im Shelter und draussen in den Fabriken das Lesen zu ermöglichen.

Clara hat ihren Mann im Krieg verloren, sie liebt ihre Arbeit, aber ihre Mutter und ihre Schwiegermutter gängeln Clara immer wieder. Die beiden wollen, dass Clara aufhört zu arbeiten. Ruby hat ihre Schwester verloren und fühlt sich schuldig. Hilflos fühlt sie sich gegenüber ihrer Mutter Netty, die von ihrem zweiten Mann Victor, einem Alkoholiker, geschlagen wird. Ihre Mutter kommt nicht los von ihm.

Eines Tages sucht ein Ami-Soldat Ruby - sie hat Eindruck hinterlassen und er gäbe alles, damit sie erneut mit ihm ausgeht. Doch Ruby stellt Forderungen. Nach allem was sie sah, glaubt sie nicht an die Liebe. Als eines Abends Clara auf dem Heimweg belästigt wird, hilft ihr Sanitäter Billy. Der Pazifist leidet enorm unter der Kriegszeit, verliebt sich in Clara. Doch ist sie bereit?

Die Kapitel widmen sich abwechselnd Ruby oder Clara. Die zwei Frauen sind sehr gegensätzlich und doch wurden sie schnell zu besten Freundinnen. Neben ihnen beiden werden noch viele weitere Schicksalsgeschichten erzählt, die erstaunlich gut in die Hauptgeschichte eingewebt sind. Etwa die von Tubby und Sparrow, die der Shelter-Leiterin Mrs Chumbley, Mr Pepper, Beatty und Marie und viele weitere mehr. Neben Victor gibt es noch weitere "Bösewichte": besonders in der Figur von Mr Pinkertone-Smythe, ein Vorsitzender des Bibliothekenausschusses und Chef von Clara.

Die Autorin erzählt im Nachwort, belegt mit Fotos, was damals genau passierte mit der Bibliothek und Bethnal Green und was sie daraus für ihren Roman verwendet hat, ebenso was fiktiv ist.

Es sind enorm intensive fünfhundert Seiten. Ich musste das Buch immer mal wieder weglegen. Nicht weil es langweilig war, im Gegenteil, sondern nur, um das Gelesene zu verdauen. Denn Kate Thompson schildert anschaulich die Brutalität des Alltags normaler Menschen während dem Kriegsgeschehen und dies auf eine enorm eindrückliche Art und Weise. Es war nicht nur bloss eine Bibliothek, nicht nur Unterkunft, sondern eine enge Gemeinschaft, die viel miteinander erlebten und alle einander halfen. Die Autorin nimmt die Leser*innen mitten hinein nach Bethnal Green und lässt sie ganz nah an Clara und Ruby das Geschehen miterleben.

Für mich war auch der Ausflug nach Jersey sehr interessant, denn was damals auf den Kanalinseln ablief, hab ich bisher noch nie mitbekommen.

Fazit: Ein grandioser Roman - emotional, und doch sehr bodenständig. Jetzt schon eins meiner Jahreshighlights im Jahr 2023!
5 Punkte.

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