Auch heute noch selten
Die DirigentinDicht gedrängt wird in "Die Dirigentin" die Geschichte von Willy, Wilhelmina Wolthius, erzählt. Angefangen bei ihrer furchtbaren Mutter, der sie noch mit 23 Jahren ihr ganzes Geld aus zwei Jobs abgeben ...
Dicht gedrängt wird in "Die Dirigentin" die Geschichte von Willy, Wilhelmina Wolthius, erzählt. Angefangen bei ihrer furchtbaren Mutter, der sie noch mit 23 Jahren ihr ganzes Geld aus zwei Jobs abgeben musste. Wie sie es schaffte, trotz allen Widrigkeiten zum Trotz Musikunterricht zu bekommen, ans Konservatorium zu gehen, in einer Band zu spielen, ihre Familiengeschichte zu enthüllen, und und und.
Nicht ganz alles davon ist wahr. Maria Peters nahm sich fiktionale Freiheiten heraus und so ist dieser Roman zum gleichnamigen Film extrem spannend geraten. Ich empfehle deswegen den Roman zu lesen ohne zuerst (oder mittendrin, so wie ich) Antonia Brica und ihr wahres Leben zu googeln. Man macht sich sonst vielleicht zu viele Gedanken darüber, wie gewisse Buchszenen in Willys Leben ohne diese Zusätze gewesen wären, was von der spannenden Lektüre ablenkt. Das Lesen ohne Vorab-Info ist in diesem Fall einiges entspannender, obwohl alle Ereignisse eng aneinander gereiht die Seiten füllen und man als Leserin kaum zum Luft holen kommt.
Auch dann noch, als Willy es schafft und sie als Antonia Brico als erste Frau am Dirigentenpult steht. Denn nun steht die Frage im Vordergrund, ob die Musikwelt bereit ist, in dieser Männerdomäne eine Frau vor einem Orchester akzeptieren, ob die Musiker die Frau vor ihnen respektieren. Aber auch, ob die Menschen bereit sind, ihr überhaupt zuzuhören.
Das erste Konzert mit einem "Dirigenten, der zufällig eine Frau ist" - so Antonia Brico über sich selbst - war damals ein aufsehenerregendes Ereignis. Für uns heutzutage theoretisch total normal, auch wenn es immer noch eine Seltenheit ist, wenn eine Frau die Leitung eines Orchesters innehat.
Es ist ein Roman über eine Frau, die hart arbeitete, um ihren Lebenstraum Wirklichkeit werden zu lassen. Eine Frau, die aber nie ganz aus sich heraus kommen konnte, was ihrer fast schon gefängnismässigen Kindheit in der sie sich immer fügen musste, anzurechnen ist. So jedenfalls wirkt Antonia in "Die Dirigentin", mit der ihrer Landsfrau Maria Peters ein eindrücklicher Einblick in die starre Männer-Musikwelt der 20er, 30er und 40er Jahre gelingt.
Doch nicht nur die Frage nach der Stellung der Frau, auch die allgemeine Toleranzfrage wird in einigen Figuren-Beispielen sehr gut eingearbeitet, teilweise fast ein wenig zu klischeehaft überzogen. Auch hier wieder vielleicht etwas zu komprimiert, aber die Leserinnen bekommen einen guten Eindruck der damaligen Zeit. So ist "Die Dirigentin" nicht nur für Klassik-Interessierte ein toller Roman.
Fazit: Spannende und interessante Geschichte über eine willensstarke Frau, die sich ihren Platz vor dem Orchester durch entbehrungsreiche Jahre erobert.
4 Punkte.