Profilbild von Tallianna

Tallianna

Lesejury Profi
offline

Tallianna ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Tallianna über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.08.2017

Die Wiedergeburt einer interessanten Welt

Die Midkemia-Saga 1
0

Das Königreich Rillanon befindet sich im Krieg. Doch nicht nur der Feind von außen bedroht den Frieden, denn Intrigen und Verrat beherrschen den Königshof, und so wird viel zu spät auf die Invasion reagiert. ...

Das Königreich Rillanon befindet sich im Krieg. Doch nicht nur der Feind von außen bedroht den Frieden, denn Intrigen und Verrat beherrschen den Königshof, und so wird viel zu spät auf die Invasion reagiert. Der Magierlehrling Pug und sein bester Freund, der junge Krieger Tomas, wissen nichts von den Geschehnissen bei Hofe. Für sie bedeutet dieser Krieg eine Möglichkeit, sich zu beweisen und vielleicht sogar Ruhm zu erlangen – bis sie Teil der Intrigen werden und den wahren Schrecken des Krieges begegnen. (Klappentext)

Der nachfolgende Text kann Spoiler enthalten.

Mich hat ziemlich überrascht zu sehen, dass die ersten Bücher dieser Reihe schon in den 90er Jahren herausgekommen sind. Denn bis zu diesem Zeitpunkt habe ich noch nie von dem Autor gehört und ich habe wirklich viel Fantasy auch in meiner Jugend gelesen. Im letzten Jahr hat Blanvalet dann damit begonnen, die Midkemia-Bücher neu aufzulegen.

Der Auftakt der Midkemia-Saga kann man ganz der klassischen Fantasy à la Tolkien zuordnen. Zu meiner Erleichterung bleibt der Leser allerdings von langen Landschaftsbeschreibungen verschont. Wir haben hier alles, was das Fantasy-Herz begehrt: Elben, Zwerge, Drachen, Menschen und ein Krieg, der Nationen erschüttert. Man sollte doch meinen, dass das langsam mal langweilig wird, aber diese Geschichte ist gut umgesetzt und unterhält. Auch die Charaktere finde ich gut beschrieben.

Dabei zieht sich dieser Band jedoch an manchen Stellen etwas in die Länge und man hat das Gefühl, storytechnisch überhaupt nicht weiter zu kommen. Auch musste ich über einige unlogischen Dinge den Kopf schütteln, wie z. B. wenn sich gefragt wird, warum der Gegner nur Nachts angreift, man aber einen ehemals gegnerischen Hauptmann auf seiner Seite hat und ihn nicht um Rat fragt. Tatsächlich war mir schon am Anfang klar, was der Gegner plante und ich habe keine Ausbildung in Strategie, nur Jahre des virtuellen Kampfes und der Literatur. So etwas ärgert mich immer.

Trotz dieser kleinen Unstimmigkeiten ist „Der Lehrling des Magiers“ ein spannendes und mitreißendes Buch, dass mich dazu ermuntert, mehr in die Welt von Midkemia einzutauchen. Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band und ein Wiedersehen mit Pug und Tomas.

Veröffentlicht am 05.08.2017

„Haben Sie mir gerade auf die Finger geschlagen?“ / Was ist deine größte Angst?

Heliosphere 2265 - Der Helix-Zyklus 1 - Die andere Seite (Bände 13-15)
0

Die andere Seite. Heliosphere 2265 13
Die HYPERION ist durch den Tachyionentunnel in die „alte“ Zukunft gelangt. Schwer beschädigt müssen sie zunächst versuchen, nicht vom Solaren Imperium aufgebracht ...

Die andere Seite. Heliosphere 2265 13


Die HYPERION ist durch den Tachyionentunnel in die „alte“ Zukunft gelangt. Schwer beschädigt müssen sie zunächst versuchen, nicht vom Solaren Imperium aufgebracht zu werden.
Derweil glauben die Zurückgebliebenen auf der NOVA-Station an die Zerstörung der HYPERION durch Richard Meridian. Werden sie diesen Verlust überwinden können?

Der erste Teil der zweiten Staffel lässt es ein wenig ruhiger angehen, auch wenn das nicht bedeutet, dass man sich weniger Sorgen um diverse Charaktere machen müsste. Die Situation vor Ort in der „alten“ Zukunft muss erst erfasst werden, Verwundete versorgt und das Schiff – mal wieder – zusammengeklebt werden. Ein wunderbarer Moment, um weitere Charakterentwicklung zu betreiben und die neuen Handlungsstränge zu etablieren.
Trotz aller Tragik bietet dieser Roman wieder einige humorvolle Elemente, die mich im Nachhinein noch kichern lassen und allen Beteiligten Tiefe verleihen.
Besonders gut gefällt mir, dass Jayden und Noriko sich immer weiter aufeinander einspielen, denn sie geben ein gutes Team ab. Das wird vermutlich auch bitter nötig sein im weiteren Handlungsverlauf.

Ein schöner Staffelauftakt, der die Handlung ein wenig sortiert und zur Ruhe kommen lässt, bevor die Geschichte wieder Fahrt aufnimmt. Mehr!

Das erste Ziel. Heliosphere 2265 14


Die HYPERION fliegt noch immer schwer beschädigt durch die „Alt“-Zukunft. Gezwungen durch die Umstände wecken sie Sarah McCall auf. Bald darauf finden sie eine verlassene Werft, die von der K. I. CARA beherrscht wird … Werden sie dort Hilfe erfahren?
In der Gegenwart sieht es nicht rosiger aus. Die Zukunfts-Rebellen setzen zum Angriff an und bei der NOVA-Station wurde die Verfassung verabschiedet und es stehen Wahlen an …

Es wird langsam schwierig zu rezensieren ohne sich in den immer gleichen Worten zu verlieren. Meiner Meinung nach beinhaltet dieser Roman einige der bisher witzigsten Szenen. Und das, ohne die Tragik des Angriffs durch die Zukunfts-Rebellen zu verdecken oder herunterzuspielen.
So langsam setzt aber eine gewisse Paranoia beim Leser ein, was die Motivation neu eingeführter und auch schon bekannter Charaktere betrifft. Während einige für mich über jeden Zweifel erhaben bleiben (und auch darin, bin ich mir sicher, werde ich mich irren), wittere ich bei dem ein oder anderen düstere Geheimnisse oder sogar Verrat.
Hat man sich am Ende des ersten Zykluses noch auf die Auflösung einiger Fragen gefreut, sind in dem zweiten Band des zweiten Zykluses schon die nächsten Rätsel aufgetaucht, die Beantwortung erfordern. So bleibt es weiterhin spannend und die grauen Zellen haben viel zu tun.

Was soll ich sagen? Band 14 führt auf gewohnt hohem Niveau den Leser und die HYPERION weiter auf ihren Abenteuern durch’s All. Am Liebsten würde ich sofort weiterlesen!

Die Büchse der Pandora. Heliosphere 2265 15


Die HYPERION befindet sich immer noch in der Zukunft, als schon die nächste Feuerprobe vor dem runderneuerten Schiff liegt. Ausgerechnet Tess Kensington muss sich mit der Verräterin und früheren besten Freundin Sarah McCall zusammentun, um ihrer beider Leben und das der Crew der HYPERION zu retten.
In der Gegenwart erfährt der Imperator Sjöberg, was es für ein Gefühl ist, hintergangen und benutzt zu werden. Auf der NOVA-Station beginnt der Wahlkampf und keiner ahnt, dass den ehemaligen Rebellen die Unterstützung wegzubrechen droht …

Diesen Band zu lesen hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht. Die Story bleibt weiterhin spannend, egal auf welcher Handlungsebene. Der Autor hat die Cliffhanger geradezu perfektioniert, sehr zu meinem Leidwesen, denn ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das gut oder gemein finden soll. Auch der Humor kommt wie immer nicht zu kurz und lockert die Handlung wunderbar auf.
Ich habe die Charaktere einfach lieb gewonnen, bis auf die paar, die ich abgrundtief hasse … Aber auch das muss man als Autor erst vermitteln können!

Heliosphere ist für mich eine Serie, bei der alles stimmig ist. Ob das jetzt die Handlung, der Mix zwischen Spannung und Humor oder die zahlreichen Rätsel, die sich durchziehen, sind – mich begeistert jeder neue Band noch genauso, wie der erste!

Veröffentlicht am 05.08.2017

Eine Rache, die alles verschlingt! / Ein Stück „lebendige“ Geschichte / Erste Abnutzungserscheinungen treten auf

Das Erbe der Macht - Schattenchronik 3: Ascheatem (Bände 7-9)
0

Schattenzeit. Erbe der Macht 07
Chaos und Tod greifen um sich. Die Enthüllung der Schattenfrau hat weitreichende Folgen. Bevor die größte Feindin der Lichtkämpfer ihre Rache zu Ende bringt, sollen Mentigloben ...

Schattenzeit. Erbe der Macht 07


Chaos und Tod greifen um sich. Die Enthüllung der Schattenfrau hat weitreichende Folgen. Bevor die größte Feindin der Lichtkämpfer ihre Rache zu Ende bringt, sollen Mentigloben ihr erlittenes Leid verdeutlichen. Unterdessen ringt ein Lichtkämpfer mit dem Tod, im Castillo tobt ein blutiger Kampf und ein Familiengeheimnis offenbart das ganze Ausmaß eines uralten Plans. (Klappentext)

Der nachfolgende Text kann Spoiler enthalten.

Es ist immer wieder verwunderlich, dass ich für so einen kurzen Heftroman genauso lange brauche, eine Rezension zu schreiben, wie für 500 Seiten. Der vorliegende Band hat den Zweiteiler der Zyklushalbzeit abgeschlossen und mehr über die Schattenfrau und ihre Beweggründe verraten.
Die verschiedenen Ebenen bleiben spannend und versorgen den Leser nur bedingt mit Antworten – wie man es bei Suchanek ja gewohnt ist. Die wenigen Antworten, die man bekommt, tragen nicht alle zur Erhellung bei und so tappe ich bei manchem weiterhin im Dunkeln.
Wie immer ist auch der Schreibstil überragend, und so wechselt tiefgehende Tragik gekonnt mit dem den Figuren eigenen Humor, ohne dass je etwas an Glaubwürdigkeit verliert.
Mein Abzug rührt davon, dass ich alles ein wenig zu konstruiert fand und mich die Handlung nicht wirklich überraschen konnte. Vielleicht ist das jetzt Jammern auf zu hohem Niveau, aber das Risiko gehe ich ein. Auch waren es mir ein wenig zu viel Handlungsstränge und Sprünge in der Zeitebene. Das machte es schwierig, den einzelnen Fäden zu folgen und sie wirklich nach zu vollziehen.

Wer bis zum siebten Band der Reihe vorgedrungen ist, wird schwerlich aufhören, diese Serie zu lesen. Dafür bleiben zu viele Fragen offen und die Handlung zu spannend. Ich bin schon sehr neugierig auf den nächsten Band.

Opfergang. Das Erbe der Macht 08


Die Lichtkämpfer lecken ihre Wunden. Viel Zeit bleibt jedoch nicht. Leonardo befindet sich in Gefangenschaft, Marks Unterlagen bleiben verschwunden und die Jagd nach dem dritten Sigilsplitter geht weiter.
Als sich Nostradamus mit einer wichtigen Information meldet, müssen die Lichtkämpfer reagieren, um Schlimmeres zu verhindern. Denn die Schattenkrieger sinnen auf Rache. (Klappentext)


Dieser Band führt uns fast nahtlos an die Stelle zurück, die wir davor verlassen haben. Und schon gleich streckt die Paranoia ihren Kopf heraus. Wer ist Jens geheimnisvoller Bekannter? Wirklich nur ein netter Nimag? Oder doch etwas gemeineres? Wird er die nächsten Bände überhaupt überleben?

Ein wenig aufgestoßen ist mir die Szene im Museum. Dort werden Waffen aus dem Krieg ausgestellt, die durch einen Zauber plötzlich Munition verschießen. Das finde ich irgendwie nicht passend, denn alle Waffen werden unschädlich gemacht, wenn sie in die Hand der Öffentlichkeit kommen. Und nur „Magie“ als Erklärung ist mir ein bisschen zu einfach.

Ansonsten führt dieser Band konsequent die Handlung fort und beehrt uns dieses Mal sogar mit einem Längeren Auftritt von Kleopatra. Die Dame ist zwar ziemlich anstrengend, aber ich würde ihr zu gerne einmal ein paar Fragen über ihre Herrschaftszeit stellen.

Silberknochen. Das Erbe der Macht 09


Die Suche beginnt. Die Lichtkämpfer setzen alles daran, vor der Schattenfrau die legendären Silberknochen zu finden, um Zugang zum Versteck des letzten Sigilsplitters zu erhalten. Doch was hat es mit den ominösen Knochen überhaupt auf sich?
Gleichzeitig glaubt Johanna, in Max die Waffe erkannt zu haben, die die Schattenkrieger haben wollen. Sie ergreift Maßnahmen. Und setzt dabei eine Kette aus Ereignissen in Gang, die in eine Tragödie münden. (Klappentext)


Mit dem 9. Band der Serie bin ich ein wenig unzufrieden. Oder besser gesagt, mit einer Entwicklung. Unsere Lichtkämpfer-Freunde geraten immer wieder in überaus brenzlige Tod-oder-Leben-Situationen – und kommen jedes Mal mit heiler Haut davon (im übertragenen Sinne). Wie oft stand Alex jetzt schon an der Schwelle des Todes? Ich weiß es nicht mehr, aber langsam wird es mir langweilig.

Im Gegensatz zu der „Heliosphere 2265“-Reihe des Autors, bei der sich die Geschichte wie frei gewachsen anfühlt, habe ich bei „Das Erbe der Macht“ zunehmend das Gefühl, dass alles ein wenig zu konstruiert ist. Das macht das Lesen für mich hölzern, denn ständig lande ich bei einer Handlung oder der Schilderung eines Charaktermerkmals der Protagonisten, die mir übertrieben vorkommt. So z. B. die ständige Erwähnung davon, dass Alex bei jeder hübschen Frau anfängt, wie ein aufgeregtes Hündchen zu hecheln (jetzt musste ich eine Weile überlegen, um eine jugendfreie Version hervorzubringen).

Gleichzeitig empfinde ich die Handlung auch als zu langsam bzw. künstlich in die Länge gezogen. Auch das Ausblenden am Kapitelende, wenn gerade wichtige Dinge passieren, wird einfach zu oft benutzt und verliert so mittlerweile völlig seine Wirkung. Mir entringt es nur noch einen müden Seufzer, wenn wieder jemand kurz davor ist, einem grauenvollen Tod ins Auge zu Blicken, dann auf eine andere Szene umgeschwenkt wird und derjenige im übernächsten Kapitel auf wundersame Weise überlebt hat. Diese Stilmittel hat durchaus seine Berechtigung, aber eine gewisse Abnutzung ist mittlerweile bei mir eingetreten.

Mein Fazit: Die Geschichte muss sich wieder lebendiger anfühlen und weniger konstruiert um mich wirklich weiterhin zu fesseln. Das Zyklusfinale will ich auf jeden Fall noch lesen, denn die Story finde ich an sich schon spannend. Für danach behalte ich mit aber eine weitere Lese-Entscheidung vor.

Veröffentlicht am 05.08.2017

„Unser Leben wird von Kräften gelenkt, die so gewaltig sind, dass wir sie weder verstehen noch beherrschen können.“ S. 105

The Brain
0

Die Hirnforschung macht rasante Fortschritte, aber nur selten treten wir einen Schritt zurück und fragen uns, was es heißt, ein Lebewesen und Mensch zu sein. Der renommierte Neurowissenschaftler David ...

Die Hirnforschung macht rasante Fortschritte, aber nur selten treten wir einen Schritt zurück und fragen uns, was es heißt, ein Lebewesen und Mensch zu sein. Der renommierte Neurowissenschaftler David Eagleman nimmt uns mit auf die Reise durch das Gewirr aus Milliarden von Hirnzellen und Billionen von Synapsen – und zu uns selbst.

Das sonderbare Rechengewebe in unserem Schädel ist der Apparat, mit dem wir uns in der Welt orientieren, Entscheidungen treffen und Vorstellungen entwickeln. Seine unendlich vielen Zellen bringen unser Bewusstsein und unsere Träume hervor. In diesem Buch baut Bestsellerautor David Eagleman eine Brücke zwischen der Hirnforschung und uns, den Besitzern eines Gehirns. Er hilft uns, uns selbst zu verstehen. Denn ein besseres Verständnis unseres inneren Kosmos wirft auch ein neues Licht auf unsere persönlichen Beziehungen und unser gesellschaftliches Zusammenleben: wie wir unser Leben lenken, warum wir lieben, was wir für wahr halten, wie wir unsere Kinder erziehen, wie wir unsere Gesellschaftspolitik verbessern und wie wir den menschlichen Körper auf die kommenden Jahrhunderte vorbereiten können. (Klappentext)


Der nachfolgende Text kann Spoiler enthalten.

Am Anfang dieses beeindruckenden Buches beleuchtet der Autor, wie sich das Gehirn im Laufe des Lebens verändert und das unser Wesen durch unsere Erfahrungen bzw. den Verknüpfungen, die durch unsere Erfahrungen im Gehirn angelegt werden. Unsere Erinnerungen sind beispielsweise gar nicht so genau, wie wir und das immer einreden wollen. Auch können Ereignisse hinzugefügt werden und es fühlt sich so an, als sei es tatsächlich passiert.

Dann geht er auf die Arbeitsweise unseres Gehirns ein. Es arbeitet z. B. mit vorgefertigten Prognosen, die nur kurz angepasst werden, wenn sich die Vorhersage als nicht richtig erwiesen hat (wenn man etwa auf dem bekannten Nachhauseweg auf einmal etwas auffälliges sieht). Auch die Interpretation der Sinnesreize muss vom Gehirn erst geübt werden.

Im nächsten Kapitel wird das Unterbewusstsein genauer beleuchtet, etwa die komplexen Berechnungen, die es braucht, um etwas zum Trinken anzuheben und trotzdem müssen wir nicht einmal mehr darüber nachdenken. Anschließen sinniert er über die Frage, ob wir einen freien Willen besitzen oder ob all unsere Entscheidungen unbewusst von unserem Unterbewusstsein gesteuert werden.

Jede unserer Entscheidungen ist in der Tat eine Art Kampf und Ringen um die Vorherrschaft unserer Hirnzellen, die ständig das für und wider erörtern. Auch Emotionen, nicht nur logisches Denken, spielen bei Entscheidungsprozessen eine große Rolle. Zudem spielen wir geistig nicht nur aktuelle Entscheidungen durch, sondern auch Entscheidungen in der Zukunft und malen uns mögliche Ergebnisse aus.

"Wer du bist ergibt sich aus den vielen Kämpfen um die Vorherrschaft, die in jedem Moment deines Lebens in deiner grauen Hirnmasse geführt werden." S. 113

Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Frage, wie die Menschen um uns herum unsere Hirnzellen beeinflussen und dass wir auf soziale Kontakte angewiesen sind. Offenbar sind wir darauf trainiert, uns immer in Gruppen aufzuhalten, da dies die Überlebenschancen aller in der Gruppe beträchtlich erhöht. Daraus folgt aber auch die Rivalität zwischen zwei Gruppen, die z. B. in Krieg oder Genozid gipfeln kann, denn ist die „andere“ Gruppe einmal entmenschlicht, greifen moralische Überlegungen nicht mehr.

Im letzten Kapitel geht es ein wenig in die Zukunft. Schon heute gibt es zahllose Hilfsmittel, die den Ausfall eines Sinnes substituieren, wie das Cochlea-Implantat, dass akustische Signale direkt auf den Hörnerv umleitet. Vielleicht werden eines Tages auch Techniken erfunden, die unser Wahrnehmungsspektrum vergrößern. Zudem befasst er sich mit der Sterblichkeit und dem Gedanken, nach dem Tod vielleicht doch noch Informationen aus dem Gehirn zu erhalten. Auch die Entwicklung von Robotern oder Künstlicher Intelligenz wird angesprochen.

Der Inhalt ist auf eine Art leicht beängstigend, denn er nimmt einem die Illusion, über die Befehlsgewalt in seinem Leben zu verfügen. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Wer steckt wirklich dahinter, wenn wir eine Entscheidung treffen? Treffen wir sie als Person, Individuum? Oder lenkt unser Gehirn im Unterbewusstsein den Weg, den wir wählen. Aber ist diese Unterscheidung überhaupt sinnvoll? Denn schließlich ist unser Gehirn mit seinen Abermillionen Zellen Teil unseres Körpers.
Es ist unglaublich, wie unser Gehirn arbeitet und wie viele Berechnungen es in jeder Sekunde anstellt, schon alleine in dem Moment, in dem ich das hier tippe.

Ich mochte seh, dass der Autor den Leser auf der persönlichen Ebene anspricht. Damit erreicht er, dass mir das Geschriebene näher geht und es fällt mir tatsächlich leichter, mich an den Inhalt zu erinnern.
Selten gehe ich auch auf die Gestaltung eines Buch ein, aber dieses hier gefällt mir optisch außerordentlich gut. Es bereitet mir immer wieder Vergnügen, durchgehend farbige Sachbücher zu lesen.

Das Buch hat mich sehr bewegt. Trotz unseres immensen Wissens, haben wir immer noch nicht herausgefunden, woher unser Ich-Gefühl (oder besser unsere Seele) kommt. Auch die letzten Geheimnisse hat unser Gehirn immer noch nicht preis gegeben. Das macht doch ziemlich demütig und nachdenklich.

Veröffentlicht am 02.08.2017

Ein schwieriges Thema, das immer noch totgeschwiegen wird

Tiefdruckgebiet
0

Myrthe führt ein perfektes Leben: Sie ist jung, gut aussehend, liebt ihren Job und führt eine glückliche Beziehung. Dass sie fast täglich an den Tod denkt, tut sie als unbedeutende Marotte ab – bis zu ...

Myrthe führt ein perfektes Leben: Sie ist jung, gut aussehend, liebt ihren Job und führt eine glückliche Beziehung. Dass sie fast täglich an den Tod denkt, tut sie als unbedeutende Marotte ab – bis zu dem Tag, an dem alles über ihr zusammenbricht und sie sich in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik wiederfindet. Frei von Pathos und doch bewegend und mit überraschend viel Humor holt Myrthe van der Meer das Thema Depression aus der Tabuzone: Sie beschreibt, wie sie sich allmählich in der Welt der Therapeuten, Pillen und Mitpatienten zurechtfindet, was sie in der Klinik über sich selbst erfährt und wie sie nach fünf Monaten hinter fast immer verschlossenen Türen den Schritt zurück ins Leben wagt ... Ein mitreißendes, ehrliches und aufklärendes Buch zu einer Krankheit, über die noch immer viel zu oft geschwiegen wird. (Klappentext)

Der nachfolgende Text kann Spoiler enthalten.

Ich habe jetzt eine Weile überlegt, ob ich dieses Buch rezensieren möchte oder nicht. Da es sich nicht um ein Rezensionsexemplar handelt, kann ich mir das ja aussuchen.
Vorweg möchte ich betonen, dass es sich bei dem Buch um keine Anleitung zum Umgang mit Depressionen handelt. Der Inhalt wird einem Betroffenen vermutlich nicht helfen, seine inneren Dämonen besser zu bekämpfen. Zumindest bei mir war das so. Es soll wohl ein Tatsachenbericht sein.

Und hier kommen wir zu dem ersten Punkt, der mir aufgefallen ist und mich ein wenig unruhig macht. Denn ich bin mir nicht sicher, ob die Beschreibung ihres Leidens wirklich so den Tatsachen entspricht, oder ob sie die Ursachen für ihre Depression nicht auch verfremdet hat. Somit ist das Buch für mich kein Tatsachenbericht mehr, er ist Fiktion. Ich finde das ein wenig irreführend und das enttäuscht mich. Warum ich so fühle? Im Buch hat sie zwei Brüder und eine Schwester, im Dankeswort erwähnt sie nur zwei Schwestern. Außerdem lobt man seine Eltern dort nicht in den Himmel, wenn sie im Buch Teil des Problems waren.

Verfremdung macht bei diesem Thema durchaus Sinn, schließlich möchte keiner, dass so intime Dinge über ihn Preis gegeben werden. Aber dann sollte das Buch auch nicht als Tatsachenbericht angepriesen werden.

Über den Inhalt zu urteilen ist schwer. Jemand, der mit Depression und Psychiatrien noch nie etwas zu tun gehabt hat, kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie das ist. Dieses Buch bietet einen Einblick, der sehr subjektiv ist. An einigen Stellen musste ich allerdings der Autorin zustimmen, wie z. B. wenn es um die vermeintliche „Entscheidungsfreiheit“ des Patienten geht. So etwas existiert nämlich nicht. Entscheidet man sich gegen ein Medikament oder eine Behandlung, wird man gleich als „hoffnungsloser Fall“ abgestempelt und bekommt im schlimmsten Fall überhaupt keine Hilfe mehr. Hier spreche ich aus persönlicher Erfahrung.

Trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und war im Nu ausgelesen. Teilweise schwingt auch ein feiner Humor mit, der vermutlich doch ziemlich schwarz ist, aber es ist einer der vielen Wege um mit seiner Depression um zugehen.

Trotz des schwierigen und dunklen Themas liest sich das Buch doch sehr gut und flüssig. Es hat mich auf jeden Fall gut unterhalten.