Wir sind Premierminister
Lady ChurchillClementine Hozier heiratet Winston Churchill im Jahre 1908 und bleibt an seiner Seite bis zu seinem Tod im Jahre 1965. In diesem Buch werden nur die gemeinsamen Jahre bis zum Ende des 2. Weltkriegs beleuchtet. ...
Clementine Hozier heiratet Winston Churchill im Jahre 1908 und bleibt an seiner Seite bis zu seinem Tod im Jahre 1965. In diesem Buch werden nur die gemeinsamen Jahre bis zum Ende des 2. Weltkriegs beleuchtet. Beide Ehepartner haben in ihrer Kindheit keine elterliche Geborgenheit erlebt und sind verbunden durch ein starkes Interesse an Politik. Wir lesen in diesem Buch, wie intensiv Clemmie an Winstons Karriere arbeitet, die sie vielleicht gern selbst durchlaufen hätte, wenn die Gleichstellung der Frau damals schon diese Möglichkeit geboten hätte, aber man kämpfte damals sogar noch um das Wahlrecht.
Wieder einmal hat Marie Benedict beeindruckende Recherchen betrieben, die den historischen Hintergrund ausleuchten und den Politiker Winston Churchill abbilden, wie er mir bisher nicht bekannt war. Dies hat mir schon bei 'Frau Einstein' sehr gut gefallen, und auch dieses Buch bietet wieder zahlreiche Details, die einen Gesamteindruck des Lebens des Ehepaares Churchill formen. In erster Linie geht es natürlich um Clementine.
Mir ist die Protagonistin weitgehend nicht sympathisch, obwohl sie emanzipiert und gebildet ist, sich für die Frauenrechte auch offiziell einsetzt und besonders während der Kriege karitativ in Erscheinung trat. Da ist zunächst ihr Mutterbild, das mich entsetzt hat, denn sie kann zu ihren Kindern jahrelang kein wirklich emotionales Verhältnis aufbauen, sondern überlässt dies Nannys und einer Gouvernante. Sie unternimmt lange Reisen, meist dienstlich und mit Winston, und wundert sich über das fremdelnde Verhalten ihrer Kinder bei ihrer Rückkehr. Verwunderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass sie ihren Ehemann intensiv bemuttert, er führt ein regelrechtes Luxusleben an der Front.
Befremdlich finde ich, dass sie nicht bereit ist, Schwächen einzugestehen, auch gesundheitliche, aus Angst, dass Winston sie dann nicht mehr als Beraterin akzeptiert. Ist das wirklich Vertrauen? Sie setzt ihre eigene Lebensentfaltung zurück und setzt ihre ganze Energie ein, um Winston zu lenken und zu unterstützen. In meinen Augen ist sie machthungrig und hält sich für unverzichtbar, was die Karriere ihres Mannes angeht (..."ohne mich wäre mein Mann nicht zu dem Winston geworden, der maßgeblich dazu beitrug, dieser kaputten Welt den Frieden zu bringen"). Man hat das Gefühl, dass sie alles überwacht und nach ihren Wünschen beeinflusst. Dies lässt natürlich ein schwaches Ego bei Mr Churchill aufblitzen, der sich manipulieren lässt und ohne die Unterstützung seiner Clemmie nicht viel erreicht. Natürlich weiß man nicht, wie groß der Anteil an Fiktion in diesem Roman ist und ob die Realität nicht anders aussah.
Der Schreibstil ist ansprechend und reich an Details. Ich hatte eine gute Lesezeit und habe viel über Clementines Rolle nachgedacht. Schade, dass die Paarbeziehung nicht bis zu Winstons Tod beschrieben wird. Auf jeden Fall habe ich mein historisches Wissen erweitert, was zwar mit ein paar langatmigen Kriegsbeschreibungen verbunden war, mich aber nicht weiter gestört hat. Ich halte das Buch für sehr lesenswert!