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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.04.2019

Faszinierende Blicke in die Abgründe einer galizischen Adelsfamilie

ALLES WAS ICH DIR GEBEN WILL
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Dieses Buch hat mich total gefesselt, trotz der 600 Seiten wurde es nie langweilig. Ich hatte einen interessanten Roman erwartet, aber Spannung pur erwartete mich mit allem, was man sich von einem guten ...

Dieses Buch hat mich total gefesselt, trotz der 600 Seiten wurde es nie langweilig. Ich hatte einen interessanten Roman erwartet, aber Spannung pur erwartete mich mit allem, was man sich von einem guten Krimi/Thriller erhofft.
Inhaltlich geht es um einen vorerst unerklärlichen Unfall. Manuel Ortigosa erhält die Nachricht, dass sein Mann tödlich verunglückt ist, allerdings nicht dort, wo er ihn auf Geschäftsreise vermutet hatte, sondern in Galizien. Manuel erfährt schmerzhaft, dass sein Mann ein Doppelleben geführt hat, das ihm unbekannt war und das auch so manche Gefahren heraufbeschworen hat. War der Autounfall wirklich durch Müdigkeit bedingt, oder war es sogar ein Mord? Gemeinsam mit einem gerade pensionierten Kommissar und einem Priester versucht er, Klarheit zu bekommen, denn er befindet sich in einem Zustand, in dem er noch nicht einmal trauern kann, weil sein Partner ihm plötzlich so fremd erscheint.
Der Leser erhält Einblicke in die Strukturen der alten spanischen Adelsfamilien, deren Ziel es ist, ihr Ansehen zu wahren, koste es, was es wolle. Eine gefühlsarme Welt, voller Intrigen und voller Lug und Trug, sicher auch heute noch aktuell...Der immense Standesdünkel unterdrückt echte Gefühle.
Der Erzählstil der Autorin ist literarisch spannend und beschreibt einen Plot, der allmählich erweitert wird, an Verwicklungen zunimmt und beim Leser unwillkürlich Mutmaßungen auslöst, wer der Täter sein könnte. Immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen, die ein Gedanken-Update erfordern. Mir hat es großen Spaß gemacht, die neuen Informationen mit einzubringen und erneut zu spekulieren. Auch die Auflösung ist perfekt und logisch durchdacht, trotzdem überraschend. Es bleiben keine wichtigen Fragen offen, alles klärt sich lückenlos.
Das Buch liest sich flüssig und angenehm, man fühlt sich durch die facettenreichen und lebendigen Beschreibungen nach Galizien versetzt. Auch die Protagonisten werden anschaulich geschildert und man fühlt sich in ihrer Welt. Am besten gefällt mir Manuel, dessen Gefühlsschwankungen, seine Wut, seine Angst, sein Misstrauen, überhaupt sein Seelenleben vortrefflich beschrieben werden.
Die Lektüre dieses Buches war ein einzigartiges Erlebnis, es erhält die volle Sternenzahl und ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus.

Veröffentlicht am 15.04.2019

Eiskalte Morde im frostigen Kopenhagen

Blutmond
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Es fängt direkt sehr spannend an, als eine bekannte Größe der Modebranche in einem Park zusammenbricht und stirbt. Zunächst hält man ihn für sturzbetrunken, aber dann stellt sich heraus, dass man ihm Abflussreiniger ...

Es fängt direkt sehr spannend an, als eine bekannte Größe der Modebranche in einem Park zusammenbricht und stirbt. Zunächst hält man ihn für sturzbetrunken, aber dann stellt sich heraus, dass man ihm Abflussreiniger zu trinken gab, der ihn innerlich verätzt hat. Der Hass auf den Modedesigner muss groß sein, aber warum? Wenige Tage später erfolgt ein ähnlicher Mord auf einem Modemeeting. Jeppe und Anette ermitteln und stehen zunächst vor einem großen Rätsel. Sorgen macht sich Jeppe, weil offensichtlich sein guter Freund Johannes in die Sache irgendwie verwickelt ist und auch nicht bereit ist, mit der Polizei zu kooperieren. Das Motiv ist völlig unklar, und auch die gewollte Grausamkeit der Morde ist zunächst nicht zu erklären. Schließlich hat Esther de Laurenti, die als Rentnerin Kriminalromane schreiben möchte und deshalb ein waches Auge auf aktuelle Fälle hat, eine Idee, wie die Fälle zusammenhängen könnten....
Dieser packende Thriller lebt nicht vom Blutvergießen, sondern von der Verfolgung zahlreicher Spuren, die teilweise im Nichts verlaufen oder zumindest vorerst so ausschauen, die menschliche Abgründe aufzeigen, die auch mal Irrwege sind, die aber letztendlich zur Aufklärung führen. Mich hat das Geschehen sehr gut unterhalten und derart gefesselt, dass ich mir auch in Lesepausen Gedanken dazu gemacht habe. Im letzten Drittel stieg die Spannung so an, dass ich meine Leselust kaum bremsen konnte. Ein herrliches Buch! Ich werde mir den Vorgänger 'Krokodilwächter' mit denselben Ermittlern unbedingt auch zulegen. Hierzu ist zu sagen, dass man diesen 2.Band aber auch ohne Kenntnis des Vorgängers gut lesen kann.
Alles an diesem Thriller ist nachvollziehbar, ein authentisches Gebilde von Verstrickungen, Verdächtigungen und schließlich der Auflösung. Auch die Protagonisten sind authentisch beschrieben, allen voran die Ermittler Jeppe und Anette, aber auch ihre 'Assistentin' Esther. Sie haben alle ihre Macken, ihre menschlichen Fehler und wirken somit wie gute Bekannte. Wir erfahren auch einiges aus dem Privatleben der Ermittler, jedoch nicht übertrieben viel und vor allem keine zuckersüßen Love-Stories zwischen den Ermittlern, die für mich in Krimis ein Störfaktor sind.
Zunächst dachte ich, dass ich mich mit dem Setting 'Modebranche' nicht anfreunden könnte, aber es bleibt eher im Hintergrund und spielt nur eine sekundäre Rolle, was mir persönlich gefallen hat. Aber auch diese Szenerie wird von Katerine Engberg überzeugend dargestellt mit all ihrer Oberflächlichkeit und ihrem Verlogensein.
Alles in allem kann ich diesen Thriller nur empfehlen, denn er hat alles, was man als Krimifan erwartet, vor allen Dingen die Möglichkeit, im Stillen an der Ermittlertätigkeit teilzuhaben.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Guter Ruf zu verlieren

Dünengeister
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Das Buch startet schaurig, denn es geht um Menschenhandel, aber nicht in der aktuellen Zeit, sondern vor vielen Jahren, als gestrandete Schiffe auf Leichen durchsucht wurden, um diese an Wissenschaftler ...

Das Buch startet schaurig, denn es geht um Menschenhandel, aber nicht in der aktuellen Zeit, sondern vor vielen Jahren, als gestrandete Schiffe auf Leichen durchsucht wurden, um diese an Wissenschaftler zu verkaufen. Auch die angesehene Sylter Familie Melander lebte gut von diesem Geschäft. Viele Jahre später werden auf dem Grundstück dieser reichen Familie zwei Leichen gefunden, verbuddelt unter einer Düne, eine Frau und ein Kind. Beide starben bereits vor langer Zeit. Nur wenig später werden zwei Mitglieder des Melander Clans in dem altehrwürdigen Haus auf diesem Dünengrundstück tot aufgefunden, eine junge Mutter und ihr Kind. Kommissar Benthien fängt trotz Urlaub mit den Ermittlungen an, denn er glaubt nicht an einen Zufall.
Wir lernen Adeline kennen, die 'Chefin' der großen Familie, sie wirkt auf den ersten Blick sympathisch, da sie sich um alle kümmert und die Familie zusammen hält, auf der anderen Seite verliert sie aber auch an Sympathie, weil sie äußerst dominant ist und sich in alles einmischt. Ebenso werden die anderen Mitglieder der Melander-Sippe sehr ausführlich beschrieben mit all ihren Schwächen und Vorzügen.
Die Autorin hält die Spannung bis zum Ende aufrecht, denn erst da wird der Mörder entlarvt. Nina Ohlandt legt viele falsche Fährten aus, die das Buch interessant machen und zum Mitforschen anregen. Teilweise ist man so ratlos wie die Ermittler selber in diesem Labyrinth von Möglichkeiten, weil man wieder umdenken muss. Die verschiedenen Handlungsstränge verweben sich zusehends miteinander und bieten schließlich eine überraschende Auflösung. Das Ende ist in Agatha-Christie ähnlicher Weise gestaltet, alle werden zusammengerufen und langsam schält sich die Wahrheit heraus.
Nina Ohlandt beweist mit diesem Buch, dass Krimis nicht brutal gestaltet sein müssen, um zu unterhalten. Es geht auch ohne brutale Kampfszenen oder blutige Meuchelmorde.
Was mir nicht gefällt, ist die intensive Schilderung des Privatlebens der Kommissare, denn dadurch kommt es stellenweise zu unnötigen Längen. Benthien und Lilly sind ein Paar, und ständig findet man Hinweise darauf: ein Lächeln, eine zufällige Berührung, Erlebnisse am Strand usw. Mir ist es auch egal, was die beiden essen, welche Kleidung sie tragen oder wie sie die heißen Sommertage gestalten. Ein wenig Privates ist ja ok, aber hier finde ich es etwas übertrieben.
Insgesamt empfinde ich das Konstrukt aus Verdachtsmomenten, Fährtenlegung und Irreführung als gut durchdacht und nachvollziehbar, und auch die abschließende Auflösung in großer Runde ist beeindruckend und authentisch. Es hat Spaß gemacht, bei den Ermittlungen mitzurätseln. Ein Muss für alle Freunde von Soft-Krimis!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Geschichte
  • Figuren
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 31.03.2019

Versuch einer Aufarbeitung der eigenen Persönlichkeit

Frau im Dunkeln
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In diesem Roman geht es um Leda, die allein in einem italienischen Badeort Urlaub macht. Sie hat ihr Leben bislang gut gemeistert, so scheint es. Sie lehrt an einer Universität und hat zwei erwachsene ...

In diesem Roman geht es um Leda, die allein in einem italienischen Badeort Urlaub macht. Sie hat ihr Leben bislang gut gemeistert, so scheint es. Sie lehrt an einer Universität und hat zwei erwachsene Töchter. Sie hat sich aus ihrer Ehe befreit, als die Enge der Familie ihr zu sehr zusetzte. Somit tritt sie selbstbewusst und emanzipiert auf.
Am Strand fällt ihr eine neapolitanische Familie auf, und sie beginnt deren soziale Beziehungen zu studieren. Da es sich um einen Familienclan handelt, gibt es einiges zu beobachten. Besonders eine junge Frau und ihre kleine Tochter wecken Ledas Interesse. Zunächst ist sie den beiden wohlgesonnen, beobachtet die Probleme in der Mutter-Kind-Beziehung und fühlt sich an eigene Erlebnisse mit ihren Kindern in der Vergangenheit erinnert. Jedoch entwickelt sich die Sympathie bald zu Neid, denn sie beobachtet ein sehr intensives Verhältnis zwischen Mutter und Kind, das sie nie zu ihren Töchtern hatte und vielleicht auch nie haben wollte. Sie erinnert sich an Erlebnisse mit ihren Töchtern, die keineswegs harmonisch waren, und ist so frustriert, dass sie aus niederen Beweggründen etwas sehr Gemeines macht, das für die neapolitanische Familie ein Drama bedeutet.
Das Buch zeigt uns die Zerrissenheit einer Frau, die gleichzeitig eine Familie betreut und Karriere machen möchte. Sie ist hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihren Kindern sowie dem Wunsch, sich ihnen zu widmen, und auf der anderen Seite dem Streben nach Selbstverwirklichung im Beruf, aber auch im Privatleben. Die Situationen, an die Leda sich erinnert, sind für mich sehr authentisch und haben mich an so manches in meinem eigenen Leben erinnert. Ich bekam dadurch viele Impulse zur Reflektion.
Sie beobachtet die junge Mutter am Strand und ihr warmherziges und vertrauensvolles Spiel mit ihrer kleinen Tochter. Für Leda entwickelt sich die bittere Erkenntnis, dass sie ihren Töchtern keine liebevolle Mutter war. Und noch etwas erkennt sie: dass auch sie selbst als Kind nicht in Geborgenheit aufwuchs. Kann nur ein Mensch, der in Liebe und Zuwendung aufwuchs, diese auch später weitergeben? Dies sind grundsätzliche Fragen, auf die es vermutlich keine klaren Antworten gibt.
Leda ist sicher keine sympathische Protagonistin, denn sie hat deutlich wahrnehmbare Charakterschwächen, aber diese Schwächen sind sehr authentisch beschrieben, und in der einen oder anderen Schwäche kann sich sicherlich jeder wiedererkennen.
Der Schreibstil der Autorin hat mich sehr beeindruckt, denn sie bleibt nicht an der Oberfläche, sondern beleuchtet bis in tiefste emotionale Schichten die Persönlichkeit dieser auf den ersten Blick perfekten Frau. Es ist sicher nicht mein letztes Buch von Frau Ferrante.
Das Cover hätte etwas mehr abgestimmt werden können, so dass das Bild der Dominanz des Familienclans am Strand besser abgebildet würde, aber das ist nur eine Kleinigkeit. Insgesamt hat mich das Buch sehr beeindruckt, mich zum Nachdenken angeregt und bleibende Gefühle hinterlassen. Eine eindeutige Empfehlung für Leser mit Vorliebe für tiefgründige Literatur.

Veröffentlicht am 17.03.2019

Liebe zwischen Utopie und Wirklichkeit

Die Liebe im Ernstfall
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Was für ein Buch! Es hat mich fasziniert und gefesselt, es war stets eine Freude weiter zu lesen. Und es tat mir Leid, Abschied nehmen zu müssen, gern hätte ich weiter am Leben der Frauen teilgenommen.
Wieso ...

Was für ein Buch! Es hat mich fasziniert und gefesselt, es war stets eine Freude weiter zu lesen. Und es tat mir Leid, Abschied nehmen zu müssen, gern hätte ich weiter am Leben der Frauen teilgenommen.
Wieso hat mich dieses Buch so in seinen Bann gezogen? Es handelt sich nicht um einen Roman, der eine fiktive Geschichte erzählt, sondern um die Einzelschicksale von fünf Frauen, die aus dem Leben gegriffen sind und deshalb sehr authentisch rüberkommen. Ich habe mich selber in der ein oder anderen Situation oder Reaktion wieder erkannt.
Die Frauen kennen sich untereinander, unterschiedlich intensiv, die einen sind Freundinnen, die anderen Schwestern oder man kennt sich nur berufsbedingt. Auf sensationelle Weise schafft es die Autorin die Schicksale dieser fünf Frauen in Verbindung zu bringen.
Alle fünf versuchen, eine glückliche Liebesbeziehung nach ihren Wünschen aufzubauen, aber alle fünf scheitern damit. Irgendwann nehmen die Zugeständnisse bzw. die Anpassung an den Partner soviel Raum ein, dass die Luft zum Atmen fehlt und die Beziehung zerbricht. Es bleibt kein Raum oder keine Akzeptanz für die eigene Freiheit, die eigene Selbstverwirklichung. Oder es ist wie bei Judith, die so hohe Ansprüche an eine Beziehung stellt, dass sie einfach keinen geeigneten Lebenspartner findet. Hier fragt man sich, ob ein wenig Kompromissbereitschaft nicht das Streben nach absoluter Freiheit ersetzen sollte.
Der Absprung aus den gewohnten Verhaltensmustern in die Ungewissheit sieht leicht aus, aber wie gelingt die Umsetzung? Hier habe ich das Buchcover vor Augen...
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und kurzweilig, man nimmt teil an den beschriebenen Gefühlen und Erwartungen. Die Sätze sind meist kurz, aber gehaltvoll und wechseln in der Zeit, was irgendwie eine Art von Unbeständigkeit ausdrückt, passend zum Auf und Ab der hier geschilderten Lebensweisen.
Es handelt sich hier um ein Buch, das ich gerne weiter empfehle, denn es hat mich im Inneren berührt und mich zum Nachdenken gebracht. Auch über das Lesen hinaus war ich mit der jeweiligen Problematik beschäftigt. Und auf der anderen Seite ist es auch ein Mut machendes Buch, denn keine der Frauen lässt sich letztendlich von fatalen Situationen unterkriegen, sondern es findet sich immer ein Ausweg.....Und ich denke, dass dies die Botschaft dieses Buches ist: Lass dich nicht von schlimmen Lebenserfahrungen beugen, es geht weiter, auch wenn du vielleicht ein paar Abstriche von deinen Idealvorstellungen akzeptieren musst.