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Tamagotchi

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.09.2018

Das Ende der Leichtigkeit

Summer
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Ein abwechslungsreiches Leben in einer prachtvollen Villa am Genfer See, viele Feste, viele Freunde, viele Aktivitäten am und im Wasser, ein beruflich erfolgreicher Vater, eine schöne Mutter, eine hinreißende ...

Ein abwechslungsreiches Leben in einer prachtvollen Villa am Genfer See, viele Feste, viele Freunde, viele Aktivitäten am und im Wasser, ein beruflich erfolgreicher Vater, eine schöne Mutter, eine hinreißende Schwester von 19 Jahren - das alles sind Attribute, die Benjamins Leben beschreiben könnten, bevor ein schwerer Schicksalsschlag alles auf den Kopf stellt. Seine von ihm verehrte und bewunderte Schwester Summer verschwindet spurlos und beendet das sorglose und oberflächliche Leben der ganzen Familie.
Monica Sabolo beschreibt in ihrem Roman die verzweifelten Versuche Benjamins, wieder Klarheit in seine Welt zu bringen, denn alle seine Gedanken drehen sich nur um Summers Verschwinden. Wo könnte sie sein? Warum ist sie gegangen? Lebt sie noch? Ist sie entführt worden? In dieser kritischen Zeit lebt Benjamin teilweise in einer grausamen Fantasiewelt, die aus glitschigen Fischen, Algen, tödlichen Wellen und saugenden Wasserpflanzen besteht. Mit Hilfe dieser Metaphern schafft die Autorin eine düstere und bedrohliche Atmosphäre, die Benjamins Trauma umgibt.
Der Schreibstil gefällt mir sehr gut, er ist bildhaft, abwechslungsreich und sehr präzise. Die langen Satzverschachtelungen passen wunderbar zu der verfahrenen Situation. Ich mag solche Sätze, auch wenn ich ab und an das Geschriebene zweimal lesen muss.
Der Spannungsaufbau geschieht direkt von Anfang an, wird aber in der Mitte des Buches leider weniger, z.B. durch die langatmigen Sitzungen bei Benjamins Therapeuten oder die ständig wiederkehrenden Furchtmetaphern, die auf Dauer langweilen. Das ist schade, aber gegen Ende nimmt die Spannung wieder zu und gipfelt in einem überraschenden Ende.
Dieses Buch handelt von dem spurlosen Verschwinden eines jungen Mädchens, aber es ist in erster Linie kein Krimi, auch kein Psychokrimi, sondern eher eine Auseinandersetzung mit Benjamins stark strapazierter Gefühlswelt und seiner Sehnsüchte, bis es ihm schließlich gelingt, seinen traumatisierenden Erfahrungen zu entkommen.
Das Buch ist eine empfehlenswerte, aber keinesfalls leichte Lektüre. Sie wirkt noch nach und macht nachdenklich.

Veröffentlicht am 01.09.2018

Fremdbestimmung vs. Selbstbestimmung

Die Hochhausspringerin
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In dieser Dystopie geht es um die existentiellen Probleme, die ein extrem fremdbestimmtes Leben mit sich bringen kann.
Julia von Lucadou macht uns bekannt mit Riva Karnovsky, einer Hochhausspringerin, ...

In dieser Dystopie geht es um die existentiellen Probleme, die ein extrem fremdbestimmtes Leben mit sich bringen kann.
Julia von Lucadou macht uns bekannt mit Riva Karnovsky, einer Hochhausspringerin, sehr beliebt und perfekt in ihrer attraktiven Rolle, die sich aber plötzlich aus diesem glamourösen Leben zurückzieht und in Lethargie verfällt. Dann ist da noch Hitomi Yoshida, die für Psy-Solutions arbeitet und durch geeignete Maßnahmen Riva reanimieren soll, damit sie sich wieder dem Highrise Diving zuwendet. Diese Maßnahmen bestehen in erster Linie aus minutiöser Überwachung, die Gründe für den Rückzug herausfinden und geeignete Therapiemöglichkeiten bieten soll.
Schnell wird deutlich, dass in dieser neuen Welt jeder permanent überwacht wird, bis in die Intimsphäre hinein, um die bestmögliche Optimierung der einzelnen Individuen zu gewährleisten, denn nur dann kann die Gesellschaft funktionieren. So wird auch Hitomi immer mehr bewußt, dass auch ihr Leben komplett fremdbestimmt ist, und wenn sie nicht funktioniert wie gewünscht, erfolgt der gesellschaftliche Abstieg, bis hinaus in die Peripherien, wo die Menschen bei ihren Biofamilien selbstbestimmt leben, aber eben nicht vollkommen sind.
Mir scheint es, als gehe es darum, sich zu entscheiden. Was möchte ich, Ruhm und Anerkennung, wobei ich mich dann aber in totale Fremdbestimmung begebe und mich anpasse, quasi meine eigene Persönlichkeit aufgebe. Oder möchte ich ein Individuum bleiben, selbstbestimmt, aber ohne Rückendeckung durch die Gesellschaft?
Offensichtlich ist Riva es leid, vom System vermarktet zu werden und im goldenen Käfig zu leben. Hitomi hingegen schätzt ein solches Leben, merkt aber sehr schnell, wie schwierig es ist, den gesellschaftlichen Ansprüchen dieser neuen Welt zu genügen.
Ein Sympathieträger ist keiner der Protagonisten, denn Hitomi missfällt mir durch ihren Ja-Sager Status, während ich über Rivas Beweggründe wenig erfahre, da der Roman aus Hitomis Sicht geschrieben ist. Ich denke aber, dass Rivas Aufbegehren ihr Wesen aufwertet.
Die Grundidee der Autorin ist lobenswert und in der heutigen Zeit keine reine Utopie mehr. Allerdings muss ich sagen, dass sich in der Umsetzung eine gewisse Langatmigkeit deutlich macht, denn es passiert einfach seitenweise nichts wirklich Neues, auf der einen Seite ständige Lethargie und auf der anderen permanente Überwachung. Besonders im Mittelteil war die Motivation zum Weiterlesen sehr niedrig. Zum Ende hin kam dann wieder deutlich mehr Spannung auf, denn Rivas und Hitomis weiterer Lebensweg wurde aufgezeigt.
Auf jeden Fall bringt einen die Geschichte um Riva und Hitomi zum Nachdenken. Wie ist unsere Rolle in der Gesellschaft und möchten wir daran etwas ändern?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Atmosphäre
  • Idee
Veröffentlicht am 25.08.2018

Irreführend und voller Überraschungen

Vier.Zwei.Eins.
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Wem kann man wirklich trauen, und ist dein Freund nicht in Wirklichkeit dein Feind?
Diese Frage stellt man sich, wenn man dieses spannende Buch beendet hat. Von Erin Kelly als Roman eingestuft, hat es ...

Wem kann man wirklich trauen, und ist dein Freund nicht in Wirklichkeit dein Feind?
Diese Frage stellt man sich, wenn man dieses spannende Buch beendet hat. Von Erin Kelly als Roman eingestuft, hat es doch auch viele Elemente eines Kriminalromans. Und die Spannung ist während der gesamten Lektüre vorhanden, ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt.
Allein schon das Hobby der Hauptprotagonisten fand ich sehr interessant und war für mich informativ. Besessen vom Phänomen der Sonnenfinsternis, fährt man zu Orten, um gemeinsam mit anderen diese magischen Momente zu erleben. Während einer totalen Sonnenfinsternis in Cornwall kommt es zu einem brutalen Verbrechen, dessen Folgen noch lange nachwirken und das Leben der Hauptakteure umkrempeln.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und zeichnet ein gutes Bild der jeweiligen Situation. Obwohl streckenweise nichts Schlimmes passiert, liegt immer eine Art Bedrohung im Hintergrund, weshalb man das Buch nicht gut beiseite legen kann. Es fesselt den Leser.
Erin Kelly versteht es von Anfang an Spannung aufzubauen, zunächst ist es nur die Neugier des Lesers, der unbedingt wissen möchte, was damals passiert ist. Dann folgen mysteriöse Hinweise und warnende Anmerkungen, die darauf schließen lassen, dass nach der damaligen Vergewaltigung noch viel Unheil heraufbeschworen wurde. Der ständige Wechsel zwischen zwei Zeitebenen, damals und heute (dazwischen liegen ca. 15 Jahre), deutet bereits an, dass die Sache noch nicht abgeschlossen ist. Die einzelnen Verstrickungen sind authentisch, durchaus nachvollziehbar, wenn auch teilweise überraschend. Und damit kommt zu der Spannung noch eine gehörige Portion Entsetzen, wie hinterhältig Menschen agieren können....
Mein Lieblingscharakter ist Laura, sie ist eine Helfernatur und äußerst tatkräftig, wenn jemand in Not ist. Sie scheut sich nicht, auch der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Das wird leider auch teilweise ausgenutzt. Ich habe viel Mitleid für sie empfunden.
Kit ist für mich eine eher schwache Persönlichkeit, der sich an anderen orientiert und auf egoistische Weise seinen Vorteil sucht, auch wenn es anderen schadet.
Beth ist für mich undurchschaubar, kann man ihr vertrauen oder eher nicht?
Für mich ist das Buch ohne Frage fünf Sterne wert. Es hat mich noch beschäftigt, als die Lektüre schon abgeschlossen war, irgendwie war ich fassungslos, wie bösartig Menschen agieren können unter dem Deckmantel, nur Gutes bewirken zu wollen. Aber trotzdem ist das Vorgefallene authentisch, nicht aus den Sternen gegriffen.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre!!!

Veröffentlicht am 31.07.2018

Und jeder kämpft für sich allein

Kampfsterne
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Was für ein herrliches Buch....ich habe es schnell und gern gelesen und als jemand, der die 80er intensiv erlebt hat, so manche Parallele entdeckt. So waren sie weitgehend, diese 80er, kein wirklicher ...

Was für ein herrliches Buch....ich habe es schnell und gern gelesen und als jemand, der die 80er intensiv erlebt hat, so manche Parallele entdeckt. So waren sie weitgehend, diese 80er, kein wirklicher Befreiungsschlag, sondern ein Vortäuschen von Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung. Nebenbei enthält das Buch aber auch lustige Szenen bzw. Anmerkungen, ich hatte manches Mal ein Grinsen auf den Lippen.
Das Buch beschreibt Bewohner einer Siedlung, junge Familien mit Kindern, gut situiert, die ihren Kindern alle Türen öffnen möchten und dabei die Realität aus den Augen verlieren. Dabei lebt jeder einzelne auf seinem 'Stern' und bekämpft die anderen auf irgendeine Weise, schön dargestellt durch die kleinen Parzellen, die das Cover zieren.
Man wetteifert um die Begabung der Kinder, die Freundschaften der Kinder, das Ausschmücken des Eigenheims, die Gestaltung des Gartens und natürlich um den Grad der Emanzipation. Letztere zeigt sich meist aber nur darin, dass man z.B. Simone de Beauvoir oder Alice Schwarzer gelesen hat, dass man fantasiefördernde Kunstkurse besucht oder sich von den Kindern mit Vornamen anreden lässt, aber dies alles ziert nur das äußere Erscheinungsbild, denn in der Realität sieht es ganz anders aus. Denn da lässt sich die Architektin familiäre Gewalt gefallen, da wird über die Untreue des Ehemannes spekuliert, ohne ein klärendes Gespräch zu führen, da werden Kinder zu Prestigeobjekten, anstatt ihnen die ersehnte Nestwärme zu geben usw. Eine Pseudoemanzipation, die durch das äußere Erscheinungsbild der Familie über die innere Unzufriedenheit und Frustration hinwegtäuschen soll.
Ich denke aber, dass die Kinder peu à peu diese Missstände durchschauen und es in der folgenden Generation besser gemacht haben...(???)
Das Buch ist abwechslungsreich geschrieben, in ständigem Perspektivwechsel, was die Schnelllebigkeit der 80er symbolisiert. Außerdem kommt so nie Langeweile auf, obwohl nicht wirklich viel passiert. Aber selbst als etwas wirklich Schlimmes passiert, verharrt man in Schockstarre, um die äußerliche Harmonie nicht zu stören!
Ich möchte hier eine klare Lesempfehlung aussprechen, denn das Buch spiegelt diese Zeit vortrefflich wieder mit ihren Errungenschaften, aber auch mit ihrem Versagen. Ein schöner Rückblick auf diese Zeit!

Veröffentlicht am 26.07.2018

Tödliches Klassentreffen

Nichts ist verziehen
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Wer kennt sie nicht, diese Einladungen zu Klassentreffen, nach vielen Jahren, in denen man getrennte Wege ging? Soll ich hingehen, soll ich nicht hingehen? Bereits durch die Leseprobe fühlte ich mich in ...

Wer kennt sie nicht, diese Einladungen zu Klassentreffen, nach vielen Jahren, in denen man getrennte Wege ging? Soll ich hingehen, soll ich nicht hingehen? Bereits durch die Leseprobe fühlte ich mich in diese Situation hineinversetzt, ich konnte mit Magdalena mitempfinden, die im Zwiespalt steckt: wofür entscheide ich mich, für das Klassentreffen oder für meine Familie, die im Moment nicht viel Zeit miteinander verbringen kann. Auf Drängen ihres Partners entscheidet sie sich für das Treffen, das dann mit einem brutalen Mord endet.
In den ersten zwei Dritteln des Buches lernen wir die einstigen Klassenkameraden näher kennen und erfahren sehr viel über die Klassenstrukturen, die damals bestanden und die für einige Schüler sehr negative Auswirkungen hatten. Stichwort Mobbing bzw. Bullying, wenn man es als Steigerung des Mobbing versteht!
Es passiert nicht viel, aber trotzdem sind diese Seiten voller Spannung, die sich immer stärker aufbaut. Deshalb würde ich das Buch eher als Psychothriller bezeichnen, und zwar ein sehr gelungener. Denn man kann miträseln, die Motive für den Mord herauskristallisieren und Opferstudien betreiben. Dieser Überblick über die sozialen Strukturen, früher und heute, ist der Autorin sehr gut gelungen. Sie schreibt mit häufigem Perspektivwechsel und arbeitet Rückblicke ein, die die Story noch mysteriöser erscheinen lassen. Und dies alles ohne fürchterliches Blutvergießen!
Was mir allerdings nicht so gut gefällt, sind die vielen Nebenschauplätze, die mit der Story nichts zu tun haben, aber viele Seiten füllen, z.B. der unerfüllte Kinderwunsch eines Polizisten oder Brände im Asylantenheim. Es ist in Ordnung, die Ermittler auch privat kennenzulernen, aber hier ist das ein wenig viel.
Was mich am meisten enttäuscht hat, ist jedoch das Ende, denn es gab zu viele falsche Fährten und alles Miträtseln war vergebens. Auch gibt es am Schluss Action-Szenen, die nicht zum Buch passen. Die Motive fürs Morden hätten in meinen Augen überzeugender dargestellt werden müssen, so bleiben am Ende viele Fragen offen...da hat es sich die Autorin ziemlich leicht gemacht.
Fazit: nicht bedingungslos zu empfehlen, da durchaus Schwachstellen vorhanden sind.

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