Profilbild von Tamagotchi

Tamagotchi

Lesejury Star
offline

Tamagotchi ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Tamagotchi über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.03.2023

Dorfgemeinschaft

Dschomba
0

Was geschieht in einer seit Jahren eingeschworenen Dorfgemeinschaft, wenn plötzlich ein Fremder auftaucht? Die Autorin geht dieser Frage nach und begibt sich auf Spurensuche in dem Ort, in dem sie aufgewachsen ...

Was geschieht in einer seit Jahren eingeschworenen Dorfgemeinschaft, wenn plötzlich ein Fremder auftaucht? Die Autorin geht dieser Frage nach und begibt sich auf Spurensuche in dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, in Eferding.
Dort taucht eines Tages der Serbe Dzomba auf und verhält sich zunächst sehr auffällig, indem er auf dem Friedhof tanzt. Sofort nimmt die Gerüchteküche ihren Lauf, und jeder tut etwas hinzu. Aber was will der Fremde wirklich? Die Leute spielen ihre Rollen, dem Eindringling wird Neugier, Interesse und gleichzeitig Abwehr entgegengebracht.
Doch schrittweise gelingt es Dzomba mit seiner hilfreichen und direkten Art die Sympathie von immer mehr Bewohnern zu gewinnen. Es ist interessant zu lesen, wie das dynamische Miteinander im Dorf so einiges in Bewegung setzt.
Viele verlorene Seelen werden offensichtlich, die einander unterstützen und dadurch das Schicksal mildern.
Gewöhnungsbedürftig ist zunächst der Schreibstil, der mit unvollständigen Sätzen, ungewöhnlicher Wortstellung und Bruchstücken von Sätzen aufwartet. Manchmal sind es nur einzelne Wörter. Anfangs kam ich nur langsam im Buch weiter, und meine Beschäftigung mit der Sprache hat mir die Sicht auf den Inhalt vernebelt. Aber je mehr ich mich eingelesen habe, desto klarer wurden mir die Situation und die Zusammenhänge. Auch konnte ich dann flüssiger lesen.
Das Cover ist sehr minimalistisch gestaltet und fällt dadurch auf. In gewisser Weise überträgt sich dieser Stil auch auf die Sprache, die prägnant und bedeutungsvoll ist, aber keine unnützen Beschreibungen abgibt.
Alles in allem ein sehr interessantes Buch, das noch lange Spuren hinterlässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.02.2023

Bisweilen zu reißerisch

Der Riss
6

Dies war mein erster Antarktis Thriller, und abseits der Handlung habe ich viel über diesen vereisten Kontinent gelernt, über seine Rolle in der Welt und die ständig drohenden Gefahren.
Die Handlung führt ...

Dies war mein erster Antarktis Thriller, und abseits der Handlung habe ich viel über diesen vereisten Kontinent gelernt, über seine Rolle in der Welt und die ständig drohenden Gefahren.
Die Handlung führt uns zu Neumayer III, einer deutschen Forschungsstation in der Antarktis. Dort kommt gerade Antonia Rauwolf an, eine Vulkanologin, die vorgibt, die neu entdeckten Vulkane im Westen erforschen zu wollen, aber ihr eigentliches Ziel ist es, ihren Bruder Emilio zu suchen, der vor Wochen auf einer Expedition dorthin verunglückt und verschollen ist. Alle halten ihn für tot, aber Antonia glaubt an sein Überleben. Sie beginnt auf rücksichtslose und oftmals unglaubwürdige Weise, ihrem Bruder nachzuforschen bzw. ihn zu finden.
Zweifellos baut der Autor viel Spannung auf, das Buch wird nicht langweilig und man erlebt mit der Protagonistin Antonia so manches Abenteuer, nur ist manches davon dermaßen actiongeladen, dass es den Leser nicht überzeugt. Da werden Wildwest-Verfolgungen im Eis inszeniert, da werden brenzlige Notlandungen durchgeführt oder waghalsige Manöver im Eis in Szene gesetzt.
Mittendrin immer Antonia Rauwolf, mit der man die ganze Zeit über nicht warm wird, da sie rücksichtslos und draufgängerisch handelt und nur ihre eigenen Interessen sieht. Bisweilen fühlt man sich regelrecht amüsiert über ihre Abenteuer, weil sie einfach zu unglaubwürdig sind. Als dann auch noch mystische Elemente auftreten, verliert man den Glauben an die Story.
Was mir sehr positiv aufgefallen ist: Der Autor beherrscht die Kunst der atmosphärischen Beschreibung exzellent. Er beschreibt die Eis-Szenerie, die Exkursionen und überhaupt den Aufenthalt im Eis so detailliert, dass man zu frösteln anfängt.
Und was mir auch sehr zusagt, ist das Nachwort, ein Sachbericht über die Situation der Antarktis heutzutage. Hier habe ich vieles erfahren, das ich noch nicht wusste oder worüber ich mir bislang keine Gedanken gemacht habe.
Alles in allem ist das Buch für mich eingeschränkt empfehlenswert, weil es zu viel einseitige Fiktion enthält. Ich habe nichts gegen Fiktion, aber in diesem Falle kam man sich teilweise vor wie im Land der Superhelden.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 29.01.2023

Nordic Noir - beklemmend und düster

Verschwiegen
0

Elma ist in Akranes aufgewachsen, einer kleinen Stadt in Island. Wie so viele Jugendliche zog sie dann aber in die Hauptstadt, um dem eintönigen Kleinstadtleben zu entkommen. Sie arbeitete als Polizistin ...

Elma ist in Akranes aufgewachsen, einer kleinen Stadt in Island. Wie so viele Jugendliche zog sie dann aber in die Hauptstadt, um dem eintönigen Kleinstadtleben zu entkommen. Sie arbeitete als Polizistin in Reykjavik, bis ihre Beziehung zerbrach und sie wieder in ihre Heimatstadt zurück katapultierte.
Normalerweise hat die Polizei in Akranes keine spektakulären Fälle zu bearbeiten, aber kaum hat Elma ihren Dienst begonnen, wird im Meer am alten Leuchtturm eine Frauenleiche entdeckt, deren Tod viele Rätsel aufgibt. Sie hat in Akranes eine traumatische Kindheit erlebt und war lange nicht mehr dort, weil sie den Ort verabscheute. Es stellt sich den Ermittlern die Frage, warum sie zurückgekommen ist und wer ihren Tod zu verantworten hat.
Es ist ein ständiger Perspektivenwechsel, der uns immer mehr Details zum Fall eröffnet. Man lernt ganz langsam immer mehr Leute kennen, die überwiegend in Akranes leben und die ein Bild abgeben, wie es in einer Kleinstadtgemeinde zugeht, wieviele Intrigen geschmiedet werden, wie eine gewisse Hackordnung entsteht und wie manche aus der Gemeinschaft verbannt werden. Hochangesehene Bewohner haben abgrundtiefe Geheimnisse, und irgendwie hat man die ganze Zeit das Gefühl, dass viele Bescheid wissen wissen, aber lieber schweigen. Das erzeugt eine bedrückende und düstere Atmosphäre, denn keiner scheint an der Aufklärung des Falles interessiert. Für mich ist dieses Gesellschaftsbild hochinteressant und realistisch.
Außer dem Perspektivwechsel gibt es auch zeitliche Rückblicke in die Kindheitsjahre der Toten. Diese sind besonders düster, denn man ahnt, welche Qualen das Mädchen durchlitten hat.
Durch die ständige Erweiterung der Informationen beginnt man irgendwann mitzurätseln, was passiert sein könnte, und die Spannung, die anfangs sehr lau ist, steigt spürbar. Zu Beginn waren für mich auch die vielen verwirrenden Namen ein Hindernis, ins Geschehen hineinzukommen. Mit der Zeit ging es besser.
Gut gefallen haben mir auch die geographischen Karten in den Umschlagseiten und die eingewebten Hintergrundinformationen über Island.
Alles in allem hat mich das Buch nach Anfangsschwierigkeiten gut unterhalten, und ich freue mich auf den nächsten Fall für Elma und ihre Kollegen, der in der zweiten Jahreshälfte erscheinen soll.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.01.2023

Wieviel kann ein Mensch ertragen?

Das letzte Versprechen
0

Das habe ich mich ständig gefragt, während ich dieses Buch gelesen habe. Denn es ist nach einer wahren Begebenheit geschrieben, es existieren Tagebücher darüber, alle per Hand geschrieben und illustriert.
Hera ...

Das habe ich mich ständig gefragt, während ich dieses Buch gelesen habe. Denn es ist nach einer wahren Begebenheit geschrieben, es existieren Tagebücher darüber, alle per Hand geschrieben und illustriert.
Hera Lind erzählt anhand dieser Aufzeichnungen das extrem harte Leben der Anni Eckardt, die mit fünf Jahren aus ihrer Familie und ihrer Heimat gerissen wird, weil die Banatdeutschen für die Gräueltaten der Nazis leiden sollen.
Schön hätte ich es gefunden, wenn eine Übersichtsskizze existiert hätte, damit man die geographische Lage erkunden könnte. Das habe ich dann im Netz gemacht, denn das Banat war mir überhaupt kein Begriff. Über Minderheiten erfährt man in der Schule nichts, und so habe ich zunächst mal meine historischen Kenntnisse erweitert, was mich tief berührt hat, denn die Banatdeutschen lebten zunächst in völliger Eintracht mit den Serben zusammen, bis der Krieg alles zerstörte. Die Männer wurden abgezogen, um für Deutschland zu kämpfen, die verbliebenen Bewohner wurden deportiert, überwiegend nach Sibirien.
Schonungslos, aber realistisch erzählt die Autorin über das schreckliche Leiden der Familie Pfeifer, wir begleiten Anni und ihre Großeltern in ihr trostloses und entbehrungsreiches Lagerleben bzw. Heimleben und Annis Mutter Amalie auf ihrem Weg nach Sibirien und die katastrophale Zeit im dortigen Arbeitslager. Bisweilen habe ich eine Lesepause eingelegt, um erstmal zu reflektieren, was Menschen anderen Menschen angetan haben. Man verschließt gern die Augen davor, aber das Grauen hat wirklich stattgefunden.
Und auch nach ihrer Rückkehr ist dies nicht beendet, denn die Heimkehrer werden mit ihren Traumata allein gelassen, sie müssen sich mühsam durchschlagen, werden teilweise ausgegrenzt und gleichzeitig versuchen sie, ihre verstörenden Erlebnisse zu verarbeiten. Der Autorin gelingt es hervorragend diese Atmosphäre einzufangen, man leidet förmlich mit. Besonders ergreifend fand ich die Zeit, als Annie ihre Großeltern verlassen muss, um wieder bei ihrer Mutter zu leben, die zu keiner Liebe mehr fähig ist und dem Mädchen keinen Trost vermitteln kann. Da war ich den Tränen nah.
Auch Annis Leben als erwachsene Frau mit allen Tiefschlägen und Freuden wird geschildert, und man beobachtet, dass Anni fortwährend aufopferungsvoll und freundlich mit ihren Mitmenschen umgeht und sich selbst vernachlässigt, wie sie es in ihren schlimmsten Jahren gelernt hat.
Hera Linds Schreibstil ist sehr atmosphärisch und hat mich in seinen Bann gezogen. Ich konnte oft nicht aufhören mit meiner Lektüre. Die Authentizität geht unter die Haut, und oft habe ich mich gefragt, ob ich das alles geschafft hätte.
Alles in allem ist dies ein Buch, das man nicht so schnell vergisst, es hinterlässt deutliche Spuren und ich kann es nur empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.12.2022

Die ständige Suche nach aufrichtiger Liebe

Ein Abend mit Marilyn
0

Dieses Buch dreht sich um das 'Marilyn Ding'. Dieser Begriff steht für den Fluch, ein Lustobjekt zu sein bzw. darauf reduziert zu werden. Für Marilyn hat dies zwar durchaus viele Vorteile, aber andererseits ...

Dieses Buch dreht sich um das 'Marilyn Ding'. Dieser Begriff steht für den Fluch, ein Lustobjekt zu sein bzw. darauf reduziert zu werden. Für Marilyn hat dies zwar durchaus viele Vorteile, aber andererseits offenbart sich hier ihre nicht erfüllte Suche nach wirklicher Liebe zu dem Menschen Marilyn.
Vorteilhaft ist, dass sie sich (fast) alles erlauben kann, z.B. ständiges Zu-Spät-Kommen, aber andererseits erlebt sie, dass sie nur benutzt wird, um das Ego anderer Menschen mit Ansehen, Macht, Erfolg und Geld zu füllen.
Sehr geschickt hat die Autorin Marilyns Leben in einzelne Rückblicke gesteckt. Das Buch ist nicht eine konventionelle Biographie, sondern spielt nur an einem Abend, dem Abend vor ihrem 36. Geburtstag. Einflussreiche Leute sind in einem Restaurant zusammen gekommen, um mit ihr zu feiern, aber sie lässt auf sich warten, weil mal wieder alles um sie herum zusammenbricht und nur noch Tabletten Hilfe versprechen. Während des Wartens wird retrospektiv Tür um Tür geöffnet, um Marilyns Leben darzulegen. Keiner der anwesenden Gäste ahnt, dass sie 8 Wochen später tot sein wird.
Ich habe sehr viel Mitleid für diese Frau verspürt, die schon als Baby zu Pflegeeltern gegeben wurde, ständig wechselnde Bezugspersonen hatte und die in einer trostlosen Welt der Verlogenheit als Star verehrt wurde. Tränen hatte ich in den Augen, als ihr das einzige Lebewesen, das ihr Liebe entgegenbringt, ein kleiner streunender Hund, auf hinterhältige Weise genommen wird.
Sehr unsympathisch ist mir ihre Managerin Paula, die nur ihre eigenen Allüren befriedigen will und Marilyn quasi ihre Würde nimmt, indem sie sie wie eine Marionette auftreten lässt. Sie nimmt sogar medizinische Eingriffe an ihrem Schützling vor, um das trügerische Bild in der Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten.
Mich hat dieses Buch gefesselt und fasziniert, da ich Einblicke in das Leben dieser haltlosen Frau erhielt, die ich mir so nicht vorgestellt habe. Auch der transparente Schreibstil hat mir sehr gefallen. Ich werde mir demnächst nochmal einen Marilyn-Film ansehen, mit diesem Hintergrundwissen wird dies bestimmt eine ganz neue Erfahrung. Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere