Aufbegehren gegen die Dominanz der Fürsten
Die Tochter der HungergräfinGräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein musste im 17. Jahrhundert zwei schwere Schicksalsschläge ertragen, zunächst starb ihr Mann, dann auch noch der Erbprinz Ludwig. Zwar hat der Graf verfügt, ...
Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein musste im 17. Jahrhundert zwei schwere Schicksalsschläge ertragen, zunächst starb ihr Mann, dann auch noch der Erbprinz Ludwig. Zwar hat der Graf verfügt, dass in diesem Falle seine beiden Töchter Ernestine und Johannette in die Erbfolge treten, aber dies wird nicht akzeptiert. Es beginnt ein auszehrender Kampf um die Grafschaft. Verschiedene Fürsten und Bischöfe versuchen, die Region an sich zu reißen, jedes Mittel ist ihnen recht.
Aber Louise Juliane verliert nicht ihren Stolz und kämpft weiter für die Rechte ihrer Familie. Sogar als man versucht, die Familie und den Hofstaat auszuhungern, verliert sie nicht den Mut, obwohl selbst ihre beiden Töchter große Not leiden. Sie organisiert eine gewagte Flucht und kämpft weiter....
Für mich ist dieser historische Roman besonders interessant, weil die besagte Region in nächster Nachbarschaft zu uns liegt. Aber über die Geschichte habe ich bislang kaum etwas erfahren. Ich wurde auf das Buch aufmerksam, als ich direkt vorne auf einer der ersten Seiten ein Bild der erhabenen und beeindruckenden Freusburg sah, die auch zu den Besitztümern gehörte und mittlerweile als Jugendherberge ausgebaut wurde. Wenn man dort droben auf den Felsen in dem dicken Gemäuer schon mal übernachtet hat, kann man sich die Situation noch besser vorstellen.
Ich finde den Roman atmosphärisch etwas düster, aber das passt hervorragend in die Zeit des 30-jährigen Krieges, als überall um die Besitztümer gekämpft wurde, die einfachen Leute die unschuldigen Leidtragenden waren und es überall Gemetzel, Hunger und Not gab.
Der Roman wird erzählt aus Sicht der älteren Tochter Ernestine, die zunächst sehr unsympathisch wirkt, sehr verwöhnt, egoistisch und auf die Untergebenen herabblickend, was besonders ihre erste Zofe zu spüren bekommt. Doch nach und nach muss sie immer mehr Verantwortung übernehmen und findet Zugang zu den Gefühlen ihrer Untertanen. Diese Entwicklung und die Auslöser dafür hat die Autorin eingehend geschildert.
Auf der anderen Seite empfindet man auch Mitleid mit ihr, denn sie kann ihre Rolle nicht verlassen und muss sich ihrer starken Mutter fügen, die ihr sogar den Ehemann vorschreiben will, um die Grafschaft zu halten. Hier zeigt sich die unausweichliche Ohnmacht der Frauen der damaligen Zeit, die ihr Leben lang in Abhängigkeit blieben, denn sie durften ja keine Berufe ergreifen, sondern waren nur Spielbälle und Unterstützer für die Familie. Die Autorin hat diesen Zusammenhang sehr treffend beschrieben.
Louise Juliane ist hier die große Ausnahme, aber auch sie muss sich einiges gefallen lassen und wird oft nicht ernst genommen. Trotzdem hat sie die Schicksale ihrer Töchter positiv geprägt, auch wenn sie manchmal wie eine erbarmungslose Mutter erscheint.
Der Schreibstil der Autorin hat mir gefallen, auch wenn manche Passagen etwas langatmig waren. Ich habe das Buch gern gelesen und historisch einiges über unsere 'Nachbarschaft' hinzugelernt.