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Veröffentlicht am 17.12.2022

Aufbegehren gegen die Dominanz der Fürsten

Die Tochter der Hungergräfin
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Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein musste im 17. Jahrhundert zwei schwere Schicksalsschläge ertragen, zunächst starb ihr Mann, dann auch noch der Erbprinz Ludwig. Zwar hat der Graf verfügt, ...

Gräfin Louise Juliane von Sayn und Wittgenstein musste im 17. Jahrhundert zwei schwere Schicksalsschläge ertragen, zunächst starb ihr Mann, dann auch noch der Erbprinz Ludwig. Zwar hat der Graf verfügt, dass in diesem Falle seine beiden Töchter Ernestine und Johannette in die Erbfolge treten, aber dies wird nicht akzeptiert. Es beginnt ein auszehrender Kampf um die Grafschaft. Verschiedene Fürsten und Bischöfe versuchen, die Region an sich zu reißen, jedes Mittel ist ihnen recht.
Aber Louise Juliane verliert nicht ihren Stolz und kämpft weiter für die Rechte ihrer Familie. Sogar als man versucht, die Familie und den Hofstaat auszuhungern, verliert sie nicht den Mut, obwohl selbst ihre beiden Töchter große Not leiden. Sie organisiert eine gewagte Flucht und kämpft weiter....
Für mich ist dieser historische Roman besonders interessant, weil die besagte Region in nächster Nachbarschaft zu uns liegt. Aber über die Geschichte habe ich bislang kaum etwas erfahren. Ich wurde auf das Buch aufmerksam, als ich direkt vorne auf einer der ersten Seiten ein Bild der erhabenen und beeindruckenden Freusburg sah, die auch zu den Besitztümern gehörte und mittlerweile als Jugendherberge ausgebaut wurde. Wenn man dort droben auf den Felsen in dem dicken Gemäuer schon mal übernachtet hat, kann man sich die Situation noch besser vorstellen.
Ich finde den Roman atmosphärisch etwas düster, aber das passt hervorragend in die Zeit des 30-jährigen Krieges, als überall um die Besitztümer gekämpft wurde, die einfachen Leute die unschuldigen Leidtragenden waren und es überall Gemetzel, Hunger und Not gab.
Der Roman wird erzählt aus Sicht der älteren Tochter Ernestine, die zunächst sehr unsympathisch wirkt, sehr verwöhnt, egoistisch und auf die Untergebenen herabblickend, was besonders ihre erste Zofe zu spüren bekommt. Doch nach und nach muss sie immer mehr Verantwortung übernehmen und findet Zugang zu den Gefühlen ihrer Untertanen. Diese Entwicklung und die Auslöser dafür hat die Autorin eingehend geschildert.
Auf der anderen Seite empfindet man auch Mitleid mit ihr, denn sie kann ihre Rolle nicht verlassen und muss sich ihrer starken Mutter fügen, die ihr sogar den Ehemann vorschreiben will, um die Grafschaft zu halten. Hier zeigt sich die unausweichliche Ohnmacht der Frauen der damaligen Zeit, die ihr Leben lang in Abhängigkeit blieben, denn sie durften ja keine Berufe ergreifen, sondern waren nur Spielbälle und Unterstützer für die Familie. Die Autorin hat diesen Zusammenhang sehr treffend beschrieben.
Louise Juliane ist hier die große Ausnahme, aber auch sie muss sich einiges gefallen lassen und wird oft nicht ernst genommen. Trotzdem hat sie die Schicksale ihrer Töchter positiv geprägt, auch wenn sie manchmal wie eine erbarmungslose Mutter erscheint.
Der Schreibstil der Autorin hat mir gefallen, auch wenn manche Passagen etwas langatmig waren. Ich habe das Buch gern gelesen und historisch einiges über unsere 'Nachbarschaft' hinzugelernt.

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Veröffentlicht am 11.12.2022

Rückbesinnung

Der Mondmann - Blutiges Eis
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Der Profiler Jens Lerby übt seinen Beruf in Kopenhagen aus. Allerdings ist er berufsmüde, ausgelaugt, hat ein nicht befriedigendes Privatleben und so kam es zu einer derben Beleidigung des Polizeipräsidenten. ...

Der Profiler Jens Lerby übt seinen Beruf in Kopenhagen aus. Allerdings ist er berufsmüde, ausgelaugt, hat ein nicht befriedigendes Privatleben und so kam es zu einer derben Beleidigung des Polizeipräsidenten. Da dies nicht der erste Vorfall dieser Art war, wird er strafversetzt, um einen ungelösten Fall in einem kleinen grönländischen Dorf zu klären. Er soll sich rückbesinnen und einer Suspendierung entgehen. Lerby macht sich voller Vorurteile auf den Weg in die eisige Kälte...
Dort wurden drei Männer grausam ermordet, wobei es den Anschein hat, dass sie von Walrosszähnen durchbohrt wurden. Dies wiederum gibt alten grönländischen Mythen neue Nahrung und das Dorf lebt in Angst und Schrecken. Lerby muss sich mit der alten grönländischen Kultur, ihren Schamanen und ihren Dämonen auseinandersetzen. Dies wiederum gibt dem Leser tiefe Einblicke und Hintergrundinformationen über die dortigen Traditionen, die Gebräuche und die dadurch bedingte heutige Lebensweise. Dies fand ich äußerst interessant, da man in eine andere Gedankenwelt abtaucht, in der andere Werte eine große Rolle spielen.
So kommt es auch bei Lerby durch die engen Kontakte zu den Einheimischen zu einer Rückbesinnung, und der anfangs sehr arrogant auftretende Profiler wird immer sympathischer, da er anfängt, Emotionen zu entwickeln und Empathie zu fühlen. Dies ist eine weitere Stärke dieses Krimis.
Das Krimigeschehen selbst ist nicht sehr spektakulär, teilweise geht es recht gemächlich zu, Spannung ist trotzdem vorhanden und man fühlt sich als Leser gut unterhalten. Das Ende ist auf jeden Fall schlüssig, es bleiben keine offenen Fragen zum Fall.
Die Beschreibungen des Autors sind sehr präzise und atmosphärisch, man spürt förmlich die Überheblichkeit des Profilers zu Anfang und man bibbert mit ihm in der eisigen Kälte. Dazu kommt ein gut lesbarer Schreibstil, der einen abtauchen lässt in eine andere Welt. Es bleibt zu hoffen, dass es weitere Bände mit diesem Ermittler gibt. Empfehlenswert!

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Veröffentlicht am 08.12.2022

Turbulente Zeiten

Labyrinth der Freiheit
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Wir treffen in diesem 3. Band der Wege-der-Zeit Reihe die drei loyalen Freunde wieder - Carl, Artur und Isi - die wir schon seit ihrer Jugendzeit begleiten dürfen, damals in Thorn/Westpreußen. Sie haben ...

Wir treffen in diesem 3. Band der Wege-der-Zeit Reihe die drei loyalen Freunde wieder - Carl, Artur und Isi - die wir schon seit ihrer Jugendzeit begleiten dürfen, damals in Thorn/Westpreußen. Sie haben den Krieg mehr oder weniger gut überstanden und leben weiterhin in Berlin. Sie stehen fest zusammen und nichts scheint ihre Freundschaft erschüttern zu können, obwohl die Zeiten hart sind.
Direkt zu Beginn des Buches entgehen die Drei nur knapp einem Mordanschlag, wobei Isi besonders hart getroffen wird, da sie ihr ungeborenes Kind verliert. Artur setzt alles daran, die Täter ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Schon bald ist klar, dass eine rechte Gruppierung dahinter steht, die Jagd auf die Verantwortlichen geht los, und die Freunde müssen so manche heikle Situation durchleben, denn die 20er Jahre waren alles andere als golden.
Zumindest politisch gesehen baut sich allerhand Bedrohliches auf. Es sind eher düstere Zeiten, besonders in wirtschaftlicher Hinsicht: die Inflation nimmt enorme Ausmaße an, überall herrschen Armut und Angst. Sehr gut gefallen hat mir, dass ich soviel Hintergrundinformationen zur Zeit nach dem ersten Weltkrieg bekommen habe, die Weimarer Republik und ihre turbulenten Zeiten. Der Autor hat intensiv recherchiert und hier ein Bild zusammengefügt, das den Leser die Atmosphäre der Unsicherheit der damaligen Zeit spüren lässt. Das hat mich sehr beeindruckt.
Auch die Darstellung der drei Hauptpersonen ist sehr gelungen, in all ihren Schattierungen. Wir lernen Isi von einer ganz anderen Seite kennen, als sie in ausweglose Trauer abdriftet, wir treffen Carl als rücksichtslosen Mann, der andere Menschen zu seinen Zwecken ausnutzt und Artur, der sonst nur hemmungslos um sich schlägt, entpuppt sich als feinfühlig und verletzlich.
Von Anfang an hat das Buch mich wieder sehr angesprochen, und ich war schnell versunken im Berliner Alltagsgeschehen mit seiner aufgewühlten Atmosphäre. Der flüssige Schreibstil sorgt für beste und kurzweilige Unterhaltung. Auch der Humor kommt nicht zu kurz (z.B. die vielen Küsse von Alma, oh nein!). Großartige, detailreiche Beschreibungen, liebevoll skizzierte Figuren, historischer Hintergrund und eine große Bandbreite von Gefühlen sind die Hauptzutaten für einen aufwühlenden Roman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann und der die volle Sternchenzahl verdient hat. Man wünscht sich, dass man die drei Freunde nochmal wieder trifft und es einen vierten Band gibt....

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Veröffentlicht am 28.11.2022

Wo sind die Grenzen der Schuld?

Als die Welt zerbrach
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Den ersten Teil 'Der Junge im gestreiften Pyjama' fand ich sehr ergreifend, habe den Film dazu mehrere Male geschaut und mich immer wieder gefragt, was wohl mit den Hauptcharakteren nach Kriegsende geschah ...

Den ersten Teil 'Der Junge im gestreiften Pyjama' fand ich sehr ergreifend, habe den Film dazu mehrere Male geschaut und mich immer wieder gefragt, was wohl mit den Hauptcharakteren nach Kriegsende geschah (natürlich mit Ausnahme von Bruno). Als ich gelesen habe, dass es eine Fortsetzung gibt, war ich sehr gespannt und wurde nicht enttäuscht. Das Buch ist sehr ergreifend und beschäftigt den Leser auch über die Lektüre hinaus.
Brunos Schwester Gretel ist mittlerweile über 90 Jahre alt, verwitwet, lebt alleine in London, hat sporadischen Kontakt zu ihrem Sohn und ein paar anderen Bekannten. Natürlich hat sie nie die dramatischen Ereignisse von damals vergessen können, ganz im Gegenteil haben sie ihr ganzes Leben geprägt. Vor allem empfindet sie tiefe Schuldgefühle, sie kann sich nicht davon befreien, ihr ganzes Leben wird davon durchtränkt und verhindert entspanntes Glücklichsein. "Schuld schlich sich in jeden glücklichen Moment und flüsterte einem ins Ohr, dass man kein Recht auf dieses Glück habe" (S. 139).
Sehr geschickt wechselt der Autor immer wieder die Perspektive zwischen heute und der Vergangenheit, wobei wir nach und nach immer mehr über Gretels Leben erfahren. Dieses Leben war geprägt von Einsamkeit und tiefen Schuldgefühlen. Sie hat zwar immer einzelne Menschen an ihrer Seite, aber nur ganz wenigen gegenüber öffnet sie sich , um ihr Gewissen zu erleichtern und sich zu erklären. Sogar das Verhältnis zu ihrem Sohn ist distanziert, sie kann keine Nähe zu ihrem Kind entwickeln, denn immer ist die Erinnerung an Brunos dramatisches Lebensende präsent und an die furchtbaren Geschehnisse überhaupt. Gretel versucht zu vergessen, aber die Schuldzuweisung an sich selbst ist zu dominant.
Das Buch ist sehr spannend geschrieben, fesselnder als so mancher Krimi. Besonders wenn sich die Lage wieder mal zuspitzt, hält man die Luft an. Auch in Lesepausen beschäftigte mich der Inhalt. Am liebsten hätte ich das Buch nicht aus der Hand gelegt, der zweite Band ist eine gleichwertige Fortsetzung des Vorgängers.
Meine Meinung über Gretel ist zwiegespalten, wobei mir die ältere Gretel deutlich sympathischer ist. Als junge Frau wirkt sie neben ihren Selbstvorwürfen irgendwie selbstverliebt und fordernd, während sie als ältere Frau zwar immer noch dominant ist, aber ein selbstbestimmtes Leben führt.
Das Buch hat mich tief beeindruckt, seine Spuren hinterlassen und verdient zweifellos fünf Sterne.

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Veröffentlicht am 23.11.2022

Von Aufregung keine Spur

This Charming Man
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Vampire in Manchester? Das kann doch nicht sein, und trotzdem gibt es Vorfälle und Anhaltspunkte dafür. Die Polizei in Manchester und die Mitarbeiter der Stranger Times sind in heller Aufregung. Da gibt ...

Vampire in Manchester? Das kann doch nicht sein, und trotzdem gibt es Vorfälle und Anhaltspunkte dafür. Die Polizei in Manchester und die Mitarbeiter der Stranger Times sind in heller Aufregung. Da gibt es Mitbürger, denen plötzlich lange Eckzähne wachsen, und man findet andererseits ausgesaugte Menschen. Man ist sich aber sicher, dass es keine Vampire gibt...
Ich habe mich von dem Hype um dieses Buch anstecken lassen, obwohl Vampirbücher mich schon lange nicht mehr interessieren. Aber immer wieder las man vom schrägen Black Humour, den ich sehr mag, so dass ich das Buch auch lesen wollte.
Leider habe ich mich durch die Seiten gequält, ich fand das Buch recht langatmig und gefesselt hat es mich überhaupt nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich den ersten Teil nicht gelesen habe, so dass mir die Grundlage fehlt. Ich werde das aber sicherlich nicht nachholen.
Gut, es gab Szenen, bei denen ich schmunzeln musste, z.B. in der Bibliothek mit Mrs Corry, aber jegliche Spannung hat mir gefehlt. Vieles empfand ich nur als Füllmaterial, ohne Bezug.
In den Beschreibungen und besonders in den Dialogen findet sich skurriler Humor, der aber in meinen Augen ohne Zusammenhang aneinandergereiht wird. Alle Charaktere haben irgendwelche Marotten, wirklich sympathisch ist mir keine und warm geworden bin ich auch mit keiner.
Alles in allem bin ich bei diesem Buch nie in einen richtigen Lesefluss gekommen und war am Ende einfach nur froh, dass ich es durchgehalten habe. Das passiert mir äußerst selten, und den nächsten Band werde ich mir nicht antun.

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