Gedankenlosigkeit und Vertuschung in den 70er/80er Jahren
Unser kostbares LebenGedankenlosigkeit und Vertuschung in den 70er/80er Jahren
Das Buch erzählt die Geschichte der Familien Stern und Schönwetter, die im fiktiven Ort Mainheim in den 70er/80er Jahren leben. Die Töchter der ...
Gedankenlosigkeit und Vertuschung in den 70er/80er Jahren
Das Buch erzählt die Geschichte der Familien Stern und Schönwetter, die im fiktiven Ort Mainheim in den 70er/80er Jahren leben. Die Töchter der Familien, Caro und Minka, sind beste Freundinnen und damals ein Herz und eine Seele. Diese Jahre spielten auch in meinem Leben eine große Rolle, so dass ich mich über viele schöne Erinnerungen gefreut habe. Ach ja, da war doch: Europa Schallplatten, Hawaii-Toast, Gummitwist, das Parfüm 'My Melody', Knautschsäcke u.v.m.
Aber da ist auch eine andere Seite, die ich mir nie bewusst gemacht habe und die mir durch den Roman deutlich vor Augen geführt wurde: diese Jahre haben der Umwelt und der Natur sehr zugesetzt, beide wurden rücksichtslos ausgebeutet und die Schäden wurden vertuscht. Besonders die Tierrechte wurden radikal missachtet, Versuchstiere wurden schlimmstens misshandelt und fast keinen kümmerte es. Medikamente wurden an wehrlosen Heimkindern getestet, ohne Rücksicht auf die Folgen. Bäume wurden massenweise gefällt für irgendwelche Autostraßen, die Plastikschwemme erreichte einen Höhepunkt, Industrieabwässer flossen unkontrolliert in die Flüsse u.v.m. Das fand ich sehr erschütternd, weil mir erst jetzt klar wurde, dass ich damals sehr gleichgültig gewesen bin und die offensichtlichen Gefahren ignoriert habe. Der große Umbruch kam erst 1986 mit Tschernobyl.
Mir hat gefallen, dass das Buch politisch und gesellschaftskritisch in die Tiefe ging und nicht diese Zeit als kunterbunte Hippiewelt darstellte. Die Autorin hat sehr gründlich recherchiert und dies alles versprachlicht. Deshalb liegt dieser 600 Seiten-Wälzer vor dem Leser! Hier muss ich hinzufügen, dass mir manches zu detailliert beschrieben war und einige Passagen recht langatmig waren. Auch hat sie viele verschiedene Handlungsfäden aufgenommen, die aber dann nicht alle richtig zu Ende geführt wurden. Da hätte ich in manchen Verflechtungen mehr Klarheit erwartet. Gegen Ende geht alles ganz schnell und die Kapitel werden deutlich kürzer, um alle Protagonisten nochmal zu betrachten. Das hat mir weniger gefallen.
Der Schreibstil ist einfach und klar, die Beschreibungen detailliert und meist nachvollziehbar. Die Handlungen werden aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, über jedem einzelnen Kapitel findet sich der Name des Betrachters.
Wer einen Bezug zu dieser revolutionären Zeit hat, wird hier gut unterhalten, informiert und findet sich in interessanten Erinnerungen wieder. Mich hat das Buch zum Nachdenken angeregt und ich möchte eine Leseempfehlung aussprechen.