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Veröffentlicht am 12.12.2017

Toll geschriebene Geschichte mit wenig Plot

Seven Nights - Paris
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Bei diesem Buch bin ich tatsächlich einmal dem Cover verfallen. Der angenehme Rosa-Ton gepaart mit der roten Schrift und den sehr schlichten Formen ist genau mein Stil. Dass der Nachfolgeroman (Seven Nights ...

Bei diesem Buch bin ich tatsächlich einmal dem Cover verfallen. Der angenehme Rosa-Ton gepaart mit der roten Schrift und den sehr schlichten Formen ist genau mein Stil. Dass der Nachfolgeroman (Seven Nights - New York) genauso designt ist, allerdings in blau, macht die Sache nur noch besser. Der Klappentext wiederum verspricht eine typische, wenig aufregende Liebesgeschichte, wie man sie in vielen Erotikromanen findet.



Ein starker Schreibstil

Eine Stärke dieses Buches ist definitiv der Schreibstil. Zur Abwechslung haben wir es hier nicht mit einer Ich-Perspektive zu tun, womit ich schon halb gewonnen bin. Dass die Autorin mit ihrem Stil zudem so leicht abwechselnd romantische oder erotische Stimmung erzeugen kann, hat mich endgültig überzeugt. Kate ist Künstlerin und so verbringen wir in Paris viel Zeit an Orten, die für Künstler inspirierend sind. Als Leser wird man direkt in diese Atmosphäre hinein gezogen, man ist ebenso voller Staunen und Bewunderung wie Kate. Während der Sexszenen wiederum zerfließt man förmlich vor Verlangen. Von den vielen erotischen Romanen, die ich dieses Jahr schon gelesen habe, ist dieser durch den Stil wirklich ein positiver Vertreter des Genres.



Leider zu wenig Plot

Auf der negativen Seite steht für mich, dass sehr wenig passiert. Gewiss, die Geschichte ist darauf ausgelegt, dass zwei Menschen sich an sieben Tagen kennenlernen und natürlich steht die Erotik im Mittelpunkt. Beide sind von Gespenstern ihrer Vergangenheit gefangen, wodurch sie sich nur schwer wirklich aufeinander einlassen können. Sowohl Kate als auch Rylan sind durchaus realistische Charaktere, aber ich fand mich zwischendurch doch immer wieder an einem Punkt, wo ich mir dachte: Ist gut, ich habe es verstanden, ihr hattet es schwer. Der einzige echte Plot hier besteht daraus, dass sie einander helfen, ihre Vergangenheit zu überwinden. Oder eben auch nicht. Wir kehren immer wieder zu denselben Gedanken und Gefühlen zurück, so dass wenig tatsächliche Charakterentwicklung stattfindet. So schön geschrieben die Geschichte auch ist, der Plot ist etwas dünn. Andererseits erwartet uns noch ein Nachfolgeband, in dem die Entwicklung zwischen Kate und Rylan weiter verfolgt wird. Vielleicht passiert da mehr.



Fazit:

Der Erotikroman "Seven Nights - Paris" von Jeanette Grey kann sich deutlich von der Masse an erotischen Liebesromanen abheben. Der Schreibstil ist ebenso locker wie einnehmend, die Atmosphäre von Paris lebensecht eingefangen und die Gefühle beider Hauptcharaktere sind authentisch und nachvollziehbar beschrieben. An Plot hat dieses Buch leider nicht allzu viel zu bieten, auch wenn die Geschichte durchaus interessant ist. Eigentlich ist die Schwäche des Plots in meinen Augen zu groß, als dass ich eine gute Bewertung abgeben könnte, doch da mich der Schreibstil (und die Übersetzung des Stils) so überzeugt hat, wäre auch eine mittelmäßige Bewertung unangebracht. Für Fans des Genres ist dieses Buch definitiv ein Muss!

Veröffentlicht am 10.11.2017

So lustig wie relevant

QualityLand
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Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen ...

Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen oder aufklärende Texte für Touristen, die das fiktiven Land beinahe real erscheinen lassen. Das sind schöne Stilmittelt, die ich tatsächlich zunehmend zu schätzen gelernt habe. Während ich anfangs noch dachte, dass es schmückendes Beiwerk ist, wurde mir im Laufe der Geschichte bewusst, dass sie tatsächlich einen Sinn haben und zur Geschichte beisteuern.



Zwei parallel laufende Handlungsstränge

Doch was ist diese Geschichte eigentlich? Vor kurzem erst habe ich den Science-Fiction-Roman „Die Optimierer“ gelesen, der in vielerlei Hinsicht eine ähnliche Prämisse hat: In der Zukunft ist alles digitalisiert und wir verlassen uns zunehmend auf K.I. und Algorithmen. Die Parallelen beider Bücher waren zum Teil unübersehbar. Ähnlich verhält es sich mit dem Roman „Heartware“, bei dem am Ende alles auf die Frage einer übermenschlichen K.I. hinausläuft. Der zentrale Plotpunkt von QualityLand ist aufgebaut um die Kampagne zur Präsidentschaftswahl, auch wenn die eigentliche Hauptperson, Peter Arbeitsloser, nicht Teil der Kampagne ist. In Gestalt der K.I. John of us tritt erstmals ein Androide auf die politische Bühne, dessen Gegner ausgerechnet ein rechtsradikaler, roboterhassender Populist ist. Jener Conrad Koch ist gerade in seiner klischeehaften Radikalisierung leider sehr nahe an unserer echten Realität dran, ebenso wie die immer wieder misslingenden Versuche Johns, Wähler durch Logik und Weitsicht zu überzeugen, die tragische Realität eines jeden Wahlkampfes widerspiegeln.

Nebenher verfolgen wir das zunächst immer trostloser werdende Leben von Peter Arbeitsloser, der als Maschinenverschrotter in einer Blase der Nutzlosigkeit gefangen ist. Da die Algorithmen ihm verwehren, höherwertige Jobs zu bekommen oder auch nur höherwertige Menschen kennenzulernen, ist ihm jede Aufstiegschance verwehrt. Die Algorithmen von Everybody, dem allumfassenden Social Network, QualityPartner, der Datenkrake, die Tinder ersetzt hat, und TheShop, dem an sich einzig relevanten Online-Versandhandel, sorgen dafür, dass Peter in seiner Blase gefangen bleibt. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem er von TheShop ein Produkt erhält, welches er definitiv nicht wollte, auch wenn TheShop damit wirbt, dank der Algorithmen besser zu wissen, was die Kunden wollen, als die Kunden selbst. Seine Versuche, das Produkt zurückzugeben, ziehen immer weitere Kreise und werden immer absurder.



Stereotypen, die mit Klischees brechen dürfen

Aufgrund des satirischen Charakters des Buches haben wir es kaum mit komplexen Figuren zu tun. Die meisten Figuren existieren, um den Plot voranzutreiben, und bleiben daher eindimensional. Da dem Leser jedoch stets bewusst ist, dass er die Geschichte nicht vollständig ernst nehmen soll, ist das überhaupt kein Mangel, im Gegenteil, es trägt zur Erheiterung bei. Gleichzeitig werden bestimmte Klischees etabliert, nur um sie dann ins Gegenteil zu verkehren. So ist zum Beispiel die schöne Fernsehmoderatorin, die für höchste Einschaltquoten sorgt, da sie stets nackt auftritt, tatsächlich klug und hat eine sehr spitze Zunge. Während sie absichtlich alle Klischees bedient, um für Quote zu sorgen, bricht sie doch zugleich damit, weil sie als Moderatorin politischer Gespräche tatsächlich funktioniert.

Einige Charaktere sprechen sogar explizit aus, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten, um gerade nicht das Vorhersehbare zu tun, nur um dann zu überlegen, ob sie nicht genau dadurch vorhersehbar werden. Sogar die K.I.s, denen man über den Weg läuft, zeigen bisweilen sehr eigenwillige Charaktere, auch wenn sie auf wenige Eigenschaften begrenzt bleiben und deswegen vor allem als humoristische Sidekicks funktionieren.



Relevante, aktuelle Fragen

Die Frage, wie weit wir Algorithmen vertrauen dürfen, ob sie unser Leben bereichern oder einschränken, und ab wann eine selbstständig lernende K.I. für uns gefährlich werden kann, ist nicht umsonst in den letzten Jahren zu einem großen Thema der Science-Fiction-Literatur geworden. Wir befinden uns an einem Punkt des technischen, digitalen Fortschritts, wo wir uns als Gemeinschaft diese Fragen stellen müssen. Obwohl Marc-Uwe Kling auch in „QualityLand“ die zu erwartende Satire liefert, so beweist er doch erneut, dass er sehr wohl politische, kluge Gedanken zu formulieren weiß. Auch seine Känguru-Chroniken sind mehr als bloß lustige Hörspiele. Obwohl mir die Frage nach der K.I. in „Heartware“ besser diskutiert erscheint, muss sich „QualityLand“ nicht hinter seinen Vorgänger verstecken.

Das Ende ist ebenfalls gelungen, da es auf angemessene Weise einen Abschluss darstellt und dennoch offen bleibt. Es passt zu diesem Roman, der viele Fragen stellt, aber deutlich macht, dass es keine oder zumindest keine eindeutigen Antworten gibt. Was wir vor allem aus diesem Buch mitnehmen können, ist, dass wir noch immer viel weniger wissen, als wir glauben. Die einzige Schwäche des Buches ist, dass es zu keinem Zeitpunkt wirklich spannend war. Der Schwerpunkt auf Humor sorgte zumindest bei mir dafür, dass ich mich keinem Charakter wirklich verbunden fühlte. Insofern war es eine lustige bis interessante, aber nicht ernsthaft fesselnde Lektüre.

Übrigens: Das Buch kommt in zwei unterschiedlichen Ausgaben daher. Während die Hauptgeschichte gleich bleibt, unterscheiden sich die eingestreuten Nachrichten zwischen den Kapiteln. Dunkel für apokalyptisch, hell für optimistisch. Im Internet gibt es die Möglichkeit, beide Nachrichten-Streams nachzulesen. Ich persönlich habe die dunkle Ausgabe gelesen.



Fazit

Der Science-Fiction-Roman „QualityLand“ von Marc-Uwe Kling ist eine gelungene Satire, die für sehr viel Lesespaß sorgt. Gleichzeitig artikuliert der Autor jedoch wie gewohnt tatsächlich spannende Fragen über Politik und Gesellschaft, die in der heutigen Zeit relevant sind. Mit Hilfe diverser stereotyper Charaktere, die aber oft genug die Chance bekommen, mit Klischees zu brechen, erzählt er die Geschichte um den Wahlkampf einer K.I. gegen einen Rechtspopulisten und die Reise eines Maschinenverschrotters, der ein unerwünschtes Produkt zurückgeben will. Facettenreich, mit vielfältigen Stilmitteln durchsetzt und immer lustig, liefert Kling genau das ab, was man erwartet. Ein etwas besser ausgearbeiteter Spannungsbogen, der einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt, fehlt leider, so dass der Roman die Höchstnote knapp verpasst.

Veröffentlicht am 26.10.2017

Von Opfern und Obsessionen

Die Party
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Dieser Roman schildert auf kunstvolle Weise, wie ganz menschliche Regungen zu unmenschlichen Taten führen können. Die Geschichte von Martin und Ben, zwei jungen Männern, die eigentlich nichts verbindet, ...

Dieser Roman schildert auf kunstvolle Weise, wie ganz menschliche Regungen zu unmenschlichen Taten führen können. Die Geschichte von Martin und Ben, zwei jungen Männern, die eigentlich nichts verbindet, wird in Rückblenden beleuchtet, doch die Perspektiven, die wir auf deren Leben erhalten, sind unzureichend, um ein vollständiges Bild zu zeichnen. Dessen ist sich die Autorin sehr bewusst, so dass genau in dieser Unvollständigkeit, in dem, was ungesagt bleibt, ihre Stärke liegt.


>> Unorthodoxe Erzählstruktur

Von Anfang an befindet wir uns in einem polizeilichen Gespräch, welches offensichtlich nach der titelgebenden Party liegt. Dem Leser ist klar, dass etwas Ernstes geschehen ist, doch wir werden sehr lange im Unklaren darüber gelassen, wer, was, wie und warum es geschehen ist. Martin wird von zwei Polizisten verhört, aus seiner Perspektive erleben wir das Gespräch, ebenso wie wir all seine Erinnerungen streng aus seiner eigenen Perspektive erleben. Gleichzeitig wird auf einer anderen Ebene Lucy, Martins Ehefrau, eingeführt, die Tagebuch schreibt und sich in irgendeiner Form der Therapie befindet. Wann diese Therapie stattfindet, ist unklar, nur, dass es ebenfalls nach der Party ist, wissen wir.

Ohne chronologische Reihenfolge erzählt Martin mal von seinem Leben in der Schule, im College oder von seiner Arbeit. Szenen, die früh erwähnt werden, stehen erst viel später in einem Kontext, der ihnen mehr Sinn verschafft. Das ist unheimlich faszinierend zu lesen, doch man muss auch aufmerksam bleiben, um die richtigen Enden der Geschichte miteinander zu verknüpfen. Auch Lucys Tagebucheinträge sind nicht chronologisch, sondern eher als eine Reihe von Anekdoten verfasst, manchmal eher Gedanken über Martin, manchmal eher eigene Erlebnisse aus ihrer Zeit vor ihm. Stück für Stück bastelt die Autorin so zwei komplexe, unglückliche Charaktere, die vom Fluch von Bens Existenz belastet werden.

Martin ist in vieler Hinsicht ein typischer Jugendlicher: Er kennt die Welt nicht, fühlt sich irgendwie ausgeschlossen und spürt, dass er anders ist, ohne dass er versteht, warum das so ist. Während der Pubertät durchlaufen die meisten Menschen solche Phasen der Unsicherheit, doch der Umgang ist unterschiedlich. Der Weg, den Martin einschlägt, ist ebenso ungewöhnlich wie gefährlich. Er schleicht sich in Bens Leben, bis dieser ihm nicht mehr entkommen kann. Ben, als Sohn aus reichem Haus dazu erzogen, niemanden vor den Kopf zu stoßen, um bloß kein schlechtes Image zu bekommen, erkennt zu spät, wie extrem Martin in seiner Freundschaft ist. Und als er es schließlich erkennt und ihn aus seinem Leben drängen will, ergreift Martin eine Gelegenheit beim Schopf, um sich für immer an Ben und dessen Familie zu ketten.


>> Ein Geheimnis, das den Plot zusammenhält

Diese schon im Klappentext erwähnte dunkle gemeinsame Vergangenheit ist der Dreh- und Wendepunkt des gesamten Beziehungsgeflechts. Lucy, die nichts Genaues weiß, aber ahnt, ist trotz ihrer Intelligenz nicht in der Lage, Martin vollständig zu durchschauen. Martin wiederum erkennt das Zusammenspiel von Wissen, Macht und Erpressung, ist aber so stark von seinen Gefühlen geleitet, dass er sein eigenes Verhalten nur als selbstlos wahrnehmen kann, obwohl er weiß, dass es das nicht ist.

Was uns zu einem nächsten Punkt in Martins Charakter bringt: Er sieht sich als Opfer. Schon von den ersten Seiten des Buches an fließt aus den Zeilen das Gefühl eines Menschen heraus, der sich stets nur als Opfer betrachten kann. Seine fast immer beherrschten Aggressionen richten sich nach außen, gegen alles und jeden, der ihm seinen rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft verwehren könnte. Das hat ihn für mich von Anfang an unsympathisch gemacht, ohne dass dieser Umstand jedoch mein Lesevergnügen wirklich getrübt hätte. Im Gegenteil: In der Art, wie auch Lucy sich als Opfer betrachtet, und man vermuten kann, dass Ben sich selbst auch als Opfer sieht, wird deutlich, dass jeder Mensch im Leben damit zu kämpfen hat, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen und dazu neigt, äußeren Umständen die Schuld zu geben. Dieses Unrechtsbewusstsein kann dazu führen, dass sich Aggressionen über Jahre oder Jahrzehnte aufstauen, ohne je ein konkretes Ziel zu haben. Wenn sich dann ein Ziel auftut, egal, ob wirkliche Ursache der Wut oder nur spontaner Anlass, haben solche Menschen ein hohen Gewaltpotential. Wie der Ausgang der Party beweist.

Insgesamt ist dieses Buch eine wundervolle Charakterstudie, die einfühlsam die Verletzlichkeit junger Menschen zeigt. Leider fehlte mir am Ende aber irgendeine Form der Aufklärung oder ein Erkenntnisgewinn. Ich bin ein wenig ratlos zurückgeblieben, ohne dass ich in Worte fassen könnte, was genau ich mir gewünscht hätte. In jedem Fall aber blieb ich mit einem Gefühl der Leere zurück, das mich unzufrieden macht. Vielleicht war dieser Mangel an Aufklärung auch die Absicht der Autorin, weil sie eben gerade keine leichte Antwort geben wollte.


>> Fazit:

Der Roman „Die Party“ von Elizabeth Day ist eine spannende Charakterstudie, in deren Mittelpunkt drei Menschen stehen, die alle auf ihre Weise mit äußeren und inneren Umständen zu kämpfen haben. Die Verletzungen, die insbesondere Martin und seine Ehefrau Lucy während ihrer jungen Jahre erfahren haben, manifestieren sich in problematischen Charakterzügen und einem Mangel an Selbstbewusstsein. Die Art, wie die Geschehnisse der Vergangenheit, der Party selbst und der Gegenwart miteinander verwoben werden, machen das Buch zu einem Lese-Highlight. Lediglich am Ende wäre eine etwas klarere Botschaft – oder überhaupt irgendeine Botschaft – wünschenswert gewesen. Dennoch ist es für jeden, der auch mal die dunklen Seiten unserer Psyche anschauen will, nur zu empfehlen!

Veröffentlicht am 09.10.2017

Zu hektisch, zu klischeebeladen, zu dramatisch

Du bist mein Feuer
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Vorab: Ich wollte dieses Buch lieben. Ich dachte sogar, dass ich es tue. Ich bin eine sehr aktive Wattpad-Nutzerin, sowohl als Autorin als auch als Leserin. Ich kannte "Chasing Red" schon seit geraumer ...

Vorab: Ich wollte dieses Buch lieben. Ich dachte sogar, dass ich es tue. Ich bin eine sehr aktive Wattpad-Nutzerin, sowohl als Autorin als auch als Leserin. Ich kannte "Chasing Red" schon seit geraumer Zeit, da ich reingelesen hatte und, weil mir der Anfang gefiel, es meiner Bibliothek hinzugefügt hatte. Als ich erfuhr, dass es veröffentlicht wird, habe ich mich sehr für die Autorin gefreut, da ich immer grundsätzlich begeistert bin, wenn Wattpad-Autoren den Sprung zum kommerziellen Erfolg schaffen. Die deutsche Leseprobe war ebenfalls ansprechend, die Übersetzung schien durchaus in Ordnung. Also habe ich mich auf das Buch gefreut.



Zu viele bekannte Entwicklungen, zu schnelle Szenenwechsel

Je weiter ich las, umso enttäuschter wurde ich. Es war nach wie vor deutlich zu lesen, dass es ursprünglich für Wattpad geschrieben worden war, wo man in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen ein neues Kapitel veröffentlicht. Das wirkt sich auf den Stil aus, wenn man sich nicht sehr diszipliniert, da man anfängt, in Kapitel-Bögen zu denken. Jedes Kapitel muss für sich irgendetwas Spannendes beinhalten. So haben Wattpad-Geschichten oft einen deutlich hügeligeren Spannunsgbogen als traditionelle Geschichten - und das ist manchmal schlecht. Wie leider auch hier: Es passiert so unglaublich viel, aber selbst die spannendeste Action ist nach zwei oder drei Kapiteln schon wieder vergessen. Nie lässt sich die Autorin Zeit, eine Szene über mehrere Kapitel hinweg zu entwickeln oder Gefühle wirken zu lassen. Was in der Welt von Wattpad irgendwie noch funktioniert, ist in Romanform wirklich schwierig. Ich hätte mir gewünscht, dass das Lektorat das ein wenig glatt bügelt.

Hinzu kommt, dass wir leider sehr viele gängige Entwicklungen beobachten: Der ewige Junggeselle verfällt auf dem ersten Blick der schönen Jungfer. Die schöne Jungfer schart selbstbewusste, laute Freundinnen um sich, die immer für sie da sein werden. Der ewige Junggeselle kann seine gewalttätigen Tendenzen nur schwer kontrollieren, wenn er Gefahr für sein Weibchen wittert. Natürlich kommt irgendwann eine alte Flamme ins Spiel, auf die die schüchterne, unsichere Jungfer mit Eifersucht reagiert, und ehe der Leser sich versieht, haben wir ein großes Drama, weil niemand irgendjemandem zuhört und jeder sofort verletzt ist statt zu vertrauen. Dass im Hintergrund Verletzungen aus der Kindheit und emotionale Traumata durch die Eltern am Werk sind, wird zwar regelmäßig erwähnt, aber so richtig schlüssig ist die Verbindung nie. Es wird uns nur gesagt, dass es so ist.



Show, don't tell!

Generell ist das leider eine große Schwäche in diesem Roman: Dem Leser wird sehr viel gesagt. Ich persönlich habe selten wirklich gespürt, dass da Liebe und Verlangen ist. Da kann der ewige Junggeselle noch so oft sagen, wie sehr er sie jetzt braucht, wie sehr er sie will, wie sehr er für sie brennt - ich habe es nicht gespürt. Auch, dass er praktisch vom ersten Kapitel an für uns anschaulich darüber nachdenkt, dass sie anders ist und ihn anders fühlen lässt als alle zuvor und dass sie ihn verändert hat, hilft nicht unbedingt, eine emotionale Charakterentwicklung aufzumachen. Im Gegenteil. Wie bekommen den fertigen Charakter "ewiger Junggeselle, der sich für die Eine ändert" direkt zu Beginn präsentiert. Den gesamten Rest des Buches sehen wir nur, wie die Jungfer ihn anzweifelt und sich schließlich doch öffnet. Die Autorin sagt uns auch freundlicherweise zu jederzeit, was die Charaktere denken und fühlen. Spüren tun wir es leider nicht.

Das Ende ist wie erwartet actionreich und dramatisch, aber leider ohne Spannung aufkommen zu lassen. Wieder hatten wir zu wenig Zeit, um wirklich in die Stimmung, in die Angst der Charaktere einzutauchen, ehe schon wieder alles vorbei war. Dass zwischendurch einige Zeitsprünge passiert sind, die nicht kommentiert und auch im Text nicht als solche verdeutlicht werden, hat es mir gegen Ende hin auch etwas schwer gemacht zu verstehen, was genau wann geschieht. 

Es ist wirklich so schade. Ich wollte dieses Buch lieben, aber ich konnte einfach nicht. Wäre es nicht Isabelle Ronin, wäre es nicht ein Wattpad-Roman, ich hätte nach 200 Seiten aufgegeben. Ich erwarte von einem New-Adult-Roman keine großen Sprünge, keine fantastische Geschichte. Aber dieses Chaos, diese Ansammlung an Klischees, diese unrunde Ausführung - ich kann es einfach nicht gut bewerten. Nicht einmal der Sex war wirklich heiß! Ich bin traurig.



Fazit:

Der New-Adult-Roman "Du bist mein Feuer" von Isabelle Ronin ist die dramatische Liebesgeschichte zwischen einem ewigen Junggesellen und einer Damsel-in-Distress. Was spannend und mitreißend beginnt, wandelt sich leider sehr schnell zu einer sehr klischeebeladenen Geschichte, in der zu hektische Szenenwechsel jegliche Stimmung unterdrücken. Die Autorin sagt uns öfter als dass sie uns zeigt, wie ihre Charaktere fühlen und denken, so dass zumindest für mich keine echte Bindung aufkommen konnte. Der Plot ist niedlich genug, aber die Umsetzung leider unterdurchschnittlich. 

Veröffentlicht am 03.10.2017

Wie eine klassische Gothic Novel

Grandhotel Angst
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Der Klappentext zu diesem Buch hat mich sehr neugierig gemacht, doch obwohl eigentlich deutlich zu lesen war, was mich erwarten würde, hat mich das Buch doch überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, ...

Der Klappentext zu diesem Buch hat mich sehr neugierig gemacht, doch obwohl eigentlich deutlich zu lesen war, was mich erwarten würde, hat mich das Buch doch überrascht. Ich hatte nicht damit gerechnet, eine echte Gothic Novel vorzufinden. Dieses Genre, das bei dem weiblichen Publikum des 18. und 19. Jahrhunderts sehr beliebt war, scheint heute beinahe ausgestorben, doch mit „Grandhotel Angst“ legt die Autorin einen Roman vor, der sich perfekt in diese Tradition einreiht.



Die typischen Charaktere einer Gothic Novel

Mit Nell haben wir die typische Protagonistin einer Gothic Novel: Sie ist hübsch, liebenswürdig, intelligent, aber gleichzeitig auch naiv. Ihre familiären Umstände haben dazu geführt, dass sie wenig von der Welt weiß, so dass sie dem viel reisenden, älteren Gentleman ohne weiteres verfällt. Auch ihr Ehemann Oliver ist eine klassische Figur aus diesem Genre: eigentlich sehr zuvorkommend und voller Liebe, doch geplagt von einem Geheimnis, das er lieber vor seiner Ehefrau geheim halten will.

Ein weiterer wichtiger Protagonist in den klassischen Gothic Novels ist auch immer das Haus: Ein prunkvoller, aber düsterer Bau, den die empfindsame weibliche Hauptfigur zunächst beeindruckend, dann jedoch zunehmend furchteinflößend findet. Das Gemäuer steht selbst meist unter einem Fluch und scheint wie eine handelnde Person in das Geschehen einzugreifen. So auch in diesem Fall, denn schon bald nach ihrem Eintreffen blickt Nell in einen Spiegel, durch den eine übernatürliche Kraft zu ihr Kontakt aufzunehmen scheint.

Die übrigen Personen um sie herum scheinen alle deutlich mehr über ihren Ehemann zu wissen, doch anstatt dass ihr jemand die ganze Wahrheit erzählt, beschränken sich die einen lediglich auf Andeutungen, während andere finstere Drohungen ausstoßen, um sie zu verschrecken. Auch hier folgt die Geschichte einem typischen Plot-Muster der Gothic Novels. Interessant ist allerdings, dass die Rolle von Oliver nicht ganz eindeutig ist. Denn bis zum Schluss kann sich der Leser nicht sicher sein, ob Oliver die große romantische Liebe ist, für die die unschuldige Nell ihr Leben riskieren sollte, oder ob er in Wirklichkeit der böse Antagonist ist, vor dem Nell sich besser verstecken sollte. Das ist geschickt gemacht und gelingt vor allem, weil das Buch vollständig aus ihrer Perspektive erzählt ist.



Ein klug gewählter Schreibstil, der trotzdem Schwächen hat

Generell steht in diesem Buch der Schreibstil vollständig im Dienste der Geschichte. Wenn wir die Geschehnisse nicht vollständig aus der Perspektive von Nell erleben würden, wäre es uns als Lesern vermutlich zu schnell möglich, die Wahrheit zu erkennen. So aber bleiben wir gefangen in dem Zweifel, ob nicht doch übernatürliche Kräfte am Wirken sind, ob nicht doch ein Fluch über dem Hotel oder über einzelnen Personen des Hotels liegt.

Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass der Schreibstil ein wenig weniger dramatisch gewesen wäre. Wir erleben einen großen Teil der Geschichte in reflektierenden Rückblenden, die immer wieder durchsetzt sind von der klischeehaften Formulierung „Damals konnte ich ja noch nicht wissen“ oder „Wie naiv ich doch war“. Das ist ein durchaus übliches Stilmittel, das in dieser Form der Erzählung auch seinen Platz hat, doch es wurde ein wenig zu häufig für meinen Geschmack eingesetzt.



Für heutige Thriller-Leser vielleicht gewöhnungsbedürftig

Der Plot selbst ergibt am Ende tatsächlich einen Sinn, doch dafür muss man es als Leser zunächst aushalten, von einer Lücke in die nächste zu stolpern. Immer wieder finden wir uns desorientiert an Handlungsorten wieder, ohne recht zu verstehen, warum wir da sind, warum die anderen Personen da sind und was das eigentlich mit der Geschichte selbst zu tun haben soll. Ich musste mir zwischendurch ins Gedächtnis rufen, dass das Absicht ist, ansonsten hätte ich wohl schnell das Interesse an der Geschichte verloren. Wenn man jedoch durchhält, kann man rückblickend einen interessanten Plot entdecken, dessen einzelne Stationen Sinn ergeben und meisterhaft verwoben erscheinen.

Wenn man sich mit dem Wissen, dass dies eine sehr klassische Gothic Novel ist, auf den Roman einlässt, kann man wundervoll in die Welt am Ende des 19. Jahrhunderts eintauchen. Die historischen Umstände sind ebenso lebhaft wie bedrückend, die typischen Elemente werden eindrucksvoll in Szene gesetzt und man fiebert mit der Hauptperson mit. Für den Thriller-Leser der heutigen Zeit mag die Spannung nicht stark genug gewesen sein, doch mit der richtigen Erwartung ist das Buch trotzdem ein Genuss.



Fazit:

Der Roman „Grandhotel Angst“ von Emma Garnier ist eine gekonnte Wiederbelebung des romantischen Genres der Gothic Novels. Die klassischen Elemente dieser Geschichten werden von der Autorin meisterhaft zu einer spannenden Geschichte verwoben, bei der bis zum Schluss unklar ist, wer nun eigentlich der Bösewicht ist. Der Schreibstil ist passend, wenn auch manchmal zu sehr auf Dramatik ausgelegt. Für einen normalen Thriller fehlt eventuell die richtige Spannung, doch als Gothic Novel funktioniert das Buch wunderbar. Wer dieses alte Genre mag oder generell an historischen Romanen mit einem Hauch des Übernatürlichen Interesse hat, der sollte unbedingt bei diesem Buch zugreifen.