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Veröffentlicht am 25.12.2017

Dieses Buch hat mich so wütend gemacht

Mitfahrer gesucht - Traummann gefunden
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Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles ...

Bevor ich mit meiner Rezension anfange, will ich direkt vorwarnen: Der einzige Grund, warum dieser Roman von mir zwei Punkte und nicht bloß einen erhält, ist der gute, leicht lesbare Schreibstil. Alles andere an diesem Buch hat mir nicht gefallen.

Die Leseprobe bzw. die ersten paar Seiten versprechen eine lockere Romanze mit zwei Protagonisten, deren Chemie stimmt. Die Autofahrt, auf der sich Romy und Leon kennenlernen, wird über den gesamten Roman hinweg erzählt, während die eigentliche Handlung die Zeit danach betrifft. Die Szenen während der Autofahrt dienen sehr offensichtlich dem Zweck, die Anziehungskraft zwischen Romy und Leon herauszustellen, doch obwohl die Intention der Autorin so offensichtlich ist, sind die Dialoge vergnüglich genug, dass ich darüber hinwegsehen könnte.

Was dann jedoch in der Zeit danach geschieht, ist für mich persönlich zum Haare ausraufen. Romys aktueller Freund, mit dem sie zusammen gezogen ist, Flo, arbeitet als Blogger. Er ist Gamer und betreibt eigenständig Deutschlands beliebtesten Gamer-Blog. Er arbeitet von zu Hause aus, sitzt gerne in Unterhose vorm Rechner und hört laute Musik, wenn er seine Artikel schreibt. Er ist ein wenig faul, hat seine Umzugskisten noch nicht ausgeräumt und beteiligt sich nicht genügend im Haushalt. Auf Grillpartys, zu denen das Paar eingeladen wird, trägt er Shirts mit Star-Wars-Bildern drauf, obwohl er schon fast dreißig Jahre alt ist. Er kann mit den Menschen auf diesen Partys wenig anfangen, weswegen er sich keine große Mühe gibt, höfliche, oberflächliche Konversation zu machen. Auf einer solcher Party muss er früher weg, da er zu einem Spiele-Marathon mit bekannten YouTubern wie Gronkh eingeladen ist. Später hat er unter anderem einen semi-bekannten Sänger bei sich in der Wohnung zu Gast, um das YouTube-Format "Schlag den Star" aufzunehmen.

All das ist Romy unfassbar peinlich, sie schämt sich dafür vor ihren Freunden und sie ärgert sich beinahe täglich, dass Flo so faul ist und sich gehen lässt. Auch, dass er mit ihr schläft, egal ob sie unten rum rasiert ist oder nicht, lastet sie ihm negativ an. Und dass er keine Brustbehaarung hat. Wenn er abends nicht hört, dass sie heim kommt, weil er bei lauter Musik arbeitet, ist das seine Nachlässigkeit, weswegen sie ihm gar nicht mitteilt, dass sie wieder da ist, und dann wütend auf ihn werden kann, wie unwichtig sie ihm ist. Dass er samstags keine eifersüchtigen Nachfragen stellt, wenn sie spontan ausgeht, ist ebenfalls ein Charaktermangel.

Natürlich ist es dann auch er, der einen so groben Fehler macht, dass Romy ihn ohne schlechtes Gewissen verlassen kann, obwohl sie selbst eine Grenze überschritten hat.

Dass sie ihrem neuen Lover, Leon, von Anfang an ihren Beziehungsstatus verschwiegen hat und auch später weiter darüber lügt, ist natürlich auch kein Vergehen von ihr. Als er deswegen wütend auf sie wird und ihr Vorwürfe macht, ist das natürlich sein Fehler und er entschuldigt sich in dramatischer Geste, dass er je böse auf sie war.

In meinen Augen macht Romy in der gesamten Geschichte zu keinem Zeitpunkt etwas richtig. Sie lügt, sie betrügt und sie erwartet von ihren Mitmenschen, dass sie bei all ihren Plänen mitmachen, ohne dass sie diese Pläne jemals kommuniziert. Ja, gewiss, sie erlebt ein paar dramatische Rückschläge deswegen, aber am Ende entschuldigen sich die anderen bei ihr, sie muss über ihr Verhalten nicht ernsthaft reflektieren, ihr wird kein Fehlverhalten zur Last gelegt, stattdessen erhält sie ihr Happy End.

Als jemand, die selbst freiberuflich arbeitet (Schriftstellerin, Bloggerin), die zudem leidenschaftlich die Pro-Gamer-Szene verfolgt und Let's Plays auf YouTube anschaut, die es liebt, in bequemen Klamotten mit ihrem Ehemann in der Wohnung zu chillen, anstatt aufgetakelt auf Grillpartys zu gehen, habe ich keinerlei Verständnis für Romy und sehr viel Verständnis für Flo. Das Buch hat mich irrational wütend gemacht und leider wurde es zunehmend nur schlechter, nicht besser. Für jemanden mit einer Lebenseinstellung, die eher der von Romy gleicht, ist dieses Buch gewiss ein packender Liebesroman voller emotionaler Momente. Für mich war es eine einzige Beleidigung und Enttäuschung. Schade. Die Leseprobe hatte mehr versprochen.

Veröffentlicht am 12.12.2017

Toll geschriebene Geschichte mit wenig Plot

Seven Nights - Paris
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Bei diesem Buch bin ich tatsächlich einmal dem Cover verfallen. Der angenehme Rosa-Ton gepaart mit der roten Schrift und den sehr schlichten Formen ist genau mein Stil. Dass der Nachfolgeroman (Seven Nights ...

Bei diesem Buch bin ich tatsächlich einmal dem Cover verfallen. Der angenehme Rosa-Ton gepaart mit der roten Schrift und den sehr schlichten Formen ist genau mein Stil. Dass der Nachfolgeroman (Seven Nights - New York) genauso designt ist, allerdings in blau, macht die Sache nur noch besser. Der Klappentext wiederum verspricht eine typische, wenig aufregende Liebesgeschichte, wie man sie in vielen Erotikromanen findet.



Ein starker Schreibstil

Eine Stärke dieses Buches ist definitiv der Schreibstil. Zur Abwechslung haben wir es hier nicht mit einer Ich-Perspektive zu tun, womit ich schon halb gewonnen bin. Dass die Autorin mit ihrem Stil zudem so leicht abwechselnd romantische oder erotische Stimmung erzeugen kann, hat mich endgültig überzeugt. Kate ist Künstlerin und so verbringen wir in Paris viel Zeit an Orten, die für Künstler inspirierend sind. Als Leser wird man direkt in diese Atmosphäre hinein gezogen, man ist ebenso voller Staunen und Bewunderung wie Kate. Während der Sexszenen wiederum zerfließt man förmlich vor Verlangen. Von den vielen erotischen Romanen, die ich dieses Jahr schon gelesen habe, ist dieser durch den Stil wirklich ein positiver Vertreter des Genres.



Leider zu wenig Plot

Auf der negativen Seite steht für mich, dass sehr wenig passiert. Gewiss, die Geschichte ist darauf ausgelegt, dass zwei Menschen sich an sieben Tagen kennenlernen und natürlich steht die Erotik im Mittelpunkt. Beide sind von Gespenstern ihrer Vergangenheit gefangen, wodurch sie sich nur schwer wirklich aufeinander einlassen können. Sowohl Kate als auch Rylan sind durchaus realistische Charaktere, aber ich fand mich zwischendurch doch immer wieder an einem Punkt, wo ich mir dachte: Ist gut, ich habe es verstanden, ihr hattet es schwer. Der einzige echte Plot hier besteht daraus, dass sie einander helfen, ihre Vergangenheit zu überwinden. Oder eben auch nicht. Wir kehren immer wieder zu denselben Gedanken und Gefühlen zurück, so dass wenig tatsächliche Charakterentwicklung stattfindet. So schön geschrieben die Geschichte auch ist, der Plot ist etwas dünn. Andererseits erwartet uns noch ein Nachfolgeband, in dem die Entwicklung zwischen Kate und Rylan weiter verfolgt wird. Vielleicht passiert da mehr.



Fazit:

Der Erotikroman "Seven Nights - Paris" von Jeanette Grey kann sich deutlich von der Masse an erotischen Liebesromanen abheben. Der Schreibstil ist ebenso locker wie einnehmend, die Atmosphäre von Paris lebensecht eingefangen und die Gefühle beider Hauptcharaktere sind authentisch und nachvollziehbar beschrieben. An Plot hat dieses Buch leider nicht allzu viel zu bieten, auch wenn die Geschichte durchaus interessant ist. Eigentlich ist die Schwäche des Plots in meinen Augen zu groß, als dass ich eine gute Bewertung abgeben könnte, doch da mich der Schreibstil (und die Übersetzung des Stils) so überzeugt hat, wäre auch eine mittelmäßige Bewertung unangebracht. Für Fans des Genres ist dieses Buch definitiv ein Muss!

Veröffentlicht am 10.11.2017

So lustig wie relevant

QualityLand
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Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen ...

Mit „QualityLand“ legt Marc-Uwe Kling einen satirischen Science-Fiction-Roman vor, der mehr tut, als bloß eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder finden sich zwischen den Kapiteln Zeitungsartikel, Werbeanzeigen oder aufklärende Texte für Touristen, die das fiktiven Land beinahe real erscheinen lassen. Das sind schöne Stilmittelt, die ich tatsächlich zunehmend zu schätzen gelernt habe. Während ich anfangs noch dachte, dass es schmückendes Beiwerk ist, wurde mir im Laufe der Geschichte bewusst, dass sie tatsächlich einen Sinn haben und zur Geschichte beisteuern.



Zwei parallel laufende Handlungsstränge

Doch was ist diese Geschichte eigentlich? Vor kurzem erst habe ich den Science-Fiction-Roman „Die Optimierer“ gelesen, der in vielerlei Hinsicht eine ähnliche Prämisse hat: In der Zukunft ist alles digitalisiert und wir verlassen uns zunehmend auf K.I. und Algorithmen. Die Parallelen beider Bücher waren zum Teil unübersehbar. Ähnlich verhält es sich mit dem Roman „Heartware“, bei dem am Ende alles auf die Frage einer übermenschlichen K.I. hinausläuft. Der zentrale Plotpunkt von QualityLand ist aufgebaut um die Kampagne zur Präsidentschaftswahl, auch wenn die eigentliche Hauptperson, Peter Arbeitsloser, nicht Teil der Kampagne ist. In Gestalt der K.I. John of us tritt erstmals ein Androide auf die politische Bühne, dessen Gegner ausgerechnet ein rechtsradikaler, roboterhassender Populist ist. Jener Conrad Koch ist gerade in seiner klischeehaften Radikalisierung leider sehr nahe an unserer echten Realität dran, ebenso wie die immer wieder misslingenden Versuche Johns, Wähler durch Logik und Weitsicht zu überzeugen, die tragische Realität eines jeden Wahlkampfes widerspiegeln.

Nebenher verfolgen wir das zunächst immer trostloser werdende Leben von Peter Arbeitsloser, der als Maschinenverschrotter in einer Blase der Nutzlosigkeit gefangen ist. Da die Algorithmen ihm verwehren, höherwertige Jobs zu bekommen oder auch nur höherwertige Menschen kennenzulernen, ist ihm jede Aufstiegschance verwehrt. Die Algorithmen von Everybody, dem allumfassenden Social Network, QualityPartner, der Datenkrake, die Tinder ersetzt hat, und TheShop, dem an sich einzig relevanten Online-Versandhandel, sorgen dafür, dass Peter in seiner Blase gefangen bleibt. Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem er von TheShop ein Produkt erhält, welches er definitiv nicht wollte, auch wenn TheShop damit wirbt, dank der Algorithmen besser zu wissen, was die Kunden wollen, als die Kunden selbst. Seine Versuche, das Produkt zurückzugeben, ziehen immer weitere Kreise und werden immer absurder.



Stereotypen, die mit Klischees brechen dürfen

Aufgrund des satirischen Charakters des Buches haben wir es kaum mit komplexen Figuren zu tun. Die meisten Figuren existieren, um den Plot voranzutreiben, und bleiben daher eindimensional. Da dem Leser jedoch stets bewusst ist, dass er die Geschichte nicht vollständig ernst nehmen soll, ist das überhaupt kein Mangel, im Gegenteil, es trägt zur Erheiterung bei. Gleichzeitig werden bestimmte Klischees etabliert, nur um sie dann ins Gegenteil zu verkehren. So ist zum Beispiel die schöne Fernsehmoderatorin, die für höchste Einschaltquoten sorgt, da sie stets nackt auftritt, tatsächlich klug und hat eine sehr spitze Zunge. Während sie absichtlich alle Klischees bedient, um für Quote zu sorgen, bricht sie doch zugleich damit, weil sie als Moderatorin politischer Gespräche tatsächlich funktioniert.

Einige Charaktere sprechen sogar explizit aus, dass sie sich auf eine bestimmte Weise verhalten, um gerade nicht das Vorhersehbare zu tun, nur um dann zu überlegen, ob sie nicht genau dadurch vorhersehbar werden. Sogar die K.I.s, denen man über den Weg läuft, zeigen bisweilen sehr eigenwillige Charaktere, auch wenn sie auf wenige Eigenschaften begrenzt bleiben und deswegen vor allem als humoristische Sidekicks funktionieren.



Relevante, aktuelle Fragen

Die Frage, wie weit wir Algorithmen vertrauen dürfen, ob sie unser Leben bereichern oder einschränken, und ab wann eine selbstständig lernende K.I. für uns gefährlich werden kann, ist nicht umsonst in den letzten Jahren zu einem großen Thema der Science-Fiction-Literatur geworden. Wir befinden uns an einem Punkt des technischen, digitalen Fortschritts, wo wir uns als Gemeinschaft diese Fragen stellen müssen. Obwohl Marc-Uwe Kling auch in „QualityLand“ die zu erwartende Satire liefert, so beweist er doch erneut, dass er sehr wohl politische, kluge Gedanken zu formulieren weiß. Auch seine Känguru-Chroniken sind mehr als bloß lustige Hörspiele. Obwohl mir die Frage nach der K.I. in „Heartware“ besser diskutiert erscheint, muss sich „QualityLand“ nicht hinter seinen Vorgänger verstecken.

Das Ende ist ebenfalls gelungen, da es auf angemessene Weise einen Abschluss darstellt und dennoch offen bleibt. Es passt zu diesem Roman, der viele Fragen stellt, aber deutlich macht, dass es keine oder zumindest keine eindeutigen Antworten gibt. Was wir vor allem aus diesem Buch mitnehmen können, ist, dass wir noch immer viel weniger wissen, als wir glauben. Die einzige Schwäche des Buches ist, dass es zu keinem Zeitpunkt wirklich spannend war. Der Schwerpunkt auf Humor sorgte zumindest bei mir dafür, dass ich mich keinem Charakter wirklich verbunden fühlte. Insofern war es eine lustige bis interessante, aber nicht ernsthaft fesselnde Lektüre.

Übrigens: Das Buch kommt in zwei unterschiedlichen Ausgaben daher. Während die Hauptgeschichte gleich bleibt, unterscheiden sich die eingestreuten Nachrichten zwischen den Kapiteln. Dunkel für apokalyptisch, hell für optimistisch. Im Internet gibt es die Möglichkeit, beide Nachrichten-Streams nachzulesen. Ich persönlich habe die dunkle Ausgabe gelesen.



Fazit

Der Science-Fiction-Roman „QualityLand“ von Marc-Uwe Kling ist eine gelungene Satire, die für sehr viel Lesespaß sorgt. Gleichzeitig artikuliert der Autor jedoch wie gewohnt tatsächlich spannende Fragen über Politik und Gesellschaft, die in der heutigen Zeit relevant sind. Mit Hilfe diverser stereotyper Charaktere, die aber oft genug die Chance bekommen, mit Klischees zu brechen, erzählt er die Geschichte um den Wahlkampf einer K.I. gegen einen Rechtspopulisten und die Reise eines Maschinenverschrotters, der ein unerwünschtes Produkt zurückgeben will. Facettenreich, mit vielfältigen Stilmitteln durchsetzt und immer lustig, liefert Kling genau das ab, was man erwartet. Ein etwas besser ausgearbeiteter Spannungsbogen, der einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt, fehlt leider, so dass der Roman die Höchstnote knapp verpasst.

Veröffentlicht am 26.10.2017

Von Opfern und Obsessionen

Die Party
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Dieser Roman schildert auf kunstvolle Weise, wie ganz menschliche Regungen zu unmenschlichen Taten führen können. Die Geschichte von Martin und Ben, zwei jungen Männern, die eigentlich nichts verbindet, ...

Dieser Roman schildert auf kunstvolle Weise, wie ganz menschliche Regungen zu unmenschlichen Taten führen können. Die Geschichte von Martin und Ben, zwei jungen Männern, die eigentlich nichts verbindet, wird in Rückblenden beleuchtet, doch die Perspektiven, die wir auf deren Leben erhalten, sind unzureichend, um ein vollständiges Bild zu zeichnen. Dessen ist sich die Autorin sehr bewusst, so dass genau in dieser Unvollständigkeit, in dem, was ungesagt bleibt, ihre Stärke liegt.


>> Unorthodoxe Erzählstruktur

Von Anfang an befindet wir uns in einem polizeilichen Gespräch, welches offensichtlich nach der titelgebenden Party liegt. Dem Leser ist klar, dass etwas Ernstes geschehen ist, doch wir werden sehr lange im Unklaren darüber gelassen, wer, was, wie und warum es geschehen ist. Martin wird von zwei Polizisten verhört, aus seiner Perspektive erleben wir das Gespräch, ebenso wie wir all seine Erinnerungen streng aus seiner eigenen Perspektive erleben. Gleichzeitig wird auf einer anderen Ebene Lucy, Martins Ehefrau, eingeführt, die Tagebuch schreibt und sich in irgendeiner Form der Therapie befindet. Wann diese Therapie stattfindet, ist unklar, nur, dass es ebenfalls nach der Party ist, wissen wir.

Ohne chronologische Reihenfolge erzählt Martin mal von seinem Leben in der Schule, im College oder von seiner Arbeit. Szenen, die früh erwähnt werden, stehen erst viel später in einem Kontext, der ihnen mehr Sinn verschafft. Das ist unheimlich faszinierend zu lesen, doch man muss auch aufmerksam bleiben, um die richtigen Enden der Geschichte miteinander zu verknüpfen. Auch Lucys Tagebucheinträge sind nicht chronologisch, sondern eher als eine Reihe von Anekdoten verfasst, manchmal eher Gedanken über Martin, manchmal eher eigene Erlebnisse aus ihrer Zeit vor ihm. Stück für Stück bastelt die Autorin so zwei komplexe, unglückliche Charaktere, die vom Fluch von Bens Existenz belastet werden.

Martin ist in vieler Hinsicht ein typischer Jugendlicher: Er kennt die Welt nicht, fühlt sich irgendwie ausgeschlossen und spürt, dass er anders ist, ohne dass er versteht, warum das so ist. Während der Pubertät durchlaufen die meisten Menschen solche Phasen der Unsicherheit, doch der Umgang ist unterschiedlich. Der Weg, den Martin einschlägt, ist ebenso ungewöhnlich wie gefährlich. Er schleicht sich in Bens Leben, bis dieser ihm nicht mehr entkommen kann. Ben, als Sohn aus reichem Haus dazu erzogen, niemanden vor den Kopf zu stoßen, um bloß kein schlechtes Image zu bekommen, erkennt zu spät, wie extrem Martin in seiner Freundschaft ist. Und als er es schließlich erkennt und ihn aus seinem Leben drängen will, ergreift Martin eine Gelegenheit beim Schopf, um sich für immer an Ben und dessen Familie zu ketten.


>> Ein Geheimnis, das den Plot zusammenhält

Diese schon im Klappentext erwähnte dunkle gemeinsame Vergangenheit ist der Dreh- und Wendepunkt des gesamten Beziehungsgeflechts. Lucy, die nichts Genaues weiß, aber ahnt, ist trotz ihrer Intelligenz nicht in der Lage, Martin vollständig zu durchschauen. Martin wiederum erkennt das Zusammenspiel von Wissen, Macht und Erpressung, ist aber so stark von seinen Gefühlen geleitet, dass er sein eigenes Verhalten nur als selbstlos wahrnehmen kann, obwohl er weiß, dass es das nicht ist.

Was uns zu einem nächsten Punkt in Martins Charakter bringt: Er sieht sich als Opfer. Schon von den ersten Seiten des Buches an fließt aus den Zeilen das Gefühl eines Menschen heraus, der sich stets nur als Opfer betrachten kann. Seine fast immer beherrschten Aggressionen richten sich nach außen, gegen alles und jeden, der ihm seinen rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft verwehren könnte. Das hat ihn für mich von Anfang an unsympathisch gemacht, ohne dass dieser Umstand jedoch mein Lesevergnügen wirklich getrübt hätte. Im Gegenteil: In der Art, wie auch Lucy sich als Opfer betrachtet, und man vermuten kann, dass Ben sich selbst auch als Opfer sieht, wird deutlich, dass jeder Mensch im Leben damit zu kämpfen hat, Verantwortung für sein eigenes Handeln zu übernehmen und dazu neigt, äußeren Umständen die Schuld zu geben. Dieses Unrechtsbewusstsein kann dazu führen, dass sich Aggressionen über Jahre oder Jahrzehnte aufstauen, ohne je ein konkretes Ziel zu haben. Wenn sich dann ein Ziel auftut, egal, ob wirkliche Ursache der Wut oder nur spontaner Anlass, haben solche Menschen ein hohen Gewaltpotential. Wie der Ausgang der Party beweist.

Insgesamt ist dieses Buch eine wundervolle Charakterstudie, die einfühlsam die Verletzlichkeit junger Menschen zeigt. Leider fehlte mir am Ende aber irgendeine Form der Aufklärung oder ein Erkenntnisgewinn. Ich bin ein wenig ratlos zurückgeblieben, ohne dass ich in Worte fassen könnte, was genau ich mir gewünscht hätte. In jedem Fall aber blieb ich mit einem Gefühl der Leere zurück, das mich unzufrieden macht. Vielleicht war dieser Mangel an Aufklärung auch die Absicht der Autorin, weil sie eben gerade keine leichte Antwort geben wollte.


>> Fazit:

Der Roman „Die Party“ von Elizabeth Day ist eine spannende Charakterstudie, in deren Mittelpunkt drei Menschen stehen, die alle auf ihre Weise mit äußeren und inneren Umständen zu kämpfen haben. Die Verletzungen, die insbesondere Martin und seine Ehefrau Lucy während ihrer jungen Jahre erfahren haben, manifestieren sich in problematischen Charakterzügen und einem Mangel an Selbstbewusstsein. Die Art, wie die Geschehnisse der Vergangenheit, der Party selbst und der Gegenwart miteinander verwoben werden, machen das Buch zu einem Lese-Highlight. Lediglich am Ende wäre eine etwas klarere Botschaft – oder überhaupt irgendeine Botschaft – wünschenswert gewesen. Dennoch ist es für jeden, der auch mal die dunklen Seiten unserer Psyche anschauen will, nur zu empfehlen!

Veröffentlicht am 09.10.2017

Zu hektisch, zu klischeebeladen, zu dramatisch

Du bist mein Feuer
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Vorab: Ich wollte dieses Buch lieben. Ich dachte sogar, dass ich es tue. Ich bin eine sehr aktive Wattpad-Nutzerin, sowohl als Autorin als auch als Leserin. Ich kannte "Chasing Red" schon seit geraumer ...

Vorab: Ich wollte dieses Buch lieben. Ich dachte sogar, dass ich es tue. Ich bin eine sehr aktive Wattpad-Nutzerin, sowohl als Autorin als auch als Leserin. Ich kannte "Chasing Red" schon seit geraumer Zeit, da ich reingelesen hatte und, weil mir der Anfang gefiel, es meiner Bibliothek hinzugefügt hatte. Als ich erfuhr, dass es veröffentlicht wird, habe ich mich sehr für die Autorin gefreut, da ich immer grundsätzlich begeistert bin, wenn Wattpad-Autoren den Sprung zum kommerziellen Erfolg schaffen. Die deutsche Leseprobe war ebenfalls ansprechend, die Übersetzung schien durchaus in Ordnung. Also habe ich mich auf das Buch gefreut.



Zu viele bekannte Entwicklungen, zu schnelle Szenenwechsel

Je weiter ich las, umso enttäuschter wurde ich. Es war nach wie vor deutlich zu lesen, dass es ursprünglich für Wattpad geschrieben worden war, wo man in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen ein neues Kapitel veröffentlicht. Das wirkt sich auf den Stil aus, wenn man sich nicht sehr diszipliniert, da man anfängt, in Kapitel-Bögen zu denken. Jedes Kapitel muss für sich irgendetwas Spannendes beinhalten. So haben Wattpad-Geschichten oft einen deutlich hügeligeren Spannunsgbogen als traditionelle Geschichten - und das ist manchmal schlecht. Wie leider auch hier: Es passiert so unglaublich viel, aber selbst die spannendeste Action ist nach zwei oder drei Kapiteln schon wieder vergessen. Nie lässt sich die Autorin Zeit, eine Szene über mehrere Kapitel hinweg zu entwickeln oder Gefühle wirken zu lassen. Was in der Welt von Wattpad irgendwie noch funktioniert, ist in Romanform wirklich schwierig. Ich hätte mir gewünscht, dass das Lektorat das ein wenig glatt bügelt.

Hinzu kommt, dass wir leider sehr viele gängige Entwicklungen beobachten: Der ewige Junggeselle verfällt auf dem ersten Blick der schönen Jungfer. Die schöne Jungfer schart selbstbewusste, laute Freundinnen um sich, die immer für sie da sein werden. Der ewige Junggeselle kann seine gewalttätigen Tendenzen nur schwer kontrollieren, wenn er Gefahr für sein Weibchen wittert. Natürlich kommt irgendwann eine alte Flamme ins Spiel, auf die die schüchterne, unsichere Jungfer mit Eifersucht reagiert, und ehe der Leser sich versieht, haben wir ein großes Drama, weil niemand irgendjemandem zuhört und jeder sofort verletzt ist statt zu vertrauen. Dass im Hintergrund Verletzungen aus der Kindheit und emotionale Traumata durch die Eltern am Werk sind, wird zwar regelmäßig erwähnt, aber so richtig schlüssig ist die Verbindung nie. Es wird uns nur gesagt, dass es so ist.



Show, don't tell!

Generell ist das leider eine große Schwäche in diesem Roman: Dem Leser wird sehr viel gesagt. Ich persönlich habe selten wirklich gespürt, dass da Liebe und Verlangen ist. Da kann der ewige Junggeselle noch so oft sagen, wie sehr er sie jetzt braucht, wie sehr er sie will, wie sehr er für sie brennt - ich habe es nicht gespürt. Auch, dass er praktisch vom ersten Kapitel an für uns anschaulich darüber nachdenkt, dass sie anders ist und ihn anders fühlen lässt als alle zuvor und dass sie ihn verändert hat, hilft nicht unbedingt, eine emotionale Charakterentwicklung aufzumachen. Im Gegenteil. Wie bekommen den fertigen Charakter "ewiger Junggeselle, der sich für die Eine ändert" direkt zu Beginn präsentiert. Den gesamten Rest des Buches sehen wir nur, wie die Jungfer ihn anzweifelt und sich schließlich doch öffnet. Die Autorin sagt uns auch freundlicherweise zu jederzeit, was die Charaktere denken und fühlen. Spüren tun wir es leider nicht.

Das Ende ist wie erwartet actionreich und dramatisch, aber leider ohne Spannung aufkommen zu lassen. Wieder hatten wir zu wenig Zeit, um wirklich in die Stimmung, in die Angst der Charaktere einzutauchen, ehe schon wieder alles vorbei war. Dass zwischendurch einige Zeitsprünge passiert sind, die nicht kommentiert und auch im Text nicht als solche verdeutlicht werden, hat es mir gegen Ende hin auch etwas schwer gemacht zu verstehen, was genau wann geschieht. 

Es ist wirklich so schade. Ich wollte dieses Buch lieben, aber ich konnte einfach nicht. Wäre es nicht Isabelle Ronin, wäre es nicht ein Wattpad-Roman, ich hätte nach 200 Seiten aufgegeben. Ich erwarte von einem New-Adult-Roman keine großen Sprünge, keine fantastische Geschichte. Aber dieses Chaos, diese Ansammlung an Klischees, diese unrunde Ausführung - ich kann es einfach nicht gut bewerten. Nicht einmal der Sex war wirklich heiß! Ich bin traurig.



Fazit:

Der New-Adult-Roman "Du bist mein Feuer" von Isabelle Ronin ist die dramatische Liebesgeschichte zwischen einem ewigen Junggesellen und einer Damsel-in-Distress. Was spannend und mitreißend beginnt, wandelt sich leider sehr schnell zu einer sehr klischeebeladenen Geschichte, in der zu hektische Szenenwechsel jegliche Stimmung unterdrücken. Die Autorin sagt uns öfter als dass sie uns zeigt, wie ihre Charaktere fühlen und denken, so dass zumindest für mich keine echte Bindung aufkommen konnte. Der Plot ist niedlich genug, aber die Umsetzung leider unterdurchschnittlich.