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Veröffentlicht am 11.12.2022

Schnelle Geschichte mit gut gezeichneten Charakteren

Die Töchter der Ärztin
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Die Geschichte startet mit Tonis zweitem Physikum, das sie bestanden hat und nun ihre Assistenzarztzeit in Afrika verbringen will - dieser Ort, an dem sie geboren ist aber selbst nie richtig erlebt hat. ...

Die Geschichte startet mit Tonis zweitem Physikum, das sie bestanden hat und nun ihre Assistenzarztzeit in Afrika verbringen will - dieser Ort, an dem sie geboren ist aber selbst nie richtig erlebt hat. Währenddessen hat ihre Schwester eine neuartige Apparatur für ihre Praxis gekauft: einen Röntgenapparat. Die beiden Töchter der bekannten Ärztin Ricarda Thomasius (bereits erschienene Trilogie „Die Ärztin“) sind sehr verschieden. Henny ist zehn Jahre älter, hat bereits ein Kind und ist sehr zurückhalten mit Gefühlen. Toni hat einen anderen Vater als ihre Schwester, genießt das Leben und sucht noch ihren Platz in der Welt. Deshalb reist sie nun nach Daressalam um dort ihre Assistenzarztzeit zu verbringen. Hier erfährt man sehr viel über den Kolonialismus (und dessen Entwicklung), während Toni im Krankenhaus für Weiße arbeitet und dann auch eine Klinik für die Einheimischen auf die Beine stellt. Währenddessen stellt ihr der Leiter der Klinik nach und ist nicht erfreut über ihre Zurückweisungen. Das Buch spielt auch weiterhin in Berlin, wo wir Henny folgen, deren Ex-Mann wieder in ihr Leben tritt und sie Angst um die Zukunft ihrer Tochter bekommt.

Neben den beiden Schwestern spielt aber auch die riesige Familie von ihrer Mutter Ricarda eine Rolle. Sie ist als Kind von Angestellten des Schloss Freystetten eng mit dieser Familie verbunden. Darum geht es auch viel um deren Kinder, die auch ungefähr in Hennys und Tonis Alter sind. Der Stammbaum in der hinteren Buchklappe ist dabei ungemein hilfreich, wenn man die „Ärztin“-Trilogie noch nicht gelesen hat (ansonsten finde ich es nicht störend, wenn man sie noch nicht kennt).

"Leben ist ein Geschenk. [...] Ein Geschenk verdient man nicht. Es ist plötzlich da. Man sollte es schätzen, weil man es bekommen hat, ohne etwas dafür getan zu haben.“, Ricarda, S. 171

Obwohl das Buch mit fast 500 Seiten nicht gerade dünn ist, wird jedoch oft im Geschehen gesprungen und manche Situationen nur indirekt durch andere Charaktere beschrieben. Zu Anfang droht Henny etwas, das ihr viel Angst macht, und plötzlich springt die Geschichte um einige Monate und erzählt wie nebenher, dass nichts Schlimmes passiert ist. Das fand ich zu dem Zeitpunkt etwas schade. Denn auch Hennys Liebesbeziehung kommt mir zu kurz und erst zum Schluss von Tonis Zeit in Afrika hat man auch mitbekommen, dass sie die dort gesprochene Sprache Swahili gelernt hat. Während des Buches vergehen fast zwei Jahre, in denen alle Familienmitglieder der Thomasius und Freystetten eine Rolle spielen, aber Hauptaugenmerk und roter Faden ist immer Tonis Zeit in Afrika. Durch die bereits erzählte Trilogie rund um Ricarda Thomasius sind die Charaktere alle sehr gut gezeichnet und beschrieben, aber haben mir trotzdem zu viel Raum in der Handlung eingenommen. Weniger Handlung und dafür mehr Augenmerk auf die Emotionen der beiden Schwestern hätten mir besser gefallen.

Abgesehen davon, dass der letzte Satz des Klappentextes das Ende spoilert (warum?!), bin ich damit unzufrieden. Es kommt eine übernatürliche Komponente auf, die ich unrealistisch finde, aber von dem Autorenpaar als realistisch dargestellt wird. Was sich daraus entwickelt, hat mir nicht gefallen. Dass die beiden Schwestern nach der Zeit der räumlichen Trennung wieder vereint sind, wie zu Beginn des Buches, finde ich einen guten Abschluss.


Fazit:
„Die Töchter der Ärztin – Zeit der Sehnsucht“ erzählt von den beiden Schwestern Henny und Toni, die grundverschieden, aber beide Medizinerinnen geworden sind und nun entweder eine eigene Praxis in Berlin führen oder in Afrika als Assistenzärztin arbeiten. Dadurch spielt die Geschichte abwechselnd an den beiden Orten. Eine Fülle an Verwandten findet auch ihren Platz in der Geschichte, wodurch leider einige Begebenheiten übersprungen und zu schnell abgehandelt werden. Durch die „Polizeiärztin Magda Fuchs“-Trilogie des Autorenpaares hätte ich viel mehr emotionale Verbindungen und eine mitreißende Erzählung erwartet, aber hier leider nicht gefunden.

PS: Vorsicht! Der letzte Satz des Klappentext spoilert das Ende des Buches!

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Veröffentlicht am 30.11.2022

Erste Hälfte gähnend langweilig, Ende hingegen überraschend gut

Spicy Noodles – Der Geschmack des Feuers
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Toma muss von seinem Vater aus Jura studieren, doch an den Unis wurde er abgelehnt. Als sein Vater ihn rausschmeißt, findet er Zuflucht in dem Restaurant seines Opas, wo er nun auch arbeitet. Opa Shiro ...

Toma muss von seinem Vater aus Jura studieren, doch an den Unis wurde er abgelehnt. Als sein Vater ihn rausschmeißt, findet er Zuflucht in dem Restaurant seines Opas, wo er nun auch arbeitet. Opa Shiro erzählt absonderliche Geschichten, die Toma natürlich nicht glaubt, und hat manch seltsame Regeln für das Lokal, das Toma aufpeppen und beliebter machen will. Somit versucht er Shiros legendäre Ramen nachzukochen, während ein gnadenloser Serienkiller, Overkill, New York in Angst und Schrecken hält. Es gibt auch ein paar Kapitel, die aus Overkills Sicht geschrieben sind, in denen man die brutalen und teilweise ekligen Morde hautnah miterlebt.

Die erste Hälfte des Buches fand ich sehr langweilig. Nachdem Toma bei seinem Opa im „Spicy Noodles“ wohnt und kocht und der Serienkiller Overkill mehrmals erwähnt wurde, ist die Grundstory klar. Tomas Arbeiten im Lokal plätschern nur vor sich hin und die gelegentlichen Gäste sind irgendwann auch nicht mehr interessant. Akari zum Beispiel ist für mich ein überheblicher Snob, auch wenn sich ihr Verhalten später klärt, wobei sie mir damit auch nicht sympathischer wird, und ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum Toma etwas für sie empfindet. Shiros Geschichten über die Familie sind interessant, aber da Toma nicht daran glaubt, wir Leser/innen aber natürlich wissen, dass sie wahr sind, ist auch dieser Erzählstrang zunächst öde. Da hat es auch nicht mehr geholfen, dass ich den ruhigen, herzensguten und eifrigen Protagonisten sympathisch finde. Nachdem dann endlich die Liebesgeschichte zwischen Toma und dem Gast Akari beginnt und die angesprochene Situation im Klappentext mit den Essstäbchen geschieht, kommt schließlich Action auf. Ich kann es aber überhaupt nicht leiden, wenn der Klappentext spoilert und Dinge verrät, die nicht zu Beginn des Buches geschehen (und außerdem, das allererste Wort im Buch ist „Overkill“, warum wird der Serienkiller mit keiner Silbe erwähnt, wo doch seine Art zu Morden sehr brutal und präsent im Buch ist?). Nach diesem Spannungsaufbau flacht die Geschichte aber direkt wieder ab, weshalb ich mich gefragt hab, ob ich das Buch vielleicht lieber abbrechen sollte. Aber das Durchhalten hat sich gelohnt, denn es war spannend mit Toma mehr über die Welt der Göttererben und seine eigenen Fähigkeiten zu erfahren. Die anderen Charaktere wurden auch zunehmend wichtiger und faszinierend. Die zweite Hälfte des Buches hat also aufgeholt und gipfelt in ein spannendes, mitreißendes Ende, das überraschenderweise nicht zu happy Happyend wurde, wie ich befürchtet habe, sondern einfach perfekt ist.

Übrigens ist dies der zweite Teil der „Food-Universe“-Reihe, wovon ich den ersten nicht gelesen habe. Aber alle Sachverhalte über die Göttererben und die Rolle der Speisen und Getränke werden hier ausreichend aufgegriffen und erklärt. Es ist nur hilfreich den Klappentext vom ersten Band zu kennen, da die Geschehnisse daraus erwähnt werden, aber nicht stören, sondern im Gegenteil neugierig auf die vorherigen Ereignisse machen.


Fazit:
Mit „Spicy Noodles“ hat mich Marie Graßhoff leider enttäuscht, wobei ein Teil davon auch auf den spoilernden Klappentext zurückzuführen ist. Nach der langweiligen ersten Hälfte wird die Geschichte aber zunehmend spannender und actionreich. Ich habe Toma gerne in die Welt der Göttererben begleitet und bin auch mit dem Ende mehr als zufrieden. Jetzt bin ich sehr gespannt auf den dritten Teil der Reihe, der außergewöhnliche Charaktere ins Zentrum rückt, die ich jetzt schon sehr faszinierend finde.

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Veröffentlicht am 13.11.2022

Wunderschön geschriebene Geschichte mit zu wenig Spannung

Zirkus der Wunder
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Nell wohnt in einem kleinen Dorf, das vom Anbau von Blumen lebt. Die junge Frau ist eine Außenseiterin, wurde ihr Leben lang wegen ihrer Muttermale am ganzen Körper gemobbt und ausgegrenzt. Nur ihr Bruder ...

Nell wohnt in einem kleinen Dorf, das vom Anbau von Blumen lebt. Die junge Frau ist eine Außenseiterin, wurde ihr Leben lang wegen ihrer Muttermale am ganzen Körper gemobbt und ausgegrenzt. Nur ihr Bruder akzeptiert sie, wie sie ist, doch als Jasper Jupiters Zirkus der Wunder in der Nähe gastiert, verkauft ihr Vater sie an Jupiter. Bald spielt die Geschichte im Zirkus, wo Nell zum ersten Mal im Leben Bewunderung statt Spott für ihre Andersartigkeit erfährt. Dort gibt es noch viele andere einzigartige Artisten mit besonderen körperlichen Merkmalen. Zunehmend geraten nun der Impresario Jupiter und dessen Bruder Jasper immer mehr in den Fokus der Geschehnisse. Das Buch wird aus den Sichtweisen von Nell, Jasper und Jupiter geschildert.

Der Schreibstil der Autorin ist einfach toll. Ihre Beschreibungen vermitteln eine gewisse Atmosphäre, wodurch man Gefühle durch die Stimmung erfährt, statt dass beschrieben wird wie sich die Protagonist/innen fühlen. Insgesamt ist die Geschichte etwas düster, weil auch oft Abhängigkeiten und Herabsetzung eine Rolle spielen, und entwickelt sich eher langsam. Elizabeth Macneal konzentriert sich vielmehr auf die Charaktere und deren Entwicklung, als viele spannende Szenen zu nutzen. In einigen Situationen waren mir aber trotzdem die Gefühle einiger Charaktere zu wenig beschrieben, insbesondere bei Nell. Und auch ihre weitere Entwicklung mochte ich gar nicht.

Im Mittelteil gibt es kaum Spannung und es geschehen Dinge, mit denen man schon gerechnet hat. Hier haben mich der Schreibstil, die faszinierende Figur des Impresarios und mein Lieblingscharakter Toby durch die Geschichte getragen. Während nicht nur vom Zirkus, sondern auch Jasper und Tobys unausgeglichener Beziehung berichtet wird, gibt es immer wieder Rückblenden in deren Vergangenheit, wo ein Geheimnis angedeutet wird. Es wurde so oft erwähnt, dass ich so gespannt war, was damals wirklich passiert ist. Die Auflösung dieser Situation ist aber sehr unspektakulär, da die Andeutungen eigentlich schon alles gesagt haben. Noch enttäuschender ist, dass man die Wahrheit darüber auch anders auslegen könnte. Auch wenn ein anderer wichtiger Aspekt über Jaspers Lage am Ende gefehlt hat, hat mir der Schluss wieder viel mehr zugesagt. Es ist spannend, turbulent, bittersüß und endet für mich genau richtig - weder zu negativ, noch zu rosarot. Die Anmerkungen der Autorin zu ihren Recherchen und dem Umgang mit Menschen Ende des 19. Jahrhunderts, deren Körper anders sind als gewohnt, sind sehr interessant und verleiten dazu, den Roman nicht nur als Unterhaltung zu sehen, sondern auch zwischen den Zeilen zu lesen.


Fazit:
Die Geschichte beginnt mit Nell, handelt im weiteren Verlauf aber hauptsächlich vom Zirkus und der Beziehung der beiden Brüder Jasper und Toby. Die Atmosphäre ist zwar etwas düster, aber unglaublich gut beschrieben. Insgesamt ist das Geschehen aber zu unspektakulär und kaum spannend, da konnte das passende Ende auch nicht mehr viel für mich rausreißen.

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Veröffentlicht am 06.11.2022

Enttäuschend & wird erst in der zweiten Hälfte spannender

Die Wolkenstürmerin
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Die junge Marlene hat kürzlich ihre Eltern verloren, während das geerbte Familienunternehmen nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr aus den roten Zahlen kommt. Durch Beschränkungen in Deutschland ist das ...

Die junge Marlene hat kürzlich ihre Eltern verloren, während das geerbte Familienunternehmen nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr aus den roten Zahlen kommt. Durch Beschränkungen in Deutschland ist das hamburgische Unternehmen zur Herstellung von Leichtbauprofil-Flugzeugen der Konkurrenz hinterher. Als ihr Onkel ein Übernahmeangebot bekommt, müssen er, Marlene und ihre beiden Vettern entscheiden, wie es mit der Firma Appen weitergehen soll. Deshalb schlägt die flugbegeisterte Marlene ein Flugtaxiunternehmen vor, das der Firma zu neuen finanziellen Mittel verhelfen soll, doch ihr Vetter Max ist gegen den Plan und auch ihr Onkel scheint skeptisch. Um vor der finalen Abstimmung den Kopf frei zu bekommen, reist Marlene ins Ferienhaus an die Ostsee, wo sie sich in den mysteriösen Schwimmer Bernhard verliebt.

Die Probleme des Familienunternehmens und Marlenes Kampf als Frau gegen Max‘ Vorurteile war anfangs sehr interessant. Doch mit jeder weiteren Seite treten der Hersteller von Leichtbauprofilen und das kleine Flugtaxi in den Hintergrund, es wurde im Unternehmen nicht mal mehr über den neuen Geschäftszweig geredet und als Leser/in bekommt man es nur am Rande mit, ob es nun zum Erfolg kommt oder nicht. Stattdessen nimmt die Liebesgeschichte immer mehr Raum ein, die mir von Anfang an eher wenig zugesagt hat. Marlene und Bernhard verlieben sich auf den ersten Blick, was mir nie gut gefällt. Ich will über eine Anziehung aufgrund von den Charakteren lesen und nicht wegen des Aussehens der Protagonisten. Außerdem wird um Bernhard ein großes Geheimnis gemacht, obwohl schon der Klappentext von einer Ost-West-Liebe spricht. Die Gespräche der beiden sind zu Beginn wenig romantisch oder angenehm, weil Marlene jedes Mal das Leben im Osten anspricht, was Bernhard unangenehm ist und abblockt. Wo kommen da die Gefühle auf? Mit der Zeit konnte die Autorin aber doch langsam die Geborgenheit und Nähe der beiden gut beschreiben. Somit wurde nach der vor sich hin plätscherten ersten Hälfte die zweite viel spannender. Denn hier kommt endlich wirklich der Konflikt von Marlenes und Bernhards Beziehung auf, weil sich die Grenze mitten durch Deutschland nicht nur in Bernhards geplante und seltene Besuche an der Ostsee äußern. Auch wenn Marlene sehr fixiert auf die Beziehung ist und schnell viel will, kommt doch erst dadurch eine spannende und fesselnde Geschichte auf. Ich habe bis zur letzten Seite mitgefiebert, auch wenn mir das Ende zu rosarot war.

Die größten Kritikpunkte an der Geschichte sind für mich, dass Birgit Zimmermann zwar einen flüssigen Schreibstil hat, aber oft manche Situationen nicht gänzlich beschreibt. Als bei mir langsam die Gefühle der Protagonisten aufkamen, war der Moment schon wieder vorbei. Ein paar Sätze mehr über die Emotionen der Charaktere hätten die Geschichte viel einnehmender und berührender gemacht. Außerdem war insbesondere die erste Hälfte langweilig und viele Dinge zu offensichtlich angedeutet. Und die größte Enttäuschung ist für mich, dass Marlene zwar Lilienthal heißt, Titel und Cover eine große Geschichte übers Fliegen versprechen, es aber nur als Rahmenhandlung fungiert. Schön ist, wie die Autorin Marlenes Leidenschaft fürs Fliegen geschildert und auch oft die Szenen im Flugzeug über den Wolken hautnah beschrieben hat. Ansonsten gibt es kein Nachwort über die tatsächlichen Geschehnisse in der Geschichte und auch das Internet hat mir leider keine erfolgreiche Recherche gebracht.


Fazit:
„Die Wolkenstürmerin“ erzählt die Geschichte der flugbegeisterten und bis über beide Ohren verliebte Marlene. Vieles ist sehr offensichtlich, weshalb die erste Hälfte des Buches eher langweilig ist und erst in der zweiten Spannung und Dramatik aufkommt. Eine mehr oder minder unterhaltsame Lektüre, von der ich mehr erwartet hätte.

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Veröffentlicht am 24.10.2022

Spannende Profikarriere, aber einfach zu langatmig

Carrie Soto is Back
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Carrie Soto ist ein Tennisstar: Sie hat die meisten Grand Slam Siege (die vier großen Turniere im Jahr in Australien, Frankreich, England und den USA) und einige andere Rekorde erreicht. Doch nun holt ...

Carrie Soto ist ein Tennisstar: Sie hat die meisten Grand Slam Siege (die vier großen Turniere im Jahr in Australien, Frankreich, England und den USA) und einige andere Rekorde erreicht. Doch nun holt eine junge Tennisspielerin bei den Grand Slam Turnieren gleich auf. Carrie kann es nicht ertragen und will ihren Rekord zurückerobern, weshalb sie mit 37 Jahren, nach sechs Jahren Pause, wieder in den Tennissport einsteigt.

Taylor Jenkins Reid kann Karrieren sehr gut und detailliert darstellen, ihre Geschichten fühlen sich manchmal schon an wie biographische Romane. Wir begleiten hier Carrie von Beginn an, sogar als ihre Eltern sich kennenlernten, wie Carries Vater als Ex-Profi sie bereits als Kleinkind mit auf Tennisplätze nahm, ihre Mutter früh starb und Carrie durch ihren Vater direkt als kleines Mädchen mit ihrer Tenniskarriere begann. Das Tüpfelchen auf dem I sind die Übertragungen von Sportsendungen und Artikel, wodurch man auch die Sicht von Tennisexperten und Journalisten erfährt. Außerdem ist nicht nur das harte Training ein wichtiger Bestandteil von Profikarrieren, sondern auch die öffentliche Meinung, die auch Carrie und ihren Vater Javier nicht kalt lässt. Hauptsächlich spielt das Buch in der Gegenwart, 1996, als Carrie für ihr Comeback trainiert und an den vier großen Turnieren des Jahres teilnimmt. Somit lesen wir sehr viel über Tennis, die Techniken, Aufschläge, die Trainings, Spielanalysen. Durch die Rückblenden in Carries Kindheit und ihren Anfängen im Tennis, erfährt der/die Leser/in selbst die wichtigsten Regeln. Außerdem kann man sich durch den Kontext vieles erschließen und versteht, was in den Spielen passiert, wer nun im Hintertreffen ist und wer gewinnen könnte. Trotzdem sind es allmählich einfach zu viele Tennismatche und Fachbegriffe. Ein Glossar zur Erklärung hätte ich hilfreich gefunden. Tennis ist eine tolle Sportart, aber ich hatte nie näher Kontakt damit, deshalb haben mich nach 300 Seiten die Gespräche und Spielbeschreibungen nur noch genervt. Noch dazu kommt, dass Carrie sehr verbissen und überheblich ist. Sie soll sicherlich auch keine Sympathieträgerin sein, aber schwierige Charaktere machen Geschichten immer etwas schwerer zu lesen. Außerdem hat es mich oft auch erschüttert, zu welchem Menschen Javier Carrie erzogen hat, z. B. erzählt er ihr von Kindesbeinen an, dass sie die beste Tennisspielerin aller Zeiten werden wird und ist dann verwundert, wenn Carrie nach einer enorm langen Erfolgssträhne ihre Niederlage nicht verkraften kann. Diese Geschichte zeigt vor allem auch die Schattenseiten von Profisportler/innen.

Ebenfalls gestört haben mich die spanischen Sätze. Carries Vater ist als junger Mann von Argentinien in die Vereinigten Staaten ausgewandert, weshalb es ein charmantes Detail ist, dass immer wieder spanische Begriffe eingeworfen werden. Doch leider finden auch kurze Gespräche zwischen Carrie und ihrem Vater, mindestens von seiner Seite aus, und vor allem auch die wichtigen Teile ihrer Dialoge auf Spanisch statt. Anfangs habe ich die Stellen übersprungen, aber mit der Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich Teile von Carries uns Javiers Beziehung vielleicht verpasse. Deshalb habe ich eine zeitlang die spanischen Phrasen übersetzt, was wirklich hilfreich war, aber da es mich immer aus dem Lesefluss gerissen hat, habe ich wieder damit aufgehört. Carrie sagt in der Geschichte einmal zu Bowe, er soll einfach Spanisch lernen, wenn er ihren Vater verstehen will, was wohl auch die Gedanken der Autorin waren. Sehr schade, spätestens die Übersetzung hat es verpasst, die Sätze in kurzen Fußnoten auf Deutsch wiederzugeben.


Fazit:
„Carrie Soto is back“ erzählt die gesamte Tennis-Karriere der Profispielerin, vor allem auch die Schattenseiten. Die Regeln- und Begriffe sind auch gut ohne Wissen über die Sportart verständlich, aber mit der Zeit wird es einfach langweilig, wenn man über das x-te Spiel oder Training liest. Tennis-Fans und Spieler/innen werden mehr Spaß an der Geschichte einer außergewöhnlichen und verbissenen Karriere haben.