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Veröffentlicht am 30.10.2022

Eine Familie im Wandel der Zeiten

Der Pfirsichgarten
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Meilin kommt aus einer guter Familie von Antiquitätenhändlern und hat aus Liebe geheiratet. Leider kehrt ihr Mann, mit dem ihr eine wundervolle Zukunft bevorstand, nicht aus dem Krieg zurück, sie musste ...

Meilin kommt aus einer guter Familie von Antiquitätenhändlern und hat aus Liebe geheiratet. Leider kehrt ihr Mann, mit dem ihr eine wundervolle Zukunft bevorstand, nicht aus dem Krieg zurück, sie musste mit Renshu, dem vierjährigen Sohn fliehen.

Zusammen mit der Familie ihres älteren Schwagers Longwei, dessen Frau sie sie stets spüren lässt, dass sie unwillkommen ist, beginnen sie ein neues Leben.

Meilin muss oft ihren Stolz hinter sich lassen, um ihren Sohn über die Runden zu bringen und ihm später sogar ein Studium zu finanzieren. Da sind sie allerdings längst in Taiwan gelandet und schlagen sich meist ohne Longwei und die Seinen durch.

Ein Roman, in dem die Perspektiven wechseln: ist es über die die meiste Zeit Meilins Perspektive, aus der erzählt wird, wechelt sie später auf Renshu, der in die Vereinigten Staaten zum Studium geht und dort zu Henry wird und danach auf dessen Tochter Lily aus seiner Ehe mit der Amerikanerin Rachel. Lily wächst als Amerikanerin mit wenigen Informationen über China auf und sieht ihre Großmutter Meilin nur einmal bei deren Besuch in den Staaten.

Ein Roman, der die starke Zerrissenheit vor allem der mittleren Generation, also von Renshu/Henry verdeutlicht; der zweisprachige Name steht quasi als Sinnbild darüber.

Wie sehr mich der Roman durch die einfühlsame Schilderung seiner Charaktere auch begeistern konnte, für mich blieben die Darstellungen seltsam emotionslos. Oftmals hatte ich das Gefühl als wüsste die Autorin selbst nicht richtig über die Geschichte ihres Vaterlandes, die immer wieder ansgesprochen wird, Bescheid. Das hat mich jedenfalls in höchstem Maße irritiert und meine Begeisterung ein wenig geschmälert.

Veröffentlicht am 24.09.2022

Eine Familie kann auch aus denen bestehen, die sich einander zugehörig fühlen

Wo die Winterrose blüht
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Grace befindet sich in den letzten Monaten - aber das wissen nur wir, sie natürlich noch nicht - des Zweiten Weltkriegs in Südfrankreich, um jüdischen Kinder bei der Flucht zu helfen. Für die Quäkerin ...

Grace befindet sich in den letzten Monaten - aber das wissen nur wir, sie natürlich noch nicht - des Zweiten Weltkriegs in Südfrankreich, um jüdischen Kinder bei der Flucht zu helfen. Für die Quäkerin aus dem beschaulichen Oregon, die gleichwohl schon so einiges erlebt hat, ist es eine große Umstellung, die sie mithilfe ihres starken Glaubens meistert.

Nach dem Krieg findet sie sich mit Roland, den sie in Frankreich kennen- und liebengelernt hat und drei "übriggebliebenen" jüdischen Kindern als Familie in Oregon wieder, wo sie Haus und Grundbesitz ihrer Großeltern geerbt hat.

Roland ist um die halbe Welt gereist, um sie wiederzufinden und nun, in Zeiten des Friedens sind sie bereit, hier eine Existenz aufzubauen. Doch es zeigt sich, dass es manchmal in Friedenszeiten schwieriger ist, als im Krieg, ausgeglichen zu leben - zunächst ist es Graces Mutter Ruby, eine überkandidelte Hollywood-Diva, die sie nicht in Ruhe lassen will und dann machen auch noch einige Kinder Schwierigkeiten.

Ein schönes Buch, in dem ich gerade die sehr authentisch geschilderten Situationen in Kriegs- und Nachkriegszeiten genoss. Das Ende insgesamt - also inklusive der dorthin führenden Entwicklungen - war mir dann aber doch deutlich zu dramatisch.

Veröffentlicht am 22.09.2022

Ein Herrchen und seine Familie

Die Mauersegler
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Toni nämlich - von seiner Familie ist aber eigentlich nur Pepa übriggeblieben, sein Hund. Sein Sohn lebt bei der geschiedenen Ehefrau - für beide hat er eigentlich nur Verachtung übrig. Für den ...

Toni nämlich - von seiner Familie ist aber eigentlich nur Pepa übriggeblieben, sein Hund. Sein Sohn lebt bei der geschiedenen Ehefrau - für beide hat er eigentlich nur Verachtung übrig. Für den Sohn - den aus Tonis Sicht minderbemittelten Nikita - eigentlich schon immer und für Exfrau Amalia ist nicht anderes übriggeblieben.

Der Protagonist führt sehr detailliert, faktenverliebt und wortgewaltig in seine Geschichte ein, in deren Gegenwart er mit seinem Hund alleine steht bzw. lebt, wenn auch nicht mehr lange.

Schon im nächsten Juli will er seinem Leben ein Ende setzen, trotz Vorhandenseins eines Sohnes wie auch eines Hundes. So beschreibt er sein letztes Jahr in exakt 365 Kapiteln, so dass man beim Lesen immer mitfiebern kann: tut er's oder tut er's nicht?

Das klingt makaber und genauso ist es gemeint. Toni ist gewissermaßen ein Menschenfeind, man fragt sich immer wieder, ober er das alles, was er so aus sich herausschüttet, ernst meint.

Und im Rückblick bin ich geneigt zu glauben, dass es in vielen Fällen so ist. Toni ist schnell genervt - von allem möglichen. Auch von seinem besten Freund Humpel (Nomen est Omen, man wird sehen), zumindest manchmal. Am wenigsten nervt ihn sein Hund, aktuell am ehesten eine Jugendfreundin, die sich einst bestens mit seiner Mutter verstand - er hat das Gefühl, dass sie ihn stalkt. Da sie Frauchen, also ebenfalls Hundebesitzerin ist, begegnen sie sich ständig im Park. Aber warum eigentlich?

Also, eigentlich war es für mich alles etwas zu viel - zu viele Worte, zu viele Details, zu viele Bezüge - aber ich hoffte, dass sich alles zusammen zu einem so wundervollen literarischen Kunstwerk fügt, dass ich es unbedingt in seiner Gänze lesen möchte, trotz der über 800 Seiten, die es beinhaltet. Ich hoffte auf große Literatur, die dies für viele Leser sicher auch ist.

Das war es leider nicht für mich, nicht für die Freundin des großen Ganzen, eines Überblicks, der Klarheit verschafft und nicht zuletzt eines roten Fadens. Ich bin eine Leserin, die so ihre Probleme hat mit kleinteiligem, oft auch kleinlichen Rumgehacke auf anderen. Ich gehe mal davon aus, dass Aramburu an seinem Protagonisten gefeilt hat, um diesen Menschenfeind so hinzubekommen, wie er eben geworden ist.

Viele werden begeistert sein von diesem Mann, der eigentlich lieber von dem spricht, was er nicht mag, nicht von seinen Vorlieben, der in Vorbereitung seines Abschieds aus der schnöden Welt sein Hab und Gut - vor allem seine zahlreichen Bücher - in seiner Heimatstadt Madrid verteilt. Mich hat er nach einer Weile genervt, ebenso wie der detaillierte Stil.

Ich habe den Roman nicht ungern gelesen und mir ist klar, dass dies Werk etwas Unikales, keineswegs eines von vielen ist, aber trotzdem: mein Buch war es letztendlich nicht, es hat mich mit den detailverliebten Schilderungen von Toni, ohnehin ein sehr komplexer Protagonist, immer wieder sehr gefordert und ja, ich gebe offen zu: ich bin froh, dass ich damit durch bin!

Veröffentlicht am 08.09.2022

Wie verweigert man etwas, ohne "nein zu sagen?

Ein Bild von einer Frau
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Darin ist der große Autor Ernest Hemingway, der Anfang der 1950er Jahre so gar nicht zurückgezogen auf Kuba lebt, der absolute Meister. Das bekommt auch Insa Schönberg zu spüren, die sich Anfang 1953 ...



Darin ist der große Autor Ernest Hemingway, der Anfang der 1950er Jahre so gar nicht zurückgezogen auf Kuba lebt, der absolute Meister. Das bekommt auch Insa Schönberg zu spüren, die sich Anfang 1953 um den bereits älteren Herrn bemüht.

Nicht ohne Erfolg: er lässt sie bei sich wohnen, nimmt sie mit auf diverse Unternehmungen - aber das Bild, auf das sie so scharf ist, das verweigert er ihr.

Nein, eigentlich nicht einmal das, er lässt es einfach nicht zu. Eine elegante Geschichte, in der es für meinen Geschmack manchmal ein bisschen zu wenig in die Tiefe geht. Gerne hätte ich gewissen Schwingungen, Empfindungen und Entwicklungen nachgespürt, aber da brauchte es ein wenig mehr "Fleisch" als Vorlage.

Dennoch ein Roman, den ich wirklich gern gelesen habe, der mir farbig wie Kuba selbst in Erinnerung bleiben wird und in dem die Autorin Natascha Bub oftmals die richtigen Worte fand.

Veröffentlicht am 05.09.2022

Verantwortung übernehmen?

Fliegen oder fallen
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Das wird in Trudys Familie sehr unterschiedlich aufgefasst: sowohl ihre Mutter Claire als auch ihre jüngere Schwester Tammy haben im Teenageralter Kinder bekommen. Jeweils ohne Mann, wenn auch mit vollkommen ...



Das wird in Trudys Familie sehr unterschiedlich aufgefasst: sowohl ihre Mutter Claire als auch ihre jüngere Schwester Tammy haben im Teenageralter Kinder bekommen. Jeweils ohne Mann, wenn auch mit vollkommen unterschiedlichem Hintergrund. Und zwar Anfang der 1970er Jahre in einer kanadischen Kleinstadt.

Während Claire sich ihrer Verantwortung gestellt und Trudy und Tammy unter schwersten Bedingungen groß gezogen hat, hat Tammy nach ein paar Jahren des Mutterseins die Biege gemacht. Und hat ihre Tochter Mercy bei Claire und Trudy gelassen. Die es ihnen allerdings leicht macht, für sie da zu sein. Denn sie ist ein bezauberndes Kind, selbst schon zu erwachsen für ihr Alter, aber auch das auf absolut betörende Art.

Trudy hingegen hat abgetrieben und stellt sich jetzt ihrer Verantwortung auf eine spezielle Art: durch sich selbst auferzwungene Keuschheit.

Auch wenn es in diesem Kaff wirklich nichts zu holen gibt, nicht einmal genug Geld, um gut zu überleben, bleibt Trudy. Und läuft Gefahr, schwach zu werden, als der tüddelige Stuntman Jules in die Stadt kommt wie ein Cowboy in den Saloon.

Aber sie hat ja Mercy, die auf sie aufpasst. Gewissermaßen.

Trudy, Mercy und Claire, sie alle sehnen sich nach etwas: Liebe und Zuwendung. Die eine mehr, die andere weniger konkret.

Ein Roman, der mich fasziniert hat. Und auch wieder nicht. Weil es an gewissen Stellen einfach nicht mehr weiter ging. Zu vieles blieb an der Oberfläche - Tiefe wurde versprochen, aber nicht gehalten. Das war es, was mir fehlte an einem durchaus liebenswerten Plot.