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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.08.2018

Wie der Vater, so der Sohn

Zeuge des Spiels
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Und das hat in diesem Fall eine ebenso tragische wie dramatische Bedeutung: denn beide stehen in Verdacht, die jeweils geliebte Frau umgebracht zu haben, Vater Aron seine Frau Nora, die Mutter des Sohnes ...

Und das hat in diesem Fall eine ebenso tragische wie dramatische Bedeutung: denn beide stehen in Verdacht, die jeweils geliebte Frau umgebracht zu haben, Vater Aron seine Frau Nora, die Mutter des Sohnes Alexander, dem nun, fünf Jahre später, in New Orleans der Prozess gemacht wird. Er wird verdächtigt, seine Freundin Nathalie auf besonders brutale Art umgebracht zu haben. Während der Vater nur aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde und selbst vom eigenen Sohn, der deswegen aus den Niederlanden in die Vereinigten Staaten umsiedelte, als schuldig angesehen wird, läuft die Verhandlung gegen den Sohn noch. Sein Vater, der sich ihm immer noch eng verbunden fühlt, eilt ihm zur Hilfe - und wird nicht gerade herzlich empfangen.

Es ist ein besonderer, starker Druck, der sich durch das gesamte Geschehen zieht, auch die Ermittlerin Hanna Vincennes ist davon betroffen, sowohl beruflich als auch privat. Aus Arons Sicht gehen ihre Ermittlungen in die falsche Richtung, so dass er einen Detektiv einschaltet.

In klarer, fast schlichter Sprache und eher kurzen, umso eindringlicheren Sätzen schildert das Autorenduo, die niederländischen Brüder Heerma van Voss die Entwicklung auf nahezu bedächtige Art und Weise. Gerade dadurch wirkt die Darstellung des Geschehens umso erschütternder. Ein ganz besonderer, literarisch gekonnt rübergebrachter, dramatischer und spektakulärer Thriller ist dies, der ganz ohne die üblichen Sensationen auskommt. Ganz im Gegenteil, die Brüder punkten mit ihrer - auch in der Übersetzung meisterlich dargelegten - sparsamen Beschreibung sowohl der Charaktere als auch der Handlungsorte, die Leser dennoch bis ins Mark trifft. Manche der Entwicklungen erwartet man, doch immer wieder werden sie durchbrochen von Überraschendem.

Es ist ein Spiel, das der Täter mit den Opfern (ja, es gibt mehr als eins), die Autoren mit ihren Lesern treiben und zwar ein mörderisches. Ein ausgesprochen grausamer Thriller, gerade weil er in einigem so alltäglich und gewissermaßen auch realistisch ist. Trotz einiger offen bleibender Entwicklungen habe ich die Lektüre als ausgesprochen rundes, großartig konstruiertes Leseerlebnis empfunden!

Veröffentlicht am 04.08.2018

Mr. Hangar war ihr Schicksal

Weit weg von Verona
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Denn er war ein Schriftsteller, der einst eine Schule besucht und hat anschließend Jessica Vie, die - damals erst neun Jahre alt - ihm ihre gesammelten Werke vorlegte, ein Feedback gegeben, was ihre angestrebte ...

Denn er war ein Schriftsteller, der einst eine Schule besucht und hat anschließend Jessica Vie, die - damals erst neun Jahre alt - ihm ihre gesammelten Werke vorlegte, ein Feedback gegeben, was ihre angestrebte Karriere anbelangte: sie wollte nämlich Schriftstellerin werden, seit sie denken kann. Seiner Ansicht nach war sie es bereits damals

Inzwischen ist sie dreizehn, setzt sich auf besondere Weise mit Literatur auseinander - innerlich ist sie weit weg von Romeo und Julia und damit auch von Verona, sie bevorzugt "Silbermond und Kupfermünze" - und hat so ihre eigenen Vorstellungen vom Leben. Es kann durchaus mal passieren, dass sie mit sich selbst oder auch mit Gott redet, auch wenn ihr klar ist, dass die Leute so etwas nicht mögen. Allerdings mag fast niemand sie, wenn er sie besser kennenlernt. Denkt sie. Obwohl sie durchaus ein paar Freundinnen hat und auch mit der ein oder anderen Lehrerin klar kommt.

Ja, Jessica, deren Vater, eigentlich ein Lehrer, eine späte Karriere in der Kirche startet und ganz unten, also als Hilfsgeistlicher anfangen muss, ist bereits in jungen Jahren eine englische Exzentrikerin vom Feinsten - eine, die mit ihren Macken und Verschrobenheiten lebt und sich nicht sonderlich müht, von allen geliebt zu werden. Eine, die stets die Gasmaske griffbereit hat, womit sie nicht alleine ist, denn wir befinden uns ziemlich am Anfang des Zweiten Weltkriegs und England wird gnadenlos bombardiert. Und zwar quasi flächendeckend.

So verwundert es Jessica - im Gegensatz zu ihren Eltern - nicht sonderlich, dass ihr erstes Rendezvous mit dem bildschönen Kommunisten Christian durch einen Fliegerangriff beendet wird und zwar auf eine Art, die sie nicht unbedingt stärker für ihn einnimmt.

Der Stil der Autorin Jane Gardam ist einfach herrlich und die Übersetzung von Isabel Bodgan, die mit ihrem eigenen Roman "Der Pfau" bewiesen hat, wie sicher sie sich in jeder Hinsicht auf dem britischen Parkett zu bewegen weiß, trifft voll ins Schwarze! Witzig und spritzig geht es zu, auch wenn viele der Windungen auf Jessicas Weg, den wir lesenderweise begleiten dürfen, eher ernster Natur sind. Auf die historische Einbettung habe ich ja bereits hingewiesen und wir begegnen auch tatsächlich allem, was wir über England im Zweiten Weltkrieg gehört haben: Bomben, Hunger, die englische Antwort auf die Kinderlandverschickung und einiges mehr. Die Autorin - und ebenso ihre Übersetzerin - nehmen alles ebenso ernst, wie ihre junge Protagonistin, vermögen jedoch, diesen nicht einfachen Alltag mit Leichtigkeit und mit sehr viel Respekt zu transportieren. Denn wir alle wissen ja: Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Und das kann man hier quasi ununterbrochen!

Ein göttliches Buch, bei dem ich mich frage, wie sehr sich die Autorin mit ihrer Protagonistin identifiziert. Eines, das ich auch etwas älteren Jugendlichen ans Herz legen bzw. schenken würde. Aber nicht nur ihnen, ich empfehle es wirklich jedem, der offen ist für einen Gesellschaftsroman der etwas anderen Art!

Veröffentlicht am 01.08.2018

Kritisch und mausetot

Tod im Wald der Engel
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ist der Journalist Hartmut Lanski nach der Vernissage der Malerin Anna, der er bei ihrer eigentlich sehr erfolgreichen Ausstellungseröffnung mit kritischen Fragen zugesetzt hat. Und ausgerechnet sie findet ...

ist der Journalist Hartmut Lanski nach der Vernissage der Malerin Anna, der er bei ihrer eigentlich sehr erfolgreichen Ausstellungseröffnung mit kritischen Fragen zugesetzt hat. Und ausgerechnet sie findet bei einem kleinen Entspannungspaziergang nach dem für sie aufwühlenden Event seine Leiche. Sein Tod hat ihn aber nicht davon abgehalten, vorher noch eine saftige Kritik zustande zu bringen und rechtzeitig zum Abdruck vorzulegen.

Grund genug für die gepeinigte Künstlerin, ihn um die Ecke zu bringen - findet jedenfalls die Neusser Ermittlungsleiterin Gabriele Richards und setzt sich gemeinsam mit ihrem Kollegen Brenner auf Annas Fersen. So sehr, dass Anna nicht umhin kommt, selbst zu ermitteln.

Es gibt einige, für die Entwicklung relevante Erzählstränge, die leider nicht zu Ende ausgeführt werden, was ich sehr schade fand. Auch empfand ich die Rolle von Amateurermittlerin Anna teilweise zu groß - das reichte bis in unrealistische Dimensionen. Doch schreibt die Autorin Andrea Tillmanns mitreißend und anschaulich, auch der Humor kommt - wie es sich bei einem saftigen Lokalkrimi gehört - immer wieder zum Tragen. Eine nicht ganz runde, aber dennoch stimmige Geschichte also.

Kurzum: wer bis zum Ende gespannt sein möchte - und welcher Krimileser will das nicht -, atmosphärische Regionalkrimis mit sympathischen Protagonisten - in diesem Falle vom Niederrhein - mag und auch gegen tierische Ermittlungen nichts einzuwenden hat, der ist hier trotz der kleinen Abstriche goldrichtig aufgehoben und wird seine Freude an der Lektüre haben!

Veröffentlicht am 01.08.2018

Gerechtigkeit

Nachsommer
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ist oft nur ein Wort. Gerade im Familienleben gibt es so viele Bevorzugungen von Kindern seitens der Eltern. Häufig und gerade auch, wenn diese längst dem Kindesalter entronnen sind und sich nur noch ...

ist oft nur ein Wort. Gerade im Familienleben gibt es so viele Bevorzugungen von Kindern seitens der Eltern. Häufig und gerade auch, wenn diese längst dem Kindesalter entronnen sind und sich nur noch selten bei den Eltern blicken lassen. Dann müssen sich die Geschwister, die in der Nähe geblieben sind, sich um die Eltern kümmern und quasi immer zur Verfügung stehen, starke Nerven haben. So auch Olof, dessen jüngerer Bruder Carl - von jeher der Erfolgreichere, Hübschere, Beliebtere - letzteres gerade auch bei der längst verwitweten Mutter - sich längst in die Staaten davongemacht hat, was seine Mutter sehr verletzt hat. Es bringt sie jedoch nicht davon ab, seinen Namen ständig im Munde zu führen, ihn gegenüber seinem Bruder Olof als den besseren, liebenswerteren darzustellen. Auch wenn sie seit Jahren sauer ist auf Carl. Aber sie will ihn unbedingt nochmal sehen vor ihrem Tod.

Wie im Vorgängerroman "Septembernovelle" geht es hier um eine Dreiecksbeziehung, vielmehr um zwei: Olof, Carl und ihre Mutter sowie Olof, Carl und Carls Frau Klara.

Der Autor Johan Bargum erzählt seine Geschichte in wenigen Worten, die aber umso mehr sagen - und noch mehr Fragen hinterlassen. Denn vieles wird nur angedeutet und das betrifft sowohl Ereignisse als auch Gedanken. In der Hinsicht hat das Büchlein durchaus etwas Philosophisches, auch wenn die Erzählweise eher eine pragmatische ist. Auf jeden Fall lohnenswert für Leser, die nach der Lektüre gern weiterdenken und ein Büchlein, das man so schnell nicht vergessen wird!

Veröffentlicht am 31.07.2018

Ungewöhnlich

Vier Tage in Kabul
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ist die Protagonistin dieses Thrillers, Kriminalkommissarin Amanda Lundh. Gut, können Sie sagen, Kommissarinnen gibt es in der Spannungsliteratur noch und nöcher und gerade die skandinavischen, bzw. schwedischen, ...

ist die Protagonistin dieses Thrillers, Kriminalkommissarin Amanda Lundh. Gut, können Sie sagen, Kommissarinnen gibt es in der Spannungsliteratur noch und nöcher und gerade die skandinavischen, bzw. schwedischen, geben sich quasi die Klinke in die Hand. Da muss es schon ganz besondere Alleinstellungsmerkmale geben, um aufzufallen. Das ist hier unbedingt der Fall, denn Amanda Lundh fungiert als Unterhändlerin der schwedischen Regierung in Kabul, Afghanistan.

Obwohl sie in der Regel einem Tagesgeschäft nachgeht und mit der Ausbildung lokaler Sicherheitskräfte beschäftigt ist, ist dies ohne Frage eine besonders brisante Position also und diese Brisanz nimmt noch zu als zwei schwedische Diplomaten vermisst werden - es wird eine Entführung vermutet.

Nun ja, Amanda gerät schnell ins Kreuzfeuer der politischen Mächte und die ganze Geschichte könnte sehr spannend und fesselnd werden - so ist es aber nicht, jedenfalls aus meiner Sicht. Wobei ich gestehen muss, dass Politthriller schon einiges auffahren müssen, um mich dauerhaft begeistern oder zumindest ansprechen zu können und das ist hier definitiv nicht der Fall. Irgendwie war mir der Fall nicht knackig genug, um dauerhaft am Ball zu bleiben mit der Lektüre und so kam ich immer wieder raus und musste mich wieder einlesen.

Nein, ich hatte definitiv keinen Spaß an dieser Lektüre, die aus meiner Sicht auch nicht in einem sonderlich eindringlichen Stil verfasst wurde. Außer der beruflichen Ausrichtung von Amanda gibt es wenig, was mich dazu bringt, mir ein farbiges Bild von ihr als Person auszumalen. Dazu muss gesagt werden, dass ich es gerne mag, wenn das auch das Privatleben der Ermittler eine Rolle spielt, zumindest am Rande. Hier ist es so sehr an den Rand gedrückt, dass es kaum auffällt. Auch wenn es durchaus ab und zu interessant und sogar spannend wurde: Inhaltlich, aber auch stilistisch hat es mich so wenig gepackt, dass ich froh war, als meine persönlichen "Vier Tage in Kabul" endlich ein Ende fanden. Diesen Thriller kann ich daher auch nicht weiterempfehlen.