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Veröffentlicht am 28.07.2018

Das geraubte Leben des Häftlings Heiner Rosseck

Der Schrecken verliert sich vor Ort
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Für die Lektüre von "Der Schrecken verliert sich vor Ort" muss man viel Kraft aufbringen, denn dieses Buch ist ein Angriff - ein Angriff auf die Psyche, die Nerven, den Verstand des Lesers. Ein Angriff ...

Für die Lektüre von "Der Schrecken verliert sich vor Ort" muss man viel Kraft aufbringen, denn dieses Buch ist ein Angriff - ein Angriff auf die Psyche, die Nerven, den Verstand des Lesers. Ein Angriff durch ein erbarmungsloses, schonungsloses Buch - jedoch einer, der stärkt, der wachsen lässt und viel, viel mitgibt für den weiteren Lebensweg - und seien es nur Zitate zuhauf.

Ich zumindest habe mehrere Riesenzettel vollgeschrieben während des Lesens - Zettel mit wichtigen Bemerkungen - teilweise wichtig für das Gesamtverständnis des Buches, teilweise jedoch auch für mein weiteres Leben - Anmerkungen, die ich in Zukunft in gewissen Lebenssituation parat haben will, ja muss!

In diesem Buch geht es um den ehemaligen Auschwitzhäftling, den Wiener Kommunisten Heiner Rosseck, der am 5. Juni 1964 - er soll als Zeuge bei einem der NS-Prozesse aussagen - die Dolmetscherin Lena kennenlernt und nach langem hin und her bei ihm bleibt. Bzw. bleibt sie bei ihm, denn es ist eine immer neue Herausforderung, Heiner zu lieben, von Anfang an: "Sie wusste nicht, wie lange ihre Liebe für den Teil des Mannes reichte, der im Lager geblieben war." (S.63) Dies sieht sie von Beginn an und bleibt doch bei ihm, bei Heiner, bei dem Auschwitz allgegenwärtig ist, der IMMER davon spricht, der die Wertigkeit anderer ehemaliger Häftlinge nach deren Nummer bemisst, dessen erste Ehe an Auschwitz zerbrach, ja: der tatsächlich zu einem großen Teil für immer dageblieben ist.

Ein kleines, trauriges Buch, das sich zu einer großen Geschichte des 20. Jahrhunderts ausweitet - manchmal fand ich sie fast zu groß für mich. Sie quillt aus allen Seiten hervor, dann auch aus mir - bevorzugt in Form von Tränen. Doch erspart man sich diese Geschichte, verliert man etwas Großes und Ganzes. Ich empfehle sie quasi als Pflichtlektüre für jeden historisch Interessierten, für den Oberstufenunterricht, für Hochschulen - quasi für alle, die bereit sind, sich mit hochwertiger politischer Literatur auseinanderzusetzen - es bringt einen Gewinn fürs Leben!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Die jahrelange Suche nach einem Mörder

Der Mann im Park
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beschäftigt Kommissar John Stierna von der Stockholmer Kriminalpolizei von 1928 bis 1953 und überdauert vieles: politische Strukturen, Freundschaften, Stiernas Ehe. Doch gelingt es dem Ermittler 1953 - ...

beschäftigt Kommissar John Stierna von der Stockholmer Kriminalpolizei von 1928 bis 1953 und überdauert vieles: politische Strukturen, Freundschaften, Stiernas Ehe. Doch gelingt es dem Ermittler 1953 - nachdem er frühzeitig in Rente gegangen, den Fall seines Lebens doch noch zu Ende zu führen?
Dieser Fall ist ein besonderer - quasi das Gegenteil eines Serienmordes: ein kleines Mädchen, Ingrid Svensson wird am 2. September 1928 ermordet. Aufgewachsen bei einer alleinerziehenden Mutter, hatte Ingrid bis zu ihrem Tod gleichwohl eine glückliche Kindheit, man musste nicht zu sehr sparen, Ingrid wurde von Mutter, Großeltern und Onkel geliebt, war in der Schule gut und bei ihren Klassenkameraden beliebt. Einige wussten, dass sie in ihrem letzten Sommer einen Mann im Park kennengelernt hatte - war das ihr Mörder? Die Gesellschaft und auch die Polizei ist überaus erschüttert von diesem Fall, doch es ist schwer, der Spur des Mörders zu folgen. Deswegen bleibt der Fall bis 1953 ein ungelöster...
Ein außergewöhnliches, ein interessantes Buch, doch eines mit Längen. Das Cover verspricht einen Thriller, doch könnte das Buch auf Freunde herkömmlicher, knallharter Thriller ausgesprochen langweilig, gar schwerfällig wirken. Ich sehe es als eine Art historischen Spannungsroman mit Krimielementen, als solcher ist er - lässt man mal die sich teilweise wirklich recht langatmig entwickelnde Handlung, sich immer mal wiederholende Sujets außer Acht - ein absoluter Gewinn, zumal der Autor, der schwedische Journalist Pontus Ljunghill, ausgesprochen sorgfältig recherchiert hat und somit zumindest Ereignisse der damaligen Zeit wirklich gut in die Handlung einbaut. Atmosphärisch hingegen wirkt dieses Buch auf mich nur gelegentlich, nicht immer gelingt es dem Autor, mich in dem Setting der 1920er, 1930er, 1940er und schließlich der Nachkriegszeit, der 1950er Jahre einzufangen. Trotzdem spreche ich eine Empfehlung aus: Ljunghill schreibt wirklich gut, das Sujet ist ungewöhnlich - historische Krimis aus Schweden kannte ich bisher nicht. Und auch wenn ich mich bei ihm nicht wie in den Berliner Krimis von Susanne Goga, die in den 1920er Jahren oder wie in der im Hamburg der unmittelbaren Nachkriegszeit, in den späten 1940er Jahren spielende Serie von Cay Rademacher um den Oberinspektor Frank Stave bedingungslos in die Zeit hineinversetzen kann, war die Lektüre sowohl unterhaltsam als auch lehrreich. Sollte es eine Fortsetzung bzw. ein zweites Buch des Autors geben, würde ich eine Lektüre zumindest ins Auge fassen!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Umständliche Familiensaga

Das Geheimnis des Walfischknochens
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Die junge Greta Rosenboom kehrt nach einer zerbrochenen Liebe aus der Schweiz zurück in den Schoß ihrer Familie - in ihre Heimat in Schleswig-Holstein und kommt gerade rechtzeitig zum Geburtstag ihres ...

Die junge Greta Rosenboom kehrt nach einer zerbrochenen Liebe aus der Schweiz zurück in den Schoß ihrer Familie - in ihre Heimat in Schleswig-Holstein und kommt gerade rechtzeitig zum Geburtstag ihres Großvaters Arjen, dem sie ein besonderes Geschenk macht: gemeinsame Zeit. Arjen nimmt dies gerne an und begibt sich mit Greta auf eine Reise in seine Vergangenheit, die nach Ostfriesland führt, auf die fiktive Insel Beekensiel. Dort wird deutlich, dass das Schicksal der Familie Rosenboom mit weiteren Menschen und mit der Landschaft eng verknüpft ist und bis in die Gegenwart hineinreicht.

In Rückblenden wird parallel ein zweiter Handlungsstrang entwickelt, in dem Arjens Jugend und vor allem seine Freundschaft mit dem charismatischen Ruben in den Jahren 1939 und 1946 geschildert wird und die die Basis für spätere Entwicklungen bildet. Ein Geheimnis liegt über der Vergangenheit - wobei Ruben selbst aus seinem Dasein und seinen Aktivitäten ein großes Geheimnis macht - ist er am Ende eine fiktive Figur? Dieser Teil ist ein wenig spannungsreicher als der in der Gegenwart spielende - aber nicht spannend genug, um die mich immer stärker einfangende Langeweile abzuwenden.

Ein interessanter Plot - doch ein umständlicher Schreibstil und leider auch sehr steif geschilderte Charaktere haben mir den Roman leider schnell madig gemacht und die Lektüre zu einer Pflichtaufgabe werden lassen. Vieles ist vorhersehbar, zudem ergeht sich die Autorin in zahlreichen Klischees - und vor allem hätte das meiste um mindestens ein Drittel gekürzt werden können - dann wäre die Geschichte auch griffiger gewesen. So bleibt es - selbst bei der herausragenden und eigentlich schillernden Figur Arjen - beim "gewollt, aber nicht gekonnt". Guten Gewissens kann ich diesen Roman eigentlich nur tausendprozentigen Ostfrieslandfans empfehlen, die vor nichts zurückschrecken.

Veröffentlicht am 28.07.2018

Familienbeziehungen der anderen Art

Schwesterlein, komm stirb mit mir
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...und zwar der tödlichen, werden in diesem Thriller thematisiert - und dabei geht es richtig zur Sache! Ein Toter nach dem anderen, vor allem handelt es sich um Transsexuelle... aber nicht nur. Ein roter ...

...und zwar der tödlichen, werden in diesem Thriller thematisiert - und dabei geht es richtig zur Sache! Ein Toter nach dem anderen, vor allem handelt es sich um Transsexuelle... aber nicht nur. Ein roter Faden ist zunächst nicht ersichtlich. Bis die Psychologin Liz Montario, die den Düsseldorfer Kommissar Georg Stadler bei seinen Ermittlungen unterstützt, sich an eine alte Geschichte aus Jugendtagen erinnert, die nicht nur sie, sondern die ganze Familie erfolgreich verdrängt hatte - und es geht mitten hinein in ihren allerprivatesten Lebensbereich, unaufhaltsam und immer weiter...

Hier ist Nomen Omen und auch sonst geht es nicht gerade zimperlich zu - aus meiner Sicht zuviel des Guten - oder vielmehr des Schlechten, denn es handelt sich um Morde inkl. Folter der brutalsten Art. Für mich nicht die einzige Schwachstelle: es gibt starke Charaktere wie Liz Montario und Georg Stadler, aber auch andere, bspw. Liz' Freundin Deborah und Georgs Kollegin Birgit, aus denen man viel hätte machen können, deren Darstellung aber leider eher schwach und somit ohne große Wirkung auf den Leser ist. Wir erfahren, dass Liz eine schöne Frau mit Ausstrahlung ist, doch was macht sie dazu?
Gewollt, aber nur teilweise gekonnt - so mein Fazit zu diesem phasenweise durchaus spannenden Thriller, dessen Ende jedoch allzu absehbar ist.

Trotz dieses insgesamt recht harten Urteils würde ich durchaus einen zweiten Versuch mit dieser Autorin wagen, die für mich Potential hat... die Ansätze sind interessant und vielversprechend. Mal schauen, was Frau Sander noch so auf Lager hat!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Wie ein intensiver Redeschwall

Fünf Kopeken
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mit dem man überschüttet wird und den es unmöglich ist, abzustellen - beziehungsweise im Falle dieses Buch nur durch Abbrechen. Ja, daran fühlte ich mich bei der Lektüre dieses Buches ständig erinnert ...

mit dem man überschüttet wird und den es unmöglich ist, abzustellen - beziehungsweise im Falle dieses Buch nur durch Abbrechen. Ja, daran fühlte ich mich bei der Lektüre dieses Buches ständig erinnert und dabei hatte ich mich so sehr darauf gefreut! Das Debüt der jungen, sympathischen Autorin Sarah Stricker - unbedingt wollte ich dabei sein und dieses mich so sehr anziehende Buch schnellstmöglich lesen, nein, verschlingen!

Es kam leider alles ganz anders - gut geschrieben, aber für meinen Geschmack zu geschwätzig wird diese Familiengeschichte transportiert; eine Geschichte, in der es um unangepasste Familienmitglieder geht. Die Tochter bzw. Enkelin erzählt: von ihrer auf dem Sterbebett liegenden Mutter, die noch nicht einmal die Fünfzig erreicht hat - der Krebs ist es, der sie stoppen will. Ein Wunderkind war sie, aber ein potthässliches, so zumindest aus der Sicht des Opas, also ihres Vaters. Auch er und die Oma sind verschrobene Charaktere, die es kennenzulernen lohnt - wenn man sich auf diesen - mal schmeichelhaft ausgedrückt - sehr intensiven Erzählstil einzulassen vermag. Ich konnte es nicht: mich hat er dermaßen umgehauen, dass ich langfristig aus den Pantinen gekippt bin und mich lesetechnisch noch lange nicht erholt habe. Es soll mir eine Lehre sein: nicht alles, was über Gebühr gelobt wird, ist auch für mich geeignet bzw. ertragbar...

Aber Sie, werter Literaturfreund, Sie sind nicht ich - und genau deswegen sollten Sie dem Buch eine Chance geben: Vielleicht ist es ja genau die Lektüre, nach der Sie sich seit Jahren sehnen und dies wird Ihr neues Lieblingsbuch!