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TochterAlice

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.07.2018

Alltagsgeschichten

Die Küche ist zum Tanzen da
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Kleine, dahingeworfen erscheinende Sequenzen sind es, die Marie-Sabine Roger hier auffährt - Episoden aus dem Alltag. Wobei, es sind eher Empfindungen, oft aus der Perspektive einer Figur, die durchaus ...

Kleine, dahingeworfen erscheinende Sequenzen sind es, die Marie-Sabine Roger hier auffährt - Episoden aus dem Alltag. Wobei, es sind eher Empfindungen, oft aus der Perspektive einer Figur, die durchaus auch mal einen Vogel haben oder aber einer sein kann, dargestellt. Es sind kleine Beiläufigkeiten, die oft in den Köpfen der Protagonisten vorgehen - das Innenleben wird hier dargestellt, eine Art von behutsamer Demaskierung findet statt. So könnte es tatsächlich abspielen hinter der glatten Stirn unseres oft zufälligen Gegenübers...

Eines haben die Geschichten gemeinsam - stets hat der letzte (Ab)Satz eine besondere Bedeutung, oftmals eine aufklärende, enthüllende, die uns erst den wahren Hintergrund verrät, das vorher Dargestellte quasi demaskiert.

Und die Autorin hat einen ganz eigenen Stil, gewissermaßen einen putzigen, mit dem ich aber nicht so richtig warm werde. Abgesehen davon, dass Erzählungen bzw. Kurzgeschichten, wie ich diese kleinen Darstellungen eher bezeichnen würde, nur in Einzelfällen mein Ding sind, bin ich auch nicht mit dem Stil der Autorin so richtig warm geworden, auch wenn es mir gefällt, dass sie ihr Auge, ihr Ohr und vor allem ihre Feder den unterschiedlichsten Wesen auf diesem Planeten widmet.

Mein Ding ist es nur bedingt, doch ich erkenne ganz klar an, dass die Autorin einen eigenen Weg geht und da müssten Sie schon selbst schauen, ob sie damit etwas anfangen können. Ganz klar sind diese Geschichten nämlich Geschmackssache.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Vom Schüler zum Penner

Wir beide wussten, es war was passiert
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Das ist die fragwürdige Karriere des 16jährigen Australiers Billy, der von jetzt auf gleich seinen alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater verlässt, um anderswo ein friedlicheres und glücklicheres Leben ...

Das ist die fragwürdige Karriere des 16jährigen Australiers Billy, der von jetzt auf gleich seinen alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater verlässt, um anderswo ein friedlicheres und glücklicheres Leben zu beginnen.

Nach einer Zugfahrt, bei der er auf einen verständnisvollen Bahnangestellten trifft, landet er in der Kleinstadt Bendarat, in der er ein neues Heim in einem ausrangierten Zugwaggon findet und mit Old Bill einen adäquaten und vor allem entgegenkommenden Nachbar. Auch eine holde Maid lässt nicht lange auf sich warten - gar bald ist mit Caitlin, einer Tochter aus gutem Hause, die bei McDonalds jobbt, die passende Heldin gefunden.

Tja, manchmal findet man das Glück auf der Straße - das ist auf jeden Fall eine wichtige Botschaft des Buches, aus meiner Sicht ein wenig idealisiert. Von den Unbillen des Alltags von Pennern erfährt man eher wenig, denn Billy und Old Bill haben zwar einige Päckchen mit sich rumzuschleppen, aber viele davon sind Altlasten, oder aber Faktoren, die mit Ereignissen aus der Vergangenheit zusammenhängen. Das echte und wahre Leben auf der Straße erscheint hier gar nicht so schlimm und mich plagt ein wenig die Sorge, dass unzufriedene Jugendliche auf die Idee kommen könnten, es Billy nachzutun! Nicht jeder wird so liebenswerte Weggefährten finden wie er, davon bin ich überzeugt - aber ob das auf unglückliche, verzweifelte Jugendliche ebenfalls zutrifft.

Falls sich jemand an meiner Wortwahl in Bezug auf den Penner stößt - ich orientiere mich am Buch; Billy selbst gebraucht den Begriff. Caitlin hingegen spricht von "Obdachlosen" - ein gelungener Schachzug von Autor und Übersetzer, um die Charaktere voneinander abzusetzen.

Also: ganz nett, aber mit einem kleinen Geschmäckle. Ich würde es jedenfalls nicht unbedingt jungen Leuten schenken!

Veröffentlicht am 27.07.2018

Brutale Morde in Philadelphia

Tanz der Toten
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Den Autor Richard Montanari kannte ich bisher nur vom Weghören: ich hatte ihn klar in die Schublade des ganz Brutalen, Harten, Grausamen gepackt, die eigentlich nicht die Meinige ist. Doch nun bot sich ...

Den Autor Richard Montanari kannte ich bisher nur vom Weghören: ich hatte ihn klar in die Schublade des ganz Brutalen, Harten, Grausamen gepackt, die eigentlich nicht die Meinige ist. Doch nun bot sich mir die Gelegenheit, den bereits 8. Band um das Ermittlerteam Kevin Byrne, den nicht mehr ganz jungen, vom Leben gezeichneten Ermittler der Mordkommission und Jessica Balzano, als Tochter eines Polizisten ehrgeizig auf den Erwerb eigener Meriten bedacht, zu lesen, den ich zwar wie erwartet brutal, doch wider Erwarten ganz unterhaltsam fand, was vor allem an den Figuren der Ermittler lag.

Die Geschichte: ein junges Mädchen wird tot aufgefunden, auf brutalste Weise ermordet, liebevoll drapiert wie eine Puppe. Eine Reihe weiterer Opfer, auf die gleiche Art präsentiert, folgen und zunächst kann sich die Polizei in Philadelphia keinen Reim darauf machen, kein Muster entdecken. Puppen spielen dann im Handlungsverlauf noch eine wichtige Rolle.

Der Leser hat auf seine Art einen anderen Zugang, eine Art übergeordnete Perspektive zu dem Fall, da von Beginn an auch der Täter zu Wort kommt.

Ein originelles Thema, ein spannender Ansatz, wobei die Spannung leider manchmal im Ansatz stecken bleibt, da die Schilderungen zu umständlich und langatmig sind. Teilweise auch absehbar, nachdem sich das Muster - auch dieses wieder aufwändig und in allen Einzelheiten dargelegt - einmal abzeichnet.

Alles ein bisschen viel, alles ein bisschen zu detailliert und auch nicht immer logisch, aber nachdem ich mich bei den ersten Ungereimtheiten noch gewundert habe und versuchte, sie nachzuvollziehen, habe ich es irgendwann bleiben lassen und ließ das Geschehen auf mich wirken - wie man sieht, ist das Resultat eher durchwachsen. Insgesamt ein solider Krimi, den man gut lesen kann, aber definitiv nicht muss.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Veni vidi vici

Augustus
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John Williams nähert sich mit seinem Werk „Augustus“ dem bekannten und vergleichsweise leicht zu recherchierenden Leben des römischen Kaisers Gaius Octavius, Neffe und Adoptivsohn Julius Caesars, in der ...

John Williams nähert sich mit seinem Werk „Augustus“ dem bekannten und vergleichsweise leicht zu recherchierenden Leben des römischen Kaisers Gaius Octavius, Neffe und Adoptivsohn Julius Caesars, in der originellen Form eines Briefromans. Auf diese Weise erhält der interessierte Leser neben den Fakten auch einen intimen Einblick in das Leben im Alten Rom, etwa in die damalige Kommunikation oder das gesellschaftliche Leben der Upper Class. Dabei umschifft der Autor das aus meiner Sicht größte Problem dieser Kunstform, nämlich den Transport einer Fülle von Informationen, die dem Rezipienten des jeweiligen Briefes zwingend bekannt sein müssten. Was natürlich seine Grenzen hat – ich musste mich zunächst schon daran gewöhnen, dass Informationen, die sowohl dem Autoren als auch dem Empfänger des Briefes hinlänglich bekannt sein sollten, auf Schritt und Tritt transportiert wurden. Doch das liegt nun einmal im Wesen eines Briefromans

Das Buch läßt sich in grob in zwei Hälften teilen. Im ersten Teil wird Augustus’ Weg zur Macht geschildert, der zweite beschreibt die mehr oder weniger erfolgreichen Maßnahmen zum Zwecke des Machterhalts. Fiktive, gleichwohl realistische Korrespondenz verschiedener Zeitzeugen zeichnen ein exaktes Bild von Gewalt, Intrigen und Strategien, der Zwangsheirat als politischem Mittel, aber auch, nicht unähnlich der heutigen Zeit, diplomatische Verhandlungen mit Menschen, „die einem so zuwider sind, dass der Umgang mit ihnen immense Überwindung kostet.“

Zu Beginn des dritten Buches meldet sich Kaiser selbst zu Wort. Als alter Mann auf der Schwelle zum Tod schreibt er seinem alten Weggefährten Nikolaos von Damaskus. Es ist eine deprimierende, schonungslose, aber auch rührende Reminiszenz an sein Leben, die umso tragischer erscheint, als sie den inzwischen verstorbenen Adressaten nicht mehr erreicht.

Das Buch endet mit der Schilderung der letzten Stunden im Leben des Augustus, dokumentiert von seinem ihn verehrenden Leibarzt, der nichtsahnend der Hoffnung Ausdruck gibt, dass der neue Kaiser Nero nach dem grausamen Caligula und dem unfähigen Claudius „endlich den Traum des Octavius Cäsar erfüllen möge.“ Ein frommer Wunsch...

Passt also veni, vidi, vici auch auf diesen Roman? Nun ja, ingesamt schon, wenn auch nicht ohne Einschränkungen, denn zwischendurch wird es dann doch ein wenig langatmig. Aber Durchhalten lohnt sich, denn John Williams ist ein imposantes Werk gelungen, dem ich noch viele Leser wünsche.

Veröffentlicht am 27.07.2018

Zwei Schwestern im besetzten Frankreich

Die Nachtigall
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Wie verlief die Besetzung Frankreichs durch die Deutschen? Was stand am Beginn von Vichy-Frankreich? Wie mögen sich die Unterworfenen wohl gefühlt haben, wie haben sie reagiert?

Diese Fragen versucht ...

Wie verlief die Besetzung Frankreichs durch die Deutschen? Was stand am Beginn von Vichy-Frankreich? Wie mögen sich die Unterworfenen wohl gefühlt haben, wie haben sie reagiert?

Diese Fragen versucht die Amerikanerin Kristin Hannah in ihrem Roman "Die Nachtigall" zu beantwortet, in dessen Mittelpunkt zwei Schwestern, Vianne und Isabelle, stehen. Vianne, die wesentlich Ältere, hat bereits länger eine eigene Familie und muss mit dem Umstand klarkommen, dass ihr Mann an der Front kämpft und sie allein mit dem schweren Alltag, der Erziehung ihrer Tochter Sophie und ihrem Berufsalltag als Lehrerin klarkommen muss, in der Kleinstadt unweit von Tours, in der ihre Familie lebt. Ihr in Paris lebender Vater schickt ihr bald ihre um einiges jüngere Schwester Isabelle, die ganz andere Probleme hat. Sie kann und will nicht verstehen, dass Vianne sich einfach dem Schicksal ergibt. Genau mit ihrer Ankunft zusammen fällt die Eroberung des Ortes durch die deutschen Truppen, die sich ausbreiten, auch Viannes Familie muss einen Armeefunktionär beherbergen. Während Vianne erkennt, dass Kooperation es ihr und vor allem ihrer Familie leichter machen, ist Isabelle partout nicht bereit dazu - sie tut alles, um sich dem Widerstand anzuschließen (was gar nicht so einfach ist, wenn man keine entsprechenden Kontakte hat) und für eine freie Heimat zu kämpfen.

Ein ergreifendes Buch mit starken, gut ausgearbeiteten Charakteren - wenn auch ein prägnanter Stil definitiv nicht die Sache der Autorin ist. Auch wenn ich nicht so weit gehen würde, die Beschreibungen als weitschweifig zu bezeichnen - etwas prägnanter und gebündelter wäre es mir lieber. Aber das ist ganz klar Geschmackssache und zudem verständlich, dass die Autorin als Amerikanerin die komplexen Abläufe und Handlungen im gerade entstehenden Vichy-Frankreich - und davor - in aller Ausführlichkeit schildert. Was mir gefällt ist, dass geschickt Ansprachen Petains und De Gaulles ins Geschehen eingebaut werden und sehr dabei helfen, die unterschiedlichen Positionen zu verdeutlichen.

Auf jeden Fall ein lohnenswertes Buch für Freunde (und vor allem Freundinnen) mitreißender Liebes- und Familienromane vor spannender historischer Kulisse. Wenn man auch bei 600 Seiten ein bisschen Zeit und Muße braucht. Ich würde mir gut überlegen, ob ich es - wie es eigentlich passend scheint - mit in den Frankreich-Urlaub nehme und dies davon abhängig machen, ob immer mal wieder die Möglichkeit besteht, sich in eine Ecke zurückzuziehen und zu konzentrieren!