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Veröffentlicht am 02.04.2018

Wie es dazu kam

Kleine Feuer überall
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Die Familien Warren und Richardson sind ganz zufällig aneinander geraten. Und zwar in vielerlei Hinsicht: Durch Zufall hat Mia Warren mit ihrer Tochter Pearl ein Häuschen - bzw. einen Teil davon - von ...

Die Familien Warren und Richardson sind ganz zufällig aneinander geraten. Und zwar in vielerlei Hinsicht: Durch Zufall hat Mia Warren mit ihrer Tochter Pearl ein Häuschen - bzw. einen Teil davon - von den Richardsons gemietet, ein weiterer Zufall ergab, dass sich die Kinder untereinander gut verstanden, zufällig wurde Mia zur Haushaltshilfe der Richardsons und ein weiterer Zufall bedingte die Nähe von Izzy, der jüngsten Richardson-Tochter, zu Mia. Und diese Izzy ist, die zufällig das Haus ihrer Familie angezündet hat. Angezündet haben soll.

Ganz schön viele Zufälle, meinen Sie? Ja, aber so ist es nun mal im Leben. In vielen Familien gibt es Geheimnisse, was in den meisten Fällen verständlich, unumgänglich, nachvollziehbar oder zumindest entschuldbar ist. Doch sind es diese den anderen vorenthaltenen Fakten, die zum Feuer geführt haben? Oder etwas ganz anderes? Zum Beispiel viele Kleinigkeiten? Denn: Wenn man genau hinschaut, gab es sie schon vorher - die kleinen Feuer überall. Auf völlig unterschiedliche Art und Weise.

Wie hängt das mit diesen beiden so unterschiedlichen Familien zusammen, die es - rein zufällig, wie gesagt - miteinander zu tun bekamen? Die unkonventionelle alleinerziehende Künstlerin Mia mit ihrer Tochter Pearl, einem mehr oder weniger normalen Teenager und die komplette, mehr oder weniger harmonische Familie Richardson, bestehend aus den Eltern und vier halbwüchsigen Kindern.

Im Verlauf der Lektüre lernen wir jeden Einzelnen näher kennen und erkennen, dass jeder seinen Platz in diesem nicht gerade unkomplizierten Gefüge hat. Und sehen, wie sich alles zusammenfügt. Und wieder auseinander bringt. Oder auch nicht. Auf jeden Fall werden dem Leser die Hintergründe, die zum Brand führten, enthüllt. Schritt für Schritt.

Eine ungewöhnliche Geschichte ist es, die Celeste Ng hier anbietet, die auf eine eher zurückgenommene Art - oder vielleicht gerade deswegen - besonders eindringlich und rüberkommt. Ich mag den Stil der Autorin, der die Geschichte gleichsam von hinten aufrollt und alles nach und nach aufdeckt. Dramatisch ist es zu Beginn und zum Ende hin.

Dem ein oder anderen mag dies sperrig erscheinen, doch insgesamt ist es aus meiner Sicht eine ausgesprochen lohnenswerte Lektüre, in der alle Beteiligten auf ihre eigene Art und Weise zu Wort kommen und die mich lange nicht loslassen wird!

Veröffentlicht am 02.04.2018

Ein ungesundes Leben

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
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in jeder Hinsicht führt Anna: sie lebt ganz allein in einem New Yorker Stadthaus, das sie aufgrund ihrer Agoraphobie seit über zehn Monaten nicht verlassen hat, sie trinkt viel zu viel und vor allem: sie ...

in jeder Hinsicht führt Anna: sie lebt ganz allein in einem New Yorker Stadthaus, das sie aufgrund ihrer Agoraphobie seit über zehn Monaten nicht verlassen hat, sie trinkt viel zu viel und vor allem: sie beobachtet ihr Umfeld, also ihre Nachbarn. Nicht einfach nur so, nein, dafür hat sie ein hochsensibles Fernglas, mit dem ihr wirklich kein Fitzelchen entgeht. Sie beobachtet Szenen des Familienstreits, des Ehebruchs - und einmal tatsächlich einen Mord.

Und zwar ist das Opfer eine Frau, die noch kürzlich bei ihr zu Besuch war. Den Rest der Familie hat sie in Teilen auch schon kennengelernt, natürlich auf dieselbe, einzig mögliche Art.

Oder hat sie sich das nur eingebildet? Denn Anna liebt doch sehr in ihrer eigenen Welt und betrügt nicht nur andere, sondern auch sich. Ist sie selbst die Manipulierende in diesem Geflecht, oder bestimmen andere Faktoren die Handlungsentwicklung? Anna selbst, die jahrelang als Kindertherapeutin tätig war, hat jedenfalls beste Voraussetzungen dafür. Und Ein Psychothriller, den Hitchcock sicher gerne verfilmt hätte: prall gefüllt mit subtilem Nervenkitzel, dessen Ursache sich erst ganz zum Schluss offenbart.

Allerdings leider mit einigen (wenigen) unlogischen Wendungen und Erzählsträngen, die nicht richtig aufgedeckt werden, was ich schade finde bei einem so spannungsreichen Stoff.

Wobei die Spannung eher eine der ruhigen Art ist: die Handlung entwickelt sich eher hintergründig. Wer gerne einen geschickt aufgebauten Thriller mit überraschenden Elementen liest, der ist hier an der richtigen Adresse!

Veröffentlicht am 02.04.2018

Wie alles anfing

Blasse Helden
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nach dem Ende nämlich. Was war so los nach dem Ende der Sowjetunion? Anton aus Deutschland hat schon immer gern in Extremen gelebt und so geht er kurz nach der Auflösung dieser riesigen Staatengemeinschaft ...

nach dem Ende nämlich. Was war so los nach dem Ende der Sowjetunion? Anton aus Deutschland hat schon immer gern in Extremen gelebt und so geht er kurz nach der Auflösung dieser riesigen Staatengemeinschaft nach Moskau, um Business zu machen.

Und er stösst auf eine andere Welt: eine, in der sozusagen alles möglich ist - naja, vieles zumindest. Die Menschen gehen an ihre Grenzen, probieren aus, was alles so möglich ist. Das Russland Jelzins strotzt nur so vor Dollars, schillernden Gestalten - und vor Korruption. So besucht er zum Beispiel eine Feier in der Wohnung eines russischen Intellektuellen, einem heruntergekommenen Loch, das jedoch prall gefüllt ist mit den wunderbarsten und seltensten Büchern. Und ihm wird ein - Business ist Business - ein tiefgefrorener Mammut angeboten, dessen Artgenosse leider schon verspeist wurde.

Ja, es geht rund in Russland und in der Ukraine, in die sich Anton auch begibt. Ganz klar kann man hier die Anfänge des Oligarchentums, von dem heutzutage wieder und wieder die Rede ist, ausmachen. Andererseits muss der Leser sich klarmachen, dass er hier auf einen kleinen und engen Mikrokosmos trifft, auf einen kleinen Teil dessen, was es gab. Das Leben auf dem Lande war sicher ganz anders.

Atmosphärisch ist stets die Schilderung der Umgebung, eher gesichtslos die Figuren: also blasse Helden im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem Roman wird viel gezeigt, vieles bleibt aber auch ungeschrieben. Eine interessante Geschichte, die leider - wie die Menschen der damaligen Zeit - auch wieder und wieder an ihre Grenzen stößt. Dennoch ist dies ein Einblick, der sich lohnt - ein Blick auf eine teilweise vergangene Welt, die uns jedoch vieles verstehen lässt. Wohlgemerkt: verstehen, aber nicht gutheißen.

Ein Roman, den ich Lesern empfehle, die sich gerne zurückversetzen lassen in die 1990er - und mal schauen, was damals so los war hinter dem Eisernen Vorhang, der keiner mehr war.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Auf nach Skandinavien

Skandinavisches Viertel
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hieß es für Matthias Weber schon in jungen Jahren. Und das im Ostberlin der 1970er Jahre. Als Schuljunge durchstreifte er nachmittags das Skandinavische Viertel, einen Teil vom Prenzlauer Berg, und taufte ...

hieß es für Matthias Weber schon in jungen Jahren. Und das im Ostberlin der 1970er Jahre. Als Schuljunge durchstreifte er nachmittags das Skandinavische Viertel, einen Teil vom Prenzlauer Berg, und taufte die Straßen, die nicht skandinavisiert waren, kurzerhand nach seinen eigenen Vorstellungen um. So wurde bspw. aus der Czarnikauer die Turku- und aus der Seelower die Göteborger Straße. Vorbild dafür ist sein in diesem Viertel noch bei den Großeltern lebender, ausgesprochen trinkfreudiger Onkel, der ein ähnliches System bei den Kneipen der Gegend anwendet.

Matthias ist ein Einzelkind und wächst hauptsächlich unter Erwachsenen auf. Früh schafft er sich eine eigene Welt aus Phantasie und Wunschdenken. Man könnte es auch ein Lügengerüst nennen, mit dem sich Matthias umgibt, doch das wären harte Worte.

In seiner Familie - und so kenne ich das als Altersgenossin - gibt es viele Geheimnisse, über die nur in Andeutungen gesprochen wird und die dem Sohn bzw. Neffen und Enkel nicht näher erläutert werden. Mit einigen Ausnahmen, in denen vor allem Opa und Onkel in Redseligkeit schwelgen, doch - so lernt Matthias schnell, sind dies - wie im Nachhinein im Gesamtkontext deutlich wird - sind das ganz besondere Situationen. Zudem ist er danach nicht unbedingt schlauer. Im Gegenteil.

Matthias, der in jungen Jahren bereits mehrfach mit dem Tod konfrontiert wird, bleibt dem Viertel auch als Erwachsener verbunden, mehr als seinen noch lebenden Angehörigen, dem Vater und der Großmutter. Er wird nämlich Makler und zwar ein mehr als eksklusiver - unter seiner Ägide befinden sich nur Wohnungen im Skandinavischen Viertel.

Ein Roman, in dem Emotionen vielfach durch Orte definiert bzw. damit verbunden werden und das in einer ganz besonderen, klaren und eher sachlichen Sprache und nicht ohne Humor. Ich habe dieses Buch ausgesprochen gerne gelesen und es hat mich neugierig werden lassen auf andere Romane des Autors wie "Boxhagener Platz" und "Nilowsky". Lesern, die gerne in der Vergangenheit schwelgen und dazu nicht immer große historische Momente benötigen, empfehle ich "Skandinavisches Viertel" aus ganzem Herzen.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Im tiefen Süder der USA ticken die Uhren anders

Mehr als nur ein Traum
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Wie man leider auch heute noch feststellen kann - althergebrachte, zutiefst etablierte gesellschaftliche Strukturen lassen sich gerade dort nur schwer auflösen. Das war in den 1960er Jahren noch viel mehr ...

Wie man leider auch heute noch feststellen kann - althergebrachte, zutiefst etablierte gesellschaftliche Strukturen lassen sich gerade dort nur schwer auflösen. Das war in den 1960er Jahren noch viel mehr der Fall als heute, auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, dass die aktuelle US-Regierung alles dafür tut, wieder zurück in diese düstere Ära zurückzufinden, in der die Trennung zwischen schwarzen und weißen Amerikanern eine Selbstverständlichkeit war, so sehr, dass die Regierung nicht eingriff, wenn bspw. der Ku Klux Klan mal wieder sein Unwesen trieb.

Diese althergebrachten Strukturen stehen im Mittelpunkt von Elisabeth Büchles Roman "Mehr als nur ein Traum", der den Geist - oder sollte man sagen, die Geister - der 1960er Jahre aufs Eindrucksvollste aufleben lässt, so gut recherchiert und eindringlich verfasst wie er ist.

Diesmal steht die junge Fotografin Felicitas aus Süddeutschland im Mittelpunkt, eine Überlebende des Holocaust, die ganz ohne Familie, nicht jedoch ohne Freunde dasteht. Sie erhält aus heiterem Himmel die Nachricht über eine Erbschaft in den Vereinigten Staaten - ein Häuschen in den Südstaaten. Trotz der ungeklärten, ja geheimnisvollen Umstände - sie hat keine Ahnung, in welcher Form sie mit der Vorbesitzerin verwandt ist - nimmt sie das Erbe an, zieht in das Häuschen ein und findet sich wieder im Zwiespalt zwischen weißen und schwarzen Afrikanern. Den sie im Übrigen so gar nicht nachvollziehen kann, ist ihr doch der Mensch als solches wichtig unabhängig von seinem Äußeren.

Diese Überzeugung lebt sie auch in den Staaten und verwirrt dadurch ihre weißen Nachbarn aufs Äußerste. Und nicht nur das - sie macht sich auch Feinde, wie sie allmählich zu spüren bekommt.

Wie immer bei Elisabeth Büchle ist nicht nur die Protagonistin Rebecca, sondern auch die Nebenfiguren "mit Pfiff" entwickelt, alle haben etwas Besonderes, vielschichtige Charaktere, man sieht sie gleichsam vor sich: Felictas' langjährige Freundin Kerstin bspw. , verlobt mit dem US-Soldaten Christopher, der von seiner ruhigen Position in Westdeutschland nach Vietnam versetzt wird. Oder die afroamerikanischen Nachbarn von Felicitas, mit denen sie sich bald anfreundet. Und natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, die sich behutsam in den Rahmen einfügt.

Behutsam - das ist überhaupt ein sehr passendes Wort für die Literatur Elisabeth Büchles. Respektvoll, könnte man auch sagen, nähert sie sich ihrem Sujet und flicht genau so ihre Themen, ihre Werte ein. Quasi beiläufig entwickelt sich Nebenschauplätze, weitere Themenfelder und Szenarien und immer ist dabei, was der Autorin wichtig ist - bspw. der christliche Glaube.

Elisabeth Büchle verfügt über die aus meiner Sicht unglaubliche Gabe, starke, eindringliche Szenarien auf eine selbstverständliche, unaufdringliche Art und Weise zu entwickeln, ein sehr, sehr eindrucksvoller Weg, Romane zu schreiben! Die Geschichten schleichen sich gleichsam herein und dringen - natürlich behutsam und achtsam - tief hinein in das Bewusstsein des Rezipienten. Und dort bleiben sie! Lange, sehr lange! Wer also Unterhaltsames mit Tiefgang und Nachwirkung lesen mag - der ist hier richtig aufgehoben.