Ein richt toller Roman
Bereits im Roman "Gute Geister" von Kathryn Stockett hat mich der Rassismus in den 1960igern im Süden der USA schockiert. Ich konnte es nicht fassen, dass es vor rund 50 Jahren im "fortschrittlichen" Amerika ...
Bereits im Roman "Gute Geister" von Kathryn Stockett hat mich der Rassismus in den 1960igern im Süden der USA schockiert. Ich konnte es nicht fassen, dass es vor rund 50 Jahren im "fortschrittlichen" Amerika Zustände gab, die mich eher an die Zeit der Sklavenhaltung erinnerten. Die Gesichter derjenigen hätte ich gerne gesehen, als die USA den ersten schwarzen Präsidenten wählte! Nun...eine Frau hat es noch immer nicht geschafft...
Zurück zu den 1960igern. Zu dieser Zeit tritt Felicitas, eine junge Deutsche mit jüdischen Wurzeln, ein unverhofftes Erbe an. Als einzige Überlebende des Holocaust hält sie, außer ihrer Freundin Kerstin und ihrem Job als Fotografin, nichts mehr in Deutschland. Kerstin, die mit einem Piloten der US-Army liiert ist, überlegt allerdings ebenfalls mit Christopher nach Amerika auszuwandern. Als Felicitas in Wilkinson County, Mississippi ankommt, ist sie gänzlich unbefangen was Rassentrennung angeht - vorallem auch wegen ihrer eigenen Vergangenheit. Ihre offene und liebenswürdige Art hilft ihr schnell in der kleinen Stadt, sowie im eigens gelegenen Dorf der Schwarzen, Anschluss zu finden. Doch gerade ihre Unbeschwertheit den farbigen Menschen gegenüber ist manchen Bewohnern ein Dorn im Auge. Und so erhält Felicitas in ihrem neuen Heim, das zwar idyllisch, aber sehr abgeschieden liegt, bald Besuch von den berühmt berüchtigten weißen Kapuzenmännern, dem Klu-Klux-Klan. Als durchsickert, dass sie Jüdin ist, steht sie noch mehr im Zentrum der Vereinigung, die nicht nur auf Schwarze, sondern auch auf Juden und Katholiken Hatz macht. Nur durch die Hilfe der beiden engagierten Sheriffs Landon Brown und John Johnson ist sie erstmals sicher. Doch ihr fotografisches Gedächtnis erinnert sie an einen blinkenden Sheriffstern beim letzten Übergriff der Kapuzenmänner. Wen kann sie eigentlich noch trauen? Und was geschah mit der Frau, die vor ihr im Haus wohnte und auf mysteriöse Art gestorben ist? Als Kerstin in Deutschland auch noch Hinweise bekommt, dass die Nachlasspapiere Ungereimtheiten aufzeigen, sind beide Frauen mehr als beunruhigt...
Elisabeth Büchle ist mit "Mehr als nur ein Traum" ein wahrhaft großartiger Roman gelungen, der viele Themen beinhaltet und auch einen tollen Spannungsbogen aufweisen kann. In der Geschichte nehmen die Rassenunruhen in den Südstaaten der USA eine tragende Rolle ein. Dazu hat die Autorin auch einige historische Begebenheiten und Personen einflochten. J.F. Kennedy, Martin Luther King, sowie der bereits im Kern beginnende Vietnamkrieg sind genauso Themen, wie der Kampf gegen den Drogensumpf.
Mit dem Perspektivenwechsel nach Vietnam erzählt Büchle ebenso brilliant über den schwelenden Konflikt zwischen dem Norden und Süden des Landes, den Glaubenskriegen und dem Einsatz der US Army, sowie den beginnenden Drogenhandel und der Prostitution.
Charaktere:
Felicitas ist ein sehr vielschichtiger Charakter. Trotz ihrer schweren Kindheit ist sie eine offene, herzliche und hilfsbereite Frau. Sie hat ein fotografisches Gedächtnis und ist vollkommen unvoreingenommen. Auf der anderen Seite ist sie etwas tollpatschig, naiv und chaotisch. Sie hat Mut und lässt sich nicht so schnell von ihrem Weg abbringen. Sie setzt sich für Gerechtigkeit ein und nimmt auch selbst die Dinge in die Hand.
Sheriff Landon bleibt bis zum Ende hin ein undurchschhaubarer Charakter. Ich konnte ihn bis zum Ende nicht in Gut oder Böse einordnen, auch wenn ich immer etwas mehr zu den Guten tendierte. Das beruhte aber auch darauf, dass er ebenfalls den Schwarzen gegenüber gerecht und freundschaftlich gegenüber trat.
Kerstin und vorallem Christopher, den wir in einem eigenen Handlungsstrang nach Vietnam begleiten, nehmen ebenfalls einen Teil der Geschichte ein. Die restlichen Nebenfiguren sind ebenfalls sehr authenisch und sprühen teilweise nur so vor Leben. Besonders ans Herz gewachsen ist mir Birdie, die im Dorf der Schwarzen lebt.
Und noch kurz erwähnt...nicht nur der Inhalt, sondern auch das Cover ist einfach mehr als nur ein Traum!
Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist einnehmend, lebendig und sehr bildhaft. Die beschriebene Zeitspanne wurde hervorragend recherchiert. Historische Persönlichkeiten wurden in die fiktive Geschichte miteinbezogen. Dadurch erhält man beim Lesen das Gefühl inmitten einer wahren Geschichte zu sein, die fesselt und mitreißt. Die wunderbare Erzählweise und Sprache der Autorin sind ein weiterer Pluspunkt.
Die Geschichte ist in fünf Teile aufgeteilt, die sich über die Jahre 1960-1964 aufteilen. Das Schriftbild des Buches ist eher klein und der Roman besitzt eine Dichte, die etwas mehr Lesezeit beansprucht. Zum einfach "kurz dazwischenlesen" ist die Geschichte nicht geeignet. Aber wer einmal begonnen hat, greift sowieso zu keinem anderen Roman.
Fazit:
Dieser tiefgründige Roman beinhaltet einfach alles, was man sich für einen bewegenden und interessanten Leseabend wünscht: spannende Handlung mit überraschenden Wendungen, lebendige Charaktere und Landschaften, sowie die hervorragende Recherche der Autorin.
Meiner Meinung ist "Mehr als nur ein Traum" das bisher beste Buch der Autorin! Von mir gibt es eine dicke Leseempfehlung und den "Lieblingsbuch" Status!