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Veröffentlicht am 21.03.2018

Das Buch der Schuld

Von Vögeln und Menschen
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In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und ...

In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und Frauen. Vor allem um Frauen. Ich sehe das Buch als einen Familienroman, gewissermaßen aber auch als Krimi, einer, der quasi rückwärts erzählt wird.

Denn die Geschichte beginnt in der Gegenwart mit Rinus Caspers, der als Vogelvertreiber am Amsterdamer Flughafen arbeitet - und zwar mit Begeisterung - und mit seiner Frau Lina, einer Krankenschwester, die ebenso wie er Vögel liebt. Scheinbar hat sich etwas ereignet, doch bald schwenkt der Fokus auf ein lange zurückliegendes Ereignis:

Ein alter Mann wird in seinem Zimmer im Seniorenheim ermordet aufgefunden: ein sehr netter Herr, der, obwohl schon sehr bejahrt, noch eine ganze Weile hätte leben können, so gut wie er beisammen war. Doch er hatte Geld - Geld, das nun fehlt und das kann auch bei lieben Menschen ein Grund für Mord sein. Eine Schuldige - nämlich seine Haushaltshilfe Louise ist schnell gefunden und gibt den Mord nach anfänglichem Leugnen zu, wofür sie lange Jahre ins Gefängnis muss. Ihre Familie geht daran zugrunde und sie selbst letztendlich auch.
Jahre später stirbt eine Frau durch das Zutun von Louises Tochter Lina. Diese, längst glücklich verheiratet und Mutter eines elfjährigen Sohnes, gibt ihre Schuld sofort zu, ja, sie macht diese sogar größer als diese in der Anklage ist, wo nämlich von einem Unglück, schlimmstenfalls einem Totschlag ausgegangen wird. Doch Lina sagt aus, diesen Mord seit Jahrzehnten geplant zu haben.

Eine traurige Geschichte um große Themen wie Schuld und Sühne, aber auch Reue und Hingabe - wie auch um deren Fehlen. Und zwar durchaus auch auf anderen Ebenen als in diesem ganz besonders dramatischen, im Zentrum der Handlung stehenden Fall. Doch Margriet de Moor hat sie mit einer Leichtigkeit, einer Klarheit - die in der deutschen Übersetzung sehr gut transportiert wird - geschildert, die Charaktere ebenso eigenwillig wie plastisch dargestellt, dass ich sie schnell gelesen hatte. Im Vergleich zu anderen Werken der Autorin empfand ich es als besonders zugänglich. Da die Autorin stets einen gewissen Abstand zu ihren Figuren und der Handlung wahrt, bleibt man auch als Leser ein Beobachter von außen, was ich mit Blick auf die Handlung als sehr passend empfinde. Man wird dadurch quasi davor bewahrt, sich selbst zu sehr zu involvieren.

Ein aus meiner Sicht spannender und vielschichtiger Roman, der jedoch durch seine nüchterne Erzählweise sicher auf einige Leser auch (zu) kalt wirken kann. Ich empfehle ihn dennoch als ein ungewöhnlichen Roman, den ich gerade durch den fernen Blick, den man als Leser hat, als besonders wirkungsvoll empfunden habe. Wenn auch viele Fragen offen blieben. Doch das ist sicher Absicht und Teil des Romankonzepts.

Veröffentlicht am 21.03.2018

Eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft

Kaltenbruch
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ist es, die sich im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch nach dem Krieg - man schreibt inzwischen das Jahr 1954 - zusammengefunden hat. Alteingesessene Dorfbewohner stehen den Hinzugezogenen: den Ausgebombten ...

ist es, die sich im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbruch nach dem Krieg - man schreibt inzwischen das Jahr 1954 - zusammengefunden hat. Alteingesessene Dorfbewohner stehen den Hinzugezogenen: den Ausgebombten und mehr noch den Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten misstrauisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüber. Da hat die Kölnerin Marlene einen vergleichsweise guten Stand: auch sie wurde, ein Kind noch, Opfer der Bombenhagel auf ihre Heimatstadt - ihre Mutter kosteten diese das Leben. Glücklicherweise fand sie nach einigen Irrwegen ein Zuhause bei der Bauersfamilie Leitner, auf deren Hof sie schon mit ihrer Mutter, die mit der Bäuerin befreundet war, oft in den Ferien weilte.

Andere, wie die Kaminskis aus Breslau, eine wahrhaft kinderreiche Familie, haben es da wesentlich schwerer: bereits in der Schule begegnet man den jüngeren Kindern ablehnend. Wie gut, dass sie ihren großen Bruder Rudi haben, der ihnen zur Seite steht und als sich als Einziger der "Dazugezogenen" uneingeschränkter Beliebtheit erfreut. Bis ein Mord geschieht - Opfer ist Heini, der jüngere der Leitner-Söhne, gerade mal siebzehn. Und der Hauptverdächtige Gruber folgt ihm sozusagen stehenden Fußes ins Grab.

War es derselbe Mörder? Rasch fällt der Verdacht auf Rudi, doch es gibt auch weitere Verdächtige. Kommissar Hoffmann, der aus Düsseldorf in die rheinische Provinz zwangsversetzt wurde, ermittelt eher unwillig und fühlt sich seinem Kollegen Kröger von der örtlichen Polizei überlegen. Bald steht ihnen als Schreibkraft Lisbeth Pfau zur Seite, die es ebenfalls durch Zufall in die eher abgelegene Gegend verschlagen hat. Doch das zunächst nicht gerade als Team arbeitende Gespann rauft sich mehr oder weniger zusammen und kommt zu ersten Ergebnissen...

Gerade das Ermittlerteam ist aus meiner Sicht ein sehr gelungener Aspekt des Krimis und ich hoffe, ihm in weiteren Folgebänden erneut zu begegnen. Auch der Umstand, dass die Erzählperspektive variierte, war aus meiner Sicht gelungen. Nicht jedoch die Durchführung - die "Wahrheiten", die nach und nach aufgerollt wurden, kamen in ihrer Darstellung häufig ein wenig unpassend, ja unglücklich rüber. Ebenso hat mir in der Aufschlüsselung der emotionalen Einbindung und Verquickung der Charaktere einiges gefehlt, vieles kam plakativ rüber, die Schlussfolgerungen, das Fazit sozusagen und auch die Begründung der Morde war aus meiner Sicht ein wenig platt.

Dennoch hoffe ich auf weitere Bände mit den Herren Hoffmann und Kröger sowie Lisbeth Pfau als mehr und mehr erfolgreichem Ermittlergespann im Westen von Nachkriegsdeutschland!

Veröffentlicht am 15.03.2018

Karl kehrt zurück

Leinsee
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Und zwar nach Leinsee, der Stätte, dem Ort seiner Herkunft. Dass das sein Zuhause ist, kann man so nicht sagen, es ist das Heim seiner Eltern, die Wirkungsstätte von Ada und August Stiegenhauer, DEM Künstlerpaar ...

Und zwar nach Leinsee, der Stätte, dem Ort seiner Herkunft. Dass das sein Zuhause ist, kann man so nicht sagen, es ist das Heim seiner Eltern, die Wirkungsstätte von Ada und August Stiegenhauer, DEM Künstlerpaar schlechthin, das gemeinsame Objekte schafft und so populär ist, dass sich Christo und Jeanne-Claude warm anziehen können (bzw. konnten). Und die beiden waren einander stets genug, ihr Sohn passte nicht hinein in diese symbiotische, geradezu magische Beziehung. Und so verbrachte er seine Jugendjahre im ungeliebten Internat und verließ das Elternhaus schnellstmöglich auf Nimmerwiedersehen.

Doch jetzt ist alles anders: Karl, unter Pseudonym inzwischen selbst als Künstler in Berlin erfolgreich, kehrt nach dem Erhalt einer tragischen Nachricht nach jahrelanger Abwesenheit zurück ins Elternhaus, das jetzt allerdings ohne Eltern ist: Ada ist aufgrund einen Hirntumors im Krankenhaus, die Chancen stehen so schlecht, dass sich August das Leben genommen hat, um nicht ohne seine geliebte Partnerin weitermachen zu müssen.

Karl fährt also mehr oder weniger zurück, um seine Eltern zu beerdigen. Doch nach Augusts Bestattung entwickeln sich die Dinge auf allen Ebenen anders mit dem Resultat, dass Karls Einstellung zu Familie, Leinsee, ja zu seiner Zukunft insgesamt sich grundlegend ändert. Nicht zuletzt aufgrund neuer Freundschaften, vor allem die der achtjährigen Tanja.

Der Leser begleitet Karl nun über viele Jahre, nimmt teil an seinem Leben und Wirken. Wobei er das Paket der Vergangenheit stets mit sich trägt.

Ein Roman, bei dem der Leser durchaus mit dem Protagonisten ins Hadern kommen kann - nicht so sehr mit seinen Überzeugungen wie mit seinen Handlungen, die oft, auch in späteren Jahren etwas vom Eifer der Jugend haben und in ihrer Wirkung und Nachhaltigkeit, die eigentlich auch Karl bewusst sein sollte, offenbar nicht klar durchdacht sind. Leser also, die sich gern mit der Hauptfigur identifizieren, sind hier eindeutig fehl am Platz.

Dafür ist das Buch für Leser, die gerne mal eine eher ungewöhnliche, in schöner, klarer und eindringlicher Sprache verfasste Geschichte lesen wollen, genau das Richtige. Ich hing ein bisschen dazwischen, da mich Karl doch wieder und wieder zu irritieren wusste, aber das hat mich eher nicht gestört, denn als Kölnerin weiß ich, dass jeder Jeck anders ist. Ein bisschen mehr Hintergrundinformation an der ein oder anderen Stelle hätte gut getan, finde ich! Aber trotz dieser Einwände habe ich dieses Buch quasi in einem Rutsch gelesen und auch genossen und gebe somit - wenn auch mit geringfügigen Einschränkungen - einen schönen Lesetipp weiter!

Veröffentlicht am 13.03.2018

Back to the roots

Das Kaff
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Zurück zu seinen Wurzeln, nämlich in ein kleines norddeutsches Dorf, begibt sich Architekt Micha Schürtz nicht ganz freiwillig. Seit Jahren erfolgreich in Berlin ansässig und nahezu ohne Kontakt zur Heimat ...

Zurück zu seinen Wurzeln, nämlich in ein kleines norddeutsches Dorf, begibt sich Architekt Micha Schürtz nicht ganz freiwillig. Seit Jahren erfolgreich in Berlin ansässig und nahezu ohne Kontakt zur Heimat erhält er nun einen Auftrag zu einer Bauleitung ebendort. Er sagt sich, dass sein Aufenthalt nicht von langer Dauer ist.

Zumal seine beiden Geschwister noch dort ansässig hat, zu denen er in den Regel gar kein, in Ausnahmefällen ein sehr kompliziertes Verhältnis pflegt.

Aber eigentlich ist Michas Verhältnis zu allem im Dorf kompliziert oder zumindest komplex, so zu seinem ehemaligen Verein - er war in seiner Jugend ein begeisterter Fußballer - wie auch zu früheren Freunden.

Micha drückt es natürlich viel cooler aus, aber er fühlt sich seinem ehemaligen Umfeld bestenfalls fern. Um die Wahrheit zu sagen, er fühlt sich überlegen.

Ja, es ist eine Fassade, die zunächst präsentiert wird, eine Fassade, die im Handlungsverlauf zu bröckeln beginnt. Ob sie schlussendlich zusammenbricht oder aber wieder aufgebaut wird - oder ob ein ganz neuer Weg beschritten wird, das sollte der potentielle geschätzte Leser doch bitteschön selbst herausfinden.

Ein Buch, mit dem ich es mir nicht leicht gemacht habe, wahrlich nicht. Zwar konnt mich bereits das Thema "aus der Stadt zurück ins Dorf und was dann?" mich nicht so recht begeistern, zu sehr folgte der Autor aus meiner Sicht einem aktuellen Trend. Doch das hat mich bei Juli Zehs "Unterleuten", einem Roman, in dem das Dorf sozusagen als eigenes Universum fungierte, auch nicht gestört und so startete ich durchaus offen in die Lektüre.

Interessant ist die Perspektive des Ich-Erzählers, eben jenes Micha, der alles andere als ein neutraler Beobachter, sondern im Gegenteil sehr stark in alle Entwicklungen involviert ist. Das heißt, dem Leser wird Michas Geschichte auf einem sehr persönlichen Level übermittelt, wechselnde Stimmungen und Einstellungen des Erzählers inklusive.

Aber leider tat ich mich ziemlich schwer, in dieses Buch reinzukommen. Der Autor kann schreiben, sicher: der Charakter der erzählenden Person, also Micha, wird in seiner Entwicklung eindringlich transportiert. Was also fehlt? Ich empfand die gesamte Handlung als zu wenig packend, ich habe mich zwar ganz gut auf die Chraktere einlassen können, muss aber im Nachhinein sagen - so richtig spannend fand ich das nicht.

Irgendwann schlich sich mir der Gedanke ein, dass Jan Böttcher einem Trend der Um-die-Vierzig-Autorengeneration folgt: aus der Stadt auf das Land, in vielen Fällen zurück zu den Wurzeln. Ich habe eigentlich nichts gegen diese Welle, mag viele der Romane, wie bspw. "Leinsee" von Anne Reinecke oder auch das bereits erwähnte "Unterleuten", in dem die Thematik jedoch ungleich komplexer ist. Doch dieser Roman war nicht so ganz meines.

Ob es daran liegt, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde? Dass Fussball eine nicht gerade geringe Rolle spielt, wenn auch eher als Symbol für eine Zugehörigkeit?

Ich glaube nicht. Vielleicht fehlt mir nur ganz einfach der Zugang zu Jan Böttchers Gedanken und zu seinem Stil! Genau deswegen möchte ich andere Leser ermutigen, zu diesem Buch zu greifen und es vorbehaltlos auf sich wirken zu lassen. Es kann sehr gut sein, dass das Resultat ein ganz anderes ist als in meinem Fall!

Veröffentlicht am 12.03.2018

In den Sternen

Planetenpolka
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könnte die Auflösung des Kriminalfalles zu finden sein, mit dem Astrologin Stella konfrontiert wird. Aber ist es überhaupt einer? Denn Cäcilie von Breidenbach, eine liebe Bekannte ihrer Großmutter Maria ...

könnte die Auflösung des Kriminalfalles zu finden sein, mit dem Astrologin Stella konfrontiert wird. Aber ist es überhaupt einer? Denn Cäcilie von Breidenbach, eine liebe Bekannte ihrer Großmutter Maria , ist verstorben. Da sie eine schwerreiche Erbtante mit drei Nichten/Neffen war, vermutet sie sofort Mord und kann auch Stella rasch davon überzeugen, das hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Zumal die drei potentiellen Erben Serena und ihre Zwillingsschwester Undine sowie Bruder Fridolin - allesamt Mitte fünfzig und ständig klamm - schon mit den Hufen scharren.

Einer aus deren Schar könnte es durchaus sein, zumal sie sich bereits verdächtig benommen haben. Stella zieht ihren besten Freund Ben zu Rate, der wiederum seinen Kumpel Arno, Hauptkommissar bei der Bochumer Kripo, involviert. Und natürlich ist auch Maria, ihres Zeichens Wahrsagerin und bereits seit weit über fünfzig Jahren in ihrem Metier tätig, mit von der Partie! Und ohne Otto, deren langjährigen Verehrer, läuft sowieso nichts!

Was Studiendirektorin Felicitas, Stellas Mutter und Marias Tochter, die sich mit den beiden ein Haus, nein: eine Villa teilt, überhaupt nicht gern sieht. Denn sie gibt sich gern seriös, nein: sie IST die Seriosität in Person und würde die Verwandtschaft zu den beiden Esoterikerinnen am liebsten leugnen. Meistens jedenfalls.

Wie auch in den Krimödien um Loretta Luchs, Mitarbeiterin eines Call-Centers der besonderen Art und ebenfalls Bochumerin, findet sich hier also ein munteres Trüppchen zum gemeinsamen Ermitteln zusammen. Wobei das manchmal auch eher nebenher läuft. Aber man darf das Team nicht unterschätzen, denn am Ende gibt es eine richtige Auflösung, der ein ordentliches Show-Down vorangestellt ist.

Ich freue mich schon sehr auf den nächsten Band, weil ich gespannt bin, wie sich die Dynamik unter diesen ganzen Figuren so weiter entwickelt. Und weil ich Stella und Maria schon richtiggehend in mein Herz geschlossen habe. Eine toll(kühn)e und witzige Ruhrpottstory mit dem gewissen Pfiff!