Ein Roman wie ein Gemälde
Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- ...
Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- und Abgründe, die dahinter stehen.
In „Von Vögeln und Menschen“ geht es um ganz unterschiedliche Frauen, die auf unterschiedliche Weise miteinander in Beziehung stehen. Den Dreh- und Angelpunkt jedoch bildet Marie Lina. Ihr Leben gerät nicht erst als Erwachsene aus den Fugen, da sie eine Tat begeht, die sie ins Gefängnis bringt, sondern schon in Kinderjahren, als ihre Mutter eine Zuchthaustrafe verbüßen muss - für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Warum hat Louise Bergman ein falsches Geständnis abgelegt? Wer ist der wahre Täter und warum bleibt er im Hintergrund? Stück für Stück trägt de Moor eine spannende Geschichte zusammen, nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven.
Die Autorin besitzt die Fähigkeit, mit Worten Bilder zu erschaffen. Ihr ruhiger, sachlicher Stil und ihre Art, besonders anschaulich zu beschreiben, erinnern mich an alte holländische Gemälde: Wie in einem Bild festgehalten erscheinen die Personen in diversen Situationen: mal als idyllisches Familienporträt, ein andermal als Momentaufnahme einer Ausnahmesituation, wobei der Hintergrund stets ein wenig vage im Dunkel bleibt. Und - wie bei einem Gemälde - empfindet der Leser/Betrachter doch stets eine gewisse Distanz zu den Protagonisten, obwohl er zahlreiche Details erfährt.
Auch wenn das Ende des Romans eigentlich zu Beginn bereits bekannt ist: Margriet de Moor versteht es brilliant, uns in das Geschehen hineinzuziehen und zu fesseln.