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Veröffentlicht am 21.02.2018

Lycke ist weg

Glücksmädchen
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Auf dem Weg zum Tennisunterricht ist sie verschwunden. Ein achtjähriges Mädchen, ein Scheidungskind aus einer Patchworkfamilie, das hin und her gereicht wird. Kein Kind, das auf der Sonnenseite des Lebens ...

Auf dem Weg zum Tennisunterricht ist sie verschwunden. Ein achtjähriges Mädchen, ein Scheidungskind aus einer Patchworkfamilie, das hin und her gereicht wird. Kein Kind, das auf der Sonnenseite des Lebens steht, wie sich mehr und mehr herausstellt, auch wenn es viele Bezugspersonen in ihrem Leben gibt, fast schon zu viele. Unter anderem auch eine Stiefmutter, die auch schon die "Konkurrenz", den kleinen Stammhalter, auf die Welt gebracht hat und ständig ihre Stellung behauptet. Hat sie damit zu tun? Oder vielleicht der Tennistrainer? Oder einer der leiblichen Eltern? Wie gesagt, ist die Auswahl groß.

Dazu kommt, dass Ellen, die für ihr Magazin berichten soll, auf eine ganz eigene Art, die sich erst nach und nach erschließt, in der Geschichte drinhängt.

Das alles verspricht einen spannenden Thriller. Aber leider bleibt es über weite Phasen bei diesem Versprechen, die Geschichte kommt nicht so recht in die Gänge.

Mein Fazit also: Eine traurige Geschichte über ein verschwundenes Mädchen, das leider immer mehr in den Hintergrund rückt und zeitweilig (fast) verschwindet. Wie auch einige der Erzählstränge, die vielversprechend aufgenommen werden, nicht nur um die kleine Lycke, sondern auch um Reporterin Ellen Tamm. Dabei ist diese Figur durchaus vielschichtig aufgebaut und hat - mit ein wenig Feinjustierung - durchaus das Zeug zu einer recht originellen Serienprotagonistin. Sollte es also einen Nachfolgeband geben, ich würde Ellen Tamm und damit der Autorin Mikaela Bley durchaus noch eine Chance geben. Im Moment kann sie jedoch noch nicht mithalten mit anderen Größen nordischer Kriminalliteratur.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Tage im August

Unser tägliches Leben
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sind es, die hier thematisiert werden, in zwei verschiedenen Jahren, zwischen denen Welten zu liegen scheinen. Schwerste Kost in mehrfacher Hinsicht ist dieser Roman, der in harten Zeiten spielt: in den ...

sind es, die hier thematisiert werden, in zwei verschiedenen Jahren, zwischen denen Welten zu liegen scheinen. Schwerste Kost in mehrfacher Hinsicht ist dieser Roman, der in harten Zeiten spielt: in den Jahren 1923 und 1939 nämlich, zunächst im tschechischen Exil, dann in Russland in tiefster Stalinzeit - die Sowjetunion zeigt ihr grausamstes Gesicht. Ohnehin schwere Kost, die noch härter zu verdauen ist, wenn man sich verdeutlicht, dass es hier um reale Menschen geht, nämlich um die große russische Dichterin Marina Zwetajewa und um ihre Tochter Ariadna - zwei Menschen, die den Lauf der Dinge vollkommen unterschiedlich sehen. Während Marina die Sowjetunion verhaßt ist, kann sich Alja, wie ihre Tochter genannt wird, für die Errungenschaften des Kommunismus begeistern - zunächst jedenfalls.

Es geht hier nicht um die große Politik bzw. nur teilweise - es geht darum, was die Welt - oder doch bestimmte Teile davon - aus den Menschen ihrer Zeit macht, wozu sie sie bringt, wie sie sie leben lässt. Aber es geht auch um das Verhältnis zwischen Marina und Alja, letztere zunächst noch ein Kind, das von ihrer Mutter ganz schön gefordert wird, als Co-Autorin eines Buches, das die beiden gemeinsam verfassen, beispielsweise.

Der Finnin Riikka Pelo ist - was die Recherchen und auch das Aufgreifen der Dichtkunst Zwetajewas - ein Meisterwerk gelungen, mit dem ich dennoch nicht glücklich wurde, auch wenn das möglicherweise eine sehr subjektive Wahrnehmung ist: Ein sehr intensiver Stil ist, aus der Sicht der beiden Protagonistinnen dargestellt, der diesen Roman prägt, doch so eindringlich er zeitweise daherkommt, so ausführlich und - ja, umständlich muss ich sagen, ist er wiederum an anderen Stellen.

Zudem wird der Leser ziemlich alleine gelassen, finde ich - allein mit der Geschichte Marina Zwetajewas und derjenigen ihrer Tochter, wie auch mit Zusammenhängen verschiedener Akteure in ihrem Umfeld, die immer mal auftauchen. Ich hätte ein Namensverzeichnis und ein ausführliches Nachwort gebrauchen können, auch wenn ich mich in der Geschichte des Stalinismus und der Sowjetunion insgesamt einigermaßen auskenne und auch Marina Zwetajewa mir nicht völlig fremd ist. Aber nichts davon ist vorhanden und so hatte ich durchgehend diverse Google-Artikel aufgeschlagen, was dem Lesefluss nicht unbedingt zuträglich war.

Auch die Interaktion zwischen Mutter und Tochter war mir zeitweise zu anstrengend, zu detailliert, zu fordernd für mich als Leserin.

Gewiss, Riikka Pelo fühlt sich ein in ihre Protagonistinnen, sie schildert zwei harte Leben in schweren Zeiten, in denen es selbst jungen begeisterten Menschen völlig unmöglich gemacht wurde, an ihren Idealen festzuhalten. Umso schwerer, zu verstehen, warum eine kritische, intelligente, ja, ungewöhnliche Frau wie Marina Zwetajewa zurückging - sozusagen ins sichere Verderben. Die Autorin vertieft sich so intensiv in das Thema, dass sie sich für mich darin verliert - es war mir nicht möglich, ihr durchgehend so tief hinein zu folgen.

Definitiv kein Buch für jemanden, der einen Roman zur Entspannung sucht, doch wer sich für Marina Zwetajewa und ihr Umfeld interessiert und richtig tief in die Thematik einsteigen will, der ist hier an der richtigen Stelle.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Italien auf dem Teller

Simply Pasta, Pizza & Co.
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Wer mag das nicht? Köstliche Pizza, Pasta und Antipasti mit mediterranem Aroma zubereitet und mit südlichem Charme und Flair kredenzt - kaum einer kann da widerstehen! Mir geht es genauso und so stürzte ...

Wer mag das nicht? Köstliche Pizza, Pasta und Antipasti mit mediterranem Aroma zubereitet und mit südlichem Charme und Flair kredenzt - kaum einer kann da widerstehen! Mir geht es genauso und so stürzte ich mich mit Begeisterung auf dieses Kochbuch, um die Delikatessen auszuprobieren, zu verkosten und in mein Herz zu schließen.

Ein Buch mit einer ausführlichen Einführung, die sowohl Bemerkungen und Ausführungen zur italienischen Küche beinhaltet, als auch Grundrezepte bspw. für Brühe, Tomatensugo, Pesto und was sonst so in der italienischen Küche eingesetzt wird.

Ein Buch, das sowohl die italienische Küche als auch den Koch Julian Kutos ausführlich vorstellt, ein Aspekt, der mir den Genuss daran etwas genommen hat: die italienische Küche ist jetzt nicht so Außergewöhnliches bzw. Unbekanntes, dass man sie noch einmal in allen Einzelheiten vorstellen müsste, als hätte man etwas Neues entdeckt - im Gegenteil, eine Reihe von Gerichten wie Spaghetti Bolognese, diverse Pizzen, Spaghetti Carbonara und Vitello Tonato sind bereits mehr oder weniger fest im bundesdeutschen und sicher auch österreichischen - dort ist der Koch beheimatet - Alltag integriert. Und ein Koch sollte schon so charismatisch wie Jamie Oliver oder Sarah Wiener sein, um sich in den Vordergrund zu rücken - mit Verlaub ist das in vorliegendem Falle eher nicht gegeben.

Es gefällt die Anleitung zur Zubereitung in kleinen Schritten, was das Buch auch für Anfänger nützlich und hilfreich macht. Allerdings sind aus meiner Sicht die Bestandteile oft in eigenartigen Zusammenstellungen kombiniert, bspw. ist die Walnusspasta viel zu fettig (was ich aber im Vorfeld aufgrund bestimmter Kocherfahrung aushebeln konnte) und die Pasta al Limone viel zu sauer (da bin ich drauf reingefallen und sowohl mein Mann als auch ich selber haben die vollen Teller stehen lassen - war mir in meiner langjährigen Küchenkarriere bisher nicht passiert).

Es gibt natürlich viel mehr und sehr unterschiedliche Rezepte darin, wenn sie sich auch nur auf Pizza, Pasta, Vorspeisen und Cocktails beschränken und ich machte die Erfahrung, dass kleine Hinweise zu Kochzeiten, Temperaturen, oder auch Mengenangaben bspw. bei Gewürzen fehlen, die wirklich hilfreich gewesen wären.

Für mich also leider kein Buch, dem ich die Treue halten werde, auch wenn es viele interessante Rezepte beinhaltet - wahrscheinlich passen "Simply Pasta, Pizza & Co." und ich einfach nicht zusammen.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Ein It-Pärchen

Nina & Tom
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Das sind Nina und Tom, beziehungsweise wollen sie es sein - kühl und provokant den Ton angeben, wo sie auch sind, glamourös und auffallend wirken in ihrer eigensinnigen, oft auch zerstörerischen Beziehung, ...

Das sind Nina und Tom, beziehungsweise wollen sie es sein - kühl und provokant den Ton angeben, wo sie auch sind, glamourös und auffallend wirken in ihrer eigensinnigen, oft auch zerstörerischen Beziehung, die über Jahrzehnte hält - bis in den Tod. Denn Nina - mittlerweile 47jährig und Mutter zweier Söhne, ist unheilbar krank - sie wird an Krebs sterben. Das steht von vorneherein fest, denn ihr Mann, der Journalist Tom Kummer, nimmt dieses Ereignis voraus.

Es ist zwar ein Buch über das Sterben, aber mehr noch über das Leben, sein Leben mit Nina, das er dem Leser hier offen und schonungslos - sowohl gegen sich selbst als auch gegen Nina darlegt. Es ist kein herzliches Buch, denn Herzlichkeit ist einfach nicht der Stil von Tom und von Nina auch nicht - sie kultivierten die Distanz, ja, die Arroganz, was häufig verstörend auf mich wirkte. Wenn es nicht so tragisch geendet hätte, wäre es mir stellenweise lächerlich vorgekommen, bspw. Ninas Aufzug, als sie sich - in einer Bar, wie könnte es anders sein - kennenlernten. Übrigens war der von Tom nicht viel besser - sehr extrem stilisiert, sogar mit Nazi-Elementen, auffällig sogar mitten in den 1980ern, als eigentlich alle knallbunt herumliefen. Irgendwie wirkte Nina wie ein masochistisches Huhn, Tom wie ein zerrupfter Krieger einer überirdischen Armee - so kenne ich es als Kölnerin aus dem Karneval und konnte die beiden als Stil-Ikonen - man möge mir verzeihen - nicht so recht ernst nehmen.

Dazu kam ein schonungsloser Umgang mit dem jeweils anderen und auch mit sich selbst - dabei spielten sowohl Drogen als auch Gewalt über lange Jahre hinweg eine Rolle.

Was soll ich sagen: auch wenn ich im selben Alter wie die Beiden bin, wir sprechen einfach nicht dieselbe Sprache, leben möglicherweise gar auf anderen Planeten. Toms Verlust hat mich umso mehr berührt, denn vor dem Tod sind wir irgendwie alle gleich, kapitulieren zwar unterschiedlich, doch in unserer Ohnmacht gegen ihn gibt es keine Abstufung, auch keine Distanz. Allerdings musste ich bis zum Ende lesen, bis die Distanz zwischen mir und dem Buch bzw. seinem Autor sich für kurze Zeit legte. Es fällt mir schwer, dieses Buch weiterzuempfehlen - am besten schauen Sie selbst, ob Sie gewillt sind, diese ungewöhnlichen Menschen kennenzulernen, mit ihnen zu leben und zu leiden.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Ein lyrischer Roman

Wie hoch die Wasser steigen
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Und zwar einer zu einem ausgesprochen bodenständigen Thema - auf den ersten Blick zumindest. Es geht nämlich um polnischen Facharbeiter Waclaw, der einen großen Verlust erleidet, sein Kollege und Kumpel, ...

Und zwar einer zu einem ausgesprochen bodenständigen Thema - auf den ersten Blick zumindest. Es geht nämlich um polnischen Facharbeiter Waclaw, der einen großen Verlust erleidet, sein Kollege und Kumpel, der Ungar Matyas, mit dem er seit Jahren gemeinsam arbeitet und auch das Leben - in diesem Falle das Zimmer bzw. die Kajüte teilt, ist nämlich abhanden gekommen. Eines Nachts ist er einfach so von der Ölplattform an der Küste Marokkos, auf der die beiden angestellt sind, gerutscht, hinunter ins Meer, unwiederbringlich und unauffindbar. Bevor er sich an den Gedanken gewöhnen kann, ohne ihn zu sein, begibt er sich auf eine Reise quer nach und durch Europa.

Für ihn geht es darum, Matyas Leuten dessen Sachen zu übergeben, aber auch, einige Orte und Stellen die für ihn von Bedeutung sind - egal, ob er dort tatsächlich war oder nicht, aufzusuchen. Eigentlich sind es zwei Reisen, eine physische und die zweite, parallel stattfindende auf der Suche nach sich selbst. Gibt es dort überhaupt etwas zu finden und wenn ja, ist es das wert - für ihn selber als Menschen.

Der globale Mensch der Gegenwart beim Versuch, sich selbst zu definieren - auch so könnte man Waclaws vorhaben bezeichnen. Autorin Anja Kampmann hat bereits als Dichterin einen Namen und so hat sie mit "Wie hoch die Wasser steigen" einen sehr lyrischen Roman zu einem - zumindest in Teilen - sehr bodenständigen Thema geschaffen. Ich erkenne diese sowohl sprachlich als auch inhaltlich außerordentliche und sehr individuelle Leistung aus ganzem Herzen an, ohne sie jedoch für mich selbst als bereichernd und erfüllend zu empfinden. Zu vage die Darstellung, zu wenig Greifbares, Vorstellung und Wirklichkeit des Protagonisten Waclaw verlieren sich ineinander, ohne mich zu bewegen oder gar mitzunehmen.

Der Roman ist für den Preis der Leipziger Buchmesse im März 2018 nominiert mit folgendem Kommentar der Jury: "Eindringlich und in konzentrierter poetischer Verdichtung erzählt Anja Kampmann von der Verlorenheit des Menschen in Zeiten der Globalisierung und von dem Versuch, die eigene Identität wiederzufinden. Ein gegenwärtiger Roman, dessen Sprache überzeitlich Existentielles aufreißt."

Ich habe diese Regungen, die Botschaft der Autorin, wahrgenommen, doch traf sie bei mir leider nicht auf fruchtbaren Boden - der Roman hat mich verwirrt, wodurch sich bereits jetzt, kurz nach der Lektüre, die Eindrücke verwischen, die bleibende hätten sein können.