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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine dunkle und geheimnisumwobene Familiengeschichte

Die Engelmacherin (Ein Falck-Hedström-Krimi 8)
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lastet auf der jungen Ebba - doch auch neuere Ereignisse lassen ihr Leben nicht gerade zu einem glücklichen werden: sie hat ihr Kind verloren und kehrt gemeinsam mit ihrem Mann zurück nach Valö, der Insel ...

lastet auf der jungen Ebba - doch auch neuere Ereignisse lassen ihr Leben nicht gerade zu einem glücklichen werden: sie hat ihr Kind verloren und kehrt gemeinsam mit ihrem Mann zurück nach Valö, der Insel ihrer Kindheit. Ebba erhält seit Jahren geheimnisvolle Glückwunschkarten, seit ein großes Unglück in ihrer Familie geschehen ist - in ihrer frühen Kindheit verschwanden ihre Eltern. Das Geschehene wurde nie aufgeklärt, sie kennt die Hintergründe nicht. Da ereignet sich schon das nächste Unglück in ihrem Leben - ein Brand im neuen Heim, das in Wahrheit schon ganz alt ist.

Zudem gibt es eine spannende Rückblenden, die bis ins Jahr 1908 reichen, wo Einblick in ein fürchterliches Familiendrama gegeben wird. Was hat es damit auf sich? Was haben Dagmar und Laura, Schlüsselpersonen in den Rückblenden, mit den aktuellen Geschehnissen, mit Ebba zu tun?

Auch die Polizeidienststelle Tanum kommt wieder ins Spiel, Patrik Hedström, Bertil Mellberg und das restliche Team ermitteln im Brandfall und werden unversehens in die früheren Ereignisse hineingezogen. Da ist natürlich Patriks Frau, die Autorin Erica Falk nicht weit, die sich so gern in die Polizeiarbeit einmischt - natürlich sind auch die weiteren Akteure,wie die Kinder des Paares, Patriks Mutter Kristina, Ericas Schwester Anna und Patriks Kollegen wieder mit von der Partie - gerade in diesem Buch wird den meisten von ihnen besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet. Also vor allem etwas für Kenner und Liebhaber dieser Serie, denn nicht immer werden Zusammenhänge aus früheren Büchern ausführlich aufgeklärt. Ich jedenfalls war heilfroh, bislang jeden einzelnen der Läckberg-Krimis gelesen zu haben, ansonsten wäre ich ziemlich ins Schleudern geraten - obwohl diesem Buch lobenswerterweise zumindest ein Verzeichnis der regelmäßig auftauchenden Akteure vorangestellt ist - zum ersten Mal, soweit ich mich erinnere.

Mir hat das Buch wieder gut gefallen - es fügt sich schlüssig und nahtlos in die Serie ein und ich liebe Fälle, die weit in die Vergangenheit zurückreichen, auch wenn Läckberg dieses Instrument ein bisschen sehr häufig verwendet. Diesmal fand ich den Fall ausgesprochen spannend, auch der Erzählstil der Autorin - intensiv, atmosphärisch und mit eindringlichen Personenbeschreibungen - hat wieder zum Lesegenuss beigetragen, doch leider gab es doch ein paar Enttäuschungen, die vor allem die Auflösung des Falls betrafen. Aber auch im Verlauf blieben einige wichtige Aspekte auf der Strecke ... sie wurden einfach nicht weiterverfolgt bzw. aufgelöst.

Trotzdem sehr empfehlenswert - allerdings vor allem Freunden dieser Serie oder aber solchen, die es werden wollen und sich nicht scheuen, die insgesamt sieben vorherigen Bände - oder zumindest einen Teil davon - vorher zu lesen, denn ansonsten kommt an angesichts der ausgesprochen dichten Handlung sicher gelegentlich ins Schleudern. Doch wer Patriks gewohnten Alltagsstress und Interessenskonflikt mit seiner Frau Erika - scheint nicht so, aber tatsächlich führen die beiden eine glückliche Ehe - und andere immer wieder auftauchende, den aktuellen Fall ergänzende inhaltliche Elemente schätzt und wie ich eher die nicht so harten Krimis bevorzugt, der wird hier auf seine Kosten kommen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Was für ein Theater!

Theatertod
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ein ziemlich marodes, nämlich das Schauspielhaus Köln, ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Romans. Dass es der Handlungort ist, wäre falsch ausgedrückt: nein, die Kölner Bühne ist der Dreh- und Angelpunkt ...

ein ziemlich marodes, nämlich das Schauspielhaus Köln, ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Romans. Dass es der Handlungort ist, wäre falsch ausgedrückt: nein, die Kölner Bühne ist der Dreh- und Angelpunkt dieses ganz im klassischen Whodunnit-Stil gehaltenen Krimis.

Zu den Ereignissen: Peter, ein junger, vom Regisseur gequälter Schauspieler, dessen Leistungen sehr umstritten sind und der somit unter starkem Druck steht, stirbt unter merkwürdigen Umständen. Regieassistent Michael, selbst - obwohl durchaus begabt und auch beliebt - nicht gerade in der besten Position, beginnt zu ermitteln und gerät dadurch ins Kreuzfeuer der Ereignisse und vor allem der Fronten. Ein manipulativer,gieriger intendant, ein erbarmungsloser, dabei unfähiger Regisseur, unterschiedlich ehrgeizige Schauspieler mit verschiedensten Interessen, Prioritäten und Bedürfnissen, ein mit Michael konkurrierender Regieassistent... und dann kommt ihm auch noch die Liebe in die Quere - und das nicht zu knapp!

Sie finden, das ist alles ein wenig zu viel des Guten? Da bin ich ganz Ihrer Meinung, zumal die Figuren nicht gerade sonderlich vielschichtig dargestellt wird, aber aufgrund der tollen, atmosphärischen Darstellung des Theatermilieus und vor allem des Kölner Schauspielhauses bin ich bereit, nicht nur ein Auge zuzudrücken.

Eine etwas umständliche Darstellung mit zahlreichen klassischen Krimielementen, die vor allem die Liebhaber alter englischer Krimis interessieren bzw. gar begeistern könnten. Die Auflösung gestaltet sich auch ein wenig komplex, überrascht aber durchaus.

Auf jeden Fall ein passendes Geschenk für Theaterliebhaber, vor allem die aus dem Kölner Raum.

Veröffentlicht am 30.12.2017

"Ich danke Dir, dass Du mich gedemütigt hast und lehrst mich Deine Rechte"

Unterwegs mit Bonhoeffer
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Das war Dietrich Bonhoeffers liebstes Zitat aus seinem Lieblingspsalm
(Ps. 119, 71), den der Autor Martin Schramm in Verlauf seiner
Erläuterungen zu Bonhoeffer aber vor allem an Bonhoeffer entlang zitiert
und ...

Das war Dietrich Bonhoeffers liebstes Zitat aus seinem Lieblingspsalm
(Ps. 119, 71), den der Autor Martin Schramm in Verlauf seiner
Erläuterungen zu Bonhoeffer aber vor allem an Bonhoeffer entlang zitiert
und auch ich liebe ihn sehr - ich hatte es nur vergessen - und
interpretiere hier die Demut für mich als eine Rückkehr zum Wahren,
Vertrauten, Ursprünglichen.

Bonhoeffer dagegen... ach, das
sollten sie selbst lesen wie auch vieles andere, denn von Bonhoeffers
Reisen, von seinen Stationen hie und da auf der Welt kann man für sich
die eine oder andere Anregung für den eigenen Alltag ableiten. Das habe
ich beispielsweise durch die Auseinandersetzung mit dem lange
vergessenen Psalm getan, das tut viel mehr noch Martin Schramm in allen
Teilen des Buches, in denen er die Nachfolge Bonhoeffers beschreibt -
nein, nicht dessen Adaptation, sondern vielmehr die Umsetzung seiner
Werte im Alltag des 21. Jahrhunderts. Dies kann so unterschiedlich
erfolgen, wie sich eben die Alltage der verschiedenen Menschen
gestalten.... ach, und ich gerate selbst wieder ins Philosophieren, in
die Auseinandersetzung mit dem Gelesenen.

Dabei wollte ich nur
ein lohnenswertes Buch vorstellen, eines, das den Leser mitnimmt und
zwar sowohl über die Gedanken von Bonhoeffer als auch über die von
Martin Schramm.

Schramm hat sich drei Stationen des Vielgereisten
herausgepickt - Faro, Zingst und Berlin und anhand dieser eigene
Gedanken weiterentwickelt und zwar zu den Themen "Selbstreflexion in der
Lebensmitte", "Konflikte im Miteinander" und "Vitale Impulse des Lebens
wahrnehmen", in den er sich am Leben Bonhoeffers entlang in sein
Eigenes hineinhangelt.

Das Buch - ein eher schmales Bändchen, das
zudem einige Fotos enthält - ist unglaublich dicht, prall gefüllt mit
Wissens- und mehr noch mit Nachdenkenswertem. Schon allein die
Aufmachung ist sehr ansprechend, das Büchlein ist sehr liebevoll
gestaltet - bereits daran erkennt man, wie wichtig das Thema dem Autor
und dem Verlag ist.

Wer Antworten sucht, könnte sich hier an der
falschen Stelle wähnen: es werden sehr, sehr viele Fragen aufgeworfen -
ein zentraler, wenn nicht der wichtigste Punkt bei der Glaubensfindung
und beim Leben mit dem Glauben. Aber erhält man nicht auch gleichzeitig
eigene, individuelle Antworten, wenn man sich ein wenig auf das Thema
einlässt? Ich zumindest habe es so empfunden.

Ein Buch, das den
Leser tragen, ihn aber auch erschlagen bzw. einfach zu sehr dominieren
kann - die Fülle an Informationen, Vorschlägen, Ideen ist schlicht
unglaublich. Ich habe einen Mittelweg gewählt und mir häppchenweise
Bonhoeffer bzw. Schramm gegönnt - und bin, so finde ich, gut damit
gefahren: so schnell werden mich diese Anregungen nicht wieder
loslassen.

Wer sich ein wenig besinnen, über Vergangenes und
Zukünftiges nachdenken, alte Werte wiederfinden und völlig neuen Ideen
begegnen will - selbstverständlich im Geiste von Bonhoeffer - dem kann
ich dieses Buch von Herzen empfehlen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

"What a marvellous night for a moondance"

In der Nacht
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Das singt Van Morrisson, einer meiner All-Time-Favoriten und die Nacht
passt natürlich auch gut in den Titel eines Buches im Noir-Stil: Dennis
Lehane, einer der ganz großen Autoren der stilvollen Spannungsliteratur,
hat ...

Das singt Van Morrisson, einer meiner All-Time-Favoriten und die Nacht
passt natürlich auch gut in den Titel eines Buches im Noir-Stil: Dennis
Lehane, einer der ganz großen Autoren der stilvollen Spannungsliteratur,
hat sein neuestes Werk in das USA der 1920er/1930er Jahre verlegt, in
die Zeit der Prohibition und der großen Wirtschaftskrise. Warum? Nun,
lassen wir den Protagonisten Joe Coughlin, der sich vom kleinen
Handlanger des Syndikats zum Drahtzieher entwickelt, selbst zu Wort
kommen - in einem Dialog mit Dion, seinem Weggefährten über lange Jahre:

"Wir sind süchtig danach." "Wonach? Nach der Nacht - sie ist
unwiderstehlich. Wer sich für den Tag entscheidet, der muss nach ihren
Regeln spielen. Darum haben wir uns für die Nacht entschieden und
spielen nach unseren eigenen. Das Dumme ist nur, wir haben im Grunde
keine Regeln." (S.528)

Ein kleiner Eindruck vom großartigen,
coolen Stil des Romans, der den ein oder anderen Interessierten
vielleicht schon Blut lecken lässt. Mehr erfahren vom Leben für die
Nacht heißt, alles zu erfahren über Joes Leben: hier geht es vor allem
um sein Leben als Gangster, eingebettet in eine aufregende Epoche des
20. jahrhunderts. Wer sich auf das Buch einlässt, der lässt sich auf
jede Menge Spannung, aber auch auf Brutalität ein, denn die Jungs, um
die es hier geht , gehen nicht sanft miteinander um.

Lehane
schreibt - wie bereits angedeutet - einfach toll und sehr, sehr
atmosphärisch.... schwuppdich, ist man direkt im Boston in den 1920er
Jahren, dann wieder im Süden Amerikas bei den Schnapsbrennern und
Zigarrenbaronen, wohin der Leser, will er bei der Stange bleiben, Joe
folgen muss. Aber das wird den meisten Rezipienten nicht schwer fallen,
liest sich das Buch doch ungeheuer packend und fesselnd. Mir persönlich
allerdings fiel es an manchen Stellen dann doch schwer - zu brutal und
erschütternd die Entwicklungen, aber ich war dann doch zu neugierig und
kann nur sagen - es hat sich gelohnt, am Ball zu bleiben.

Die
Atmosphäre, die Präsenz des Zeitgeistes - das sind ganz eindeutig die
Vorzüge dieses Romans. Der Leser spürt auf Schritt und Tritt, wie Joe
sich ändert, spürt dessen sich ändernde Wahrnehmungen schrittweise im
Text. Joe als naiver Jungspund, als Strippenzieher des Syndikats, als
Liebhaber... diese und andere Rollen nimmt man dem Autor Lehane
vorbehaltlos ab: der ganze Erzählstil wechelt extrem von Teil zu Teil .
joe klingt nicht mehr so emotional, so überschäumend, er ist zunächst
ernüchtert und dann selbstbewußt...

Eine bzw. zwei Schwächen gibt
es aus meiner Sicht: die Figuren sind nicht so richtig plastisch
gezeichnet - es passiert mir selten genug beim Lesen, aber hier habe ich
mir immer mal wieder gewünscht, das alles als Film zu sehen, um mir ein
"richtiges" Bild machen zu können. Das Zeichnen eines Charakters mit
wenigen Pinselstrichen ist nicht Lehanes Stärke. Und teilweise waren die
Entwicklungen dann doch ausgesprochen vorhersehbar - zumindest im
Groben wusste man dann doch sehr oft schon im Voraus, wohin die Reise
geht...

Trotzdem ein großer Roman, einer der Botschaften
transportiert und der mit Genuss gelesen werden kann - wie schon
erwähnt, werden Freunde der gehobenen und stilvollen Spannungsliteratur
ihre helle Freude daran haben!

Veröffentlicht am 30.12.2017

"Hat nicht jeder Mensch ein Recht auf seine Geschichte?" (S.48)

Alle Farben der Welt
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So auch Teresa Ohneruh, der Nomen in der Tat Omen ist - wird sie doch ihr Leben lang keine Ruhe finden. Teresa, Tochter einer "Irren", wie man damals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sagte, ...

So auch Teresa Ohneruh, der Nomen in der Tat Omen ist - wird sie doch ihr Leben lang keine Ruhe finden. Teresa, Tochter einer "Irren", wie man damals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sagte, findet ihre Heimat im belgischen Geel, in einem Dorf, in dem "Irre" und "Normale" zusammen leben - lange Zeit, ohne zu wissen, wer gesund, wer hingegen als krank eingestuft ist. Auch Teresa gilt als krank - damit ihre Pflegefamilie eine gewisse "Summe" im Monat abgreifen kann. Und sie kann ganz besondere Dinge sehen...

Eines Tages kommt der junge Vincent van Gogh ins Dorf und will man es dieser von Teresa selbst - in Form eines Briefes an ebendiesen Herrn Jahre später - erzählten Geschichte glauben, ist sie nicht ganz unschuldig daran, dass er zur Malerei findet. Zu der Zeit jedenfalls ist er nicht mehr als ein mittelloser Wandersmann

Alle Farben dieser Welt vereint er - wenn auch auf teilweise befremdliche Art - auf seinen Bildern, nach allen Farben sehnt sich auch Teresa, so wie sich auch nach der Zugehörigkeit zu einem Menschen sehnt - zunächst zu ihrem Kindheitsfreund Icarus, dann zu Vincent. Doch Teresa ist anders - das sehen die anderen und auch sie selbst sieht es, wenn auch nicht vollumfänglich....

Die ganze Tragik um Teresas Schicksal offenbart sich erst zehn Jahre später, als sie Vincent wiedertrifft - in einer "Klinik im Süden Frankreichs"...
Ihr bleiben, die Erinnerungen, die schonungslos und "haarklein alles erzählen, was nicht aus ihr geworden ist". (S.51)

Eine wunderschöne Sprache, ein wunderschönes, edles, liebevoll gestaltetes Büchlein - das kann doch nicht alles sein? Nun, für mich war es das leider, blieb doch eine merkwürdige Leere ... und alle Fragen offen, um es mit Brecht zu sagen. Leider nicht auf anregende, sondern für mich recht verwirrende und ein wenig frustrierende Art und Weise...