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Veröffentlicht am 30.12.2017

Ein neues Ermittlerduo aus Dänemark

Die guten Frauen von Christianssund
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... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, ...

... genauer gesagt aus Christianssund, einer Kleinstadt unweit von Kopenhagen, führt die Autorin Anna Grue ein: nämlich den Kommissar Flemming Torp und seinen Jugendfreund, Werbefachmann Dan Sommerdahl, der sich als eine Art männliche und jüngere Miss Marple in die offiziellen Ermittlungen einschaltet und mehr noch - sehr eigenmächtig auf eigene Faust zu ermitteln beginnt.

Dan gerät eher zufällig ins Geschehen: Er ist aufgrund eines Burnouts für längere Zeit krankgeschrieben, als sein Freund Flemming von einem gemeinsamen Essen zum Tatort gerufen wird - und das ist ausgerechnet Dans Arbeitsplatz - um direkt alle informationen aus erster Hand zu bekommen, nimmt er Dan, der als einziger Mitarbeiter aufgrund des Treffens mit Flemming nicht tatverdächtig ist, mit vor Ort - und wird ihn so schnell nicht mehr los. Opfer ist eine Putzfrau, die Estin Lilliana, die, wie sich rasch herausstellt, inoffiziell in Dänemark weilte und schwarz arbeitete. Allmählich tut sich hinter diesem einen Fall, der weitere Geschehenisse nach sich zieht, ein ganzes Netzwerk auf - sind es möglicherweise "gute Frauen aus Christianssund", die dahinterstecken? Und wenn ja; wer sind sie, was ist ihre Motivation, was ihre Zielsetzungß

Das Privat- und Berufleben der beiden Herren Dan und Flemming - etwa Mitte 40 - wird ausgiebig beleuchtet, Beziehung zu den Mitmenschen im engeren und weiteren Umfeld werden durchaus auch mal im Detail dargestellt. Ebenso werden weitere relevante Figuren eingeführt, was die Erzählung von Zeit zu Zeit ein wenig langatmig, wenn nicht gar schwerfällig werden lässt. Insgesamt aber ein zeitweise durchaus spannender, gut geschriebener und origineller Krimi im Stil eines klassischen Whodunnit. Das Buch beinhaltet einen Leseeindruck zum nächsten Teil der Reihe - und für mich steht jetzt schon fest, dass ich die Geschicke von Flemming und Dan weiterverfolgen werde!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Einen Verlust der schlimmsten Art

Das Verstummen der Krähe
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haben Kristina Mahlo und ihre Eltern zu ertragen: Kristinas Bruder Ben - jung, hochbegabt, risikofreudig und homosexuell - ist vor sechs Jahren verschwunden. Ein Umstand, an dem die Familie nahezu zerbrochen ...

haben Kristina Mahlo und ihre Eltern zu ertragen: Kristinas Bruder Ben - jung, hochbegabt, risikofreudig und homosexuell - ist vor sechs Jahren verschwunden. Ein Umstand, an dem die Familie nahezu zerbrochen ist und der jeden weiteren Schritt in ihrer aller Leben beeinflusst hat - so ist aus Kristina eine Nachlassverwalterin geworden, die die Interessen der Toten vertritt.

Ihr neuester Auftrag ist besonders kniffelig: Theresa Lenhardt überträgt Kristina testamentarisch die Verteilung ihres beträchtlichen Erbes - allerdings unter der Bedingung, dass sie zunächst einen Mord, für den Theresas Mann Fritz büßen musste - ein Schicksal, an dem er zugrunde ging, aufklärt. Rasch taucht im Verlauf von Kristinas Recherchen Bens Name auf und sie steckt mittendrin.

Nicht nur Kristina, sondern ihr gesamtes Umfeld, ihre MItarbeiterin, ihr Partner, Freunde, die Eltern werden in das Geschehen einbezogen und die Handlung gestaltet sich entsprechend lebhaft.

Kraftvoll und einprägsam beschreibt die Autorin Sabine Kornbichler Kristina und ihre Umgebung: es entsteht ein ausgesprochen atmosphärisch gezeichnetes Bild aller Schauplätze, der Leser kann sich bildhaft vorstellen mittendrin zu sein. Das einzige Manko ist aus meiner Sicht, dass einige der Abläufe, einige der Figuren zu widersprüchlich gezeichnet sind, um wirklich zu überzeugen.

Insgesamt aber ein ungewöhnlicher, wortstarker Krimi, der aus der Masse hervorsticht und im Gedächtnis bleibt: Sabine Kornbichler kann es wahrhaft mit den großen skandinavischen, englischen und amerikanischen Kolleginnen, bspw. mit Viveca Sten, Camilla Läckberg, aber auch mit Elizabeth George aufnehmen. Ihre Protagonistin, die Nachlassverwalterin Kristina Mahlo ist ein interessanter Charakter, der nachhaltig in Erinnerung bleibt. Ich wünsche der Autorin von Herzen, dass diese Reihe - denn es werden weitere Fälle mit Nachlassverwalterin Kristina Mahlo folgen - übersetzt wird und Lesern in anderen Ländern so viel Freude macht wie uns die angelsächsischen und skandinavischen Krimis!

Veröffentlicht am 30.12.2017

"Gefährlich ist's den Leu zu wecken

Liebe und andere Parasiten
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..Verderblich ist des Tigers Zahn - Jedoch der schrecklichste der Schrecken - Das ist der Mensch in seinem Wahn".

Auch wenn der Autor James Meek dem angelsächsischen Literaturbetrieb zuzurechnen ist und ...

..Verderblich ist des Tigers Zahn - Jedoch der schrecklichste der Schrecken - Das ist der Mensch in seinem Wahn".

Auch wenn der Autor James Meek dem angelsächsischen Literaturbetrieb zuzurechnen ist und "seinen" Schiller möglicherweise nicht so verinnerlicht hat wie viele der deutschen Kollegen, die auf gleichem - nämlich ausgesprochen hohen - Niveau schreiben, müsste ihm das Zitat aus der "Glocke" aus der Seele sprechen. Den Menschen in seinem Wahn - ja, den lernt der Leser dieses Romans in den verschiedensten Facetten kennen - und wahrlich nicht nur ein einzelnes Exemplar.

Eigentlich ist es eine Familien- und Liebesgeschichte, die Meek hier schreibt: die Geschwister Ritchie und Bec, die als Rockstar bzw. Wissenschaftlerin vollkommen unterschiedliche Wege beschritten haben. Ihre Vergangenheit, ihr Ursprung jedoch ist derselbe und fußt im Wesentlichen auf dem frühen Verlust des Vaters, eines Soldaten im irisch-englischen Krieg, der für seine Gesinnung gefoltert wurde. Ehrgefühl und weitere ethische Wertvorstellungen kommen hier vordergründig zum Tragen - und werden von Grund auf in Frage gestellt. Ritchie und Bec gehen beide Beziehungen ein, die unterschiedlicher nicht sein können - der Leser wird hier bei der Einführung mit den unterschiedlichen Figuren - es sind so einige und alle sind mit wenigen Zügen meisterhaft charakterisiert - mit den unterschiedlichsten Treibern konfrontiert, es sind die unterschiedlichsten Werte, Interessen, Mächte, die die Figuren am Leben erhalten. Kämpfen am Ende alle nur für sich, nur um selbst zu überleben? Verrat, Eigennutz, Mißgunst - sind das tatsächlich die tragenden Säulen der Gesellschaft?

Im Verlauf der Lektüre wird der Leser mit so einigen Parasiten konfrontiert, aber rasch - und hier folgt der Autor gewissermaßen Schiller - ist zu erkennen, dass der Mensch selbst der schlimmste, der gefährlichste aller Parasiten ist. Ein kraftvoller, ein schillernder Roman, der Denkanstöße für die wahrlich großen Fragen des Lebens, nein, des Seins gibt - die durchaus ihrerseits Gefahren beinhalten können - vor allem für Rezipienten, die Veränderungen und neue Wege scheuen.

Gewisse Parallelen konnte ich zu einem anderen großen Roman des Jahres 2013 (zumindest, was die deutschsprachige Übersetzung angeht) entdecken, nämlich zu "Bonita Avenue" des niederländischen Autors Peter Buwalda. Leser, die dieses Buch genossen, sind hier mit Sicherheit gut aufgehoben. Auch sonst empfehle ich die Lektüre vorbehaltlos all jenen, die keine Scheu vor der Konfrontation mit sich selbst, mit alten Ängsten und früheren Bedrohungen haben - und natürlich jenen, die gut geschriebene Literatur mit einer Menge echt britischen Humors zu genießen wissen!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Dramatische Erlebnisse im Italien der 1940er Jahre

Das Haus unter den Zypressen
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- also während und nach dem 2. Weltkrieg werden in diesem handlungsreichen und bewegenden Roman geschildert. Die Autorin Katja Maybach hat sich einer mehr als komplexen Herausforderung gestellt, ist doch ...

- also während und nach dem 2. Weltkrieg werden in diesem handlungsreichen und bewegenden Roman geschildert. Die Autorin Katja Maybach hat sich einer mehr als komplexen Herausforderung gestellt, ist doch die Geschichte Italiens während und nach dem zweiten Weltkrieg eine der wechselhaftesten, schicksalsschwersten und erlebnisreichsten in Europa überhaupt - und jeder, der sich zumindestens ein winziges bisschen damit befasst hat, weiß: das will was heißen!

Erzählt wird die Geschichte Giulianas, einer sehr jungen Frau, fast noch eines Mädchens, die nach dem Tode ihres geliebten Großvaters, bei dem sie seit dem Tod ihrer Eltern vor vielen Jahren lebte, zur ihr bis dahin unbekannten Großmutter - die vor Jahr und Tag mit einem sehr viel jüngeren Mann "abgehauen" war - in die Toskana fährt und dort in den Strudel des 2. Weltkriegs gerät. Langsam nur und zögernd wird ihre überaus vielschichtige Familiengeschichte aufgerollt. Und dann eröffnet sich ihr ein neues Kapitel: ihre eigene Liebesgeschichte, die - wie könnte es anders sein - ungemein kompliziert ist.

Die Einbettung dieser saftigen Schmonzette - im besten Sinne, versteht sich - in die Irrungen und Wirrungen der Geschichte Italiens der 1940er Jahre meistert die versierte Autorin mit Bravour. Gewohnt atmosphärisch kommt auch ihr neuester Roman - den sie in einer Zeit größten emotionalen Aufruhrs geschrieben hat - daher. Der Leser - bzw. vielmehr die Leserin, denn mit Sicherheit wird dieser Roman eher die weibliche Leserschaft "verführen" - radelt quasi mit Giuliana durch die Toskana, versteckt sich mit ihr vor dem Feind und durchlebt Tage und Nächte des Grauens, schmeckt aber andererseits auch die von ihrer Großmutter und von anderen Dorfbewohnern zubereiteten Delikatessen quasi auf der Zunge. Ein ganz kleines Manko sind die teilweise doch ein kleines bisschen an den Haaren herbeigezogenen Entwicklungen.

Kurzum: dieses Buch macht trotz der schwierigen und gefährlichen Epoche, in der es angesiedelt ist, Lust auf das Leben, Lust auf Genuss und nicht zuletzt Lust auf Italien. Und natürlich Lust auf weitere Roman von Katja Maybach, soweit man die noch nicht alle verschlungen hat. Wärmstens zu empfehlen für jeden, der gerne einen gelungenen, in die Zeit des 2. Weltkriegs eingebetteten Roman liest und es liebt, sich von der Geschichte packen zu lassen, darin zu schwelgen - auch für die männliche Leserschaft!

Veröffentlicht am 30.12.2017

Eine Wissenschaftlerin im Familienmodus

Schlaflos
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... das ist die Historikerin Anna, die seit Jahren recht erfolgreich versucht hat, Forschung und Familie - sie und ihr Mann Giles haben zwei noch recht kleine Söhne - zu verbinden. Nun ist sie Giles auf ...

... das ist die Historikerin Anna, die seit Jahren recht erfolgreich versucht hat, Forschung und Familie - sie und ihr Mann Giles haben zwei noch recht kleine Söhne - zu verbinden. Nun ist sie Giles auf eine einsame schottische Insel gefolgt, die im Besitz seiner Familie ist - richtig, Giles ist im Gegensatz zu Anna selbst einer dieser High-Class-Engländer und seine Familie mit der Wahl seiner Ehefrau alles andere als glücklich - auf der er eine naturwissenschaftliche Studie über Vögel betreibt. Anna hütet die Kinder, kommt kaum an ihre Arbeit - sie versucht, eine Studie über Kindheit im 18. Jahrhundert zu schreiben - und fühlt sich zurückgesetzt. Ihr größter Wunsch - einmal unbegrenzt ausschlafen zu können, doch nicht einmal der wird ihr gewährt.

Selbst als Anna und Giles bei Gartenarbeiten Kinderknochen finden und sich herausstellt, das - das vor sehr langer Zeit verstorbene Kind - laut DNA-Analyse mit Giles verwandt ist, nimmt die Geschichte nur wenig Fahrt auf.

Sarah Moss, selbst Historikerin und Mutter, lässt Anna ihren Alltag selbstkritisch und ironisch reflektieren. Ein kluges Buch? Auf jeden Fall! Ein unterhaltsames Buch? Nur zum Teil - wenn bloß die enormen Längen zwischendrin nicht wären! Ich zumindest habe mich enorm schwer getan, am Ball zu bleiben - und das, obwohl ich selbst Historikerin bin und mich solche Zusammenhänge eigentlich brennend interessieren!

Feriengäste im Sommerhaus erweitern den Fokus sowohl für Anna als auch für Giles, Anna erfährt teilweise Kompromittierendes über die Familie ihres Mannes, aber auch Interessantes über die Geschichte der Insel - und beginnt sich verstärkt damit zu beschäftigen. In einer Art parallelem Erzählstrang werden Briefe einer jungen Krankenschwester, die im 19. Jahrhundert auf der Insel weilte, eingeblendet, die Einblick in die Historie geben.

Wie gesagt: intelligent war das Buch, packend eher weniger, zumindest aus meiner Perspektive: "Schlaflos" wirkte auf mich zeitweise eher einschläfernd.