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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.03.2023

Die Hippies des 19. Jahrhunderts

Mary & Claire
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Als solche erscheinen mir Mary Shelley, ihr Mann Percy und ihre Stiefschwester Claire Clairemont. Vor allem Mary ist sehr frei erzogen worden und ist bereit für ein offenes Leben. Womit sie nicht gerechnet ...

Als solche erscheinen mir Mary Shelley, ihr Mann Percy und ihre Stiefschwester Claire Clairemont. Vor allem Mary ist sehr frei erzogen worden und ist bereit für ein offenes Leben. Womit sie nicht gerechnet hat, ist dass Percy und Claire zusätzlich die sexuelle Befriedigung aneinander suchen und zwar dauerhaft.

Zu dritt begegnen sie einem eitlen Pfau und Gecken, nämlich Lord Byron, einem Genie, in dem der Wahnsinn wohnt. Er wird zu Claires Objekt der Begierde, sie stalkt ihn richtiggehend. Er hingegen bedient sich an ihr, nimmt sie bei Bedarf, wie gewissermaßen auch Percy, der ihr jedoch längst nicht so viel bedeutet. Und doch eher Familie für sie ist - zusammen mit Mary, auch wenn sie eher zerstörend auf diese wirkt.

Doch eine Nacht zu viert am Genfer See wird zum Schicksal für die, die wirklich schreiben wollen - nämlich Mary und Lord Byron. In der Nacht brütet Mary den Titel ihres Schauerromanes aus, "Frankenstein" nämlich. Geboren wird das Epos erst Jahre später, als sie fast alle anderen bereits verloren hat.

Markus Orths präsentiert dem Leser vier junge Menschen, die ihrer Zeit voraus waren und/oder sich vom Leben nahmen, was sie wollten. Zumindest Mary musste es teuer bezahlen, sie blickte zurück auf einen ganzen Reigen an Toten, der sie immer wieder aufsuchte - jeder Einzelne auf seine Art.

Ein ebenso ungewöhnlicher wie lohnenswerter Roman, der uns mitnimmt auf einen wilden Parcours durch einen Teil des frühen 19. Jahrhunderts. Mary und Claire, Zeitgenossinnen von Annette von Droste-Hülshoff, doch mit ganz anderen Wertvorstellungen - so erscheint es zumindest nach diesem Buch!

Veröffentlicht am 21.03.2023

Marie geht ihren Weg

Die Reporterin - Zwischen den Zeilen
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Der nicht gerade frei von Steinen ist : diese werden Marie Louise Graf zunächst einmal von den sie von Herzen liebenden Eltern in den Weg gelegt. Vor allem der Vater wünscht sich, dass sie seinen Berufswunsch, ...

Der nicht gerade frei von Steinen ist : diese werden Marie Louise Graf zunächst einmal von den sie von Herzen liebenden Eltern in den Weg gelegt. Vor allem der Vater wünscht sich, dass sie seinen Berufswunsch, Apotheker zu werden, realisiert - ihm kam der zweite Weltkrieg und ein abgeschossener Unterschenkel dazwischen. Marie hingegen wollte schon von Kindesbeinen an Journalistin werden - ihr Großonkel bestärkt sie in dieser Zielsetzung. Aber es ist - wie gesagt - ein überaus steiniger Weg, wir schreiben immerhin erst die frühen 1960er Jahre. Nicht nur er glaubt an sie und stärkt ihr den Rücken, nein, auch ihre Freundin Roxy steht hinter ihr und Marie traut sich Dinge, die sie sich selbst nie zugetraut hätte. Und so wird aus Marie die Reporterin Malou Graf.

Ein eindringlicher Roman, bei dem für meinen Geschmack zeitweise die Liebe und andere Unwägsamkeiten etwas zu sehr im Vordergrund standen. Doch wie immer überzeugt Autorin Theresa Simon, selbst promovierte Historikerin, durch punktgenaue Sachkenntnis auch kleinster Details und macht gerade dadurch diesen Roman so spannungsreich, dass ich ihn nicht mehr aus der Hand legen wollte! Ein Roman, mit dem man herrlich in vergangene Zeiten reisen kann!

Veröffentlicht am 20.03.2023

Backe, backe Kuchen

Fatmanurs fabelhafte Backwelt
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Und auch andere Leckereien wie Börek und Zimtschnecken, die allerdings ganz anders daherkommen als das mir bekannte skandinavische Hefegebäck, nämlich als Kekse.

Vorne ist eine Art Einleitung, ...

Und auch andere Leckereien wie Börek und Zimtschnecken, die allerdings ganz anders daherkommen als das mir bekannte skandinavische Hefegebäck, nämlich als Kekse.

Vorne ist eine Art Einleitung, die auch ein paar Rezepte enthält - und zwar Grundlagen zu verschiedenen Teigen und auch Cremes. Letztere haben mich allerdings etwas enttäuscht, sind es doch nur sich geschmacklich unterscheidende Buttercremes. Quark- und Sahnecremes, die ebenfalls in einigen Rezepten vorkommen, finden dort keinen Platz.

Fatmanur Kilic ist gelernte Konditorin, was man auf Schritt und Tritt merkt, denn wenn auch nicht alle Rezepte extrem raffiniert aufgestellt sind, merkt man einem jeden die routinierte Bäckerin an.

Schön ist, dass die Autorin auf die Verwendung von Gelatine verzichtet und Alternativen für die Erstellung von hochwertigen Backwaren mit Obst aufzeigt.

Bekannt wurde sie als Twitter- und Instagram-"Star", was man ihr angenehmerweise überhaupt nicht anmerkt, kommt sie doch eher zurückhaltend daher. Ihr eher schmales Backbuch füllt längst nicht alle Lücken, aber doch so manch eine bei Gelegenheitsbäckerinnen wie mir!

Veröffentlicht am 18.03.2023

She lived on a boat house, down by the river

Die Hausboot-Detektei - Tödlicher Genuss
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Falsch! Hier ist es ein "He", der auf dem Hausboot im Norden von Amsterdam lebt, nämlich Arie, ehemaliger Polizist. Besonders glücklich ist er damit nicht, denn sein jetziger Wohnort ist eng ...

Falsch! Hier ist es ein "He", der auf dem Hausboot im Norden von Amsterdam lebt, nämlich Arie, ehemaliger Polizist. Besonders glücklich ist er damit nicht, denn sein jetziger Wohnort ist eng verknüpft mit der Trennung von seiner Frau und dem Verlust seines Jobs kurz vor einer entscheidenden Beförderung.

Da kommt ihm der zündende Gedanke - warum nicht eine Detektei gründen. Er sammelt ein paar Leutchen um sich, zunächst einmal ähnlich jämmerliche Kreaturen wie er selbst, doch das bleibt nicht so. Die fünf bauen sich mehr und mehr gegenseitig auf und ihr Wissen über Kriminalfälle aus.

Und dann kommt auch schon der erste Fall, eine Art Betriebsspionage nämlich!

Eine super Idee, dieser Plot, doch leider ist die Ausführung aus meiner Sicht noch nicht ganz auf den Punkt gebracht, es wabert alles nämlich ein wenig vor sich hin, gerät auch mal aus dem Fluss (beziehungsweise aus den Grachten - wir befinden uns ja in Amsterdam=

Sicher, Humor ist vorhanden (wenn auch der manchmal etwas treffender sein könnte), aber die Spannung bleibt irgendwie so ziemlich aus.

Ich bin der Ansicht, dies ist ein verheißungsvoller Start, der allerdings durchaus noch ausbaufähig ist. Der nächste Band soll in einigen Monaten erscheinen und ich erwarte mir Großes davon. Gelegenheit zum Training hatte die Autorin Amy Achterop ja schließlich bei der Schaffung dieses ersten Teiles!

Veröffentlicht am 14.03.2023

Ein brandaktuelles Thema

Puls der Arktis
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Ylva Nordahl hat ihr berufliches Ziel erreicht: sie ist Pilotin bei der NATO. Während eines Manöverflugs im Norden Norwegens, ihrer Heimat, gerät ihr Flugzeug aus der Bahn und sie muss gemeinsam mit ihrem ...

Ylva Nordahl hat ihr berufliches Ziel erreicht: sie ist Pilotin bei der NATO. Während eines Manöverflugs im Norden Norwegens, ihrer Heimat, gerät ihr Flugzeug aus der Bahn und sie muss gemeinsam mit ihrem Kollegen notlanden. Allerdings auf der russischen Seite der Grenze, wo das gleich als Angriff aufgebauscht wird: Russland mobilisiert seine Truppen, ein Krieg scheint unausweichlich.

Für Ylva ist klar, dass sie von einem russischen Flugzeug aus der Bahn gebracht wurden - was soll erreicht werden.

Ihr amerikanischer Kollege verletzt sich beim Absprung. Eine Flucht vor den Russen, die ihnen zweifellos bereits auf der Spur sind, scheint unausweichlich. Aber nicht für Ylva: Sie kennt die Gegend noch aus Kindertagen, als sie mit ihrer Mutter eine Zeitlang bei samischen Verwandten lebte. Und sie kann die Zeichen der Natur deuten.

Teilweise gemahnte mich das Werk an die reißerischen Bücher von Heinz Konsalik aus den 1970er Jahren, die ich freilich nie gelesen, dafür jedoch im Detail nacherzählt bekommen habe. Und das mehrfach. Ich würde der norwegischen Autorin Grethe Boe nicht unbedingt eine literarische Begabung bescheinigen. Was das Buch allerdings interessant macht, ist der darin thematisierte bevorstehende militärische Konflikt zwischen der NATO und Russland.

In Norwegen erschien das Buch 2021, also ganz klar vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, als eine mögliche Eskalation bereits befürchtet wurde. Hier geht sie einen interessanten Weg und folgt auch den Kräften der Natur, was interessant hätte sein können. Jedenfalls bei einer eloquenteren Autorin mit mehr Phantasie und weniger Hang zum Reißerischen.