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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2022

Alles neu für und mit Hanna!

Kalt und still
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Wer nicht abwarten kann und einfach erfahren möchte, ob es sich lohnt, Hanna Ahlander, die als absoluter Pechvogel in die mit diesem Band startende Serie eingeführt wird, kennenzulernen, dem ...

Wer nicht abwarten kann und einfach erfahren möchte, ob es sich lohnt, Hanna Ahlander, die als absoluter Pechvogel in die mit diesem Band startende Serie eingeführt wird, kennenzulernen, dem kann ich sagen: Unbedingt!

Denn Hanna selbst ist eine überaus vielschichtige Person, die wesentlich mehr ist, als sie zu sein scheint. Das erkennt man schon im Laufe dieses ihres ersten Falles, aber ich bin sicher, dass auch in den nächsten Bänden noch einige Überraschungen, was ihre Person angeht, auf uns Leser*innen zukommen.

Gleich zu Beginn wird Hanna nämlich von ihrem bisherigen Chef in Stockholm gefeuert und der Grund ist ein unglaublicher: sie nämlich ist drauf und dran, einen Kollegen am Totschlag oder gar Mord an seiner Frau zu überführen, ihr Vorgesetzter möchte dies - man will es ja nicht glauben - vertuschen.

Richtig rausschmeißen kann er sie nicht, aber sie soll bloß nicht wagen, noch mal am Arbeitsplatz aufzutauchen. Und dann wartet der nächste Schlag auf sie: auch zu Hause wird sie rausgeschmissen, ihr Freund hat nämlich eine Neue! Und ihm gehört die Wohnung, so dass sie sich mal schön verdünnisieren soll!

Gut, dass es die große Schwester Lydia gibt, die immer eine Lösung in petto hat. Die führt Hanna nach Are, einen beliebten schwedischen Wintersportort in die Luxusherberge von Lydias Familie.

Und zu einem Vermisstenfall - es geht um die Abiturientin Amanda, 18 Jahre alt, die nach einer Feier nicht nach Hause kommt und nirgendwo aufzufinden ist.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt so fesselnd und mitreißend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und die gut 500 Seiten in zwei Tagen durch hatte. Ich habe mich durch den Fall gefressen, muss ich sagen. Denn nicht nur der Stil der Autorin vermag zu begeistern, nein, mehr noch ist es der Inhalt. Diesmal führt er uns inmitten des größten Luxus zu den Bedürftigsten der schwedischen Gesellschaft.

Auch wenn es sehr gut ausgedacht ist - nein, gerade deswegen hätte es gerade so passieren können! Sten hält geschickt die Balance zwischen Zufällen und wahren Ereignissen bzw. den Entwickungen der letzten Jahre.

Zudem hat die Auflösung mich ganz schön überrascht. So machen Krimis Spaß. Andererseits - wenn alle so toll schreiben würden wie Viveca Sten, dann wüsste man ja gar nicht wie gut man es hat als lesender Mensch! Ein Hoch auf diese wundervolle Autorin, auf dass sie uns bald den nächsten Band zukommen lasse!

Veröffentlicht am 13.10.2022

Therese von Bayern steht ihren Mann

Die Forscherin. Prinzessin Therese und der Ruf des Amazonas
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Verzeihung, in Tagen des Genderns natürlich ihre Frau - zu einer Zeit und in einer Gegend, die sehr erstaunen lässt. Denn in Katharina Innigs auf realen Ereignissen basierenden Roman erfahren wir, dass ...

Verzeihung, in Tagen des Genderns natürlich ihre Frau - zu einer Zeit und in einer Gegend, die sehr erstaunen lässt. Denn in Katharina Innigs auf realen Ereignissen basierenden Roman erfahren wir, dass sie bereits im Jahr 1888 eine Forschungsreise nach Brasilien geleitet hat - mit sich selbst als einziger teilnehmender Forscherin. Möglicherweise würde man sie heute als Biologin bezeichnen, Botanik und Zoologie begeisterten sie gleichermaßen. Doch sie war so viel mehr, konnte sie sich doch in mehr als einem Dutzend Sprachen verständigen und kannte sich auch in Geographie und Literatur bestens aus.

Die Autorin folgt dem kleinen Forschungsteam, das dem, was heute darunter verstanden wird, in keinster Weise ähnelt, sondern nach höfischen Vorstellungen zusammengestellt ist, bis nach Manaus und in die Tiefen des Regenwaldes.

Ebenso kenntnisreich wie warmherzig beschreibt sie Begegnungen, Entdeckungen und Zusammenstöße, verzichtet auch nicht auf humorvolle Einschübe an passender Stelle.

Die Handlung findet auf zwei Ebenen statt - neben der Reise begegnen wir Therese im Jahr 1924, kurz vor ihrem Tod in ihrem Haus am Bodensee, in das sie sich seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs zurückgezogen hatte und von ihrer einstigen Gesellschaftsdame auf der Reise nach Brasilien besucht wird. Schwer erkrankt lässt sie sichl bei der Ordnung ihres Nachlasses helfen und schwelgt mit dem Besuch in gemeinsamen Erinnerungen. Doch auch zur Gegenwart hat sie ihre - natürlich keineswegs konventionelle - eigene Ansicht, mit der sie nicht hinter dem Berg hält.

Kurzum: dies ist ein anspruchsvoller historischer Roman, wie er faszinierender nicht sein könnte, jedenfalls aus meiner Sicht. Sollte die Autorin noch über zeitliche Ressourcen verfügen, empfehle ich ihr, eine Schreibwerkstatt für dieses Genre zu begründen, das noch mehr als ausbaufähig ist.

Veröffentlicht am 11.10.2022

Ein bezauberndes Kinderbuch - nicht nur zu Weihnachten

Leah und der Stern von Betlehem
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Und nicht nur für Kinder, denn auch ich bin von der bildstarken Lektüre seit Tagen wie verzaubert. Ja, hier dient die biblische Weihnachtsgeschichte als Grundlage, bzw. verschiebt sich die Perspektive: ...

Und nicht nur für Kinder, denn auch ich bin von der bildstarken Lektüre seit Tagen wie verzaubert. Ja, hier dient die biblische Weihnachtsgeschichte als Grundlage, bzw. verschiebt sich die Perspektive: erzählt wird aus der Sicht eines Kindes, nämlich aus der von Leah, der Tochter des Herbergswirtes, der Maria und Josef seinen Stall zur Verfügung stellt.

So ist es für Kinder sicher noch besser nachzuvollziehen, beispielsweise wenn Maria zu Leah spricht und sie bittet, das Jesuskind mal kurz zu übernehmen. Wer würde das nicht gerne tun? Ein schönes Buch, das die Familie sicher einige Jahre begleiten wird!

Veröffentlicht am 01.10.2022

Einer wie keiner

Kochen am offenen Herzen
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Denn Max Strohe hat ein entsprechendes Vorbild: Und zwar seinen Vater, den (Klein-)Stadneurotiker - als nicht mehr und nicht weniger verdient dieser bezeichnet zu werden. Und der Autor folgt ...

Denn Max Strohe hat ein entsprechendes Vorbild: Und zwar seinen Vater, den (Klein-)Stadneurotiker - als nicht mehr und nicht weniger verdient dieser bezeichnet zu werden. Und der Autor folgt ihm geradewegs in diese eigenwilligen Fussstapfen. Wenn auch auf seine ganz besondere, individuelle Art.

Beruflich wirft er sich den ein oder anderen Stein selbst in den Weg, was er selbst nicht macht, das erledigen andere für ihn. Was sich dann manchmal bzw. immer öfter auch auf andere Lebensbereiche ausdehnt.

Insbesondere auf Genuss der unterschiedlichsten Art und Weise. Dabei kristallisieren sich schnell zwei zentrale Bereiche heraus: Drogen unterschiedlicher Art ... und Frauen. In dieser Zeit waren sie gewissenmaßen auch eine Droge für Max Strohe.

Ehrlich und schonungslos breitet er seine Geschichte vor seinen Leserinnen und Lesern aus - mir ist er oftmals zu offen. Denn es wird oft ungemütlich, unästhetisch und manchmal sogar ganz abscheulich.

Jedenfalls erfährt man wenig darüber, wie aus ihm der Sternekoch wurde, der er heute ist. Was gewissermaßen auch für ihn spricht, denn er gibt definitiv nicht an oder versucht sich, von seiner besten Seite zu zeigen.

Nein, in diesem Fall spricht es ganz klar gegen mich als Lesende, die nicht bereit ist, sich das alles so reinzuziehen. Habe ich zwar gemacht, aber es war mir über weite Strecken alles andere als ein Vergnügen.

Ich kann es also wirklich nur denen empfehlen, die bereit sind, den Autor bis in die tiefsten Niederungen seines Lebens zu begleiten.

Veröffentlicht am 26.09.2022

Einfach weg

Unsre verschwundenen Herzen
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Ein Roman darüber, wie es zu Ausgrenzung kommen kann.

Nein! Eigentlich ist es ein Roman über Ausgrenzung, wie sie bereits auf der Welt geschehen ist, geschieht und weiter geschehen wird, wenn ...

Ein Roman darüber, wie es zu Ausgrenzung kommen kann.

Nein! Eigentlich ist es ein Roman über Ausgrenzung, wie sie bereits auf der Welt geschehen ist, geschieht und weiter geschehen wird, wenn sich nichts ändert.

Hier zeichnet Autorin Celeste Ng die Vereinigten Staaten von Amerika als Land, in dem vor allem Menschen asiatischer Herkunft ausgegrenzt werden und zwar auf die brutalste denkbare Art und Weise: durch eine vermeintliche "Unterstützung".

Ihnen werden ihre Kinder weggenommen, damit sie in ein besseres, ein leichteres Leben überführt werden können. So wird es ihnen übermittelt. Und es folgt die Aktion, sie folgt unabdinglich, egal, ob die Familien dem zustimmen (was sie natürlich nie tun) oder nicht. Die Kinder sind weg, man weiß nicht, wohin sie gebracht werden.

Gleichzeitig erfolgt eine Entfernung des asiatischen Einflusses aus den verschiedenen Bereichen der Öffentlichkeit - über mehrere Jahre hinweg.

Bei Noah, von seiner Mutter Bird genannt, läuft es anders. Da verlässt die Mutter, asiatischer Abstammung ist, die Familie. Er hat in seinem 12jährigen Leben bereits drei Jahre ohne sie gelebt - bis ihm der Gedanke kommt, seine Mutter zu suchen. Und endlich zu erfahren, warum sein Vater nicht mehr über sie spricht; sie waren doch einst eine glückliche Familie.

Ein heftiger Roman, den die Autorin unter dem Eindruck der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen zu schreiben begann, wie sie in den USA ab Herbst 2016 mit aller Macht einsetzten. Und natürlich auch vorher bereits spürbar waren.

Celeste Ng zeichnet ein fremdes Bild. Und zugleich ein sehr vertrautes - auch mir, die ich seit meiner Geburt als Nichtdeutsche in Deutschland lebe. Ja, seit einigen Jahren ticken die Uhren anders, auch hier. Manches wird gestoppt, aber hält das auf Dauer?

Ein Roman, der aufgrund seiner von mir empfundenen teilweisen Nähe zu bestimmten Aspekten der Realität sehr gruslig war. Aber auch zeigt, dass Zusammenhalt etwas bewirken kann, auch in Zeiten, in denen es gar keine Möglichkeiten zu geben scheint. Was wird es für ein Ende nehmen?

Im Buch bleibt so einiges offen, eine aus meiner Sicht ausgesprochen passende Wahl. Ich empfehle dieses Buch kritischen Menschen, aber auch solchen mit Diskussionsbedarf - ich finde, es eignet sich ganz hervorragend für Lesekreise und Ähnliches.