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Veröffentlicht am 19.02.2022

Kaiserstuhl

Kaiserstuhl
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Wie es sich in einem Roman mit dem Titel "Kaiserstuhl" gehört, stehen Menschen, die beruflich mit Wein, Sekt und auch mit Champagner zu tun haben, im Mittelpunkt: die Freiburger Weinhändlerin Henny Köpfer ...

Wie es sich in einem Roman mit dem Titel "Kaiserstuhl" gehört, stehen Menschen, die beruflich mit Wein, Sekt und auch mit Champagner zu tun haben, im Mittelpunkt: die Freiburger Weinhändlerin Henny Köpfer und der ehemalige elsässische Soldat Paul Duringer aus Strassburg, den es nur kurzfristig in diese Branche führt. Für einen Kriegskameraden, mit dem gemeinsam er auf der französischen Seite kämpfte, soll er eine Flasche besten 1937er Champagner beschaffen, die dieser ihm zum Kriegsende zur Aufbewahrung anvertraute. Damals begegneten sich Henny und er auf einem badischen Weingut auf dem Kaiserstuhl und hätten fast geheiratet. Besonders Paul knabbert immer noch an dieser Geschichte.

Ihnen gemeinsam aus dieser Zeit ist Ziehsohn Kaspar, der auf ebendiesem Gut aufwuchs, ein Findelkind, das den einzigen großen Bombenangriff auf Freiburg überlebte - im Gegensatz zu seiner Mutter. Der soll Paul den Champagner bringen, doch auf einmal ist er weg. Und Kaspar und Paul sind in der Bredouille.

Was tun? Auch andere sind an dieser Flasche interessiert, und zwar solche, die es im Jahr 1962 eigentlich gar nicht mehr geben sollte, zumindest nicht frei herumlaufend: zu nahe waren sie dran an den Großen des Nationalsozialismus, vor allem an Göring.

Der erste von Brigitte Glasers historischen Romanen, in dem die großen Politiker selbst keine Rolle spielen. Denn der Schampus wird für eine ganz besondere Zusammenkunft zwischen de Gaulle und Adenauer benötigt, doch die beiden Herren halten sich raus aus dem Roman, über sie wird nur gesprochen.

Gefällt mir ganz gut, erhalten die eigentlichen Protagonisten dadurch doch einen größeren Raum in der Handlung. Und Historisches ist auch hier zur Genüge dabei - die Autorin hat einmal mehr akribisch recherchiert und ihre "Fundstücke" in eine spannende Geschichte eingearbeitet.

Ein historischer Roman nicht ganz ohne Anspruch, der vor allem die Leser ansprechen wird, die sich für den Zweiten Weltkrieg und das Leben danach interessieren.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Kraus gegen Rilke

Janowitz
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Es geht um die schöne Sidonie, Herrin auf Schloss Janowitz. Im Sommer 1914 treffen sich dort Karl Kraus und Rainer Maria Rilke, beide nicht zum ersten Mal dort.

Beiden geht es um die Gunst der Dame, wenn ...

Es geht um die schöne Sidonie, Herrin auf Schloss Janowitz. Im Sommer 1914 treffen sich dort Karl Kraus und Rainer Maria Rilke, beide nicht zum ersten Mal dort.

Beiden geht es um die Gunst der Dame, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Und beiden gewährt sie sie gewissermaßen, wenn auch auf völlig unterschiedliche Art und Weise.

Eine Art Showdown und zwar ausgerechnet in Mittelböhmen, das vom in Kürze ausbrechenden Großen Krieg alles andere als unberührt bleiben wird. Die Zeichen des Untergangs deuten sich schon an, da wirbt Kraus unverdrossen um Sidonie, die er gern ehelichen würde. Rilke will bewundert werden und erwartet ein anderes Zeichen der Gunst - nämlich schnöden Mammon. Und bekommt ihn auch, solange es noch welchen gibt.

Der Autor Rolf Schneider zeichnet eine Welt im Untergang und er zeichnet sie eindringlich. Ab und zu bleibt für mich der ein oder andere relevante Aspekt auf der Strecke, doch sowohl die Atmosphäre der herrschatlichen Gesellschaft vor dem Abgrund als auch deren Absurdität ist messerscharf getroffen. Ein unterhaltsamer Lesespaß auf sehr hohem Niveau für Histo-Fans.

Veröffentlicht am 12.02.2022

Molly Gray - ein Zimmermädchen der besonderen Art

The Maid
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Molly Gray ist sehr fleißig, sehr lieb, hört(e) immer auf ihre Gran, was leider seit einiger Zeit aufgrund von deren Hinscheiden nicht mehr möglich ist. Aber da sie ihr immer gut zugehört hat, ...

Molly Gray ist sehr fleißig, sehr lieb, hört(e) immer auf ihre Gran, was leider seit einiger Zeit aufgrund von deren Hinscheiden nicht mehr möglich ist. Aber da sie ihr immer gut zugehört hat, weiß sie, was sich gehört. Allerdings ist sie ein bisschen naiv - na gut, ich übertreibe ein wenig. Sie ist SEHR naiv.

Doch sie hat das Herz auf dem richtigen Fleck und liebt ihren Job als Zimmermädchen im Regency Grand Hotel, London! Sogar noch, als sie eine Leiche in einem der von ihr gereinigten Zimmer entdeckt!

Durch ihre exponierte Rolle in der Angelegenheit ist sie auch während der Ermittlungen mitten drin - beziehungsweise sorgt sie dafür, dass sie es ist. Und erfährt - teilweise auf recht rabiate Art - wer für und wer gegen sie ist. Doch was noch viel wichtiger ist - sie selbst spürt auch, wer und was in ihrem Leben wirklich wichtig ist und was zählt.

Ein amüsanter und rührender britischer Cosy Krimi der besonderen Art, den ich mit Genuss gelesen habe! Die meiste Zeit mit einer Tasse Earl Grey und ein paar Ingwerkeksen an meiner Seite!

Veröffentlicht am 10.02.2022

Nicht unterBUTTERn lassen!

Butter
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Tokio in den 2010er Jahren: Eine Journalistin, Rika, interviewt eine Serienmörderin, Manako Kaijii, die ihre deutlich älteren Geliebten auf dem Gewissen haben soll. Bei den Gefängnisbesuchen ...

Tokio in den 2010er Jahren: Eine Journalistin, Rika, interviewt eine Serienmörderin, Manako Kaijii, die ihre deutlich älteren Geliebten auf dem Gewissen haben soll. Bei den Gefängnisbesuchen spricht diese wieder und wieder von Speisen, von Mahlzeiten, vor allem aber vom Essen und vom Genuss. Und von Butter.

Mehr und mehr erliegt Rika der Faszination dieser Schilderungen, sie beginnt, die Genusserlebnisse nachzuahmen. Nicht nur das Essen selbst, sondern auch das drumherum.

Es kommt so weit, dass Rika in die Heimat Manokos fährt, um dort zu recherchieren, vor allem, um deren Familie und die Bekannten aus Jugendzeiten kennenzulernen. Mit dabei: Reiko, ihre beste Freundin, die sich ihr quasi aufgedrängt hat - auch sie ist von Manokos Geschichte, über die sie von Rika erfahren hat, gefangen.

Diese Treffen zeigen Manoko von einer ganz anderen Seite, was für Rika gewissermaßen etwas Heilendes hat - ihre Faszination nimmt ab, sie beginnt, eine vielschichtigere Sicht auf Manoko zu entwickeln und sie mehr und mehr aus der Distanz zu betrachten. Nicht so Reiki, die nach dieser gemeinsamen Reise verschwindet und sich bei niemandem meldet, nicht einmal bei ihrem Mann.

Rika ist die Einzige, die von ihren letzten Aktivitäten wusste; sie muss sich daran machen, diese aufzuspüren.

Ein äußerst facettenreicher Roman, in den ich erst nach und nach hineinfand, was einerseits durch den Stil, andererseits jedoch auch durch die Handlung bedingt war. Beim Stil hatte ich Blogs vor Augen, was in Manokos Hinsicht auch durchaus passte. Ich hatte das Gefühl, an der Oberfläche zu schwimmen, nur Lifestyle vermittelt zu bekommen, keine tieferen Hintergründe.

Doch was ich zunächst - überspitzt formuliert - als seichtes Gewäsch empfand, erwies sich als raffinierte Konstruktion. Der Leser dringt gemeinsam mit Rika in die Tiefen nicht nur der bisherigen Handlungsinhalte, sondern des Lebens schlechthin vor und wächst mit ihr. Ein besonderes Werk, das ich meist mit Interesse, zum Ende hin mit Begeisterung, aber stellenweise auch mit Abscheu las.

Die japanische Autorin setzt ihre Protagonistinnen, aber auch sich selbst als Schreibende, wirklich den absurdesten Situationen aus, was mit Sicherheit eine Menge Mut erfordert.

Eine Demaskierung von Oberflächen findet im Verlauf der Handlung statt, was auch vom Leser eine Menge erfordert. Kondenzentration, Flexibilität, Einfühlungsvermögen, aber auch Abstand in den entsprechenden Situationen.

Also: wenn man dazu bereit ist, empfehle ich dieses Buch. Während der Lektüre sollte man aber immer wachsam bleiben, sonst wird man gnadenlos an der Nase herumgeführt!


Veröffentlicht am 07.02.2022

Ein Loser nach der Wende

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Ein Loser: das war Michael Hartung, nachfolgend wie im Roman als Hartung bezeichnet, eigentlich schon immer, auch seine Mitmenschen und vielleicht auch er selbst das Wort nicht verwendet hätten: ...

Ein Loser: das war Michael Hartung, nachfolgend wie im Roman als Hartung bezeichnet, eigentlich schon immer, auch seine Mitmenschen und vielleicht auch er selbst das Wort nicht verwendet hätten: er hat dies und das gelernt, dies und das gearbeitet, und jetzt im 30. Nachwendejahr ist er der Chef und der einzige Mitarbeiter eines schäbigen Videoverleihs, dessen Tage gezählt sind.

Von Frau (und Tochter) längst verlassen, vegetiert er mehr vor sich hin, als das er bewusst leben würde.

Dann, irgendwann im Sommer 2019, kommt ein Journalist zu ihm und will was über eine Aktion wissen, die in den 1980ern stattfand - damals arbeitete Hartung bei der Reichsbahn und soll in bedingungsloser Selbstopferung eine S-Bahn in die BRD und damit über hundert Menschen in die Freiheit geschickt haben. Der Reporter bringt einen ausführlichen Artikel darüber und Hartung eine Menge Geld.

Plötzlich erinnern sich alle an ihn, sogar seine mittlerweile erwachsene Tochter ist endlich mal stolz auf ihren Dad.

Eine amüsante Geschichte, die ich leider als ein wenig gezwungen, konstruiert und streckenweise auch als langweilig empfand.