Ein alternder Besen
Annie DunneDas ist Annie Dunne - sie ist nicht sanft und liebenswürdig, allenfalls gelegentlich mal den Kindern ihres Neffen - den Enkeln ihrer verstorbenen Schwester Maud gegenüber. Deren Mann sie rausgeworfen hat, ...
Das ist Annie Dunne - sie ist nicht sanft und liebenswürdig, allenfalls gelegentlich mal den Kindern ihres Neffen - den Enkeln ihrer verstorbenen Schwester Maud gegenüber. Deren Mann sie rausgeworfen hat, nachdem er eine neue Frau gefunden hatte. Und Annie musste dann hausieren gehen, um irgendwo bei Verwandten unterzukommen. Sie hatte Glück, wurde von einer warmherzigen Cousine freudig aufgenommen und lebt und arbeitet seitdem mit auf deren kleinem Hof.
Obwohl Annie auch diese Unterkunft in Frage gestellt sieht, hat ihre Wirtin doch tatsächlich einen Heiratsantrag bekommen - mit über sechzig! Annie sieht ihre Felle davonschwimmen.
Wir schreiben das Jahr 1959 in Irland, wo eine alleinstehende Frau ohne Erbe nichts wert ist. Sie kann nicht selbst für sich aufkommen, wird herumgeschubst zwischen der Verwandtschaft. Und wenn sie meint, sie hat es mal gut getroffen, dann folgt der nächste Schlag.
Doch zunächst genießt Annie noch den Sommer mit den Kindern des Neffen - vier und sechs Jahre alt. Entzückende Kinder, die Annie doch immer wieder erstaunen und auch schockieren.
Obwohl Annie abhängig ist von anderen, ist sie durchaus fähig, auszuteilen. Und sie traut sich was. Was ihr nicht immer gut tut - aber den anderen auch nicht unbedingt!
Sebastian Barry hat mit diesem Roman ein eindringliches Frauenportrait einer noch nicht lange vergangenen, dennoch finstereren Zeit geschaffen. Wenn man Annies Gedanken und Empfindungen so liest, kann man sich kaum vorstellen, dass diese von einem Mann zu einer anderen Zeit wiedergegeben werden. Ein ungewöhnliches und besonderes Buch, das dennoch nicht jedem gefallen wird. Ich musste beispielsweise erst den richtigen Zeitpunkt abwarten, um mich ihm gebührend widmen zu können.