Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.04.2024

Einmal um die ganze Welt

Der Wind kennt meinen Namen
0

Oder jedenfalls fast - mit Isabel Allende kommt man diesmal ganz schön herum. Sowohl geographisch als auch historisch gesehen. Nach einem wirklich sehr heftigen, dabei durchaus authentischen ...

Oder jedenfalls fast - mit Isabel Allende kommt man diesmal ganz schön herum. Sowohl geographisch als auch historisch gesehen. Nach einem wirklich sehr heftigen, dabei durchaus authentischen Start in Wien 1938 begleiten wir das jüdische Kind Samuel Adler nach England, wo es zunächst ohne Liebe, dann aber mit Eltern im Geiste und Musik als lebenslangem Elixir aufwächst. In den Staaten lernen wir zunächst Leticia kennen, dann auch den smarten Frank, seines Zeichens werdender Staranwalt, der sich mehr und mehr für die überhaupt nicht trendige Sozialarbeiterin erwärmt.

Es kommen auch noch weitere Akteurinnen ins Spiel, vor allem die kleine sehbehinderte Anita, die mit ihrer Mutter aus El Salvador in eine bessere Zukunft aufbricht und dort schließlich im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein zurecht kommen muss. Und dann - wir schreiben inzwischen 2020 - bricht auch noch die Pandemie aus.

Ich muss sagen, ich finde nicht alle Werke der Autorin gut - "Das Geisterhaus" hat mir damals, in den ganz frühen Jahren meines Erwachsenenlebens ganz neue Dimensionen der Literatur aufgezeigt und "Porträt in Sepia" gehört zu dem Besten, was ich je gelesen habe.

Damit kann es dieses Werk nicht aufnehmen, dennoch hat es mich zutiefst beeindruckt - Frau Allende schreibt sich mit großem Respekt und noch mehr Achtung durch die verschiedenen Erdteile und es gelingt ihr vor allem, tatsächlich alle Fäden aufs Wirkungsvollste zusammen zu ziehen. Auch die Figuren - vor allem die männlichen, also Samuel und Frank und dann auch die kleine Anita, die sich in selbst geschaffene Welten rettet, sind stark und eindringlich gestaltet.

Ein Alterwerk der besten Art. Eines, das unterhaltsam und eindringlich zugleich ist.

Veröffentlicht am 17.03.2024

Issa kehrt zurück

Issa
0

Nämlich nach Kamerun, dem Land ihrer Ahnen. Und zwar in einem sehr besonderen Moment - sie ist zum ersten Mal schwanger und das Kind soll durch die dortigen Rituale eine sichere Ankunft auf der Erde und ...

Nämlich nach Kamerun, dem Land ihrer Ahnen. Und zwar in einem sehr besonderen Moment - sie ist zum ersten Mal schwanger und das Kind soll durch die dortigen Rituale eine sichere Ankunft auf der Erde und einen guten Start ins Leben haben.

Issa war seit Ewigkeiten, seit zehn Jahren, nicht mehr dort bei ihren Omas, wo sie doch einige Jahre gelebt hat. Zunächst kommt ihr das alles sehr fremd vor, sie kann sich kaum identifizieren, sehnt sich nach Deutschland zurück.

Doch mehr und mehr fühlt sie sich im Land angekommen, distanziert sich emotional von Deutschland, auch vom Vater des Kindes.

In einer Parallelhandlung, die für mich das eigentliche Highlight des Romans ist, geht es um die Geschichte der Frauen in Issas Familie, genauer gesagt um ihre Ahninnen, die es vom Anfang des 20. Jahrhunderts an bis in die Gegenwart nicht gerade leicht hatten. Im Kolonialstaat Kamerun, der unter anderem auch mal zu Deutschland gehörte, hatten Frauen nichts zu lachen. Aber, um ehrlich zu sein, auch unter der eigenen Regierung nicht. Aber dennoch sind die Frauen in Issas Familie stark und haben ihren eigenen Willen.

Auch wenn für meinen Geschmack zeitweise viel zu viele Lücken in der Handlung sind, ist dies ein eindringlicher, sehr besonderer Roman, der den Blick des Lesers auf die Themen Kamerun, Frauen, Migration ordentlich weitet.

Etwas für Leser:innen, die danach gieren, mal über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Veröffentlicht am 02.03.2024

Geschichte einer Frau, deren Träume ungelebt blieben

Annas Lied
0

Denn Hannah Koppelmann, die Protagonistin dieses Romans, wächst in Kopenhagen in einer Familie von Ostjuden auf, die in die USA auswandern wollte, es aber nur bis Dänemark schaffte. Auf die jüdischen ...

Denn Hannah Koppelmann, die Protagonistin dieses Romans, wächst in Kopenhagen in einer Familie von Ostjuden auf, die in die USA auswandern wollte, es aber nur bis Dänemark schaffte. Auf die jüdischen Traditionen und Bräuche wird größter Wert gelegt, nach dem Willen der Mutter - der Vater verdient mit seiner Schneiderei den Familienunterhalt und hat sonst nicht viel zu melden - sollen alle Kinder diese durch eine arrangierte Heirat in gleichen Kreisen weitertragen. Und - mit einer Ausnahme - Musiker werden, auch Hannah ist seit ihrer Kindheit eine begnadete Pianistin.

Nachdem alle vier Söhne hinsichtlich der Heirat enttäuscht haben und dänische Frauen ehelichten, liegt die Hoffnung der Mutter auf Hannah. Gerade sie, die sich schon früh in einen dänischen Sozialisten verliebt hat, die diese Gefühle aus ganzem Herzen erwidert.

Durch tragische Ereignisse wie Krieg, Vertreibung und erschwerten Wiederaufbau des Familienlebens danach sieht Hannah keine andere Möglichkeit, als den Vorgaben der Mutter zu folgen und in eine von den Eltern arrangierte Ehe einzuwilligen, durch die es sie nach Paris verschlägt.

Ein sehr emotionaler Roman, den der Autor, Jazzmusiker Benjamin Koppel, angelehnt an die Lebensgeschichte seiner Tante Anna Koppel verfasste - das Lied ihres Lebens, Annas Lied also. Koppel nähert sich seiner Familiengeschichte mit großer Achtung und Würde - es gibt für alles einen Grund, so sein Tenor, auch wenn dieser oft sehr subjektiv ist.

Ich empfinde diesen Roman als ausgesprochen lesenswert. Wenn jemand auf die Idee kommen würde, die Geschichte meines Lebens ohne Beschönigungen und Illusionen aufzuschreiben - dann wünschte ich, er würde dies mit ebenso viel Toleranz, aber auch Demut tun, wie es Benjamin Koppel für seine Großtante Anna getan hat!

Veröffentlicht am 12.02.2024

Es lässt sich nicht alles im Leben planen

Hallo, du Schöne
0

Auch wenn Julia Padavano - und unter ihrer Regie auch die drei jüngeren Schwestern - genau wissen, wo es sie im Leben hinführen soll. Ganz anders als der von seinen Eltern ungeliebten William ...

Auch wenn Julia Padavano - und unter ihrer Regie auch die drei jüngeren Schwestern - genau wissen, wo es sie im Leben hinführen soll. Ganz anders als der von seinen Eltern ungeliebten William Waters, den sie sich an der Uni als Freund und dann als Mann aussucht. Er weiß bisher nur, dass er Basketball liebt, auch wenn Julia ihn als Geschichtsprofessor sieht.

William hingegen sieht eine glückliche Familie - die Padavanos - und lässt sich von ihrem Glück blenden. Zumindest, so weit er noch für sich selbst bestimmen kann, denn Julia hat ihn fest im Griff.

Aber nicht für immer, denn auch deren Idyll bricht schneller auseinander, als es für möglich gehalten wurde.

Ein Familieroman, in dem aufgezeigt wird, dass auch die engsten Bindungen ganz plötzlich aufgebrochen werden können und neue entstehen, wo man diese nicht für möglich gehalten hat.

Auch wenn hier so manches nicht in die Tiefe geht, kann ich aufgrund von Erfahrungen sowohl in der eigenen Familie als auch im Freundes- und Bekanntenkreis die - hier im Roman natürlich sehr geballt auftretenden - Veränderungen sehr gut nachvollziehen und wüsste auch nicht, wie man diese abhalten kann.

Ein Familienroman, der in den späten 1970ern beginnt und 2008 mit einem Paukenschlag endet. Nichts für zu kritische Leser, was Stil und so manche Idee angeht. Die Handlung hingegen und so manch (andere) Idee haben mich durchaus für dieses Werk gewinnen können.

Veröffentlicht am 30.01.2024

Gleichgültigkeit, Egoismus und sogar Kälte

Verborgen
0

Das sind die Faktoren, die in diesem Familien(Kriminal)roman eine Rolle spielen - zumindest in den Familien aller Charaktere, die irgendwann in diesem Roman in Verdacht geraten. Von Lieblosigkeit ...

Das sind die Faktoren, die in diesem Familien(Kriminal)roman eine Rolle spielen - zumindest in den Familien aller Charaktere, die irgendwann in diesem Roman in Verdacht geraten. Von Lieblosigkeit geprägt ist der Umgang mit- bzw. eher gegeneinander und nicht selten gesellt sich auch Einsamkeit dazu - ein Adjektiv, das in den Krimis der Autorin Eva Björg Ægisdóttir immer wieder eine Rolle spielt.

Hier wird ein junger Mann, gerade mal 20 Jahre alt, tot in seinem Bett aufgefunden - kein Wunder eigentlich, denn das Haus um ihn herum ist abgebrannt. Ausgerechnet er ist aber Teil einer Familie, bei der es deutlich warmherziger zuging, als in denen, von denen sie umgeben waren. Da die Eltern verreist waren, hatten die jungen Leute - Marino, so heißt der Verstorbene, hatte noch eine Zwillingsschwester - mit Freunden und ziemlich viel Alkohol gefeiert.

Und am nächsten Morgen dann das! Rasch gerät eine weitere Familie in Verdacht, deren Sohn Andri als enger Freund von Marino bei der Feier dabei war. Hier herrscht definitiv die angesprochene Kälte. Aber wie sind hier die Zusammenhänge?

Ein eher ruhiger Krimi, in dem dennoch eine Menge passiert. Wie immer ermitteln die Kriminalkommissar*innen Ella und Saevar und - man darf gespannt sein - auch bei ihnen gibt es eine Veränderung.

Aus meiner Sicht fällt er gegenüber den beiden Vorgängern einen Hauch ab, wenn auch auf extremst hohem Niveau - wie immer bei dieser Serie konnte ich das Buch vor dem Schluss nicht aus der Hand legen!