Weit über ein halbes Menschenleben
Hannah und ihre Brüdernämlich fast 60 Jahre - sind vergangen, seitdem Ben das Grauen von Auschwitz hinter sich ließ und fast genauso lange lebt er inzwischen in Chicago.Nun ist er über 80 und beschuldigt einen der bekanntesten ...
nämlich fast 60 Jahre - sind vergangen, seitdem Ben das Grauen von Auschwitz hinter sich ließ und fast genauso lange lebt er inzwischen in Chicago.Nun ist er über 80 und beschuldigt einen der bekanntesten Männer der Stadt, nämlich den reichen Wohltäter Elliot Rosenzweig, ein übler Naziverbrecher zu sein und seine Familie aufs Grausamste hintergangen und ausgeliefert zu haben. Davor waren sie fast Brüder und zwar in Ostpolen, dem Land ihrer Herkunft. Elliot Rosenzweig hieß damals nämlich - so Ben - Otto Piontek, kam aus zerrütteten Familienverhältnissen und wuchs im Haushalt von Bens Eltern, die ihn wie ihre eigenen Kinder behandelten, auf. Bens Anwältin Catherine Lockhart und Liam Taggert, ein erfolgreicher Detektiv, l, haben so ihre Zweifel, aber Ben lässt nicht locker, obwohl sich viele Leute von Rang und Namen gegen ihn und die Ermittler stellen.
Diese Geschichte ging mir durch bis ins Mark und hat mich an für mich maßgebliche, die Augen öffnende und damit bahnbrechende mediale Konfrontationen mit der Verfolgung der Juden wie den Vierteiler "Holocaust", der Ende der 1970er Jahre im deutschen Fernsehen lief oder Spielbergs großartigen Film "Schindlers Liste" aus den 1990ern erinnert, auch wenn die Handlung doch manchmal zu dramatisch wurde und sogar die ein oder andere Räuberpistole enthielt, bspw. begaben sich mehrmals Juden in Naziunform mitten in heftigste Szenarien, was ein wenig rambomäßig rüberkam.
Dennoch: Gerne würde ich diesen Roman jungen Leuten (das sind für mich alle unter 40) zeigen, sie mit der Nase drauf stoßen und sagen: "lest"! Und dann überlegt Euch, ob Ihr zusehen wollt, wie in Europa friedlichen, hilfesuchenden Menschen die Tür vor der Nase zugeknallt wird. So wie in Ostpolen der 1930er und 40er Jahre ist es noch nicht, aber es bewegt sich in die Richtung und das gilt es zu vermeiden. Dieses Buch vermittelt so viel mehr als historische Wahrheiten, es zeigt Menschlichkeit, Mitgefühl, aber auch Mut und Stärke, die aus der Verzweiflung geboren wurde.
Ein Buch über die Kraft der vermeintlich Schwachen - eines, das ich sowohl schockierend als auch ermutigend fand. Geschockt haben mich - obwohl mir als Historikerin hinlänglich bekannt - die individuellen Erlebnisse, die Dramen, die sich unter dem nationalsozialistischen Regime, aber auch in dessen Nachfolge ereigneten. Mut machten mir die Menschen, die trotz Schwäche und Verzweiflung nie aufgaben, auch wenn die Lage noch so hoffnungslos schien.
Ein Buch, das sich schnell wegliest, das man aber dennoch nicht vergisst. Trotz der teilweise zu verwegenen Handlung werde ich diese Geschichte für immer in meiner Erinnerung und in meinem Herzen behalten!