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Veröffentlicht am 28.03.2019

Siena im Zweiten Weltkrieg

Niemand weiß, dass du hier bist
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Den kleinen Lorenzo verschlägt es in den Kriegswirren von Tripolis im von Italien besetzten Libven nach Siena. Man schreibt den August 1942 und Nordafrika ist hart umkämpft. Sein Vater unterstützt in einer ...

Den kleinen Lorenzo verschlägt es in den Kriegswirren von Tripolis im von Italien besetzten Libven nach Siena. Man schreibt den August 1942 und Nordafrika ist hart umkämpft. Sein Vater unterstützt in einer führenden militärischen Position die vereinten Truppen Deutschlands und Italiens, seine Mutter ist zunächst zur Regelung familiärer Angelegenheiten in Rom, bis sie nach einigen Monaten - der Vater ist inzwischen verschollen - nach Tripolis zurückkehrt, um dort nach ihrem Mann zu suchen.

Lorenzo, dessen Familie dem verarmten Adel angehört, lebt in Siena bei Großvater und Tante väterlicherseits und begegnet hier einer ganz anderen Wahrnehmung der politischen Situation: Seine Zia Chiara ist eine entschiedene Gegnerin des faschistischen Mussolini-Regimes und auch sein Großvater sympathisiert eher mit den Partisanen, wenn er - nicht nur aus Altergründen - sich auch sehr zurückhält. Nicht so Chiara, die als Lehrerin arbeitet und auch in dieser Position nicht davor zurückschreckt, ihre Meinung zu äußern.

Lorenzo hat sich schnell eingelebt und den Kaufmannsohn Franco, der aus einer Familie glühender Faschisten stammt, zum Freund gewonnen. Mit ihm nimmt er an den Aktivitäten der Jugendorganisation teil und freut sich an militärischen Siegen seines Landes.

Doch zunehmend nimmt auch er Brüche wahr: ein jüdisches Mädchen wird der Schule verwiesen und da sich Chiara für sie einsetzt, muss sie gleich mit gehen. Mehr und mehr wird ihm klar, dass nicht alles, was die Faschisten und deren Verbündeter, also Nazi-Deutschland tun, moralisch, ethisch und auch gesellschaftspolitisch nachzuvollziehen ist. Inzwischen hat er auch seinen zweiten Freund, nämlich Daniele, gewonnen, der Jude ist. Sein Vater ist aber ein Anhänger des faschistischen Regimes und davon überzeugt, dass der Familie nichts passiert.

Als Lorenzo dann zufällig Zeuge der Deportation der Familie durch die nationalsozialistischen Verbündeten wird, wächst er über sich hinaus und tut etwas, das nicht nur seine eigene Zukunft entscheidend prägen wird. Nein, in dieser Situation wird ihm endgültig klar, dass nicht alle, die dem Faschismus und Nationalsozialismus dienen, von diesem überzeugt sein.

Ein Roman mit Herz und Tiefgang! Die in Deutschland lebende, aus Italien stammende Autorin Nicoletta Giampietro hat in Bezug vor allem auf die Geschichte Sienas akribisch recherchiert und auf der Basis der realen Entwicklungen einen mitreißenden Familienroman über Freundschaft, Loyalität und Verrat geschrieben, der gerade im historischen Kontext wichtige Erkenntnisse bringt. Auch wenn es mir manchmal etwas zu (melo)dramatisch herging, hat dieses Buch mich sehr bewegt - nicht zuletzt, weil es grundlegende Werte thematisiert. Und deutlich gemacht, wie sehr Zweifel gerade in Extremsituationen zum Leben gehören. Ich bin mir ganz sicher, dass jeder Leser nicht nur in Bezug auf die Hauptperson überlegen wird, wie er selbst denn in dieser oder jener Situation gehandelt hätte.

Ein ebenso berührender wie informativer Roman mit eindringlich gezeichneten Figuren, der mir die Tür zum Verständnis der Rolle und der Geschicke Italiens, in diesem Fall vor allem Sienas im Zweiten Weltkrieg ganz weit geöffnet hat

Veröffentlicht am 28.03.2019

Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben

Die einzige Geschichte
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Für den neunzehnjährigen Paul ist es auf jeden Fall so: er lernt Susan, die weit mehr als doppelt so alt und deren Töchter älter als er sind, im Tennisclub kennen. Mit einer frappierenden Selbstverständlichkeit ...

Für den neunzehnjährigen Paul ist es auf jeden Fall so: er lernt Susan, die weit mehr als doppelt so alt und deren Töchter älter als er sind, im Tennisclub kennen. Mit einer frappierenden Selbstverständlichkeit und Klarheit, ganz natürlich also, wird aus ihnen beiden ein Paar. Monatelang geht Paul bei ihr zu Hause ein und aus, wohnt quasi mit ihr und ihrer Familie. Aus seiner Sicht bleibt ihrer beider Beziehung für die anderen unbemerkt.

Bis beide - genau aus diesem "anstößigen" Grund aus dem Tennisclub geworfen werden und schon bald gemeinsam nach London ziehen. Eine Liebe, die von beiden trotz äußerer Anfeindungen über lange Zeit nicht in Frage gestellt wird - obwohl Susan durchgehend einen recht engen Kontakt zu ihrer anderen, ihrer "alten" Familie hält.

Paul bewundert sie, wohl auch deswegen, weil sie ihn von Beginn an für voll nimmt, ihm vertraut. Er antwortet auf seine eigene Weise, indem er Verantwortung für sie übernimmt, auch dann als es einen Bruch gibt, er sie nicht mehr vorbehaltlos lieben und bewundern kann. Denn Susan trinkt. Nicht nur ein bisschen und gelegentlich und es ist auch klar warum: sie hat es in ihrer Ehe mit Gordon nicht leicht gehabt.

Es kommt, wie es kommen muss: Paul löst sich aus der Beziehung. Doch die Verantwortung, die er empfindet, bleibt - zu einem gewissen Teil.

Ein Buch in drei Teilen, die sich extrem voneinander unterscheiden: zunächst ist es Leichtigkeit und vor allem Unschuld, die vor allem aus Paul spricht, gefolgt von Zerrissenheit, Anspannung und Ohnmacht, zuletzt ist es dann der Paul, der alles überstanden hat, ein Überlebender quasi, der zurückblickt. In einer eher philosophischen Betrachtung auf sein Miteinander und sein Auseinander mit Susan schaut, über sein Leben und dessen Sinn resümiert.

Dieser dritte Teil war es, mit dem ich am wenigsten zurecht kam, irgendwie hätte ich ihn nicht gebraucht, wenn man das so schreiben darf. Ich hätte lieber meine eigenen Gedanken wandern lassen und dem Buch ein wenig mehr Aktion gegönnt, aber Barnes ist dafür nicht der richtige Autor. Und natürlich richte ich als Leserin mich danach und stelle fest, dass dies für Barnes durchaus ein bereits recht aktionsreiches Buch ist. Eines, in dem verschiedene Stimmungen und Atmosphären, verschiedene emotionale Stationen im Leben nicht nur von Paul, sondern auch von Susan und im weitesten Sinne auch von ihrer Familie dargelegt werden.

Überhaupt kein sperriges, aber andererseits auch kein ganz einfaches Buch - man muss bereit dafür sein und die ein oder andere Konvention ad acta legen!

Veröffentlicht am 28.03.2019

Märchenhaftes mit Sogwirkung

Das schönste Mädchen Havannas
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Wie in einem Märchen ist auch hier längst nicht alles gut, was passiert. Doch im Mittelpunkt steht das Schönste überhaupt: eine große, eine unendliche Liebe. Nämlich die von Patricio, der zwischen den ...

Wie in einem Märchen ist auch hier längst nicht alles gut, was passiert. Doch im Mittelpunkt steht das Schönste überhaupt: eine große, eine unendliche Liebe. Nämlich die von Patricio, der zwischen den Weltkriegen völlig verarmt aus dem spanischen Asturien in Kuba aufschlägt und der schönen Gloria, der Sonne Havannas.

Die - ganz nebenbei - leider auch die Ehefrau von Carlos Valdés, einem der größten Gangsterbosse überhaupt auf Kuba ist und ausgerechnet mit dem musste auch Patricio, der zunächst als Schuhputzer jobbt, auch schon Bekanntschaft machen. Keine angenehme, versteht sich!

Doch neben diesen beiden Charakteren gibt es noch einen dritten Hauptdarsteller, nämlich das wunderbare Kaufhaus El Encanto in Havanna, in dem Patricio arbeitet und langsam, aber sicher Karriere macht - und in dem er auch der schönen Gloria begegnet. Eine Begegnung, die auf beide eine starke Wirkung hat - alsbald können sie nicht mehr von einander lassen. Auch wenn es eine Ewigkeit - und zwar nicht nur eine gefühlte - dauert, bis sie Zeit miteinander verbringen können.

Um gleich darauf wieder auseinander gerissen zu werden!

Das Leben von Patricio bleibt über Jahre hinweg wechselhaft - und was ist mit Gloria?

Ein bisschen wirkt es wie "Babylon Berlin" auf Kubanisch - eine auf eine Stadt konzentrierte Welt, in der sich vor allem die Extreme die Klinke in die Hand geben. Wie ein Sog, in den man eintaucht, um als ein durchs Lesen veränderter wieder aufzutauchen. Denn von diesem Buch kommt man nicht los, bevor man nicht die letzte Seite umgeblättert hat. Auch wenn es kleine Längen gab, auch wenn das Ende für meinen persönlichen Geschmack doch ein wenig zu konstruiert rüberkam - man ist drin und man bleibt drin in der Geschichte, man riecht die intensiven Düfte, hört die Musik - ja, und wenn man nicht aufpasst. spürt man sogar die Küsse der Liebenden auf der Haut. Ein Buch für Leser, die gern mit allen Sinnen lesen!

Zudem eines, das quasi danach schreit, verfilmt zu werden

Veröffentlicht am 27.03.2019

Ein Roman wie eine Postkartenweisheit

Sterne sieht man nur im Dunkeln
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Anni und Thies - ein Traumpaar? Ja, bis Thies "die" Frage stellt. Genau die, die über ein weißes Kleid und Tränen zum Ring an der Hand und damit zum gemeinsamen Lebensglück führt, bzw. führen sollte. Der ...

Anni und Thies - ein Traumpaar? Ja, bis Thies "die" Frage stellt. Genau die, die über ein weißes Kleid und Tränen zum Ring an der Hand und damit zum gemeinsamen Lebensglück führt, bzw. führen sollte. Der Traum vieler Frauen also. Nicht so der von Anni.

Zumal der Chef der Designerin (hauptberuflich entwirft Anni Spiele, nebenberuflich Postkartenmotive und Spruchkarten) sie gerne nach Berlin verfrachten würde - als Leiterin der dort zu eröffnenden Zweigstelle. Und dorthin will ihr Thies partout nicht folgen...

Eindeutig too much! Genau deswegen entflieht Anni erstmal der eigentlich langen und stabilen Beziehung. Auf eine Nordseeinsel, nämlich nach Norderney. Zu Maria, der Freundin aus Jugendtagen. Und dann?

Aus meiner Sicht folgt eine ganze Reihe von Plattitüden und Klischees, die zu allem Übel mit Annis Postkartensprüchen garniert werden. Die man - quasi im Anhang - noch einmal gebündelt erhält, jeden einzelnen fein designet auf einer Seite wie Postkarten. Solche mit warmherzig-lustigen Sprüchen. Genau die Sorte Postkarten, auf die ich allergisch reagiere. So auch auf dieses Buch. Das war so weit weg von mir und meinen Vorlieben, wie etwas nur sein kann. Also: vielleicht mögen Sie so etwas ja und können sich damit anfreunden oder gar identifizieren. Ich leider nicht!

Veröffentlicht am 25.03.2019

Parallelen zu einem Comic

Die Farben des Feuers
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finden sich aus meiner Sicht im vorliegenden Roman, in dem es im Prinzip um das Leben und Leiden der Madeleine Péricourt geht. Diese wird nach dem Tode ihres Vaters Marcel Alleinerbin einer großen, einflussreichen ...

finden sich aus meiner Sicht im vorliegenden Roman, in dem es im Prinzip um das Leben und Leiden der Madeleine Péricourt geht. Diese wird nach dem Tode ihres Vaters Marcel Alleinerbin einer großen, einflussreichen Bank. Doch widerfährt ihrer Familie am Tage von Marcels Beerdigung ein weiteres großes Unglück, das sie über längere Zeit dergestalt vereinnahmt, dass sie keinen Blick für die Geschicke der Bank hat.

Was für eine Gelegenheit für diejenigen, die sich beim Erben übergangen wurden, zur Tat zu schreiten und die Dinge zu ihren Gunsten zu wenden! Als Madeleine wieder bereit ist, am Leben teilzunehmen, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen: ihr verschwenderischer Onkel Charles hat sich seinen Teil genommen, ihr ehemaliger Liebhaber, der bis dahin erfolglose Journalist André hat sich verabschiedet, nicht ohne dem Rädchen, das Madeleine zu seinen Gunsten gedreht hatte, noch einen kräftigen Schwung zu geben. Und der ehemalige Prokurist der Bank Gustave Joubert kann der inzwischen mittellosen Madeleine sogar ihr Elternhaus abkaufen. Dann gibt es noch den ein oder anderen mehr im weiteren Umfeld der Bediensteten und Mitarbeiter, der sich fleißig die Taschen gefüllt hat.

Wer jedoch davon ausgegangen ist, dass Madeleine sich in ihr Schicksal fügt, der hat sich geschnitten. Sie startet einen Rachefeldzug, der zunächst so subtil beginnt, dass niemand etwas merkt. Und dann - nun, lesen Sie selbst.

Oder auch nicht: denn nur, wer kein Problem hat mit langatmigen Schilderungen und einer an vielen Stellen ausgesprochen konstruierten Handlung, wird diesen Roman uneingeschränkt genießen können. Dazu kommen noch stellenweise so verdrehte Schilderungen, dass sie - nimmt man Faktoren wie Zeit und Raum in Acht - gar nicht stimmen können. Außerdem sind es stellenweise wahre Räuberpistolen, die sich der Autor so ausgedacht hat. Dazu passt auch das überdrehte Personal, das zeitweise so agiert, dass ich mich an Comic-Figuren erinnert fühlte. Es scheint Leser zu geben, die das wenig stört, mir jedoch hat es diesen Roman verleidet. Wobei er durchaus eindringlich und stellenweise süffig zu lesen ist, was mir half, am Ball zu bleiben. Zudem hatte ich bis zum Schluss die Hoffnung, dass die ein oder andere Wendung die Handlung so dreht, dass auch ich sie verstehen und mich voll und ganz hinter sie stellen kann. Leider war dies nicht der Fall, auch verlief der ein oder andere Erzählstrang, auf den ich noch gesetzt hatte, einfach im Sande. Und vor allem: das Drumherum, der historische Rahmen, die Atmosphäre fehlten komplett. Auf diese spannende Zeit - die 1920er und 30er Jahre - bezog sich der Autor nur punktuell.

Mein Fazit: Leider kein guter Start mit Pierre Lemaitre - ich werde wohl nicht mehr zu seinen Romanen greifen.