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Veröffentlicht am 18.12.2017

Überraschendes Ende

Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt
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“Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” von der amerikanischen Autorin Nicola Yoon läuft bald im Kino an und ist passend dazu jetzt als Taschenbuch erschienen. Ein Roman über eine seltene Immunkrankheit, ...

“Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” von der amerikanischen Autorin Nicola Yoon läuft bald im Kino an und ist passend dazu jetzt als Taschenbuch erschienen. Ein Roman über eine seltene Immunkrankheit, durch die ein junges Mädchen ihr Leben lang ihr Haus nicht verlassen hat und eine unerwartete Liebe. Gefühlvoll, romantisch, humorvoll — angereichert mit einem Sammelsurium an Notizen und Zeichnungen. Dieses Buch kann sich definitiv sehen lassen, sowohl optisch (bezieht sich auf die Hardcover-Ausgabe, siehe unten), als auch inhaltlich! Für Jugendliche ab 13 Jahren.

Seit 17 Jahren hat Madeline ihr Haus nicht verlassen. Jetzt hat sie gerade ihren 18.Geburtstag gemeinsam mit ihrer Mutter und mit Carla, ihrer persönlichen Vollzeitkrankenschwester, gefeiert. Das Mädchen leidet unter einer äußerst seltenen Immunkrankheit: “Im Grunde bin ich allergisch gegen die Welt. Alles kann einen Anfall auslösen. Es könnten die Chemikalien im Putzmittel sein, mit dem der Tisch abgewischt wurde, den ich gerade berührt habe. Es könnte das Parfüm von irgendwem sein. Oder das exotische Gewürz in meinem Essen. […] Meine Mom sagt, dass ich als Kleinkind ein paarmal beinahe gestorben wäre.” (Zitat aus “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt”, S.12) Menschen sieht sie so gut wie nie. Sie wird per Internet unterrichtet. Nur sehr selten kommt ein Lehrer zu ihr ins Haus. Denn jeder, der hinein will, muss durch eine Sicherheitsschleuse und sich dekontaminieren lassen. Fremde müssen ihre Krankheitsgeschichte Nicola Yoon - Du neben mir und zwischen uns die ganze Weltoffen legen, um eventuelle Gefahren für Madeline vorauszusehen. So ist es auch kein Wunder, dass ihre Mutter selbst den als Höflichkeitsgeschenk abgegebenen Kugelhupf der neuen Nachbarsfamilie ablehnt, den der Sohn der Familie Olly und seine Schwester Kate vorbeibringen. Doch der äußerst gut aussehenden Nachbarsjunge, der Madeline am Fenster entdeckt hat, fragt nach ihr. Ob sie ihnen nicht die Gegend zeigen könne. Madelines Mutter wimmelt ihn ab. Doch Olly lässt nicht locker und inszeniert eine aufwendige Kugelhupf-begeht-Selbstmord-in-dem-er-sich-aus-dem-Fenster-stürzt-Szene, die Madeline doch tatsächlich zum Lachen bringt. Das, obwohl sie gar nicht weiß, ob sie näheren Kontakt zu diesem Jungen haben möchte. Der Junge, der seine Emailadresse bald darauf gegen sein Fenster hält, das ihrem gegenüber liegt. Denn schon einmal ist eine Familie nebenan eingezogen, die Madeline fast das Herz brach, als sie wieder umzog. Die Sehnsucht nach draußen zieht Madeline erneut in ihren Bann. Der Hunger nach Leben. Nach dem echten, pulsierenden, aufregenden Leben… doch wie weit kann sie gehen?

“Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” wird durchgängig aus Madelines Sicht erzählt. Schon der erste Satz des Buches macht neugierig: “Ich habe viel mehr Bücher gelesen als du. Es spielt keine Rolle, wie viele du gelesen hast. Bei mir sind es mehr. Glaub mir. Ich hatte genügend Zeit dazu.” (Zitat S.9). Sehr gut kann man sich in ihre Welt hineinfühlen, in ihr weißes Zimmer mit den weißen Wänden und weißen Bücherregalen, in denen nur ihre Bücher “die einzigen Farbtupfer” (Zitat S.9) sind. Bunt sind in ihrem eintönigen, sich unablässig wiederholenden Alltagsleben nur die Bücher und die Filme, die sie sieht. Die ihr einen Hauch von dem vermitteln, was draußen ist. In der “echten” Welt. Als sie Olly näher kennenlernt, kommt noch mehr Farbe in ihr Leben und das Nicola Yoon - Du neben mir und zwischen uns die ganze WeltGefühl definitiv etwas verpasst zu haben. Doch was ist besser? Eine Ahnung davon zu bekommen, was einem bisher entgangen ist und dann so weiterleben wie bisher oder am besten gar nichts von den ungeahnten Möglichkeiten wissen? Der Roman macht nachdenklich und bringt den Leser dazu sein Leben bewusster zu erleben, anstatt alles für selbstverständlich zu erachten. Was mir in “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” auch gut gefallen hat, sind die Zeichnungen, die sich in den Text einfügen, die Ausschnitte von Krankenblätter, die Definitionen von Wörtern, die Madeline auf ihre Art beschreibt, die Chats und Emails. Man darf sich auf eine Menge Vielseitigkeit freuen, sogar Nachbarbeobachtungsbögen und zeichnerisch festgehaltene Kussanalyseprojekte finden sich in dem Buch. Teils recht kurze Kapitel sorgen für einen sehr angenehmen Lesefluss und abwechslungsreiche Unterhaltung. Die Liebesgeschichte, besonders die Annäherung der beiden Protagonisten wird sehr behutsam und sensibel erzählt: “Er schmeckt nach salzigem Karamell und Sonnenschein. Oder zumindest, wie ich mir salziges Karamell und Sonnenschein vorstelle. Er schmeckt nach Dingen, die ich noch nie erlebt habe, wie Hoffnung und Möglichkeiten und Zukunft. Diesmal bin ich es, die sich als Erste zurückzieht, aber nur, weil ich Luft holen muss […] “Ist das immer so?”, frage ich atemlos. “Nein”, sagte er. “So ist es nie.” Ich höre das Staunen in seiner Stimme. Und mit einem Mal ändert sich alles, einfach so.” (Zitat S. 1544). Höchst dramatisch und geradezu herzzerreißend wird es, als Madelines Mutter hinter die von Carla eingefädelten, heimlichen Besuche von Olly kommt und diese beendet. Man möchte das Buch kaum aus den Händen legen, so ergreifend ist die Geschichte geschrieben! Neben Madelines unheilvoller Krankheit kommt jedoch auch das Thema Alkoholismus und Gewalt in der Familie zum Tragen, welches die Ehe von Ollys Eltern prägt. Das Ende überrascht und passt (auch wenn ich damit irgendwie schon ein wenig gerechnet habe).

Veröffentlicht am 18.12.2017

Lesenswerter Auftakt

Marthas Widerstand
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“Marthas Widerstand” von der britischen Autorin Kerry Drewery ist der erste Teil einer dystopischen Trilogie. Ein richtig gut geschriebenes Buch über den Kampf um Gerechtigkeit, ein neues Rechtssystem, ...

“Marthas Widerstand” von der britischen Autorin Kerry Drewery ist der erste Teil einer dystopischen Trilogie. Ein richtig gut geschriebenes Buch über den Kampf um Gerechtigkeit, ein neues Rechtssystem, das auf Volksabstimmung beruht, Manipulation und die Rebellion eines tapferen, jungen Mädchens. Dramatisch und packend erzählt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

Die 16-jährige Martha stammt aus den “Kratzern”, “der unterprivilegierten Gegend, die allgemein, als >die Wolkenkratzer< bekannt ist, benannt nach den Hochhäusern, die dort errichtet wurden, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken…” (Zitat S.32 aus “Marthas Widerstand”) Seit dem Tod ihrer Mutter ist sie ein Waisenkind und muss selbst Geld verdienen, um in der Wohnung bleiben zu können und nicht in ein Pflegeheim abgeschoben zu werden. Doch jetzt sitzt Martha hinter Gittern. Weil sie den Mord an Paige Jackson gestanden hat, einer Berühmtheit aus Realityshows und von Wohltätigkeitsveranstaltungen. Und weil sie in einem Rechtsstaat lebt, der keiner mehr ist, weil sämtliche Gerichte abgeschafft wurden, stimmt nun das Volk über ihre Freilassung oder über ihre Hinrichtung ab. Sieben Tage lange. Während dieser Zeit wird sie entweder für unschuldig erklärt und freigelassen oder wandert von Gefängniszelle 1 bei Sonnenaufgang zu jeweils nächsten, bis hin zur letzten der insgesamt sieben Zellen. Nach Zelle 7 wartet nur noch der elektrische Stuhl auf sie. In einer Fernsehsendung namens “Death is Justice” wird über die Hintergründe berichtet, es werden Interviews geführt und eine Moderatorin ruft das Publikum zur Abstimmung auf: “Nun, die Gerechtigkeit, liebe Zuschauer, liegt wie immer in Ihrer Hand. […] Wählen Sie 0909 87 97 77 und fügen dann bitte die 7 für >schuldig< hinzu oder eine 0 für >nicht schuldig<. Sie können natürlich auch per SMS abstimmen. Senden Sie STERBEN oder LEBEN an 7997.” (Zitat S.44). Doch hat Martha den Mann wirklich umgebracht? Und welchen Plan scheint sie zu haben?

“Marthas Widerstand” hat ein auffälliges, gelungen gestaltetes Cover, mit einem Blick aus zwei Augen, die einen zu fixieren scheinen. Widerstand leisten gegen einen unfassbar großen Gegner — gegen ein System, das von Manipulation und Korruption geprägt ist — genau tut Martha. “Außerdem bin ich jetzt fest entschlossen. Ich kann eine Woche Einsamkeit aushalten. Und ich kann tot sein. Die Leute werden sehen und hören, was ich zu sagen habe, und vielleicht, ganz vielleicht, werden sie es begreifen. Vielleicht werden sie es endlich kapieren und vollkommen schockiert sein. Und dann habe ich meinen Teil getan. Dann liegt es an dir, diese Schockwelle zu nutzen und die Dinge für immer zu verändern.” (Zitat S.74)

In ihrer Ich-Perspektive spricht sie immer wieder eine zu Beginn noch unbekannte Person mit “Du” an. Isaac, ihre große Liebe, mit dem sie keine Zukunft hat. Mit dem sie gemeinsam kämpfen wollte. Wer ist Isaac? Welche Aufgabe kommt ihm zuteil? “Wir haben alle unsere Rollen zu spielen, du und ich, dadurch bestimmt, wo wir aufgewachsen sind. Du kannst den Kämpfer geben, während ich die Märtyrerin bin. Schließlich ist das alles, was ein Mädchen wie ich aus den Kratzern tun kann. Ich bin nicht schlau genug oder selbstbewusst genug, habe nicht genügend Geld und hatte nicht einmal eine Zukunft, ehe ich hier gelandet bin.” (Zitat S.29) A

ber vor allem: was ist wirklich passiert in jener Nacht, in der Paige Jackson starb? Ist Martha tatsächlich die Täterin? Und was hat sie vor? Diese Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Ergänzt werden die nicht allzu langen Kapitel aus Marthas Sicht, die nur die Überschrift “Martha” tragen, durch einige andere, interessante Perspektiven: “1.) Psychologische Betreuung”, in der aus allwissender Sicht und personaler Erzählweise von den Treffen der Protagonistin mit Eve, der Psychologin, berichtet werden. 2.) “Eve”, in der diese aus ihrem Alltag und Erleben außerhalb des Gefängnisses erzählt; was sie alles unternimmt, um Martha zu helfen, aber auch um hinter ihr Geheimnis zu kommen. 3.) “Death is Justice”: der Fernsehsendung, die wie ein Drehbuch widergegeben wird. Gerade Kerry Drewery Marthas Widerstanddiese Sendung mit zu verfolgen — die offensichtlichen Manipulationen der Moderatorin, die oberflächliche, einseitige Berichterstattung — macht einen großen Teil des Buches aus und liest sich erschreckend realistisch. Kerry Drewery ist es gelungen ein katastrophales Szenario in Worte zu fassen, dessen Absurdität dem Leser erst nach und nach bewusst wird. “Big brother” meets “Deutschland sucht den Superstar”, gemischt mit nichts anderem als einem Spiel um Leben und Tod. Dazu jede Menge Spannung, ein außergewöhnlicher, abwechslungsreicher Erzählstil und die Wahrheit, die man wie ein Puzzle erst langsam zusammensetzen muss. Das Ende: buchstäblich nervenzerreißend!!

Fazit: Ein sehr lesenswerter Auftakt einer ganz besonderen Reihe.

Veröffentlicht am 18.12.2017

Etwas enttäuschendes Ende

The Sun Is Also a Star
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Nach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff ...

Nach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff vor. Ihr zweiter Roman erzählt eine Liebesgeschichte inmitten eines feinen Geflechts von zufälligen (oder schicksalshaften?) Ereignissen und dem nicht immer einfachen Leben zwischen zwei Kulturen. Familiengeschichte inklusive. Raffiniert erzählt und mit faszinierenden Einschüben. Ein richtig schöner Schmöker. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

New York. Die 17-jährige Natasha sollte eigentlich ihre Koffer packen, aber das junge Mädchen mit der jamaikanischen Herkunft will einfach nicht aufgeben. Sie, die mit ihrer Familie illegal in Amerika lebt, will das Land nicht verlassen. Auch wenn das Urteil der Behörden anders aussieht: “Der letzte Einspruch Ihrer Familie wurde abgelehnt. Die Abschiebung ist beschlossen, Ms Kingsley. Sie und Ihre Familie müssen heute um 22.00 Uhr das Land verlassen.” (Zitat S.31) Deshalb geht Natasha auch Nicola Yoon The sun is also a starnun zur amerikanischen Einwanderungsbehörde, um vielleicht noch etwas dagegen auszurichten. Denn zurück nach Jamaika will sie auf gar keinen Fall. “Ich lebe hier, seit ich acht bin. Ich habe keine Freunde auf Jamaika. Ich habe keinen jamaikanischen Akzent. Ich kenne meine Familie dort nicht — jedenfalls nicht so, wie man seine Familie kennen sollte. Das ist mein letztes Jahr auf der Highschool. Was ist mit meinem Abschluss, dem Ball und meinen Freunden?” (Zitat S.35) Auf dem Amt erhält sie einen letzten Tipp: die Adresse eines Anwalts, der ihr vielleicht noch helfen könnte. Doch der Termin ist erst in ein paar Stunden…
Der 17-jährige Daniel lebt mit seinem Bruder und seinen Eltern, die aus Korea stammen, aber noch vor ihrer Geburt nach Amerika ausgewandert sind, ebenfalls in New York. Er, der am liebsten Gedichte schreibt, soll — nach der Meinung seiner Eltern — Arzt werden. “Ich würde alles dafür geben, das Leben, das sich meine Eltern für mich wünschen, auch wirklich zu wollen. Alles wäre viel einfacher, wenn ich Lust hätte, Arzt zu werden. Arzt zu sein, sollte doch eins der Dinge sein, die man mit Lust und Hingabe tut. Ich meine, Leben retten und all das. Aber ich finde es nur langweilig.” (Zitat S.66) Aber Daniel traut sich nicht, ihnen das zu sagen…

Aufgrund mehrerer zufälliger Begebenheiten treffen Natasha und Daniel in einem Plattenladen aufeinander. Kurz darauf rettet er sie vor einem heranfahrenden Auto, das sie fast erwischt hätte. Er lädt sie auf einen Kaffee ein. Sie sagt zu. Und zwei Welten treffen aufeinander: Er — der sofort weiß, dass er sich in sie verlieben wird, der an Träume und Vorherbestimmung glaubt — und sie, die pragmatisch und eher pessimistisch veranlagt ist und mit Träumereien schon mal gar nichts anfangen kann, sondern nur an die Erklärungen der Wissenschaft glaubt. Bis sie Daniel mit folgendem Satz herausfordert: “Was ist, wenn ich dir sage, dass ich dich mit wissenschaftlichen Methoden dazu bringen könnte, dich in mich zu verlieben?” (Zitat S.100)

Sein Experiment besteht aus einigen persönlichen Fragen und einem 4-minütigen-sich-in-die-Augen-Schauen. Etwas, worüber er in einer Zeitung gelesen hat. Da sie ohnehin nichts zu verlieren hat und Daniel sie seltsamerweise ab und zu zum Lachen bringt, lässt Natasha sich darauf ein. Ohne ihm zu gestehen, dass sie in wenigen Stunden das Land verlassen wird…

“The sun is also a star” wartet mit einem interessanten Cover auf. Schaut man genauer hin, entdeckt man einzelne Fäden, die hin und her gespannt sind. Symbolisch für die einzelnen Lebenswege und -Möglichkeiten eines jeden Menschen. Der Roman macht das Gesetz von Ursache und Wirkung deutlich. Wäre dies oder jenes nicht geschehen, wären sich Daniel und Natasha niemals über den Weg gelaufen. Eine Verkettung von Zufällen? Schicksal — so wie Daniel es glaubt? Geschickt spielt das Buch mit Wissenschaft und dem Glaube an Vorherbestimmung. Diese Erfahrung muss vor allem Natasha machen: “Liebe ist eine Mischung aus Hormonen und Zufall. Warum fühlt sich Daniel dann nach mehr an?” (Zitat S.127)

Die Autorin hat mit ihr und mit Daniel zwei sehr liebenswürdige, sympathische Figuren geschaffen und erzählt aus ihren sich abwechselnden Ich-Perspektiven ihre gemeinsame Geschichte. Ergänzt werden diese Sichtweisen immer wieder durch Einschübe von Nebenfiguren oder kurzen Erklärungen (auch wissenschaftlicher und kultureller Art). Beispielsweise werden die Verhaltensweisen einer Sicherheitsbeamtin gegenüber Natasha oder die einer Restaurantbediensteten, die unfreundlich auf eine Frage reagiert, erklärt. Diese Einschübe stammen von einem allwissenden Erzähler uNicola Yoon The sun is also a starnd sind ungemein faszinierend und reizvoll zu lesen. Eine perfekte Ergänzung, die für jede Menge Tiefgang sorgt. Auch die Romantik kommt in “The sund is also a star” nicht zu kurz:

“Wieder kommt sie mir nahe, und wieder wage ich mich vor, denn anscheinend bin ich so, wenn ich mit diesem Mädchen zusammen bin. Vielleicht gehört es dazu, sich auch in sich selbst zu verlieben, wenn man sich in jemand anderen verliebt. Denn es gefällt mir, was für ein Mensch ich mit ihr bin. […] Es gefällt mir, dass ich mich trotz der Steine, die sie mir in den Weg legt, weiter vorwage. Normalerweise würde ich aufgeben, aber heute nicht.” (Zitat S.181)

Nicola Yoon hat einen sehr angenehmen Erzählton. Sie kann einfach richtig gut schreiben. Den Leser erwarten tolle Formulierungen, eine mal charmante, mal humorvolle, mal philosophische Erzählweise und eine Sprache, die flapsig sein kann, aber auch kraftvoll und poetisch. Das Ende war okay, aber irgendwie hätte ich noch ein bisschen mehr erwartet, beziehungsweise es erschien mir zu konstruiert. Aber: am besten eine eigene Meinung bilden

Veröffentlicht am 15.12.2017

Höhenflug mit Adrenalinkick

Roofer
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Die deutsche Autorin Jutta Wilke wagt sich in ihrem neuen Roman “Roofer” an ein ganz besonderes und im Jugendbuch bisher unbekanntes Thema heran: Roofing — “ein Extremsport […], bei dem meist Jugendliche ...

Die deutsche Autorin Jutta Wilke wagt sich in ihrem neuen Roman “Roofer” an ein ganz besonderes und im Jugendbuch bisher unbekanntes Thema heran: Roofing — “ein Extremsport […], bei dem meist Jugendliche und junge Erwachsene ohne Sicherung auf hohe Bauwerke oder Gebäude klettern, um sich dort zu fotografieren oder zu filmen” (Wikipedia) Brillante Unterhaltung, die nicht nur thematisch, sondern vor allem spannungsmäßig absolut zu überzeugen weiß. Aber Vorsicht: Es geht hoch hinaus! Schwindelfrei zu sein erleichtert das Lesen ungemein Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

Frankfurt am Main. In Alices Leben ist es nicht immer einfach. Ihr Vater ist an einer Krankheit gestorben, als sie noch ein Kind war und ihre nach Harmonie und Sicherheit gierende Mutter hat sich an einen neuen Mann gebunden, der sie nur belügt und betrügt. Einzig ihre Freundschaft zu Nastasia, die alle nur Nasti nennen, ist ein Lichtblick in ihrer kleinen Welt: “Ich hätte bei Nasti bleiben sollen. Solange ich mit ihr zusammen war, fühlte ich mich gut. Frei und stark irgendwie. Und ungebunden. Aber sobald ich in unsere Straße einbog, war dieses Gefühl weg. Es war, als ob eine graue Wolke unser Haus und alle, die darin lebten, einhüllte. Eine Wolke aus Traurigkeit. Und aus Angst.” (Zitat aus “Roofer” S.27) Doch dann zeigt Nasti ihr ein erschreckendes Video von sogenannten “Roofern”, die die höchsten Gebäude der Stadt erklimmen und sich bei diesen waghalsigen Aktionen filmen. Einen von ihnen kennt sie bereits: Trasher. “Ich habe ihn beim Skaten kennengelernt. Unten am Main. Na ja, eigentlich habe ich ein paar seiner Kumpels getroffen. Aber Trasher war auch da. Er hat mir ‘ne Cola spendiert.” (Zitat S.22)

Ein wenig enttäuscht muss Alice feststellen, dass ihre Freundin mit diesem Trasher sogar zusammen zu sein scheint. Dass sie die Clique um ihn herum schon länger kennt, ohne ihr davon erzählt zu haben. Und sie bekommt zwangsläufig mit wie gefährlich die Aktionen der Gruppe sind, als Nasti sie eines Nachts auf ihrem Handy anruft und um Hilfe bittet. Zwei der miteinander konkurrierenden Jugendlichen haben sich zum waghalsigen Klettern um die Wette zusammengefunden. “Ich schüttelte nur stumm den Kopf. Dass die Roofer verrückt waren, war mir schon seit gestern klar. Aber das hier war mehr als nur verrückt. Das war lebensmüde. Vollkommener Wahnsinn. Und alle schauten dabei zu.” (Zitat S.86)

Eigentlich will Alice sich von der Clique und deren Höhenflügen distanzieren, doch dann lernt sie Nikolas kennen, der auf der Straße lebt und ebenfalls gelegentlich mit Trasher und seinen Leuten klettert…

“Roofer” ist nicht nur der Roman einer Freundschaft und einer Liebe, sondern vor allem der eines brandaktuellen Themas: Roofing. Mühelos gelingt es Jutta Wilke dieses bisherige Tabuthema im Jugendbuch in eine fesselnde Geschichte zu packen. Und das ist das Buch definitiv: fesselnd. Gleich von Anfang an packt einen die Erzählung, nimmt einen gefangen und fühlt sich bisweilen an wie pures Adrenalin, das durch die Adern strömt! Es gibt kaum eine Sekunde zum Luftholen, ständig passiert irgendetwas! Bereits der atmosphärische Prolog offenbart mit seinen Andeutungen — da ist etwas Furchtbares geschehen: “Einen Moment herrscht Stille. Totenstille. Und dann… lauter als alles andere auf der Welt… das klatschende Geräusch eines Körpers, der auf Asphalt knallt. Dann ist da nichts mehr. Einfach nichts.” (Zitat S.12) Und die Protagonistin, die sich tröstend um ihre Freundin kümmert und mit ihrem schlechten Gewissen kämpft: “Ich hätte es verhindern müssen. Ich hätte irgendetwas tun müssen, um es zu stoppen. Man muss doch etwas tun. Man konnte doch nicht einfach nur zusehen. Aber genau das habt ihr getan, flüstert die Stimme in mir. Ihr habt zugesehen. Alle. Immer wieder.” (Zitat S.10ff) Was ist geschehen? Wer ist da auf den Asphalt geknallt? Dann setzt der Hauptteil ein mit den Worten “Einige Tage zuvor”, um am Ende wieder an das Erzähldatum des Prologs anzuknüpfen. Berichtet wird die Geschichte hauptsächlich in der Ich-Perspektive aus Alices Sicht. Aber es kommt zuweilen auch Nikolas Blickwinkel hinzu, in personaler Sicht und in kursivem Schriftbild gehalten, der die Geschehnisse perfekt ergänzt. Die Sprache ist angenehm, äußerst flüssig zu lesen und manchmal sogar schön poetisch und kraftvoll. Das Ende ist passend und zeigt, nicht nur dass dies ein Roman über Angst und Mut ist, sondern auch, dass sich Schwäche einzugestehen (dass man Angst hat), manchmal auch eine Stärke sein kann.

Fazit: Ein gelungener Höhenflug mit inhaltlichem Tiefgang und einer großen Portion Adrenalin!

Veröffentlicht am 15.12.2017

Geschichte mit Potential

Infiziert
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Endlich gibt es wieder etwas Neues von der französischen Erfolgsautorin Teri Terry! “Infiziert” ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Eine Geschichte über den Ausbruch einer Epidemie, die Suche ...

Endlich gibt es wieder etwas Neues von der französischen Erfolgsautorin Teri Terry! “Infiziert” ist der erste Teil einer geplanten Trilogie. Eine Geschichte über den Ausbruch einer Epidemie, die Suche nach einer verlorenen Schwester und der einer entstehenden Liebe. Ein Endzeitthriller mit Mysteryelementen. Gewohnt fesselnd und temporeich erzählt. Von der Autorin der “Gelöscht”-Reihe. Bestes Lesefutter für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

Schottland. Die 16-jährige Sharona, die ihren Namen hasst und lieber Shay genannt werden will, ist auf der Flucht vor einem Jungen aus ihrer Schule, der sie unentwegt hänselt. Eben auch wegen ihres Namens. Soeben hat sie ihm einen Tritt in die Weichteile verpasst und will gerade aus dem Geschäft abhauen, in dem sie ihn und seine Freunde unverhofft getroffen hat, als ihr plötzlich ein Zettel in die Hände fällt. Eine Vermisstenmeldung, die an einem schwarzen Brett hing, das sie versehentlich bei ihrer Flucht zu Boden gerissen hat. “Beim Sturz sind einige Zettel abgefallen, aber ich muss jetzt schleunigst hier raus. Da sehe ich sie. Das Mädchen. Sie blickt mich von einem Zettel am Boden aus an. Langes, dunkles, fast schwarzes Haar. Unvergessliche blaue Augen…[…] Hinter mir nehme ich Bewegungen wahr, ich stecke den Zettel ein und stürme hinaus.” (Zitat aus “Infiziert” S.15)

Vor ungefähr einem Jahr ist Shay diesem jungen Mädchen im Wald begegnet. Bei ihrem Lieblingsplatz auf einem Berg, mitten in der Einöde. Das Mädchen wirkte gehetzt, wollte aber auf ihre Nachfrage nicht zugeben, dass sie sich verlaufen hatte. Kurz darauf stieg sie zu einem wütend wirkenden Mann in einen Wagen. Shay kam die Sache damals schon etwas komisch vor, sie hatte auch überlegt die Polizei zu rufen, es dann aber doch nicht getan. Jetzt wird ihr klar, dass das, was sie damals mit angesehen hatte, wahrscheinlich eine Entführung war und dass es Menschen gibt, die das junge Mädchen noch immer suchen. Und so tritt sie in Kontakt mit Kai, dem Bruder von Callie, der sofort mit seinem Motorrad angefahren kommt, um mehr von ihr zu erfahren. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach Spuren der Vergangenheit. Bis ein großes Unglück auf einer Insel, mehrere Explosionen, Brände und der Ausbruch eines seltsamen Virus ihnen klar macht — all das hat mit Callies Entführung irgendwie zu tun…

“Infiziert” wird in mehreren Teilen erzählt, die mit voran geschobenen Zitaten beginnen, die aus einem sogenannten “Manifest des Multiversums” von einem gewissen Xander stammen. Jene Person berichtet auch in dem furiosen Prolog von einem wissenschaftlichen Unfall, der sich im Jahr 1993 in Texas ereignete. Von etwas, das außer Kontrolle geraten ist: “Schallwellen reißen uns zu Boden. Heftige Kälte. Metallsplitter hageln auf uns nieder und Schlimmeres. Viel, viel Schlimmeres. Es entweicht. Trifft uns. Schmerz kommt. SCHMERZ. QUAL.” (Zitat S.5) Und Jahre später scheint es ein neues Forschungszentrum zu geben, einen neuen Ort, an dem Furchtbares geschieht. Hiervon berichtet — neben Shay — die zweite Erzählperspektive des Buches: Callie, das mittlerweile 12-jährige Mädchen, das dort als Forschungsobjekt gefangen gehalten wird. In sich abwechselnden Blickwinkeln berichten die beiden Mädchen von den Ereignissen. Und zu Beginn kann man gar nicht sagen, welcher Erzählstrang fesselnder ist. Unheimlich schnelle Wechsel, teils sehr kurze Kapitel (mit einem Countdown “Time Zero: 27 Stunden”) und eine flotte, angenehme Sprache — Teri Terrys Erfolgsrezept geht auf: atemlose Spannung! Was “Infiziert” den Touch Mystery verleiht, ist die Tatsache, dass gleich zu Anfang relativ schnell klar wird, dass Callie nach ihrer “Heilung”nur noch als Geist existiert: “Und dann hört der Schmerz plötzlich auf. Die Flammen brennen weiter und ich schwebe über mir. Das Feuer muss richtig heiß sein, sogar die Knochen verkohlen. Bald ist auch von ihnen nur noch Asche übrig. Bin ich tot? Muss ich ja wohl. Oder?” (Zitat S.21) Das wirkt zunächst etwas befremdlich, aber ermöglicht auch ungeahnte Perspektiven und eine Beobachtungsperson, die interessante Dinge zu berichten weiß. Und auch wenn es zwischendurch mal kurz etwas ruhiger wird (und eine Sache mir etwas zu sehr dem Zufall geschuldet war), muss ich sagen, dass das Buch wirklich Potential hat und man einfach von der Geschichte gefangen genommen wird: Es ist dramatisch, mitreißend und aufgrund der fast 500 Seiten hat man zum Glück auch jede Menge Stoff zum Lesen. Das Ende ist offen und macht neugierig auf Teil zwei, der 2018 erscheinen wird.