Profilbild von Traumwelten

Traumwelten

Lesejury Profi
offline

Traumwelten ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Traumwelten über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.12.2017

Wenn du ein Buch liest und plötzlich ein Deja vu Erlebnis hast...

Und du kommst auch drin vor
0

“Und du kommst auch drin vor” ist der neueste Roman der russisch-deutschen Autorin Alina Bronsky und erzählt die Geschichte eines Mädchen, das sich auf einer Autorenlesung in einem Buch wiedererkennt. ...

“Und du kommst auch drin vor” ist der neueste Roman der russisch-deutschen Autorin Alina Bronsky und erzählt die Geschichte eines Mädchen, das sich auf einer Autorenlesung in einem Buch wiedererkennt. Ein Buch über Schicksal, Freundschaft und die Suche nach der eigenen Identität. Turbulent, unterhaltsam und locker erzählt. Für Jugendliche ab 11 Jahren und Wenig-Leser bestens geeignet.

Berlin. Kim und Petrowna sind beide 14 Jahre alt. Und schon seit der Grundschule beste Freundinnen. “Wir sitzen seit dem ersten Schultag nebeneinander. In der allerersten Pause unseres Lebens haben wir uns geprügelt. […] Meine Mutter rief sofort die Klassenlehrerin, die Schulleiterin und die Schulpsychologin an und prophezeite, dass Kinder wie Petrowna mit dreizehn auf dem Straßenstrich landen. Am dritten Schultag haben wir aufgehört, uns zu prügeln, und sind seitdem unzertrennlich.” (Zitat S.6) Nur nach Hause darf Kim ihre beste Freundin nicht einladen. Petrowna, die eigentlich Erna heißt — so aber nicht genannt werden will und lieber ihren Zweitnamen verwendet — stammt aus ärmlichen Verhältnissen und einer scheinbar kriminellen Familie, ist aber Alina Bronsky - Und du kommst auch drin vorhochintelligent und schreibt die besten Noten. Kim, die eher etwas unscheinbarer ist, orientiert sich da oft an den Aufschrieben ihrer Freundin. In Kims Leben ist es auch gerade nicht ganz so rosig. Ihre Mutter ist auf dem Diät-Trip, der Vater ist ausgezogen und hat eine neue Freundin, die zudem auch noch schwanger ist. Darum staunt das Mädchen nicht schlecht, als sie auf einer Autorenlesung, die sie mit ihrer Schulklasse besuchen, plötzlich ihre eigene Geschichte hört: ”…ich konnte es nicht fassen. Was diese Leah Eriksson da nuschelte, handelte von mir. Von meiner Familie. Von meinem Leben. Von meinen Gedanken. Es kamen andere Namen drin vor und ein paar unwichtige Details stimmten nicht. Aber der Rest war ich.” (Zitat S.8) Wie kann das sein? Woher kennt die Autorin diese Details aus ihrem Leben? Kim, die es mit dem Lesen eigentlich nicht so hat, beschließt sich das Buch zu kaufen und weiterzulesen:
“Das Buch erzählte, wie es in meinem Leben weitergehen würde. Ich wollte das nicht wissen. Es gab noch einen Funken Hoffnung, dass diese Leah sich irrte. Aber mit so vielen Sachen hatte sie recht. Sie beschrieb mich, darin gab es gar keinen Zweifel. Und wie war mir voraus. Ich kämpfte gegen den Wunsch, das Buch hinten aufzuschlagen und das Ende zu lesen.” (Zitat S.24)
Denn am Ende wird es einen Toten geben. Und das muss Kim unbedingt verhindert…

“Und du kommst auch drin vor” ist eine Geschichte, die in einem sehr lockeren, leichten Erzählton geschrieben ist, fast schon ein bisschen lakonisch. Die Sprache ist einfach und schlicht, aber der Text ist sehr flüssig zu lesen. Ein Buch, das man gut mal so runterlesen kann. Die Grundidee ist gelungen, die zum Teil lapidare Berliner-Teenager-Art der Protagonistinnen gut getroffen, auch die humorvollen Untertöne kommen auf die genau richtige Art zum Vorschein. Jedoch muss ich gestehen — auch wenn der Roman unterhaltsam war — so wahnsinnig umgehauen oder gepackt hat mich die Geschichte nicht. Sie blieb zu sehr an der Oberfläche und das Ende wirkte zu unausgereift. Auch mit der Altersangabe der Protagonistinnen schien sich der Verlag nicht ganz so einig gewesen zu sein, auf dem Klappentext taucht das Alter 15 auf, im Buch selbst ist von 14 Jahren die Rede. Auch auf einschlägigen Internetseiten, die mit Inhaltsangaben werben, taucht mal das eine, mal das andere Alter auf. Das Cover wirkt auffällig und passend für die Zielgruppe.

Fazit: Nette Unterhaltung für Zwischendurch.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Nia und Aaron

Ein Teil von uns
0

“Ein Teil von uns” ist ein Roman der jungen, deutschen Autorin Kira Gembri. Wie auch in ihrem vorherigen Buch “Wenn du dich traust” geht ihr Erfolgsrezept auf: Man nehme ein ernstes Thema (diesmal: Organspende), ...

“Ein Teil von uns” ist ein Roman der jungen, deutschen Autorin Kira Gembri. Wie auch in ihrem vorherigen Buch “Wenn du dich traust” geht ihr Erfolgsrezept auf: Man nehme ein ernstes Thema (diesmal: Organspende), mische es mit einer romantisch-spritzigen Liebesgeschichte und füge noch eine große Portion Selbstfindung und das Ausbrechen aus alten Mustern hinzu. Fertig ist der Schmöker für junge Erwachsene, der sich sehr unterhaltsam und mit einer angenehmen Prise Humor liest. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen! Für Jugendliche ab 14, und besonders auch für ältere Leser.

Seit langer Zeit geht der nun 19-jährige Aaron zur Dialyse. Seine Nieren haben ihre Funktion eingestellt. Manchmal ist er sogar bereits erschöpft, wenn er nur eine Treppe nach oben steigt. So zu tun, als wäre alles perfekt, das gelingt ihm nicht: “Alle Menschen waschen ihre Klamotten, manche waschen Geld und ich wasche eben mein Blut. Kein Thema, oder? Aber nur ein Idiot würde mir dieses Theater abkaufen.” (Zitat aus “Ein Teil von uns” S.9). Lange wartet Aaron schon auf ein Spenderorgan, um endlich wieder ein normales Leben zu haben. Die 19-jährige Antonia, genannt Nia, führt ein von ihren Eltern vorherbestimmtes Leben. Sie soll Anwältin werden — ebenso wie ihre Erzeuger — und lernt fleißig für ihr Studium. Oft ist sie unsicher, aber sie versucht alles richtig zu machen und den hohen Anforderungen ihrer Eltern gerecht zu werden: “Meine Mutter und mein Vater legen beide großen Wert darauf, in jeder Situation Kira Gembri Ein Teil von unsHaltung zu bewahren: Wenn es ein Problem gibt, arbeitet man hart an einer Lösung oder man schweigt darüber. An diese Regel bin ich von früher Kindheit an gewöhnt, aber manchmal komme ich mir gegenüber meinen Eltern trotzdem so vor wie eine Fliege, die an eine Fensterscheibe prallt.” (Zitat S.15) Nur in einem Punkt widersetzt sich Nia ihren Eltern: sie will ihrer kranken Tante, zu der ihre Mutter nach Streitigkeiten keinen Kontakt mehr hat, eine Niere spenden. Doch bei der Operation stirbt ihre Tante an einem plötzlichen Schlaganfall und Nias Spenderorgan wird weitergereicht: an Aaron, der kurz darauf auf das verzweifelte Mädchen trifft. Und unwissentlich ihr gegenüber einen dummen Witz reißt, weil er sie ebenfalls für die Empfängerin eines Organs hält. Als er sich die Hintergründe zusammenreimen kann und sich bei ihr entschuldigen will, blafft Nia ihn nur an: “Wenn wir schon ganz ehrlich sein wollen, kann ich dir auch gleich sagen, dass du nicht die Niere meiner Tante erwischt hast. Jedenfalls nicht die, die in ihr gewachsen ist. Es war meine, die ich ihr unbedingt geben wollte, und jetzt ist sie tot und du trägst meine Niere in dir und…” […] Mühsam ringe ich nach Luft, um meinen Satz zu beenden. “…und ich habe noch nie irgendetwas so sehr bereut wie das.” (Zitat S.54).

Elf Monate später steht Aaron plötzlich wieder vor Nias Haustüre: er, der nun gesund ist und von Tag zu Tag fitter wird, empfindet die Spenderniere wie einen Fremdkörper. Und er hat das untrügliche Gefühl irgendetwas wieder gut zu machen. Also schlägt er Nia einen überraschenden Deal vor. Einen Deal, der sie bis ans Ende der Welt führt, bis nach Australien…

“Ein Teil von uns” bietet vom Cover her gleich einen gewissen Wiedererkennungswert hinsichtlich des vorherigen Titels, der jedoch komplett eine andere Geschichte mit eigenen Hauptfiguren erzählt. Die Perspektiven sind allerdings auch hier wieder kapitelweise abwechselnd gestaltet, was interessante Einblicke in die Gefühlswelt von Nia und Aaron zulässt. Die Charaktere sind authentisch und vollziehen — was mir immer sehr gut an den Büchern gefällt — eine schöne Wandlung. Zum Beispiel lernt Nia eigene Entscheidungen zu treffen, zu sich selbst und ihren Wünschen zu stehen und sich so zu akzeptieren, wie sie ist, fernab von den Vorstellungen ihrer Eltern. Toll sind auch die fetzigen Dialoge und Streitereien zwischen den beiden. Sie sorgen für mühelosen Lesefluss und humorvolle Unterhaltung. Die Autorin verrät auch nicht gleich immer alles. Das fällt besonders zu Beginn des Buches auf. Sie lässt ihre Protagonisten agieren und Dinge sagen, die der Leser nicht sofort versteht. Beispielsweise dachte ich zunächst Laura wäre eine Freundin von Nia, bis herauskommt, dass sie ihre Tante ist. Auch fragte ich mich, was für einen seltsamen Termin Nia hat, von dem ihre Eltern sie dringend abhalten wollen. Dieses Erzählprinzip sorgt für Spannung und für eifriges Miträtseln. Auf jeden Fall wird es nicht langweilig! Und bald dann auch schön romantisch…

Fazit: Die perfekte Lektüre zum Abtauchen!

Veröffentlicht am 14.12.2017

We were Liars...

Solange wir lügen
0

Die amerikanische Autorin E. Lockhart hat mit “Solange wir lügen” ein ganz außergewöhnliches Buch geschrieben. Ein Roman über eine angesehene Familie, über Lügen, Liebe und eine Wahrheit, nach der erst ...

Die amerikanische Autorin E. Lockhart hat mit “Solange wir lügen” ein ganz außergewöhnliches Buch geschrieben. Ein Roman über eine angesehene Familie, über Lügen, Liebe und eine Wahrheit, nach der erst gesucht werden muss. Der hochgelobte, amerikanische Bestseller, jetzt im Deutschen. Hochgelobt — zu Recht. Empfehlenswert: absolut! Spannend. Literarisch. Romantisch. Überraschend. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

Sie sind reich. Sie sind jung. Sie sind bildhübsch. Und sie verbringen jeden Sommer auf der Privatinsel der Familie vor der Küste von Massachusetts. Die Sinclairs. Da sind die Großeltern Harris und Tipper, die drei Töchter Penny, Carrie und Bess. “Die Sinclairtöchter waren braun gebrannt und wunderschön. Sie waren groß, fröhlich und reich wie Prinzessinnen aus einem Märchen. Sie waren in ganz Boston, Harvard und auf Martha’s Vineyard für ihre Kaschmircardigans und ihre grandiosen Partys bekannt. Sie waren gemacht für Legenden.” (Zitat aus “Solange wir lügen” S.16). Auf der Privatinsel ließen die Eltern der drei Frauen drei Häuser bauen, für jedes ihrer Töchter und deren neuen Familien eines. Eine große Schar von Enkelkindern trifft sich dort in den Sommermonaten wieder. Carry hat zwei Söhne: Johnny und Will. Penny eine Tochter namens Cadence. Und Bess hat drei Töchter: Mirren, die Zwillinge Liberty und Bonnie und einen Sohn namens Taft. Erzählt wird die Geschichte aus Cadence Sicht, die mittlerweile fast achtzehn Jahre alt ist: “Ich bin die älteste der Sinclairenkel. Erbin der Insel, des Vermögens und der Erwartungen. Na ja, vielleicht.” (Zitat S.17). Im Sommer, als Cadence fünfzehn war, hat ihr Vater die Familie verlassen. Es auch dieser Sommer, in dem sie Gat unerwartet näher kommt.

Gat, mit dem sie sich immer schon gut verstanden hat. Er ist der Neffe von Carries neuem Mann, den er schon vor sieben Jahren regelmäßig mit auf die Insel brachte. “Er hatte eine ausgeprägte Nase und schöne Lippen. Dunkelbraune Haut, schwarze gewellte Haare. Sein Körper strotzte vor Energie. Gat wirkte wie eine gespannte Feder. Als würde er auf etwas warten. Er war Einkehr und Begeisterung. Ehrgeiz und starker Kaffee. Ich hätte ihn ewig anschauen können.” (Zitat S.21). Doch dann ereignet sich ein Unfall im Meer, in Folge dessen Cadence ein Schädel-Hirn-Trauma erleidet. Sie kann sich an die Geschehnisse unmittelbar vor, während und nach dem Unfall nicht mehr erinnern. Man hat sie zitternd und völlig unterkühlt am Strand gefunden. Wahrscheinlich hat sie sich ihren Kopf an einem der scharfkantigen Felsen gestoßen. Etwa sechs Wochen nach dem Unfall bekommt sie seltsame Übelkeits- und Ohnmachtsanfälle. Immer wieder. Starke Migräne. Und die Ärzte sind ratlos. Sie muss viele Tabletten nehmen und verbringt den nächsten Sommer nicht auf der Insel. Ihr Vater, der sie sehen möchte, nimmt sie mit auf Europareise. Doch dann im Sommer, als sie siebzehn ist, darf sie wieder auf die Privatinsel. Wenn auch nur für vier Wochen. Und Cadence möchte sich erinnern. Sie will wissen, warum sich Gat sich nie mehr bei ihr gemeldet hat. Und sie will wissen, was damals passiert ist…

“Solange wir lügen” wird durchgehend aus Cadences Sicht erzählt. Der Text wechselt manchmal in andere zeitliche Abschnitte. Berichtet von vergangenen Sommern, jedoch so, dass man stets gut folgen kann. Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten die Familien und deren Kinder einzuordnen (einfach weil es so viele Namen sind), hierbei hilft allerdings der zu Beginn abgedruckte Stammbaum der Familie Sinclair. Der Roman ist in mehrere Teile untergliedert: Teil eins: “Herzlich Willkommen”, welcher mit einer Vorstellung der Familie beginnt, die voller Ironie ist: “Herzlich Willkommen bei den wunderschönen Sinclairs. Niemand von uns ist ein Verbrecher. Niemand ein Abhängiger. Niemand ein Versager. […] Wir sind Sinclairs. Niemand ist schwach. Niemand hat Unrecht. Wir wohnen, zumindest in den Sommermonaten, auf einer Privatinsel vor der Küste von Massachusetts. Vielleicht ist das schon alles, was ihr wissen müsst.” (Zitat S.11/12). In solch einer Familie aufzuwachsen und zu leben ist zugleich Privileg, als auch Druck, was sich immer wieder während des Buches deutlich zeigt. Teil zwei namens “Vermont” spielt hauptsächlich dort, wo Cadence und ihre Mutter außerhalb der Sommermonate leben und erzählen von der Zeit nach Cadences Unfall. Es erzeugt einiges an Spannung, herauszufinden, was damals wohl passiert sein könnte, da der Leser sich auf dem gleichen Wissensstand befindet wie auch Cadence. In Teil drei (“Sommer siebzehn”) richtet sich das Augenmerk auf die Geschehnisse des aktuellen Sommers. In Teil vier bricht die Wahrheit immer mehr hervor, um in Teil fünf schließlich eine überraschende Auflösung zu liefern. E. Lockhart verwendet einen sehr angenehmen Erzählton.
Manchmal reiht sie sehr kurze Sätze aneinander, rückt Satzstücke in unterschiedliche Zeilen und lässt das Erwähnte dadurch intensiver wirken: “Früher war ich blond, aber jetzt sind meine Haare schwarz. Früher war ich stark, aber jetzt bin ich schwach. Früher war ich hübsch, aber jetzt sehe ich krank aus. Seit meinem Unfall leide ich an Migräne. Schwachköpfe kann ich nicht leiden. Ich mag es, wenn etwas mehrere Bedeutungen hat.” (Zitat S.12). Sie schafft es besondere Bilder zu erzeugen, um Gefühle herüberzubringen. Diese in all ihrer Heftigkeit dargestellt zu bekommen, berührt und lässt noch mehr am Innenleben der Protagonistin teilhaben. Beispielsweise stellt E. Lockhart den Auszug von Cadences Vater auf eine ganz außergewöhnliche metaphorische Weise dar, bei der man erst einmal realisieren muss, dass das nicht echt ist, sondern nur bildhaft gemeint ist: “Dann zog er eine Pistole und schoss mir in die Brust. Ich stand gerade auf dem Rasen und ich fiel. Die Einschussstelle klaffte weit auseinander und mein Herz rollte aus meinem Brustkorb ins Blumenbeet. In rhythmischen Stößen quoll Blut aus meiner offenen Wunde, aus meinen Augen, meinen Ohren, meinem Mund. Es schmeckte nach Salz und Versagen. Hellrot tränkte meine Scham, nicht geliebt zu werden, das Gras vor unserem Haus, die gepflasterte Auffahrt, die Stufen zur Veranda. Mein Herz zuckte zwischen den Pfingstrosen wie eine Forelle.” (Zitat S.14). Auch die aufkeimende Liebe zwischen Gat und Cadence wird äußerst sensibel erzählt. Sehr schöne Dialoge zwischen ihnen finden sich in dem Roman, die man am liebsten immer wieder und wieder lesen möchte. Ebenso kurze Märchen, die zur Wahrheitsfindung beitragen, sind in die Geschichte mit eingeflochten. Romantik, Spannung, Authentizität und das ganz besondere Ende, das sind wohl die größten Stärken dieser Geschichte, die definitiv das Potential zu einem Lieblingsbuch hat. Empfehlenswert!

Veröffentlicht am 14.12.2017

Am Ende ist der Anfang...

Endland
0

Der deutsche Politikwissenschaftler und Journalist Martin Schäuble hat mit “Endland” eine Geschichte von höchster Brisanz geschrieben. Ein dystopischer Roman über Rechtsextremismus, Radikalisierung, Flüchtlingspolitik ...

Der deutsche Politikwissenschaftler und Journalist Martin Schäuble hat mit “Endland” eine Geschichte von höchster Brisanz geschrieben. Ein dystopischer Roman über Rechtsextremismus, Radikalisierung, Flüchtlingspolitik und einem fiktiven Deutschland, in dem eine rechtspopulistische Partei an die Macht gekommen ist. Dramatisch, hochaktuell und sehr spannend umgesetzt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und vor allem für Erwachsene.

Ein Deutschland der Zukunft: Eine rechtsnationale Partei hat das Land seit einiger Zeit fest im Griff und so wie viele andere Staaten hohe Grenzmauern errichtet: “Über der acht Meter hohen Betonwand verläuft Stacheldraht. Dreifach. Da passt nicht mal mehr eine Hand durch.” (Zitat aus “Endland” S.32). Hier patrouilliert Anton mit seinem besten Freund Noah, die beide ihren Wehrdienst ableisten.

“Wir kennen uns schon ewig, haben zusammen Abi gemacht. Später will Noah Mark Zuckerberg beerben und außerdem ein neues Google erfinden. Er ist eher so der bescheidene Typ. Ich bin kein Nerd. Ich will was mit Menschen machen, nicht mit Cyborgs. Vielleicht verlängere ich auch erst mal bei der Armee, bis mir was gutes einfällt.” (Zitat S.35)

Die Armee wurde vergrößert, die Aufrüstung ist in vollen Zügen und auch ein neues Bündnis mit Russland Martin Schäuble Endlandist geplant. Den Euro gibt es nicht mehr und aus der EU ist das Land auch schon längst ausgetreten. Noah ist mit alldem nicht wirklich einverstanden. Auch, dass es jetzt keine staatliche Arbeitslosenhilfe mehr gibt, sondern alles privatisiert wurde und die Atomkraftwerke nicht abgeschaltet werden, gefällt ihm gar nicht. Darüber können er und Anton oft streiten, wenn sie nicht gerade Computerspiele zocken und zusammen abhängen. Doch dann erhält Anton einen zweifelhaften Auftrag seines Vorgesetzten…
Fana lebt in Äthiopien in äußerst ärmlichen Verhältnissen. In ihrer Heimat hat — ausgelöst durch den Klimawandel — eine Hungersnot das Land fest im Griff. Sie lebt mit ihren Eltern in einem einzigen Raum. Strom und fließendes Wasser, das gibt es nicht jeden Tag. Fenster müssen sie bei Regen nicht extra schließen, denn sie haben keine. Eine Gemeinschaftstoilette gibt es für das ganze Viertel, in dem sie wohnen. Dennoch will Fana unbedingt Medizin studieren.

“Drei Mal die Woche unterrichte ich Deutsch. Im Krankenhaus verdiene ich viel zu wenig. Ist auch nur ein Aushilfsjob dort. Ich spare für mein Studium. Besser gesagt, ich spare, um während des Studiums nicht zwölf Stunden am Tag arbeiten zu müssen. So wie es derzeit läuft, habe ich infünfzig Jahren das Geld Martin Schäuble Endlandzusammen.” (Zitat S.10) Bis sie eines Tages von einer Deutschen namens Karla angesprochen wird, die ihr einen lukrativen Job in Afar in einem Krankenhaus anbietet. Sie soll dort als Übersetzerin arbeiten. Doch der Alltag ist hart. 18 Stunden Arbeit am Tag — das ist normal. Ihr Zimmer im Gästehaus muss Fana bald verlassen, weil dort Patienten unterkommen müssen. Die medizinische Versorgung ist eine Katastrophe. Doch eines Tages macht Karla Fana einen überraschenden Vorschlag. Sie soll nach Deutschland auswandern: “Und du meinst echt, ich hätte in Deutschland eine Chance?” “Fana, die meisten Länder in Europa sind dicht. Aber in Deutschland kenne ich viele Leute. Die meisten sind Ärzte, Kollegen. Sie können dir helfen. Sie finden einen Job für dich an einer Klinik, so wie in Afar. Und damit finanzierst du dann dein Studium.” “Und das Leben meiner Eltern.”
“Du verdienst in Deutschland an einem Tag, was deine Eltern in einem Monat benötigen.” (Zitat S.57)

Also macht Fana sich mit einem Schleuser auf den gefährlichen Weg nach Deutschland. In ein Land, das Flüchtlinge eigentlich kaum mehr haben will. Und im letzten Flüchtlingslager der Nation trifft Fana auf Anton…

“Endland” wird aus drei Sichten in der Ich-Perspektive erzählt. Es sind alle drei Protagonisten, die abwechseln zu Wort kommen: Fana, Anton und Noah. Vor allem Fanas Lebensgeschichte, die sehr ausführlich geschildert wird, liest sich sehr berührend. Die Sprache ist angenehm und der Erzählstil sehr flüssig. Es gibt eigentlich keine Sekunde, in der man sich irgendwie langweilen könnte, die Spannung wird konsequent aufrechterhalten. Und das Gedankenexperiment, das Martin Schäuble mit seinem Roman wagt, ist gut durchdacht. Lange Zeit hat sich der Autor und Politikwissenschaftler mit der AfD beschäftigt, Wahlkampfveranstaltungen besucht, Gespräche geführt und sich damit auseinandergesetzt, was Menschen so faszinierend an dieser Partei finden. Er ist jedoch auch nach Äthiopien gereist und hat dort vor Ort recherchiert, um seinen Roman glaubwürdiger zu gestalten — und dies ist ihm zweifellos gelungen. Der Titel (“Von wegen Deutschland!”, sagt Noah. “Endland, so müsste man das Land jetzt nennen…”) und das Cover sind ebenfalls sehr passend. Ein tolles Buch für eine Buchvorstellung oder als Klassenlektüre!

Veröffentlicht am 14.12.2017

Ich warne dich...!

Sag nie ihren Namen
0

“Sag nie ihren Namen” des englischen Autoren James Dawson erzählt die Legende der “Bloody Mary” auf seine ganz eigene Art und Weise und entführt seine Leser in ein Mädcheninternat. Ein schön schauriger ...

“Sag nie ihren Namen” des englischen Autoren James Dawson erzählt die Legende der “Bloody Mary” auf seine ganz eigene Art und Weise und entführt seine Leser in ein Mädcheninternat. Ein schön schauriger Horrorthriller, der souverän erzählt ist. Nun neu als Taschenbuch erschienen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.

England. Piper’s Hall. Ein Mädcheninternat in einem gruselig wirkenden Schloss. Selbst die Einwohner des naheliegenden (fiktiven) Ortes Oxsley wollen nichts mit den als Zicken verschrienen Mädchen zu tun haben. Eine heimliche Runde Jugendlicher — fünf Mädchen und zwei Jungs, die sich eingeschlichen haben — haben sich an Halloween zusammengefunden. Die 16-jährige Roberta, die von allen Bobbie genannt wird, hat sich von ihrer besten Freundin Naya überreden lassen, an dem Treffen teilzunehmen. Eigentlich hat sie mit Jungs ja nicht so viel am Hut, aber einer der beiden — Caine -, den Oberzicke Grace mitgebracht hat, hat es ihr irgendwie angetan. Nachdem ein paar Gruselgeschichten die Runde machen, beschließen die Jugendlichen den Geist der “Bloody Mary” zu rufen, um den sich viele Legenden ranken. Sadie — ein Mädchen der Gruppe — behauptet, dass eben jene Mary Worthington eine Schülerin von Piper’s Hall gewesen sein soll, die sich hier erhängt hatte. Es sind schließlich Caine, Bobbie und Naya,die mutig genug sindJames Dawson - Sag nie ihren Namen, sich in einem Waschraum vor den Spiegel zu stellen und fünf Mal ihren Namen zu nennen. Angeblich soll das den Geist der Toten heraufbeschwören. Diejenigen, die dies bereits in der Vergangenheit getan haben, sollen kurze Zeit danach spurlos verschwunden sein. Nach ein wenig Gruselei und Gelache trennen sich die Jugendlichen voneinander und gehen alle ins Bett. Doch am nächsten Morgen beginnen schon die Ungereimtheiten: Bobbie findet nach dem Duschen einen Schriftzug auf dem beschlagenen Spiegel: “Noch fünf Tage”. Dann auf einmal haben sie, Naya und Caine gleichzeitig Nasenbluten. Und Bobbie sieht verschwommen wie ein irgendwie seltsames Mädchen ihre Brille klaut. Ein Mädchen, um dessen Körper herum sich auf dem Boden eine Lache von Flüssigkeit befindet. Der Boden, der kurze Zeit danach wieder komplett trocken ist. Ist es etwas Mary? Dann fangen auch noch die Alpträume an und ein Mädchen aus ihrer Gruppe verschwindet urplötzlich. Es ist Sadie. Sie hat “Bloody Mary” wohl ein paar Tage zuvor schon herbeigerufen. Fünf Tage zuvor. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt für Bobbie, Naya und Caine…

“Sag nie ihren Namen” beginnt mit einem unheilvollen Prolog, der das Verschwinden eines Mädchens und “Bloodys Mary’s” Rolle hierbei hervorhebt. Der anschließende Hauptteil wird durchgehend aus Bobbies Sicht erzählt. Die Sprache ist einfach und teilweise recht jugendsprachlich, was mir nicht immer gefallen hat, aber auch an der Übersetzung liegen könnte. Manche Metaphern sind auch ein wenig überzogen. Ansonsten liest sich der Thriller sehr flüssig und gut. Man geht mit der Protagonistin auf Spurensuche und darf sich auf ein dramatisches Ende freuen. Auch eine kleine Liebesgeschichte ist in das Buch integriert, die neben jeder Menge Grusel und nervenaufreibenden Momenten, noch für ein klitzekleines bisschen Romantik sorgt. Insgesamt gesehen eine unterhaltsame Lektüre, die für Gänsehaut sorgen wird!