wie eine Nachtigall im Baum
Wer die Nachtigall stört ...„Atticus hatte recht. Er hatte einmal gesagt, man kenne einen anderen Menschen erst dann, wenn man in seine Haut schlüpfe und eine Weile darin herumginge.“ S. 444
Die kleine Scout lebt mit ihrem Bruder ...
„Atticus hatte recht. Er hatte einmal gesagt, man kenne einen anderen Menschen erst dann, wenn man in seine Haut schlüpfe und eine Weile darin herumginge.“ S. 444
Die kleine Scout lebt mit ihrem Bruder Jem, ihrem Vater Atticus, dessen Schwester Alexandra und der farbigen Calpurnia im beschaulichen Maycomb im Süden der USA. Der Sklavenhandel ist weitgehend abgeschafft und aus ehemaligen Baumwollpflückern sind Hausdiener geworden. Die Rechte der farbigen Bevölkerung sind dennoch kaum verbessert. Als ein junger farbiger Mann wegen Vergewaltigung vor Gericht gestellt wird und Atticus dessen Verteidigung übernimmt, erfährt Scout, wie unterschiedlich sich die Rassentrennung in den Köpfen der Menschen manifestiert.
„Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee galt lange als das einzige Buch der Autorin. Es wurde bereits 1960 erstveröffentlicht und gewann unter anderem den Pulitzer – Preis. Weiterhin wurde es in 40 Sprachen übersetzt und gilt als eines der bedeutendsten Werke der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts.
Obwohl schon vor mittlerweile fast 60 Jahren veröffentlicht, hat der Roman bisher nur wenig an Aktualität verloren. Wenngleich die Problematik der Rassentrennung in den USA weitegehend vom Tisch ist, so ist es doch noch immer weltweit aktuell, wenn auch nicht mehr nur auf die farbige Bevölkerung bezogen. Der Roman wird aus der Sicht von Scout erzählt, die mit ihren 8 Jahren ein bisher unbekümmertes und freies Leben hatte. Durch Atticus haben sie und ihr Bruder früh gelernt, dass alle Menschen die gleichen Rechte erhalten sollten und es keine Bevorteilung der einen oder anderen Rasse geben sollte. Der Prozess zeigt ihr und den Lesern des Buches auf, wie stark viele Vertreter der weißen Bevölkerung aber an ihrer Sonderstellung festhalten.
Durch die Erzählweise eines Kindes bekommt das Buch einen sehr ehrlichen Charakter und als Leser wird man daran erinnert, wie es ist die Dinge aus der Sicht eines Kindes zu betrachten. Genauso sehr zeigt es aber auch auf, wie verstörend und verletzend viele Handlungen auf Kinder wirken können. Besonders gut gefallen hat mir eine bestimmte Situation im Buch, als es nur durch das kindliche eingreifen von Scout möglich war, eine aufgeheizte Situation zu entschärfen. Auch die vielen Stücke, die Scout, Jem und ihr Freund Dill während der Ferien über immer aufführen, spiegeln die Gesellschaft dar und wie sehr sie das kindliche Heranwachsen beeinflusst.
Mit den unterschiedlichen Charakteren im Buch hat Harper Lee einen interessanten Überblick über die verschiedenen Haltungen der Menschen. Atticus ist ein besonnener Vater, dem es wichtig ist seinen Kindern beizubringen, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollten. Seine Schwester Alexandra verkörpert die Schicht der eleganten weißen Frauen, die mehr auf Tratsch und Eleganz aus sind als auf Gleichberechtigung. Calpurnia als farbige Haushälterin ist den Kindern in vielen Situationen wie eine Mutter und weiß sich entsprechend zu verhalten in Gesellschaft. Auch Boo Radley als düsterer Nachbar zeigt auf, wie sehr man sich doch von Äußerlichkeiten täuschen lassen kann.
„Wer die Nachtigall stört“ ist gleichermaßen erfrischend kindlich, wie auch bedrückend. Aber auf jeden Fall eine Bereicherung für die eigene Bibliothek.