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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2016

Genial. Einfache Themen, tolle Zeichnungen

Hilo 01
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D.J. ist ein stinknormaler Junge. Ganz schön nervig, denn alle anderen können irgendetwas verdammt gut. Eines Tages sieht J.D. wie etwas vom Himmel fällt und dieses Etwas stellt sich als Hilo heraus. Der ...

D.J. ist ein stinknormaler Junge. Ganz schön nervig, denn alle anderen können irgendetwas verdammt gut. Eines Tages sieht J.D. wie etwas vom Himmel fällt und dieses Etwas stellt sich als Hilo heraus. Der blonde Junge muss lernen, dass Grass nicht schmeckt und eine Unterhose als Kleindung nicht reicht. D.J. nimmt ihn mit nach Hause und will ihm helfen. Doch bald erkennen sie, dass Hilo noch viel mehr Hilfe braucht und die ganze Erde auf dem Spiel steht.
Genial
Wir sind alle von Hilo begeistert! Ich habe es meinem Sohn nach dem ersten Lesen in die Hand gedrückt und eigentlich sollte er da ins Bett. Zwei Stunden später kam er mit leuchtenden Augen wieder runter und erklärte, er habe das Buch durch. Am nächsten Tag hat er Hilo noch zweimal gelesen und seitdem begleitet es ihn überall hin. Zur Oma, zum Einkaufen, … Die Zeichnungen sind sehr gut und der Druck zeigt eine hohe Qualität, was bei so vielen Bildern einfach wichtig ist. Nicht jedes Bild ist mit Text, dafür sprechen die Zeichnungen teilweise sehr für sich. Das erzeugt viel Atmosphäre und Handlungsgeschwindigkeit.
Thematisch simpel
Die Themen, die in Hilo angesprochen werden, sind dabei geradezu simpel. D.J. fühlt sich in seiner „Normalität“ als Außenseiter, sowohl in der Schule als auch Zuhause. Dank Hilo und seiner Freundin, die frisch aus der Großstadt zurückgekehrt ist, lernt er seine eigenen Besonderheiten kennen. Genau das sind auch die Stärken, die die Handlung beeinflussen. Genauso muss Hilo lernen, sich seinen Ängsten zu stellen und verstehen, dass Weglaufen nicht immer hilft. Einfache Themen, die aber gerade bei der Zielgruppe hochaktuell sind und hier deutlich, aber trotzdem nicht zu direkt angesprochen werden.
In sich Stimmig
Das schöne ist, dass Hilo dadurch auf gewisse Weise zeitlos wird. Die Probleme, die Hilo und D.J. betreffen erfährt jedes Kind – oft sogar mehrmals. Im Grunde sind es solche, die auch uns Erwachsene noch immer beschäftigen. Gerade hier zeigt sich, dass Hilo zwar primär junge Leser anspricht, aber auch für ältere noch allerhand zu bieten hat. Kleinigkeiten im Humor beispielsweise, die Kinder nicht immer verstehen. Schön sind auch die immer wieder kehrenden Pointen, etwa wenn Hilo immer zur Begrüßung schreit, weil er das bei D.J. beobachten konnte. Aber auch die Kritik an den unterschiedlichen Eltern, die ihren Kinder entweder kaum beachten oder aber in eine bestimmte Richtung drängen wollen, spricht nicht nur den jungen Leser an.
Fester Platz im Regal
Bei uns hat sich Hilo einen festen Platz im Bücherregal verdient. Schlimm findet mein Großer nur, dass er bis nächstes Jahr warten muss. Da soll nämlich im März der zweite Band erscheinen. Und den werden wir uns nicht entgehen lassen.

Veröffentlicht am 26.10.2016

Gutes Thema, etwas fehlt

Noah will nach Hause
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Janie liebt ihren Sohn Noah über alles. Die Alleinerziehende hat es nicht leicht und kämpft für sich und ihren Sohn. Doch Noah hat Albträume und schreit immer wieder nach seiner anderen Mama. Seine Mutter ...

Janie liebt ihren Sohn Noah über alles. Die Alleinerziehende hat es nicht leicht und kämpft für sich und ihren Sohn. Doch Noah hat Albträume und schreit immer wieder nach seiner anderen Mama. Seine Mutter weiß sich nicht mehr zu helfen und sucht bei Psychologen Rat. Jerome Anderson hat sein Buch über das Phänomen der Wiedergeburt eigentlich schon beendet, als Janie ihn kontaktiert. Sie will ihrem Sohn helfen, zu vergessen und ist an die Grenzen des für sie Glaubhaften gestoßen. Aber will Anderson das auch?
Noah will nach Hause ist ein Buch über Vergessen und Erinnern in seinen extremsten Formen. Während Noah von einem anderen Leben träumt, steht Jerome vor der Gefahr, alles im Leben zu verlieren. Das große Vergessen steht vor ihm. Eine Krankheit droht, im die Fähigkeiten des Ausdrückens, der Sprache zu nehmen. Und Sprache ist ihm so ungemein wichtig. Sprache und Erinnerung bilden eine feste Einheit. Verlieren wir das eine, was bleibt noch vom anderen? Und anders herum hilft uns das Erinnern, Wörter zu finden, die wir eigentlich noch nicht kennen, wie es bei Noah der Fall ist. Ein sehr gut gewähltes Thema, eine ausdrucksstarke Verknüpfung von Erinnern und Vergessen, Reden und Schweigen, Sprache und Tod.
Neben dieser ausgeklügelten Thematik ist die Umsetzung leider nicht ganz so ausgereift. Großartig Umgesetzt ist die Verzweiflung der Figuren. Janies Machtlosigkeit vor Noahs Anfällen. Jeromes Angst vor dem Vergessen. Und der umfassende Schmerz, der anhand der „anderen“ Familie gezeigt wird. Daneben leider immer wieder Oberflächlichkeiten und Konflikte, die zu schnell vom Tisch sind, die tiefe Geschichte zu einfach machen. Immer wieder Spannungsmomente, die einfach fallen gelassen werden. Das verschwundene Kind, die Konfrontation mit dem Täter, das Erkennen des Gegenübers. Viel wird da einfach nicht aufgegriffen und umgesetzt. Und das ist wirklich schade.
So wird Noah will nach Hause zu einem gemütlichen Lesegenuss, der die Tiefe, die er haben könnte, nie erreicht. Das finde ich einfach nur schade. Die großartig angelegte Thematik wird dadurch zusammengestaucht und nicht ausgespielt. Die Konflikte und die Auswirkungen von Noahs Erinnerungen werden gerade zu Beginn toll gezeigt und schrumpfen im Verlauf schrecklich zusammen. Noah will nach Hause ist kein spirituelles Buch, sondern versucht durch Beispiele und Zitate aus anderen Beispielen, die zumindest teilweise realen Berichten entsprechen (beispielsweise dem Fall Shanti Devis) eine gewisse Glaubhaftigkeit aufzubauen, die mehr wissenschaftlicher Untersuchung entspricht.
Das kann der Roman aber in keinem Fall leisten. Stattdessen stattet er das Thema Widergeburt mit einer Leichtigkeit aus, die der Tiefe der Thematik nicht gerecht wird. Vieles bleibt dabei nur angetastet und verliert sich. Für Zwischendurch ist das Buch ideal, mir hat einfach etwas mehr Tiefe und Spannung gefehlt, um die verschiedenen Ebenen zusammenzuführen und zu einem würdigen Ergebnis zu kommen.

Veröffentlicht am 20.10.2016

Die Promotion als Zwischenhölle

Studierst du noch oder lebst du schon?
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Jeanne Dargan ist unzufrieden mit ihrem Leben als Lehrerin. Da kommt es ihr gerade recht, dass sie als Doktorandin zugelassen wurde. Enthusiastisch stürzt sie sich zurück in die Uni, ohne Stipendium und ...

Jeanne Dargan ist unzufrieden mit ihrem Leben als Lehrerin. Da kommt es ihr gerade recht, dass sie als Doktorandin zugelassen wurde. Enthusiastisch stürzt sie sich zurück in die Uni, ohne Stipendium und Job. Ihr berühmter Doktorvater stellt sich als Egomane heraus, die Institutssekretärin lebt nach dem Motto, wer arbeitet verliert und auch das Unterrichten an der Uni läuft nicht so, wie Jeanne sich das erträumt hat. Außerdem liegt ihr ihre Familie schnell damit in den Ohren, wie lange so eine Promotion denn braucht und was danach eigentlich kommt. Fragen, auf die auch Jeanne keine Antwort weiß.
Die Inhaltsangabe zeigt es deutlich, es geht hier weniger um ein Studium, als eine Promotion. Jeanne geht selbst nicht in Seminare, sondern gibt welche. Das ist ein ziemlicher Unterschied. Gleichzeitig schlittert Jeanne aber gerade darum in die Lethargie des eigenverantwortlichen Lernens und Schreibens. Niemand sagt ihr, was sie zu tun hat, das muss sie schön alleine herausfinden. Und schnell zeigt sich, dass so eine Arbeit gar nicht so einfach zu organisieren ist. Von wegen einfach nur schreiben.
Immer wieder gibt es in der Grafik Novel Zeitsprünge von mehreren Jahren. Dadurch geht durchaus etwas verloren. Jeanne wird von der euphorischen Neudoktorandin zur lethargischen Dauerpromovierenden. Überall sieht sie sich darum angegriffen. Beziehungen, Freundschaften, Familie – Jeanne schafft es einfach nicht, ihre Promotion da auszuklammern und von ihrem Privatleben zu trennen. Ein wichtiger Punkt, der auf viele Promotionssituationen zutrifft. Wer sich tagein tagaus mit einem Thema beschäftigt, dem fällt es schwer, über etwas anderes zu reden. Und der Unwille der Mitmenschen wächst.
Jeanne versteht nicht und wird gleichzeitig missverstanden. Gleichzeitig kann die Dissertation nicht die erste Rolle in ihrem Leben spielen, weil sie Geld verdienen und arbeiten muss, um die Promotion überhaupt zu finanzieren. Keine leichte Situation, die auch an Jeanne ihre Spuren zeigt. Nun ist dieses Grafik Novel aber keinesfalls ein schwarzgezeichnetes Manifest gegen Promotionen. Viel mehr arbeitet es die schwierigen Punkte gelungen komödiantisch ab. Etwa wenn Jeanne nackt in ihrer Wohnung die tiefen Fragen ihrer Dissertation zergrübelt, oder wenn ihr Doktorvater ihr sinnlose Antworten auf ernste Fragen liefert. Ein bisschen schwarzer Humor, durchaus, aber er sitzt.
Dass Jeanne ihr Ziel erreicht, ist ein fragliches Ergebnis. Immerhin zeigt Studierst du noch oder lebst du schon anhand befreundeter Doktoranden die Lage auf dem wissenschaftlichen Arbeitsmarkt – miserabel. Auch die Aussichten, was mit der Promotion am Ende anzufangen ist sind eher ernüchtern – im Grunde nichts. Promovieren, das zeigt sich aber, muss mit Leidenschaft und Durchhaltevermögen angegangen werden. Es ist keine schnelle Sache und eine, die das Leben so vereinnahmt, dass die Frage berechtigt ist, ob ein Doktorand denn noch studiert oder schon lebt. Eine Frage, die Jeanne jedenfalls nicht beantwortet.
Die als Zwischenhölle zugespitzte Situation jedenfalls ist makaber, aber amüsant. Heillos übertrieben, und gerade dadurch im Bann des Sarkasmus auf die Realität ausgerichtet. Die Zeichnungen passend und gerade in ihren Eigenheiten stark. Nicht beschönigend, sondern wie die Geschichte realistisch, sarkastisch, amüsant. Ein Buch, das jedem Promovierenden und allen im Uni-Betrieb Freude machen wird.

Veröffentlicht am 19.10.2016

Interessant, kleine Schwächen

Confidence Code
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Der Untertitel „Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und revolutionäre Praxis-Tipps“ lässt schon vermuten, dass Confidence Code irgendwo eine Mischung aus Laien-Sachbuch und Ratgeber ist. Der Schwerpunkt ...

Der Untertitel „Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und revolutionäre Praxis-Tipps“ lässt schon vermuten, dass Confidence Code irgendwo eine Mischung aus Laien-Sachbuch und Ratgeber ist. Der Schwerpunkt liegt aber klar auf der Sachbuch-Ebene. Katty Kay und Claire Shipman machen sich gemeinsam auf, Forschungen, Ergebnisse, Versuche und Theorien das Selbstvertrauen betreffend unter die Lupe zu nehmen. Im Mittelpunkt steht dabei speziell das weibliche Selbstvertrauen, dass sich nach Meinung der Autorinnen vom männlichen unterscheidet. Dabei sprechen sie mit Fachleuten, Wissenschaftlern, erfolgreichen Frauen unterschiedlichster Bereiche und kommentieren Versuchsreihen.
Dass die Welt der Karriere auch eine Welt des Selbstvertrauen ist, dürfte keine große Überraschung sein. Nicht nur Leistung zählt im Leben, das wissen wir schon lange. Auch, wie man sich selbst präsentiert ist wichtig. Der Künstler nennt das Bühnenpräsenz, manche reden auch vom Bild, das jemand von sich selbst zeigt. Selbstvertrauen wird hier schnell heruntergebrochen auf Auftreten. Und doch schaffen es die Autorinnen Vorsicht walten zu lassen. Indem sie nämlich von Anfang an nicht erklären, was Selbstvertrauen ist, und sich dann auf die Suche nach Strategien machen, sondern viel mehr immer wieder fragen, was Selbstvertrauen alles sein kann. Nicht klar zu definieren zieht sich dieser Begriff durch das Buch und gewinnt gerade dadurch Schärfe.
Neben dem Bild nach Außen gehört zu Selbstvertrauen nämlich auch das Bild nach Innen. Und hier zeigt sich gerade in den zahlreichen Gesprächen mit Profisportlerinnen, Politikerinnen, Geschäftsfrauen, dass Selbstvertrauen keine feste Größe ist, sondern immer Situationsabhängig. Frauen, so suggeriert es das Buch, leben in einem stetigen Selbstzweifel, der auch noch so viel Selbstvertrauen nicht wettmachen kann. Jeder Fehltritt wird von ihnen selbst als Katastrophe gewertet. Und so oft die Autorinnen sich bemühen, das Selbstvertrauen allgemein zu fassen und erst dann auf die Frauen zu schauen, fehlt hier der Blick auf den Mann. Dem wird eine Unbekümmertheit unterstellt, eine Ignoranz der eigenen Fehler und damit auch ein umfassendes Selbstvertrauen per se. Gespräche mit Männern über diesen Punkt aber liefert das Buch nicht und geht schlicht von einer alltäglichen Differenz aus.
Biologisch gesehen, das zeigen Katty Kay und Claire Shipman anhand verschiedener Forschungen, gibt es wohl tatsächlich einen. Hormonell betrachtet und durch verschiedene Strukturen. Auch auf die Genetik werfen die beiden einen genauen Blick, scheuen sich auch nicht ihre eigenen Gene auf Selbstvertrauen untersuchen zu lassen. Schnell wird aber klar, dass es zwar verschiedene biologische Gründe geben mag, warum jemand über mehr oder weniger Selbstvertrauen verfügt, diese aber nicht absolut sind. Vielmehr kommt auch hier der äußere Einfluss auf den Plan. Eltern, Umwelt, Erziehung, Erfahrungen. All das kann aus jemandem, der nach seinen Genen ein Selbstvertrauens-Überflieger sein müsste, einen zurückhaltenden, ängstlichen und unterwürfigen Menschen machen, und andererseits kann jemand ohne genetische Vorteile Selbstvertrauen trainieren und behalten.
So interessant und durchaus neu die verschiedenen Forschungsergebnisse auf das Selbstvertrauen auch sind, so simpel und alltäglich scheinen die Praxis-Tipps, die das Buch liefert. Von Meditation bis zu Übungen, von leeren Phrasen bis zum guten Rat, den schon Oma parat hatte – hier liefert Confidence Code zwar ausgezeichnete Begründungen für die jeweiligen Strategien, die Tipps selbst dagegen sind weniger innovativ.
Ich fand Confidence Code sehr interessant und betrachte nach dem Lesen mein eigenen Auftreten durchaus anders. Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich über meine Haltung, meinen Gang und auch meinen Sprechanteil in Unterhaltungen anders denke und aktiv etwas ändere. Im Vergleich zum „männlichen“ Selbstvertrauen hat mir der direkte Vergleich gefehlt. Hier bietet das Buch doch eher Mutmaßungen, als Untersuchungen, so dass ich nach dem Lesen keinesfalls behaupten kann, Männer hätten von Grund auf ein anderes Selbstvertrauen. Dafür kenne ich aber zu viele Männer, die ihre eigenen Handlungen oft so zerdenken, wie es die Autorinnen allein den Frauen zuschreiben.

Veröffentlicht am 18.10.2016

Durchgefallen

Casting
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Jovis lebt in einer Welt, in der alles ercastet werden muss. Nur wer gewinnt, bekommt Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Wer nicht mehr mitmacht wird ausgecastet und fristet sein Dasein in einer ...

Jovis lebt in einer Welt, in der alles ercastet werden muss. Nur wer gewinnt, bekommt Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Wer nicht mehr mitmacht wird ausgecastet und fristet sein Dasein in einer Fabrik unter miserablen Bedingungen. Nur die herrschende Klasse kennt Wohlstand und bestimmt, welche Casting überhaupt weiterlaufen, denn der Zuschauer entscheidet. Als Jovis in dieser Welt, wo jeder gegen jeden kämpft, Jo trifft und sich mit ihr anfreundet beginnt er, einen Ausweg zu suchen. Einen Weg zu Freundschaft, Familie, Gemeinschaft.
Mich hat die Medienkritik sehr interessiert. Sogenannte Castingshows pflanzen sich in der Fernsehlandschaft fort, wie es Kaninchen nachgesagt wird. Ich war sehr gespannt, wie das bei Casting umgesetzt wird. Auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft hat mich neugierig gemacht. Nicht zuletzt war es die Frage, wie in einer Welt ohne Vertrauen dennoch Freundschaft keimen kann. Leider wurden die vielen Möglichkeiten der Materie kaum genutzt.
Stattdessen gehen viele Fragen schnell in den Leerlauf. Jovis und Jo freunden sich einfach an und finden auch schnell weitere Freunde. Castings gibt es eben. Fabriken gibt es eben. Das System gibt es eben, ohne das Gründe genannt werden. Dabei sind Jovis und Jo keinesfalls einfache Kinder, sondern Jugendliche. Außerdem wird erwähnt, dass die Zeit vor den Castings kaum eine Generation zurück liegt. Jovis kann sich noch daran erinnern, mit seiner Mutter in einem Haus mit Garten gelebt zu haben, bevor die Castings Überhand genommen haben. Trotzdem ist die gesamte Gesellschaft nur noch auf Castings eingestellt, normale Berufe gibt es nicht mehr, die Menschen wissen nicht einmal mehr, wie sie sich um sich selbst kümmern sollen.
So gut der Ansatz auch ist, so unvollständig ist die Umsetzung. Beispielsweise gibt es in Museum, in dem Handwerker bei ihrer Arbeit beobachtet werden können. Diese Menschen sind betont alt. Das sticht sich für mich mit der Aussage über Jovis frühe Kindheit. Die Menschen vergessen ja nicht einfach von heute auf morgen ihre Schulbildung und Ausbildung, wenn sie gezwungen werden, bei Castings mitzumachen. Auch der Ausgang der Geschichte ist zwar nett, aber nicht konsequent. Von Profit auf Wohltäter in zwei Seiten. Und die Frage, nach der herrschenden Klasse stellt sich der Roman im Grunde nicht. Wenn alle in Castings sitzen oder für sie arbeiten, wer produziert dann, wer arbeitet, wer schaut fern? Die ominösen Anderen haben jedenfalls keinen Raum im Roman.
Auch die Namensgebung erinnert eher an ein humoristisches Kinderbuch. „Quassel Strippe“ und „Kon To“ agieren neben „Schlawienchen“, „Admiral“ und „Kami Katze“. Das wirkt schnell gezwungen komisch und in einer Dystopie in der Ausprägung auch irgendwie fehl am Platz. Gleiches gilt für den oft sehr einfach gehaltenen Stil, die Aussagen, die sich  mitunter widersprechen. Ein wichtiges Beispiel ist für mich Jovis‘ Mutter, die in einer Fabrik wohnt, weil sie den Castings den Rücken gekehrt hat, von ihrem Sohn aber besucht wird und ihn besucht, und der Überraschung Jovis‘ als er erfährt, dass „ausgecastete“ in Fabriken wohnen. Der Roman ist hier schlicht nicht konsequent, und leider nicht nur hier.
Casting. Spiel ums Leben hat einen guten Ansatz und könnte eigentlich auch ein guter Roman sein. Der Stil ist in den Grundzügen gut, allein die Ausarbeitung passt nicht zur Dystopie und dem Genre des Jugendbuchs. Eine kuriose Mischung aus kindlichen Elementen, die hier eher kindisch wirken und Protagonisten, die dem schon entwachsen sind. Casting hat mich leider nicht begeistern können.