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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.02.2022

100 Jahre und kein bisschen leise - eine beeindruckende Autobiografie

Wir sind nur noch wenige
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Diese beeindruckende Autobiografie ist die Lebensgeschichte von Guy Stern, der 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren wurde. 1937 gelingt es dem Sohn jüdischer Eltern, als einzigem seiner Familie ...

Diese beeindruckende Autobiografie ist die Lebensgeschichte von Guy Stern, der 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren wurde. 1937 gelingt es dem Sohn jüdischer Eltern, als einzigem seiner Familie in die USA zu emigrieren. 1944 kehr er im Rahmen des „Unternehmen Overlord“ nach Europa zurück. Er gehörte der sogenannten „Ritchie Boys“ an, einer Spezialtruppe der US-Army, die deutsche Kriegsgefangene verhörten.

Nach dem Krieg studiert er Romanistik und Germanistik. Guy Stern lehrt an zahlreichen amerikanischen Universitäten und hat, im Gegensatz zu vielen anderen emigrierten Juden, keine Scheu, auch in Deutschland zu lehren.

Guy Stern ist Träger zahlreicher, auch deutscher, Auszeichnungen.

Meine Meinung:

Diese Autobiografie hat mich sehr berührt, da sie lebendig und authentisch erzählt wird. Ich hätte gerne mehr von den anderen „Ritchie Boys“ gelesen, denn der Titel suggeriert ein wenig, dass sich diese Soldaten später immer wieder getroffen haben und aufgrund des Geburtsjahres immer weniger werden.

So erfahren wir sehr viele Details aus dem, an Aufregung reichen Leben des Guy Stern. Interessant ist, dass er dem Verbleib seiner Familie nicht weiter nachgeht, als klar ist, dass sie in einem der Vernichtungslager des NS-Regimes ermordet worden sind.

Eindrucksvoll wird auch die Arbeit jener Organisationen geschildert, die dafür sorgen, dass zahlreiche Kinder aus jüdischen Familien aus Deutschland auswandern konnten. Nicht verschwiegen werden die bürokratischen Schikanen sowie auch die Zufälle, die Günther damals gerettet haben. Denn Günther ist mit seinen fünfzehn Jahren knapp an der Altersgrenze (16 Jahre), die für die Emigration gelten.

Guy Ritchie hat zeit seines Lebens, das nun schon 100 Jahre währt, immer nach vorne geblickt und sich nicht unterkriegen lassen. Daran sollten sich die Menschen von heute ein Beispiel nehmen, wenn wegen jeder Kleinigkeit gejammert wird.

Fazit:

Eine beeindruckende Autobiografie, die ich sehr gerne weiter empfehle und der ich 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Wie Hitler die ganze Welt täuschte

Berlin 1936
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Wenn derzeit gerade Tausende Sportlerinnen und Sportler um olympische Medaillen in Peking kämpfen, ist dieses Buch passend. Es gibt durchaus einige Ähnlichkeiten zwischen den Olympischen Spielen 1936 und ...

Wenn derzeit gerade Tausende Sportlerinnen und Sportler um olympische Medaillen in Peking kämpfen, ist dieses Buch passend. Es gibt durchaus einige Ähnlichkeiten zwischen den Olympischen Spielen 1936 und denen von 2022. Hier wie da wird die Weltöffentlichkeit durch die gewaltige PR getäuscht. Ist es 1936 eine Alibi-Jüdin, die an den Spielen teilnehmen darf, so ist es 2022 eine uigurische Fackelläuferin, während rund zwei Millionen Uiguren in diversen Umerziehungslagern gefangen gehalten werden.

Doch zurück ins Jahr 1936.

Wir folgen zahlreichen Sportlerinnen und Sportlern, hören uns in Berlin und Umgebung um, und tauchen ein in die Scheinwelt, die das NS-Regime für die Welt aufgebaut hat. Während dieser 16 Tage werden die Repressalien gegen die Juden vor allem in Berlin quasi ausgesetzt. Man will ja ein offenes multikulturelles Deutschland zeigen. So dürfen jüdische Bars und Nachtlokale den verpönten Swing spielen, Homosexuelle werden zwar beobachtet, doch vorerst in Rue gelassen. Während sich die Sportler auf ihre Wettkämpfe vorbereiten, macht das Regime dasselbe, um nach dem Erlöschen des Olympischen Feuers, das ihre zur Vernichtung von Andersdenkenden neu zu entfachen.

Wir dürfen auch den einen oder anderen Gast wie den amerikanischen Schriftsteller Thomas Wolfe begleiten, der in Berlin seinen Verleger Ernst Rowohlt trifft. Anfangs ist Wolfe fasziniert vom „neuen“ Deutschland, das so blitzblank erscheint. Erst die Hinweise einiger Betroffener, öffnet ihm die Augen. Er wird seine Erlebnisse nur wenig später zu Papier bringen.

Meine Meinung:

Oliver Hilmes ist für seine akribische Recherche bekannt. Hier in diesem Buch hat er sogar den Wetterbericht ausgegraben. So beginnt jeder Tag der Olympischen Spiele mit der Wettervorhersage des Reichswetterdienstes.

Und so ist auch das Buch gegliedert: Jedes der sechzehn Kapitel steht für jeweils einen Tag der Spiele.

Wir erleben die Triumphe von Jesse Owens mit, der auf die Gratulationen und den Handschlag von Adolf Hitler verzichten muss. Das ist vermutlich das einzige Mal in seinem Leben, wo die Diskriminierung der Schwarzen positiv zu sehen ist.

Zwischen den sportlichen Highlights sind immer wieder Sequenzen aus dem Kunst- und Kulturleben eingeflochten. Doch auch das Leben der Bevölkerung wird nicht ausgespart. So erfahren wir, dass trotz aller Bemühungen den ausländischen Gästen die „heile Welt“ vorzuspielen, einige Personen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Dazu lesen wir einige dürre Zeile aus den Polizeiberichten.

Oliver Hilmes gibt in diesem Buch die schizophrene Welt der Olympischen Spiele von 1936 wieder. Er unterstützt den Text durch zahlreiche Fotos und Zitate.

In einem „Was wurde aus..?“ erfahren wir, wie es einigen der erwähnten Personen nach den Olympischen Spielen ergeht. Wie wir es von Oliver Hilmes gewöhnt sind, gibt es ein Verzeichnis der Anmerkungen und ausführliche Quellen- und Literaturangaben.

Fazit:

Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte, bevor man sich durch das Olympische Spektakel blenden lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Berlin, 24. Juni 1922
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Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine ...

Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine Welt des Umbruchs ein. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der damals noch der „Große Krieg“ geheißen hat, gerät die bisher bekannte Welt aus den Fugen: Die Monarchie ist Geschichte, doch gibt es Bemühungen sie wieder zu errichten, wenn auch ohne den Kaiser. Und auch andere Regierungsformen wie die Räteregierungen wollen sich etablieren. Wie es häufig ist, wird aus Angst vor den Sozialisten und/oder Kommunisten die Gefahr von rechts völlig übersehen oder negiert.

So kann sich die „Organisation Consul“ wie ein Krake über ganz Deutschland ausbreiten. Dieses Netz, das ganz Deutschland überzieht, rekrutiert seine Anhänger vor allem unter den Beamten der Polizei und der Justiz sowie den arbeits- und nutzlos gewordenen Militärs. Allen diesen Gruppen ist die toxische antisemitische Haltung gemeinsam. Die wird noch durch die Dolchstoßlegende und zahlreiche andere Lügen befeuert.

In diversen „Probeläufen“ werden Menschen wie Matthias Erzberger (1921) ermordet bis die Lage am 24. Februar 1922 mit der Ermordung von Walther Rathenau ihren Höhepunkt erreicht. Warum Rathenau? Rathenau symbolisiert das genauer Gegenteil der „Organisation Consul“ stehen: Er ist Jude, hat Charisma, will Frieden und Versöhnung sowie internationale Kooperationen, die die wirtschaftliche Situation Deutschlands verbessern soll.

Die Mitglieder der „Operation Consul“ wollen eine Revanche für den verlorenen Weltkrieg und den ihren Augen schändlichen Friedensvertrag.

„Die Frankfurter Zelle der Organisation Consul bestand durchweg aus gebildeten Menschen des Bürgertums, jenen Kreisen, die man als Stützen der Gesellschaft zu betrachten pflegte. Und jetzt sägten und sprengten und schossen die Nachkommen dieser Stützen um sich. Sie wollten etwas erneuern, indem sie die Machthaber der Gegenwart vernichteten. Was genau werden sollte danach, wussten sie nicht. Dem aufgeklärten Staatswesen der Demokratie setzten sie ihr Gefühl und eine Mythologie des Blutes entgegen. Wenn es deutsch war, dieses Blut, würde es schon seinen Weg in eine bessere Zukunft finden.“ (eBook S. 147)


Meine Meinung:

Minutiös hat Journalist und Buchautor Thomas Hüetlin die Ereignisse recherchiert, deren Höhepunkt eben die Ermordung Walther Rathenaus waren, die letztlich Adolf Hitler an die Macht brachten und Auswirkungen bis heute haben.

Mir hat der Einblick in das jüdisch-humanistische Leben der Zwischenkriegszeit, dessen Auslöschung mit der Ermordung Rathenaus beginnt, gut gefallen.

Erschreckend ist, dass es durchaus Parallelen zu heute gibt, wo Antisemitismus und rechtsradikales Gedankengut (wieder) salonfähig sind.

Fazit:

Dieses Sachbuch liest sich wie ein Thriller und fesselt trotz der vielen historischen Zahlen, Daten und Fakten bis zur letzten Seite. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Hat mich nicht vollends überzeugt

Waldviertelrache
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Klappentext:
Im Waldviertel herrscht Aufregung. Ein Großbauprojekt steht an. Es ist vor allem für die Wiener Bevölkerung gedacht, die im idyllischen Grünen residieren will. Die Bewohner protestieren, denn ...

Klappentext:
Im Waldviertel herrscht Aufregung. Ein Großbauprojekt steht an. Es ist vor allem für die Wiener Bevölkerung gedacht, die im idyllischen Grünen residieren will. Die Bewohner protestieren, denn ein Wald soll dafür gerodet werden. Dorfpolizist Sepp Grubinger muss die erhitzten Gemüter beruhigen. Auch, weil bei einem Umbau ein Skelett gefunden wurde. Als dann der Architekt des Wohnbauprojekts tot in einem leeren Pool liegt, kann ihm bei der Aufklärung nur eine helfen: PR-Lady Walli Winzer.

Meine Meinung:

Ach, wie hätten die Zutaten dieser Story, wie Immobilienspekulation, unerlaubte Rodung eines Waldstückes und der Fund eines eingemauerten Babyskeletts für ein köstliches Gericht von Korruption, Mauscheleien und Geheimnissen sorgen können. Doch leider ist nur eine lauwarme Suppe herausgekommen.

Die Handlung plätschert dahin. Die Gemüter der Dorfbewohner sind maximal von der Sommerhitze erhitzt, aber da auch nur einer, weil er seinen Pool ob der gekappten Wasserleitung nicht befüllen kann.
Walli Winzer recherchiert genauso wenig wirklich wie der Dorfpolizist Sepp Grubinger. Man stolpert durch den Krimi, der mäßig spannend ist.

Die Autorin verzettelt sich in zahlreiche Nebenschauplätze, wie zum Beispiel in das Leben des lesbischen Ehepaares, das über ein gemeinsames Baby durch IVF nachdenkt. Das hat mit der Krimihandlung genau nichts zu tun. Und welche Marmelade im Dorfladen verkauft wird, spielt für die Aufklärung des Mordes auch keine Rolle.

Es scheint, als ob aus der ohnehin eher ruhigen Krimireihe die Luft nun endgültig draußen wäre. Dabei böte ein hochpreisiges Wohnprojekt für Wiener am Rande eines Waldes, der einer unbewilligten Rodung zum Opfer fällt, jede Menge Konfliktstoff. Das Potenzial ist hier leider nicht genützt worden.
Selbst die Aufregung um das eingemauerte Baby-Skelett dauert nicht lange an.

Fazit:

Das Potenzial, das der Klappentext verspricht, ist hier leider nicht genützt worden. Leider kann ich hier nur enttäuschte 3 Sterne vergeben - einer davon gehört der Region Waldviertel, die ich sehr gerne mag.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Eiskalt tanzt der Tod
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Kriminalhauptkommissar Bodo Völxen bekommt von seiner Frau Sabine einen Tanzkurs als Fitnesstraining verordnet. Der etwas unsportliche KHK freut sich nur mittelmäßig auf Foxtrott oder Langsamen Walzer. ...

Kriminalhauptkommissar Bodo Völxen bekommt von seiner Frau Sabine einen Tanzkurs als Fitnesstraining verordnet. Der etwas unsportliche KHK freut sich nur mittelmäßig auf Foxtrott oder Langsamen Walzer. Aber, Tango, nein das geht ganz und gar nicht. Und so ist er nicht unfroh, als der charismatische Tanzlehrer beim Eintreffen zur nächsten Tanzstunde erschlagen im Foyer liegt. Denn, dass Aurelio Martinez seiner Frau schöne Augen macht, ist dem Völxen ein Dorn im Auge. Und Frau Völxen ist nicht die einzige Frau, die der Argentinier anbaggert.

Je tiefer Völxen und sein Team in die Umgebung des Mordopfers eindringen, desto seltsamer scheint das Arrangement in der Villa zu sein. Denn außer Aurelio und seiner Tochter wohnen noch zwei ältere Schwestern, die einander spinnefeind sind, in dem stattlichen Anwesen.
Und was hat der Mordversuch an einem weiteren Südamerikaner mit dem Tanzlehrer zu tun?

Dann entdeckt Völxen einen Hinweis aus der Vergangenheit von Martinez und die Auflösung liegt schlüssig auf der Hand, oder?

Meine Meinung:

Obwohl dies schon der 11. Krimi rund um KHK Völxen ist, ist dies mein erstes Buch von Susanne Mischke. Warum eigentlich? Der Krimi lässt sich allerdings auch ohne Vorkenntnisse sehr gut lesen.

Die Autorin lässt ihr Ermittlerteam gekonnt vielen Spuren nachgehen, die manchmal früher oder später erkalten und in eine Sackgasse führen. Hier wird Teamarbeit großgeschrieben, auch wenn Erwin Raukel, der „Wanderpokal“ der hannoverischen Polizei, sein eigenes Süppchen kochen will, weil er sich selbst als Erster Hauptkommissar sieht.

Mit Fernando Rodrigez hat Völxen gleich einen spanisch sprechenden Mitarbeiter zur Hand, wenn es darum geht, Briefe an und von Martinez zu übersetzen.

Sehr gut hat mir gefallen, wie subtil und unterschwellig die Autorin ihren Lesern eine wenig Geschichtsunterricht erteilt. Bei mir hat es ja gleich geklingelt, als ich gelesen habe, wann Martinez aus Argentinien nach Deutschland gekommen ist und, dass die Villa mit zahlreichen Gemälden ausgestattet ist. Meine Ahnung hat mich nicht getrogen. Genaueres verrate ich jetzt nicht.

Daneben spricht die Autorin auch aktuelle Themen an: Abgabenhinterziehung durch nicht angemeldetes, aber ausgenütztes Personal aus der Ukraine zum Beispiel oder soziale Projekt wie die Tanzstunden für Jugendliche, die den gut situierten Nachbarn ein Dorn im Auge sind, oder die Verhinderung von Abschiebungen.

Der Schreibstil von Susanne Mischke hebt sich wohltuend von zahlreichen anderen Krimis ab. Die Charaktere dürfen ihrer Herkunft und Rolle entsprechend, schwäbeln oder einen andere Sprachmelodie haben. Die verbindenden Texte sind in einer - für Krimis - gehobenen Sprache geschrieben. So habe ich das Wort „moribund“ schon lange nicht mehr gelesen. Das macht diesen Krimi für mich zu einem Highlight in der Krimi-Szene (und ich lese viele Krimis).

Eines ist jedenfalls sicher, ich werde die zehn Vorgänger lesen und verstehe gar nicht, wieso mir diese Autorin bislang nicht aufgefallen ist.

Fazit:

Ein Krimi aus Hannover, der bis zu letzten Seite fesselt und von mir eine Leseempfehlung und 5 Sterne erhält.