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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.10.2021

Hat mich bestens unterhalten

Ein Rindvieh für Gaddafi
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Günther Thönnes hat mit diesem Krimi eine herrliche Satire geschaffen. Er entführt seine Leser in das Wien der 1980er Jahre. Man fischt eine Leiche aus dem Donaukanal, der zuvor die Hände abgehackt und ...

Günther Thönnes hat mit diesem Krimi eine herrliche Satire geschaffen. Er entführt seine Leser in das Wien der 1980er Jahre. Man fischt eine Leiche aus dem Donaukanal, der zuvor die Hände abgehackt und die Zunge herausgeschnitten wurden. Zeichen, dass es sich um einen Verräter handeln muss?

Chefinspektor Erwin Wimmer, der nach seiner Lieblingsspeise „Sterz“ genannt wird, wird mit der Aufklärung des Mordes beauftragt. Recht schnell ist klar, dass er dabei in höchste Regierungskreise eintauchen muss. Er stößt auf einen, dem Ölpreiskrise von 1973 geschuldeten Deal mit dem libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi als der noch von den westlichen Regierungen hofiert worden ist.
Wimmers Tanzpartnerin Elisabeth Körner ist Lokalreporterin und versorgt den Sterz mit einigen Informationen. So soll libysches Öl im Tausch gegen österreichische Rindviecher nach Österreich gekommen sein. Dieser von der Politik einfädelte Handel, scheint jahrelang perfekt funktioniert zu haben, bis ... das lest bitte selbst.

Meine Meinung:

Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen, bin ich doch in dieser Zeit augewachsen. Um Heizkosten zu sparen, wurden die Schulen im Februar eine Woche geschlossen, „Energieferien“ nannte man sie. Ohne groß darüber nachzudenken, wer die lieben Kleinen betreut. Wenig später hat dann die Tourismusbranche frohlockt: eine weitere Ferienwoche, in der man den Leuten hohe Preise, aber wenig Service bieten konnte. Aber das nur nebenbei.

Das Ermittlerduo Wimmer & Körner gefällt mir sehr gut. Er, 1,98 groß und sie, mit nur knapp 1,60 ein „Stummel“ (oder „Gschterml“ wie man in Wien sagt). Die beiden bewegen sich zu Walzerklängen im Gleichklang und haben auch sonst eine harmonische Beziehung, ohne die üblichen Querelen.

Sehr geschickt sind hier Fakten und Fiktion miteinander verwoben. Wir dürfen der einen oder anderen gewichtigen Persönlichkeit aus Österreichs Innenpolitik begegnen.

Ein klitzekleiner Recherchefehler ist mir aufgefallen: Wimmer kann kein 2-Schilling-Stück in den Schlitz des Münztelefons stecken, denn die gab es nur zwischen 1925-1938 und 1947-1957. Aber, das ist vernachlässigbar und fällt nur ganz wenigen auf.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, der mich bestens unterhalten hat. 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.10.2021

Ein gelungener Reihenauftakt

Des Kummers Nacht
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Dieser historische Krimi versetzt die Leser in das Berlin um 1855.
Die beiden Studenten Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt werden Zeugen einer Explosion im Nachbarhaus. Als sie zu Hilfe eilen, ...

Dieser historische Krimi versetzt die Leser in das Berlin um 1855.
Die beiden Studenten Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt werden Zeugen einer Explosion im Nachbarhaus. Als sie zu Hilfe eilen, finden sie eine Tote, die von der Wucht der Sprengladung aus dem Fenster geschleudert wurde. Wilhelm, der über ein fotografisches Gedächtnis verfügt, fallen bei der polizeilichen Einvernahme einige Ungereimtheiten auf. Zwar macht er sich durch die Details verdächtig, doch der Chef der Berliner Kriminalpolizei findet Gefallen an den Fähigkeiten des jungen Mannes und bietet ihm eine Job in seiner Truppe an. Wilhelm, Jura-Student gefällt die Arbeit. Dass er daneben noch ein Komplott, das sich gegen seine Eltern richtet, aufklärt, bestärkt seinen Entschluss, auch nach Aufklärung des Verbrechens an der jungen Frau, die sich als österreichische Gräfin herausstellt, fix in den Kriminaldienst einzutreten. Doch bis dahin vergehen interessante Lesestunden ...

Meine Meinung:

Der Mord an der, wie sich bald herausstellt, österreichische Adeligen verursacht Kopfzerbrechen bei der Berliner Polizei. Ist der Tod politisch motiviert? Oder doch ein Versehen? Oder ein Verbrechen aus Leidenschaft?

Gleichzeitig wird die Berliner Polizei erst aufgebaut. Man sucht fähige Männer und so kommt Wilhelm von der Heyden, der Sohn eines Junkers gerade recht. Obwohl für ihn eigentlich nur der höhere Staatsdienst in Frage kommt, setzt er sich durch und tritt, nachdem er gemeinsam mit Johann Schmidt, den komplexen Kriminalfall löst, ein.

Die Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Natürlich muss es einen Widersacher geben, der ausgerechnet der ehemalige Freund und Nachbarssohn Wilhelm von der Heydens ist. Interessant sind die Flashbacks und Albträume, denen Wilhem ausgesetzt ist. Ob wir im nächsten Band erfahren werden, was damaöls wirklich geschehen ist?

Geschickt werden historische Fakten und Personen mit Fiktion verquickt. So dürfen wir dem Gesandten Otto von Bismarck begegnen.

Der Schreibstil ist gefällig und zeugt von penibler Recherche. Ich mag historische Krimis, die einen Blick in die Bürgerhäuser werfen. Da braucht es für mich keine überbordende „Action“.

Der eine oder andere Leser wird sich über den Titel wundern: Er ist einem Gedicht entlehnt, das zu Beginn des Krimis steht.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt einer neuen historischen Krimireihe, der ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 10.10.2021

Leider kein LEsegenuss für mich

Ischgler Schnee
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Gleich vorweg, dieser Krimi hat mir nicht gefallen. Doch zum Inhalt:

Kurz nach dem Ski-Opening-Wochenende Im Tiroler Wintersportort Ischgl, deckt Inspektor Gruber, der Dorfpolizist durch Zufall eine Mordserie ...

Gleich vorweg, dieser Krimi hat mir nicht gefallen. Doch zum Inhalt:

Kurz nach dem Ski-Opening-Wochenende Im Tiroler Wintersportort Ischgl, deckt Inspektor Gruber, der Dorfpolizist durch Zufall eine Mordserie an fünf Personen auf. Für die örtliche Exekutive ist dies ein paar Nummern zu groß, weshalb ein (!) Kriminalbeamter aus Wien ins Paznaun geschickt wird, um den Täter zu fassen. Schon allein das ist unglaubwürdig. Dann werden weitere vier Menschen beinahe direkt vor den Augen des Kriminalbeamten getötet.
Ohne Soko, ohne Verstärkung tappt der, ursprünglich aus der Bezirkshauptstadt Landeck stammende, Polizist Harald Selikovsky in Ischgl herum.
Dann plötzlich fügt sich alles zu einem Bild zusammen und Selikovsky macht sich mit Gruber und einem alkoholkranken Piloten per HUbschrauber auf die Jagd nach dem Täter ...

Meine Meinung:

Der Titel „Ischgler Schnee“ ist sehr gut gewählt, denn es gibt nicht nur das gefrorene Wasser, sondern auch Kokain im Überfluss. Ischgl, seit dem Corona-Cluster im Vorjahr im Fokus von fern und nah, ist mir auch nicht unbekannt. Im Sommer des Jahres 1988 habe ich mehrere Wochen dienstlich im Paznauntal verbracht. Das und meine Neugier auf neue Autoren, war mit ein Grund, diesen Krimi lesen zu wollen. Damals hat der Ort im Sommer einer Geisterstadt geglichen. Es scheint, als hätte sich Ischgl nicht unbedingt zum Vorteil entwickelt.

Doch zurück zum Buch. Es gibt zahlreiche Fragen, die nicht schlüssig beantwortet werden. Warum ändert der Täter seine „Arbeitsweise“? Statt Gift ins Getränk nun brachiale Gewalt? Warum zerstückelt er ein 10-jähriges Urlauberkind? Ist der Hass auf die saufende, koksende und nur auf Halli-Galli ausgerichtete Menschenmenge sein Motiv? Wir werden‘s nicht erfahren, denn der Täter nimmt sein Geheimnis mit ins weiße Grab einer Lawine.

Ein eigenartiger Krimi, bei dem die Leser auch noch um die Auflösung dieser Fragen betrogen wird.

Der Schreibstil ist auch nicht so meines. Autor Gert Weihsmann, bringt zahlreiche Handlungsstränge in Ischgl zur Eskalation. Allerdings sind es durchwegs kaputte Typen, die den Weg nach Ischgl finden. Immer wieder beginnen verschiedene Protagonisten ihre Geschichte in der Ich-Form zu erzählen. Allerdings wird nicht deutlich, wann der Schwenk zu einer neuen Person passiert. Hier hätte eine deutliche Absetzung dem Leser helfen können, in die andere Perspektive zu schlüpfen.
Wie derzeit häufig, fehlen in der direkten Rede die Redezeichen und oftmals weiß man nicht, wer gerade spricht. Die verwendete Sprache ist derb und stößt häufig ab.

Renomée und Werbung für Ischgl ist dieser Krimi auf keinen Fall. Vermutlich wird er einigen doch gefallen, mir jedenfalls nicht.

Fazit:

Leider kein Lesegenuss. Hier kann ich gerade noch 2 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 10.10.2021

LIebe und INtrige in Rotheburg ob der Tauber

Die Seifenmanufaktur – Die Rezeptur der Träume
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Dieser historische Roman ist Auftakt einer Trilogie rund um die Seifensieder-Familie Grieb in Rothenburg ob der Tauber.

Der erste Teil spielt 1865. Hanna Grieb hat im Gegensatz zu ihrem Bruder Friedrich ...

Dieser historische Roman ist Auftakt einer Trilogie rund um die Seifensieder-Familie Grieb in Rothenburg ob der Tauber.

Der erste Teil spielt 1865. Hanna Grieb hat im Gegensatz zu ihrem Bruder Friedrich Interesse und viel Gespür für das Geschäft. Sie darf aber, den Gepflogenheiten der damaligen Zeit, ihre Ideen nicht einbringen. Höchstens Handlangerdienste und die Beurteilung einer Duftnote gesteht ihr der Vater zu.

Als Friedrich beim Baden beinahe ertrinkt, tritt Louis der gut aussehende Sohn des Arztes in ihr Leben. Louis ist auf dem Sprung nach Amerika, doch man vereinbart aufeinander zu warten und zu schreiben.

Während Hanna weiter versucht, den Vater von der Modernisierung der Seidenmanufaktur zu überzeugen, zettelt Henriette, Hannas Freundin, eine feste Intrige an.

Meine Meinung:

Die Autorin hat mit diesem Reihenauftakt einen leicht lesbaren historischen Roman geschaffen.

Nicht alle Handlungen der Protagonisten kann ich nachvollziehen. Hannas zum Beispiel. Obwohl sie weiß, dass Henriette so manche Wahrheit zu ihren eigenen Gunsten zu verdreht, fragt sie nicht bei Louis Eltern nach, ob die Post von ihrem Sohn erhalten haben. Sie vertraut Henriette blind und wirkt ziemlich naiv.
Was mich aber irritiert, ist die Haltung der Griebs. Zum einen darf Hanna in der Manufaktur nicht mitwirken, aber gleichzeitig erlauben sie Hanna den doch sehr fortschrittlichen Umgang mit Louis. In der damaligen Zeit durften behütete Töchter nur mit Anstandsdame oder Dienstmädchen das Haus verlassen. Tanz oder öffentliche Veranstaltungen sind nicht Usus.

Allerdings weist die Autorin in ihrem ausführlichen Nachwort auf das eher ungewöhnlich üppige Vereinswesen in Rothenburg hin. Gemeinhin, so denke ich, ist das Vereinsleben auf Männer beschränkt. Frauen ist der Zutritt eher verwehrt.

Ein bisschen mehr Informationen hätte ich mir zur Seifenherstellung gewünscht.
Ich bin schon auf die Fortsetzung „Der Duft des Neubeginns“ gespannt.

Fazit:

Ein leicht lesbarer historischer Roman, so richtig für zwischendurch, dem ich gerne 3 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 09.10.2021

"Töchter können mehr"

Hannerl und ihr zu klein geratener Prinz
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Dolores Schmidinger ist eine österreichische Schauspielerin und Kabarettistin, die bereits mehrere Bücher geschrieben hat. Dieses hier, ist die Familiengeschichte ihrer Mutter Johanna Deweis.

Die Autorin ...

Dolores Schmidinger ist eine österreichische Schauspielerin und Kabarettistin, die bereits mehrere Bücher geschrieben hat. Dieses hier, ist die Familiengeschichte ihrer Mutter Johanna Deweis.

Die Autorin lässt uns Leser in das Jahr 1938 zurückreisen, in dem sich für Österreich und seine Bewohner einiges ändert: Österreich hört auf zu existieren und wird als Ostmark Teil von Nazi-Deutschland.

Auch das Leben der jungen Sozialdemokratin Johanna Deweis wird auf den Kopf gestellt. Sie lernt den linkischen, erzkatholischen Josef Schmidinger kennen, der glaubt, ein neuer Caruso zu sein.

Dolores Schmidinger taucht tief in die Familiengeschichte ihrer Mutter Johanna ein, die als lediges Kind geboren wird, in einer Zeit, in der das in der bäuerlichen Gesellschaft des niederösterreichischen Waldviertels als schwerer Makel gilt. Barbara, Dolores‘ Großmutter, entflieht der dörflichen Enge und lässt das Hannerl in der Obhut der bäuerlichen Familie, während sie in Wien eine Ausbildung als Krankenschwester macht. Später wird sie dann Ignaz Deweis heiraten und mit ihm den gemeinsam Sohn Fredi haben. Das Verhältnis Barbara zu Hannerl wird nie sehr liebevoll sein. Der Stiefvater, ein überzeugter Sozialdemokrat, nimmt Hannerl zu den Versammlungen mit. Auf einer dieser Versammlungen wird sie, wie oben erwähnt, den Josef Schmidinger kennenlernen.

Meine Meinung:

Wer Dolores Schmidinger kennt, wird wissen, dass sie mit dem ihr eigenen fatalistischen Humor, ihre Herkunftsgeschichte aufarbeitet. Wir begegnen auf dieser Reise zahlreichen skurrilen Charakteren, die auch heute noch so, oder ähnlich anzutreffen sind.

Schmidinger zeigt mit spitzer Feder auf, wie Lebensträume am enervierenden Alltag scheitern, wie Frauen an gläserne Decken stoßen und sie sich - oft, um des lieben Friedens willen - klein machen (müssen). Da ist es nicht verwunderlich, dass Dolores Schmidinger eines ihrer Programme „Töchter können mehr“ nennt.

Sehr interessant ist auch ihre Sicht auf die begeisterten Anhänger des NS-Regimes und deren bigotte Mitläufer.

Fazit:

Ein interessanter Einblick in die Familiengeschichte der Dolores Schmidinger, der ich 4 Sterne gebe.