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Venatrix

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Veröffentlicht am 12.07.2019

Die deutsche Bundeswehr - ein Trauerspiel

Bedingt einsatzbereit
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Klappentext:

„Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand. Im In- und Ausland gilt sie mittlerweile als Lachnummer. Nichts fliegt, nichts schwimmt und nichts läuft mehr in der Truppe. Dabei sind ...

Klappentext:

„Die Bundeswehr ist in einem katastrophalen Zustand. Im In- und Ausland gilt sie mittlerweile als Lachnummer. Nichts fliegt, nichts schwimmt und nichts läuft mehr in der Truppe. Dabei sind ihre Aufgaben gewachsen. Spätestens seit sie nicht mehr hauptsächlich für die Landesverteidigung zuständig ist, sondern »un-sere Sicherheit am Hindukusch verteidigt«. Die Streitkräfte gehen in die zahl-reichen Einsätze mit dem schlimmsten Gefühl, das ein Soldat haben kann: nicht ausreichend ausgestattet zu sein. Für ein Land von der Größe und der globalen Bedeutung Deutschlands ist der miserable Zustand der Streitkräfte ein Skandal. Wie es so weit kommen konnte und was das für die Zukunft unseres Landes bedeu-tet, davon erzählt dieses Buch.“

Bisher dachte ich immer, nur das österreichische Bundesheer hat mehr innere als äußere Feinde, nämlich Geldmangel, Rost und zu viele Generäle. Deshalb schockiert mich dieses Buch über den Zustand der deutschen Bundeswehr doch sehr.

Der Autor zeichnet einen Weg der Pleiten, Pannen und sowie dem Versagen von Politikern. Wenn er erwähnt, dass mit einem Pflegenotstand auf Grund weg fallender Zivildiener, bei einer Umstellung auf ein Berufsheer, droht, hatte ich ein déjà-vu-Erlebnis. Mit solchen Argumenten hat man auch in Österreich, nach eine Volksabstimmung, Abstand von einer kleinen, feinen Truppe Abstand genommen. Jetzt haben wir nach wie vor die allgemeine Wehrpflicht, in der Fahrzeuge, Flugzeuge und Kasernen vor sich hin rosten bzw. zerbröseln.

Das Buch liest sich locker, denn die oft komplexen Sachverhalte werden anschaulich mit bissigem Humor, der bis hin zum Sarkasmus reicht, dargestellt.

Beschämend ist, dass die einzelnen Soldaten mit unzureichender Ausrüstung zu kämpfen haben, und dafür noch in den Medien diffamiert und von der Politik im Stich gelassen werden.

"Eine Armee ist für einen Staat nur dann sinnvoll, wenn sie in Sachen Personal, Material, Organisation und nicht zuletzt Moral so aufgestellt ist, dass sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Davon ist die Bundeswehr derzeit meilenweit entfernt und zwar sowohl als Bündnispartner in der Weltpolitik als auch im nationalen Rah-men." Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Fazit:

Die deutsche Bundeswehr - ein Trauerspiel, ein Buch das die Hintergründe gut erklärt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.07.2019

Dieser Fall geht unter die Haut

Sauglück
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Sandra Adametz, die vor rund 14 Jahren ihrer Familie den Rücken gekehrt hat, kommt kurz nach Buchau, um am Begräbnis ihrer Großmutter teilzunehmen. Doch bevor sie wieder nach Brüssel, ihrem Wohnort, zurück ...

Sandra Adametz, die vor rund 14 Jahren ihrer Familie den Rücken gekehrt hat, kommt kurz nach Buchau, um am Begräbnis ihrer Großmutter teilzunehmen. Doch bevor sie wieder nach Brüssel, ihrem Wohnort, zurück reisen kann, verschwindet ihr Großvater spurlos. Wolfgang „Lupo“ Schatz wird engagiert, um den alten Siegfried Adametz zu finden. Gemeinsam mit Gemeindesekretärin Dorothea „Dorli“ Wiltzing begibt er sich auf Spurensuche. Bald wird der Großvater tot in der Jauchegrube gefunden. Wer könnte ein Motiv haben, den als bösartig bekannten Altbauern, um die Ecke zu bringen? Sohn Adam oder dessen Gemahlin Erika? Oder die Tochter Kathi mit ihren unerzogenen Kindern oder doch der jüngste Sohn Lukas mit seiner geldgierigen Freundin? Oder der alkoholkranke Werner?
Alle, so stellen Dorli und Lupo fest, hätten ein Motiv und kaum einer ein Alibi. Als das Testament des Ermordeten verlesen wird, sind alle überrascht: Sandra ist Haupterbin und für die anderen gibt es, neben ziemlich harschen Worten, nur wenig zu erben.

Im Zuge der Recherchen entdecken Lupo und Dorli, dass auch die Großmutter keines natürlichen Todes gestorben ist und so ganz nebenbei, das Skelett eines Säuglings im Keller des Gasthofes Adametz.
Damit kommt ein entsetzliches Familiengeheimnis ans Tageslicht, das Jahrzehnte zurück liegt und auch dem österreichischen Jugendamt ein äußerst schlechtes Zeugnis ausstellt.

Doch wie hängt das mit den ermordeten Großeltern Adametz zusammen?

Meine Meinung:

Dieser vierte Krimi mit dem sympathischen Ermittlerpaar, das eigentlich unmittelbar vor seiner Hochzeit steht, ist nicht mehr so locker wie die vorhergehenden Fälle. Zwar blitz immer wieder der Humor durch, doch geht es im Wesentlichen um das Versagen der Jugendwohlfahrt bis spät in die 1970er Jahre: Die Behörde hat nämlcih Kinder von ihren Müttern getrennt und zu Pflegeeltern gebracht, einzig allein deshalb, weil es sich vielfach um ledige Mütter gehandelt hat. Nachdem die Pflegefamilien für die Aufnahme dieser Kinder recht großzügig entlohnt wurden, hat sich hier eine regelrechte Industrie entwickelt. Der Staat war zufrieden, weil Kinderheime entlastet wurden und die Pflegefamilien weil zusätzliches Geld und Arbeitskräfte ins Haus kamen. Die einzigen, die nichts davon hatten, waren die Mütter und vor allem die Kinder, die zum großen Teil schwere Arbeit auf Bauernhöfen verrichten mussten. Viele Kinder wurden misshandelt und missbraucht. Vielen Kindern hat niemand geglaubt und geholfen. Erst in den letzten Jahren wird dieser Skandal aufgearbeitet.

Mit diesem Thema hat die Autorin die Cosy-Krimi-Schublade endgültig verlassen. Natürlich treffen wir wieder auf den Bürgermeister Kofler und seine dümmliche Barbara Schöne, die zu allem Überfluss schwanger ist. Auch Lore, Dorlis Schwägerin hat, neben den Devils wieder ihren Auftritt.

Der Schreibstil ist nicht mehr ganz so leicht und locker, was aber dem Thema geschuldet ist. In Rückblenden werden die Schicksale mehrerer Kinder erzählt, die von den unhaltbaren Zuständen berichten. Frauen wie Männer haben sich hier schuldig gemacht. So ist es dem Mörder nicht einmal zu verdenken, Rache geübt zu haben.

Zu guter Letzt haben nicht nur Lupo und Dorli „Sauglück“ und können endlich ihre Hochzeit feiern, sondern auch Sandra Adametz findet einen Platz in der Familie.

Fazit:

Ein Fall, der unter die Haut geht. Gerne gebe ich hier 5 wohlverdiente Sterne.

Veröffentlicht am 12.07.2019

Auftakt einer österr. Krimi-Reihe

Saupech
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Dies ist der erste Band der Reihe rund um die Gemeindesekretärin Dorothea „Dorli“ Wiltzing und dem Wiener Detektiv Wolfgang „Lupo“ Schatz.

Weil ihre Tante Leni von einem Pensionistenausflug nicht mehr ...

Dies ist der erste Band der Reihe rund um die Gemeindesekretärin Dorothea „Dorli“ Wiltzing und dem Wiener Detektiv Wolfgang „Lupo“ Schatz.

Weil ihre Tante Leni von einem Pensionistenausflug nicht mehr nach Hause kommt, macht sich ihre Nichte Agnes Sorgen. Sie engagiert den Wiener Privatermittler Wolfgang Schatz. Die Spurensuche führt ihn an den Ort des Verschwindens, nach Buchau, einem kleinen idyllischen Dorf in Niederösterreich. Doch wie so häufig täuscht die Idylle, denn es gibt nicht nur die tote Tante sondern eine weitere Leiche.

Ist Tante Leni Augenzeugin des Mordes an dem Pecher geworden? Musste sie deshalb sterben? Und was hat der in Harz eingegossene Kopf zu bedeuten?

Als Ortsunkundiger führt Lupos Weg schnurstracks zu Dorli, der Gemeindesekretärin, die alle Bewohner der Ortschaft kennt. Dorli hat einen Hang zum „Kriminalisieren“ und bald ermitteln die beiden gemeinsam. Vor allem auch deswegen, weil sie der Polizei die Aufklärung des komplexen Falles nicht zutrauen.

Meine Meinung:

Die Autorin hat mit Dorli & Lupo ein erfrischendes Ermittlerduo geschaffen. Noch ist nicht ganz klar wer Sherlock Holmes bzw. Dr. Watson sein wird, oder ob Dorli vielleicht doch Ms. Marple den Rang ablaufen wird.

Zusätzliches „Personal“ sind: Polizist Leo Bergler, einst Bezirksinspektor, nun nach Weiterbildung ein Oberleutnant, und „Bär“, der Chef der „Devils“, einer Motorradgang, die Dorli quasi adoptiert hat. SO unterschiedlich diese Typen sind, sie haben eines gemeinsam: weitere Morde zu verhindern und die erfolgten aufzuklären. Daran wird gearbeitet, wenn auch mit unterschiedlichen und häufig unorthodoxen Mitteln.

Sehr gut hat mir gefallen, dass der Leser völlig unaufgeregt und unter-schwellig etwas über die Geschichte der Gegend und über die Pechgewinnung erfährt. Die Pecher sind eine vom Aussterben bedrohte Berufsgruppe. Nur mehr wenige beherrschen ihr Handwerk. Wozu man das Pech, wie man das Herz der Schwarzföhre brauchen kann? Man verwendet es als „Saupech“ zum Enthaaren der geschlachteten Schweine oder, ein wenig kultivierter als Grundlage für das Kolophonium, das zum gängig Machen des Geigenbogen nötig ist.

Der Titel „Saupech“ ist mehrdeutig. Erstens durch das oben beschriebene Produkt der Schwarzföhre und andererseits ist „Saupech“ die Steigerung für Pech also Unglück. Saukalt ist besonders kalt oder sauschwer wiegt mehr als schwer.

Die Dialoge sind witzig und liefern jede Menge Lokalkolorit. Für Spannung sorgt der kursiv geschriebene Teil der Handlung. Denn hier blicken wir dem Täter über die Schulter. Die Leser können hier miträtseln. Die Auflösung ist nach einigen Sackgassen und unerwarteten Wendungen schlüssig.

Für diejenigen, die über unbekannte Begriffe stolpern könnten, gibt es am Ende des Krimis ein ausführliches Glossar.

Tja, zum Schluss hat der Täter trotz aller Bemühungen, ein ordentliches Saupech.

Fazit:

Ein spannender und unterhaltsamer Krimi aus Österreich. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Sterben auf den Brettern, die die Welt bedeuten

Evas Spiel
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Autorin Verena Schindler lässt ihre Leser in die Theaterszene eintauchen. Schon der Titel „Evas Spiel“ weist darauf hin. Doch diese Überschrift kann auch eine mehrdeutige Botschaft sein.
Spielt Eva nur ...

Autorin Verena Schindler lässt ihre Leser in die Theaterszene eintauchen. Schon der Titel „Evas Spiel“ weist darauf hin. Doch diese Überschrift kann auch eine mehrdeutige Botschaft sein.
Spielt Eva nur auf der Bühne oder ist ihr ganzes Leben Theater oder spielt sie mit den Menschen in ihrem Umfeld? Oder spielt jeder mit jedem?

Doch von vorne: Eva Schuberth ist Schauspielerin, vielleicht nicht das große Naturtalent, wie sie selbst weiß. Sie muss sich die Bühne hart erarbeiten. Großen Anteil daran hat Victor, der charismatische und brillante Regisseur, der ein Meister der Manipulation ist.
Die Worte, die Victor bei ihrer ersten gemeinsamen Premiere zu Eva spricht, wird sie nie mehr vergessen:

»Bewahre dir diesen Moment, Eva, für immer.
Das ist, wofür du künftig leben wirst.«

Victor ist gnadenlos, wenn es darum geht, das Innerste aus den Schauspielern heraus zu holen. Das bekommen neben Eva auch Johannes und Johnny zu spüren. Viele Szenen sind brutal, schonungslos und bringen manchmal auch den Leser an seine Grenzen. Der Lohn für die Schinderei? Ein nicht enden wollender Applaus! Doch ist das alles, was das Leben zu bieten hat?

Bei der Premiere von Goethes „Faust“ kommt es zur Tragödie. Eva stirbt auf offener Bühne. Mord, Selbstmord oder Unfall? Wieso ist die Pistole eine echte und keine Theaterrequisite?

Der Traum jedes (?) Schauspielers, auf offener Bühne zu sterben, ist zum Albtraum geworden.

Meine Meinung:

Der Autorin gelingt es in ihrem Debüt ausgezeichnet Spannung zu erzeugen. Es ist schwierig, das Buch nicht in einem lesen. Denn es zeiht einen in einen Sog von Leidenschaft und Manipulation hinein. Es ist nicht eindeutig, ob Eva das Opfer von Victor ist oder welchen Anteil sie an dieser Situation hat. In diesem Spiel sind Eva und Victor kongeniale Partner, die beide die große Bühne (auch außerhalb des Theaters) brauchen. Neben diesen Hauptakteuren spielen auch die Schauspielerkollegen Johannes und Johnny ihre Rollen. Sei es als scheinbar falsche (?) Rollenbesetzung, der Schüchterne als diabolischer Mephisto, oder als Liebhaber von Eva.

Auch der Journalist Volker, ist nur eine Figur einer Inszenierung. Wer hat hier Regie geführt? Victor oder doch Eva?

Wie lässt Johann Wolfgang von Goethe seinen Faust zu dem magischen Moment der Glückseligkeit philosophieren:

„Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!“

Ich denke, diesen Augenblick hat Eva genossen.

Fazit:

Ein gelungenes Debüt, das mit den Gefühlen der Protagonisten und der Leser spielt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Eine Hommage an eine starke Frau

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg
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Mit diesem Porträt setzt die Autorin einer Frau ein Denkmal, die als Ehefrau eines Widerstandskämpfers gegen Hitler immer in dessen Schatten gestanden ist: Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, ihrer Mutter.

Nina ...

Mit diesem Porträt setzt die Autorin einer Frau ein Denkmal, die als Ehefrau eines Widerstandskämpfers gegen Hitler immer in dessen Schatten gestanden ist: Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg, ihrer Mutter.

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg (1913-2006), geborene Lerchenfeld, ist in einer Zeit aufgewachsen, in der „Contenance“ und Disziplin alles war. Als sie Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennen- und lieben lernt, setzt sie 1933 die Ehe mit dem jungen Offizier durch. Eine Liebesheirat in Adelskreisen? Zu dieser Zeit eine echte Seltenheit. Sie teilt ihren Mann nicht nur mit seinem Beruf sondern auch mit dem Dichter und Philosophen Stefan George bis zu dessen Tod 1933.

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg ist Mutter von vier Kindern und mit dem fünften schwanger, als der Umsturzversuch ihres Mannes und seiner Verschwörer am 20. Juli 1944 misslingt. Claus von Stauffenberg wird noch in der Nacht hingerichtet, sein Bruder Berthold wenig später. Die Familien werden in Sippenhaft genommen, Nina in verschiedene Gefängnisse bzw. KZ, die Kinder ins Kinderheim. In der Haft kommt im Jänner 1945 Konstanze, die Autorin, zur Welt.

Wie schafft es eine Frau mit dieser Geschichte zu überleben? Zum einem erhält sie, bis zu deren Tod, Hilfe und Unterstützung von ihrer Schwägerin Melitta von Stauffenberg, die als Flugzeugkonstrukteurin und Testpilotin, trotz der angeheirateten Verwandtschaft und der eigenen jüdischen Herkunft, für die Nazis unverzichtbar ist. Zum anderen halten der christliche Glaube und eben jene Contenance, die es fast nur in den adeligen Familien gibt, die junge Witwe aufrecht.

Obwohl Himmler versprochen hat, die „Sippe Stauffenberg auszurotten“, gelingt ihm dies nicht. Im Gegenteil, zu Nina von Stauffenberg 80. Geburtstag finden sich mehr als 40 Familienmitglieder ein.

Konstanze von Schulthess räumt auch mit dem lange gepflegten Bild, der ahnungslosen Ehefrau auf. Sie hält ihrem Mann den Rücken frei. Aus Sicherheitsgründen ist Nina von Stauffenberg nicht in die Details des Widerstandes eingebunden. Trotzdem weiß einiges, vernichtet Unterlagen und gibt auch unter den schlimmen Haftbedingungen nicht mehr preis, als der Gestapo ohnehin schon bekannt ist.

Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg überlebt ihren Mann um 62 Jahre und wird, wie die anderen Witwen der Verschwörer, niemals wieder heiraten. Sie alle halten ihren Männern die Treue.

Meine Meinung:

Konstanze von Schulthess hat ihren Vater niemals kennengelernt, kennt nur Erzählungen, Zeitungsberichte und Fotos. Ihre Mutter hat in den 1960er Jahre auf Drängen der Kinder eine Familienchronik verfasst, die, neben zahlreichen Gesprächen, Grundlage dieses Buches ist. Die Quellenlage ist nicht ganz einfach, weil Claus Schenk Graf von Stauffenberg als „gescheiterter Attentäter“ in die Geschichte eingegangen ist. Die Meinungen ob Held oder nicht, gehen auch 75 Jahre später noch auseinander. Viel Material ist vernichtet worden, um die Eingeweihten zu schützen, was ja bekanntlich nicht gelungen ist. Im Gegenteil, man hat den Umsturzversuch als zusätzlichen Aufhänger benutzt, mit unliebsamen Mitmenschen abzurechnen.

Gut gefällt mir, dass hier der Umsturzversuch aus Sicht der Frauen geschildert wurde. In vielen Werken über Stauffenberg und seinen Helfern herrscht die militärische Sicht vor. Sowohl bei der Vorbereitung als bei den Hinrichtungen danach. Über die Frauen und Familienangehörigen, die unter dem Terror der Nazis zu leiden hatten, ist wenig zu lesen. Daher halte ich dieses Porträt auch für ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, auch wenn es Jahre später und von einer Betroffenen geschrieben worden ist.

Die Autorin nähert sich ihre Mutter, die in den Jahren nach dem Krieg, scheinbar stoisch dem Aufwachsen ihrer Kinder gewidmet hat, wobei sie auch hier eher streng und unnahbar wirkt. Mit Kraftanstrengung und unbeugsamen Willen renoviert sie ihren Familiensitz, sammelt die geraubten Möbel und Haushaltgegenstände wieder ein.

Neben zahlreichen Fotos, die den Krieg überstanden haben, finden sich Anekdoten in diesem Porträt. Schmunzeln musste ich über den „Watschenbaum“, denn der ist auch in meiner Familie ein geflügeltes Wort. Wenn Großmutter oder Mutter gemeint haben, dass meine Schwester oder ich am „Watschenbaum rütteln“, war es höchste Zeit aus deren Sichtfeld zu verschwinden bzw. einen Gang zurückzuschalten.

Natürlich bleiben einige Fragen offen, da die Autorin manches nicht gefragt hat (was sie bedauert) und manches einfach nicht erzählt wurde.

Fazit:

Konstanze von Schulthess hat eine Hommage an eine bemerkenswerte Frau geschrieben, die zufällig ihre Mutter war. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.