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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.10.2018

Der Exodus der geistige Elite

Die Flucht der Dichter und Denker
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Herbert Lackner, Journalist und Autor, hat in seinem Buch „Die Flucht der Dichter und Denker“ die Leidenswege der intellektuellen Elite Deutschlands und Österreichs nachgezeichnet, die während der Nazi-Diktatur ...

Herbert Lackner, Journalist und Autor, hat in seinem Buch „Die Flucht der Dichter und Denker“ die Leidenswege der intellektuellen Elite Deutschlands und Österreichs nachgezeichnet, die während der Nazi-Diktatur aus ihrer Heimat fliehen mussten.

Viele dieser Geschichten sind in groben Zügen bekannt, doch ist es dem Autor gelungen, mir noch unbekannte Details ausfindig zu machen. Vor allem die sozialistischen und/oder kommunistischen Verfolgten sind nicht immer ganz so bekannt.

Immer wieder zieht Lackner Vergleiche mit den aktuellen Flüchtlingsströmen. So werden die Helfer der damaligen Zeit gelobt, obwohl der eine oder andere durchaus gut verdient hat. Heute wären sie alle Schlepper. Wenig bekannt ist auch, dass Eleanor Roosevelt sich intensiv für verfolgte Juden eingesetzt hat, ihr Ehemann, davon wenig begeistert war, weil er einen Wahlkampf zu gewinnen hatte. Ihrem Engagement ist der Einsatz von Varian Fry zu verdanken, der mit einer Liste der interessantesten (und vermutlich für die USA nützlichen) Flüchtlingen bewaffnet nach Europa reiste, um diese Menschen zu retten. Die Rettungsaktion war ursprünglich für rund 200 Personen gedacht, geworden sind es dann letzten Endes über 2.000. Die Hilfe Frys war recht pragmatisch und unterschiedlich. Manche Flüchtlinge hatten zwar die Dokumente beisammen, aber schlichtweg kein Geld mehr, die begehrten Schiffspassagen zu kaufen. Da konnte Fry mit seinen Dollars leicht helfen. Spannend, weil mir bislang unbekannt, ist die Geschichte des Bill Freier, der eigentlich Bil Spira heißt. Freier stammt aus Wien und fristet sein Dasein als Straßenzeichner in Marseille. Seine Begabung beim (Ver)Fälschen von Passbildern verhilft vielen Verfolgten zu neuen Papieren.

In einem Epilog berichtet Herbert Lackner, was aus einigen Flüchtlingen geworden ist.

Meine Meinung:

Ein sehr interessantes Buch, aus dem ich bislang Unbekanntes erfahren habe. Es passt gut zu Evelyn Steinthalers Buch „Mag’s im Himmel, mag’s in der Hölle sein“ das von berühmten Schauspielern berichtet, die mit einer jüdischen Partnerin verheiratet waren und Nazi-Deutschland nicht verlassen haben.

Den Anstoß zu Herbert Lackner Buch gab niemand geringerer als Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, dessen Ehefrau Margit, im schwedischen Exil ihrer sozialistischen Eltern, Anni und Otto Binder, zu Welt gekommen ist.

Fazit:

Eine gute Dokumentation über die Vertriebenen der Nazi-Zeit. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.10.2018

Fesselnder Auftakt einer Krimi-Reihe

Totenweg
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Totenweg/Romy Fölck/5 Sterne

Als Fridjof Paulsen von einem Unbekannten niedergeschlagen und schwer verletzt wird, kehrt seine Tochter Frida, eine angehende Kriminalbeamtin, nach Jahren der Abwesenheit ...

Totenweg/Romy Fölck/5 Sterne

Als Fridjof Paulsen von einem Unbekannten niedergeschlagen und schwer verletzt wird, kehrt seine Tochter Frida, eine angehende Kriminalbeamtin, nach Jahren der Abwesenheit wieder auf den elterlichen Apfelhof in den Elbmarschen zurück. Der Betrieb steht kurz vor der Pleite und Frida versucht Ordnung in das Chaos zu bringen. Während Paulsen um sein Leben kämpft, warten schon die Geier, um sich die besten Teile des Apfelhofs unter den Nagel zu reißen. Ist der Grundstückspekulant Schucht Drahtzieher des Überfalls?

Kriminalkommissar Bjarne Haverkorn ist mit den Ermittlungen zum Überfall auf Fridjof betraut. Ausgerechnet Haverkorn, jener Leiter der Mordkommission, der im Jahr 1998 den Mord an Fridas bester Freundin Marit Ott untersucht und nie aufgeklärt hat. Der ungelöste Fall hat Bjarne nie losgelassen und so lässt er bei den Ermittlungen um Fridjof Fragen nach der Vergangenheit einfließen. Haverkorn ist überzeugt, dass Frida, die damals die tote Marit gefunden hat, mehr weiß als sie damals zugegeben hat. Wird sie sich im Lichte der aktuellen Ereignisse ihm anvertrauen? Immerhin steht Frida auf der richtigen Seite des Gesetzes.

Nach und nach wird die dramatische Geschichte aufgelöst und die gut gehüteten Geheimnisse so mancher Familie aufgedeckt.

Meine Meinung:

Romy Fölck war für mich bislang eine unbekannte Krimi-Autorin gewesen. Diesen Krimi habe ich gerne gelesen. Er spiegelt ein düsteres Bild der Obstbauern in den Elbmarschen wieder. Gleichzeitig ist er ein dicht gewobenes Netz an Schuld und Rache, das erst nach und nach sichtbar wird.
Den Täter habe ich zwar recht bald im Visier gehabt, doch die Ermittlungen und ihre Sackgassen, sowie das Dilemma in dem sowohl Frida als auch Haverkorn stecken, ist hervorragend herausgearbeitet worden.

Der Schreibstil ist packend und ich habe mich sich in die Elbmarschen versetzt gefühlt. Die beiden Zeitebenen und Handlungsstränge sind gut miteinander verwoben. Die Zweifel an seinen eigenen Fähigkeiten, lassen Bjarne Haverkorn authentisch wirken. Auch den unterbewussten Wunsch Fridas, das Verbrechen an Marit aufzuklären, obwohl sie zu wissen glaubt, wer Marits Mörder ist, kann ich gut nachvollziehen.

Fazit:
Ein fesselnder Krimi, der mich begeistert hat. Ich freue mich nun schon auf den Folgeband! („Bluthaus“) Romy Fölck ist für mich eine echt tolle Neuentdeckung!




Veröffentlicht am 12.10.2018

Wieder ein gelungener Krimi

Der Totenversteher
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In diesem nun dritten Krimi rund um Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen, der von allen nur Hasi genannt wird, scheint er anfänglich doch einmal auf die Butterseite des Lebens gefallen zu ...

In diesem nun dritten Krimi rund um Hartung Siegward Graf von Quermaten zu Oytinghausen, der von allen nur Hasi genannt wird, scheint er anfänglich doch einmal auf die Butterseite des Lebens gefallen zu sein. Tante Pudel hat ihm Haus und Vermögen hinterlassen.
Doch bekanntlich kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt. Nur, dass der Störenfried nicht der Nachbar, sondern ein windiger Vermögensberater ist, der nicht nur Hasis sondern das Vermögen der halben Berliner High Society veruntreut hat. So ist Hasi so arm wie ehedem und muss sich noch mit einen niederträchtigen Galerie-Besitzer herumschlagen, der ihm die geerbten Gemälde für einen Pappenstiel abschwatzen will. Doch dann erhält er Hilfe von unerwarteter Seite und steht gleich einmal zwischen zwei Frauen. Und Tante Pudel gibt aus dem Jenseits gute Ratschläge, die Hasi leider nur ansatzweise versteht.
Als wäre das nicht schon genug für unseren narkoleptisch veranlagten Grafen, ist auch noch ein etwas planloser Auftragskiller hinter ihm her. Zwar ist Hasi nicht sein ursprüngliches Ziel, doch kreuzt er blöderweise mehrmals die Wege des etwas in die Jahre gekommenen Mörders. Der hinterlässt eine signifikante Spur des Todes, die letztlich KHK Torsten Nagel auf einen uralten Bekannten aufmerksam werden lässt.
Meine Meinung:
Wie es sich für ein Buch aus den Federn der beiden Autoren gehört, sind einige Marotten gehörig überzeichnet. Bei der Szene auf dem Kasernenhof, wo Hasi einen Schnellkursus für militärisches Auftreten erhalten sollte, habe ich Tränen gelacht. Auch Hasis grenzenlose Naivität gehört dazu. Immerhin scheint er mit Benny nun doch einen kleinen Anker in seinem Leben gefunden zu haben. Schauen wir einmal, was aus den beiden wird.
Wieder schwingen gesellschaftskritische Elemente mit. Es geht um betrügerische Investments, die Alt-68-er und/oder um die Mitglieder der Berliner Hausbesetzerszene.
Besonders Torsten denkt an seine Zukunft, als ihn seine eigene unrühmliche Vergangenheit unter anderem in Form von Conny, seiner neuen Staatsanwältin, einholt. Er reflektiert sein bisheriges Leben und ich bin schon auf seine weitere Entwicklung gespannt.
Wie immer ist der Schreibstil flüssig und ohne Schnörkel. Schwarzer Humor darf hier genauso wenig fehlen wie Hasis perfekte Manieren, wie sie nur in alten Adelshäusern anzutreffen sind.

Fazit:

Ich habe mich hier wieder bestens unterhalten und hoffe auf ein Wiederlesen. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.10.2018

Grandioser Abschulss der Reihe

Schönbrunner Finale
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Wir schreiben das Jahr 1918. Die Habsburgermonarchie liegt in den letzten Zügen. Soldaten desertieren und die Spanische Grippe hat die ausgehungerten Menschen fest im Griff. Wer noch ein wenig Vermögen ...

Wir schreiben das Jahr 1918. Die Habsburgermonarchie liegt in den letzten Zügen. Soldaten desertieren und die Spanische Grippe hat die ausgehungerten Menschen fest im Griff. Wer noch ein wenig Vermögen hat, setzt dies bei Schwarzmarkthändler in Lebensmittel um. Die kleine und große Kriminalität halt auch Oberinspektor Nechyba in Atem. Da sind zum einem Kinder, die um nicht zu verhungern auf dem Naschmarkt Zwetschken stehlen und zum anderen langjährige Ganoven, die sie nun Zinshäuser kaufen können, weil der Schwarzmarkt floriert.

Obwohl gemordet, gestohlen und anschließend ermittelt wird, ist dieser sechste und letzte Band rund um Oberinspektor Joseph Maria Nechyba, kein Krimi im herkömmlichen Sinn. Er ist vielmehr ein Sittengemälde des zerfallenden Vielvölkerstaates.

Die desaströse Versorgungslage in Wien, lässt auch Aurelia Nechyba, die Gemahlin des Oberinspektors und Köchin von Hofrat Dr. Schmerda, zu Waren vom Schwarzmarkt greifen, denn „eine Bohnensuppe ohne irgendein Fuzerl Fleisch ist eine Zumutung.“ – O-Ton des Genussmenschen Nechyba.

Meine Meinung:

Autor Gerhard Loibelsberger versteht es meisterhaft, diese Zeit im Kopf der Leser wieder auferstehen zu lassen. Es sind keine schönen Bilder. Und wenn heute über “Fake News” gelästert wird, so sind diese keine Erfindung der letzten Jahre. Die zu Beginn des Buches geschilderte Inspektion Kaiser Karls bei den Truppen an der italienischen Front, hat im Großen und Ganzen so ähnlich stattgefunden. Die Propagandafilmteams und Fotografen für den Kriegspressdienst waren immer wieder unterwegs, um Stimmung für den längst verlorenen Krieg zu machen.

Geschickt verquickt Loibelsberger echte Mordfälle und historische Persönlichkeiten mit seiner fiktiven Figur des Kriminalinspektors. Ein Verzeichnis der historischen Personen findet man zu Beginn des Buches. Akribische Recherche machen den Krimi zu einem erweiterten Geschichtsbuch.

Die Reihe um Joseph Maria Nechyba ist nun zu Ende, denn sie ist, wie Autor Loibelsberger glaubhaft versichert, auf genau 6 Bände ausgelegt. Ich finde das ausgesprochen schade, denn Nechyba wird ja jetzt in der Ersten Republik zum “Ministerialrat” befördert. Ein krönender Abschluss seiner Kriminalbeamtenlaufbahn.

Als Wienerin sind mir die Örtlichkeiten und der Wiener Dialekt ja bestens vertraut. Für Leser, die des Wienerischen nicht kundig sind, gibt es im Text Fußnoten und im Anhang ein ausführliches Glossar.

Fazit:

Ein grandioser Abschluss dieser Serie. Nechyba wird mir fehlen. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 08.10.2018

Eine verbotene LIebe unter dem Hakenkreuz

Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein
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Stellvertretend für die vielen Paare, die von den Nazis schikaniert wurden, weil sie – lt. den Nürnberger Rassegesetzen – in „gemischtrassigen“ Beziehungen leben, stellt die Autorin fünf berühmte Paare ...

Stellvertretend für die vielen Paare, die von den Nazis schikaniert wurden, weil sie – lt. den Nürnberger Rassegesetzen – in „gemischtrassigen“ Beziehungen leben, stellt die Autorin fünf berühmte Paare vor, deren Frauen jüdischer Herkunft sind:

• Hans Albers und Hansi Burg
• Kurt Weill und Lotte Lenya
• Joachim Gottschalk und Meta Wolff
• Heinz Rühmann und Maria Bernheim bzw. Herta Feiler
• Hans Moser und Blanca Hirschler

Wie sind die Lebensumstände für Schauspieler in Nazi-Deutschland?
Propagandaminister Goebbels herrscht mit eiserner Faust über die schönen Künste. Kein Theaterstück, kein Film darf ohne seine ausdrückliche Genehmigung aufgeführt oder gedreht werden. Er greift in die Besetzungslisten ein, bestimmt die Regisseure und setzt die Honorare fest. Schauspielern mit jüdischen Partnern wird eine Scheidung nahegelegt.

Das Ehepaar Kurt Weill und Lotte Lenya denken bereits 1933 an Emigration. 1935 gehen sie dann wirklich.

Hans Albers ist zu jener Zeit ein gefeierter Star. Er setzt über alle möglichen Befehle Goebbels hinweg. Albers ist mit Hansi Burg nicht verheiratet, will sie aber nicht verlassen. Sie wird eine Scheinehe mit einem Norweger eingehen und trotzdem mit Albers zusammenleben. Damit führen die beiden Goebbels damit an der Nase herum. Während der 12 Jahre der Nazi-Diktatur schafft es Albers, kein einziges Mal bei einer Veranstaltung von Goebbels zu erscheinen. Außerdem verweigert er konsequent mit dem Propagandaminister abgebildet zu werden. Die Konsequenzen sind nicht allzu streng. Hans Albers bekommt keine Zuwendung aus Hitlers „Künstlerfonds“.

Ganz anders trifft es Joachim Gottschalk und Meta Wolff. Meta lebt schon seit der Geburt ihres gemeinsames Sohnes Michael 1933 zurückgezogen. 1941 wird das Paar zu einer privaten Feier eingeladen, zu der (uneingeladen) plötzlich Goebbels erscheint. Er küsst allen anwesenden Damen die Hand, auch die von der Jüdin Meta Wolff. Als ihn sein Adjutant darauf aufmerksam macht, fühlt er sich desavouiert und rauscht wütend ab. Sofort befiehlt er Gottschalk die Scheidung, andernfalls würden Meta und Michael nach Theresienstadt deportiert. Gottschalk weigert sich und begeht mit seiner Familie 1941 Selbstmord.

Hans Moser ist der Lieblingsschauspieler Hitlers. Er richtet ein Gnadengesuch an den Diktator persönlich, der Ehefrau Blanca einige Sonderrechte gewährt. Sie braucht weder den Judenstern noch den Vornamen „Sarah“ zu tragen und in ihren Reisepass fehlt das übliche „J“. Allerdings muss sie 1939 nach Ungarn fliehen. Blanca überlebt und nach dem Krieg werden die beiden wieder in Wien leben.

Während sich Albers oder Moser durch die Jahre lavieren, treibt Heinz Rühmann seine Karriere trotz zweier jüdischer Ehefrauen voran. Seine erste, Maria Bernheim, eine ehemals bekannte Schauspielerin, managt ihn jahrelang, bis sich das Paar auseinandergelebt hat. Die Empfehlung Goebbels ist ein willkommener Anlass, diese Ehe zu beenden. Doch auch die zweite Gemahlin, die Wienerin Herta Feiler ist Jüdin. Er ordnet alles seiner Karriere unter, unterstützt das System und erhält aus Hitlers „Künstler-Fonds“ 40.000 Reichsmark
Rühmann gehörte zu jenen Schauspielern, die vorgaben, „völlig unpolitisch“ zu sein.

Der Titel des Buches ist einem Lied von Hans Albers entnommen (S.142).

Bemerkenswert ist das Nachwort der Autorin. Sie zitiert wie folgt:

„Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen.“ (Oskar Helmer, österreichischer Innenminister von 1945-1959 zur Frage nach Restitution).

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ (Primo Levi)

„Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“ (Auschwitz-Überlebender Eli Wiesel)

Gerne gebe ich für dieses Buch 5 Sterne.