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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.03.2021

Hat mich nicht vollends überzeugt

Als wir uns die Welt versprachen
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Romina Casagrande erzählt die Geschichte von Edna Weiss, deren Eltern, bitterarmer Bergbauern, sie als Verdingkind nach Deutschland verkauft haben.

Wir lernen die neunzigjährige Edna kennen, die zurückgezogen ...

Romina Casagrande erzählt die Geschichte von Edna Weiss, deren Eltern, bitterarmer Bergbauern, sie als Verdingkind nach Deutschland verkauft haben.

Wir lernen die neunzigjährige Edna kennen, die zurückgezogen in ihrem Häuschen in Südtirol lebt. Nur der Papagei Emil leistet ihr Gesellschaft. Einziger Luxus ist die Zeitschrift „Stern“, die sie aufmerksam liest und aufbewahrt. Als sie eines Tages von einer Unwetterkatastrophe in Ravensburg liest und auf einem der Fotos ihres Leidensgefährten Jacob aus der „Schwabenkind“-Zeit entdeckt, beschließt sie, eine alte Schuld einzulösen.

Sie packt ein paar Habseligkeiten sowie Emil in dessen Transportkiste und macht sich zu Fuß auf, Jacob im Krankenhaus von Ravensburg zu besuchen. Dabei geht sie den Weg zurück, den Jacob als Fluchtweg aus dem Sklavendasein aufgezeichnet hat.

„Was zählten schon die Träume zweier Kinder, denen man ihre Welt genommen hatte, um sie hinter die Berge auf einen alten Bauernhof zu verbannen?“

Meine Meinung:

Die Idee zu diesem Roman hat mir sehr gut gefallen. Nur wenige Menschen wissen von den Schicksalen der bitterarmen Bergbauernkinder, die, um die Not der Daheimgebliebenen ein wenig zu lindern, in die Fremde - vor allem nach Baden-Württemberg - verkauft wurden. Viele dieser Kinder stammen ursprünglich aus dem Vinschgau (Südtirol), der Schweiz, Vorarlberg, Tirol, der Steiermark oder aus Liechtenstein. Die meisten dieser Verdingkinder wurden als Arbeitssklaven körperlich und seelisch missbraucht. Ihnen eine Stimme zu geben, ist eine gute Idee. Leider ist die Umsetzung nicht so gut gelungen.

Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt. Zu Beginn wirkt Edna etwas verwirrt. Die Nachbarn wollen sie deshalb in einem Altenheim unterbringen.
Während der beschwerlichen Reise gibt sich Edna ihren Erinnerungen hin und so erfahren wir Leser, was sie erlebt und erlitten hat.

Der Entschluss, den schwer verletzten Jacob zu besuchen und ihm Emil zurückzugeben, scheint wie ein Bußgang zu sein. Denn aus Ednas Verschulden (zumindest glaubt Edna das), ist Jacob die Flucht nicht gelungen. Daher geht Edna die Fluchtroute in entgegengesetzter Richtung zu Fuß. Die Strecke von rund 240km, die mit dem Auto in rund drei Stunden zu bewältigen ist, führt Edna über Landeck, den Reschenpass, den Arlberg, an den Bodensee und weiter. Dabei nimmt sie nicht die gut ausgebauten Straßen, sondern die alten Wege durchs Gebirge.
Auf ihrem Weg verliert sie Ausweis, Geld und einen Teil ihres Gepäcks. Doch sie findet immer wieder Personen, die ihr helfen. So erhält sie zum Beispiel von einem Motorradfahrer eine Lederjacke, die ihr später noch einmal gute Dienst leistet, weil sie sie als Mitglied einer Gruppe ausweist.
Allerdings und das ist für mich ein ziemlicher Widerspruch, vertrödelt sie viel Zeit mit Zufallsbekanntschaften. Edna sollte, wenn schon quasi auf dem persönlichen Jakobsweg, zügig (soweit das für eine 90-Jährige möglich ist) weiterkommen. So wiederholt sich ihre Trödelei, ihre Unpünktlichkeit, die damals Jacob zurückbleiben ließ.

Fazit:

Ein Roman von Schuld und Sühne sowie von Leid und schlechtem Gewissen, der mich leider in seiner Umsetzung nicht ganz überzeugt hat. Daher kann ich nur 3 Sterne vergeben.

Veröffentlicht am 28.02.2021

Joseph Melzer (1907-1984) - eine Biografie

"Ich habe neun Leben gelebt"
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Wer eine Biografie verfasst, erklärt Joseph Melzer (1907-1984) im Prolog, sollte bei der Wahrheit bleiben. Andernfalls wäre es besser, einfach einen Roman zu schreiben.

Wer ist dieser Joseph Melzer, ...

Wer eine Biografie verfasst, erklärt Joseph Melzer (1907-1984) im Prolog, sollte bei der Wahrheit bleiben. Andernfalls wäre es besser, einfach einen Roman zu schreiben.

Wer ist dieser Joseph Melzer, der erst wenige Monate vor seinem Tod seine Biografie aufgeschrieben hat?

Geboren wird der leidenschaftliche Buchhändler und Verleger 1907 in Kuty, Galizien, das damals noch Bestandteil von Österreich-Ungarn ist und heute zur Ukraine zählt, in eine jüdische Familie.

In neun Kapiteln, die er Jahreszahlen zuordnet, erzählt er seine Lebensgeschichte.

1907-1918
1918-1933
1933-1936
1936-1939
1939-1941
1942-1945
1946-1948
1948-1958
1958-1984

Jedes Kapitel endet mit einem Bruch, mit einem Ortswechsel und dem eisernen Willen, wieder von vorne zu beginnen.

Sein Leben in einem Satz zusammengefasst: „Zwei Kaiserreiche zerfallen gesehen, zwei Weltkriege erlebt, die Nazis überlebt, ihretwegen unfreiwillig Zionist geworden, den Kommunismus überlebt und den Sozialisten geholfen“.

Obwohl in seinem Umfeld schon vor der NS-Diktatur viele nach Palästina auswandern wollen, sind die Zionisten nicht seine Freunde - zu radikal in dem Bemühen um einen eigenen Staat. Mit einem Freund diskutiert er Theodor Herzls Werk „Der Judenstaat“ und kommt zu folgendem Schluss „Die Zionisten sprechen uns die Existenzberechtigung in Deutschland ab. Da sind sie sich mit den Antisemiten einig.“ (S.82)

Auch, dass viele Juden, es bedauern, nicht der NSDAP beitreten zu dürfen, denn sie sind ja in erster Linie Deutsche, fasziniert und stößt ihn gleichermaßen ab.

Nach dem Ende des NS-Regimes ist es für Joseph Melzer keine Frage, wieder nach Deutschland zurückzukehren, auch wenn die Anfänge mehr als beschwerlich sind. Im Gegensatz zu seiner Ehefrau, deren gesamte Familie bis auf eine Schwester dem Nazi-Terror zum Opfer gefallen ist, hat Melzer keine Berührungsängste. Er teilt allerdings das Schicksal vieler Juden, die nicht glauben können, dass aus den Deutschen, dem Volk der Dichter und Denker, ein Volk der Richter und Henker werden konnte. Erst als er 1946 eine „Führung“ durch ein KZ erhält, kann er den Erzählungen anderer Juden, die ihm von den Massenvernichtungen erzählen, Glauben schenken.

Als Resümee über sein Leben schreibt Joseph Melzer: "Ich bin jetzt am Ende meines Lebens. Es war wie das Leben vieler anderer Juden meiner Generation. Ein gewöhnliches jüdisches Schicksal."

Das kann ich so nicht unterschreiben, denn sechs Millionen ermordete Juden sprechen eine andere Sprache.

Fazit:

Eine sehr detaillierte, manchmal auch humorvolle Biografie, eines Mannes der sowohl die Nazis als auch die Kommunisten überlebt hat. Gerne gebe ich für dieses Zeitdokument 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.02.2021

NIcht einfach zu lesen, aber wichtig

Condorcets Irrtum
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„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!“ Dieser häufig zitierte Ausspruch, dem man Johann Wolfgang von Goethe nachsagt, ist heute aktueller denn je. Die meisten von uns kennen nur die ...

„Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf!“ Dieser häufig zitierte Ausspruch, dem man Johann Wolfgang von Goethe nachsagt, ist heute aktueller denn je. Die meisten von uns kennen nur die Demokratie, auch wenn sie Schwächen hat. Es soll sich nur niemand wirklich eine Diktatur herbei wünschen. Die Demokratie ist ein zartes Pflänzchen, das steter Pflege bedarf.

Wer zur Hölle ist oder war Condorcet? Nur den wenigsten unter uns ist der Name Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet (1743-1794) bekannt. Condorcet war ein überzeugter Aufklärer, ein Liberaler, ein Erneuerer Er trat 1790, kurz nach der Verkündung der Menschen- und Bürgerrechte trat er vehement dafür ein, diese auch den Frauen zu gewähren. Denn „Liberté, Égalité et Fraternité“ galt nur für Männer. Seine Forderungen nach Abschaffung der Sklaverei und für den Freihandel klingen sehr modern.

Condorcets wird Mitglied der Nationalversammlung während der Französischen Revolution. 1794 frisst ihn die Revolution. Er wird verhaftet und stirbt wenig später unter ungeklärten Umständen. Immerhin bleibt ihm das Fallbeil erspart.

Der schwedische Autor und Mathematiker Per Molander liefert uns in 13 Kapiteln einen interessanten Abriss historischer Abläufe und philosophischer Betrachtungen sowie die Sichtweise von Religionsgemeinschaften in den jeweiligen Zeitabschnitten.

Worin bestand nun Condorcets Irrtum? Dass er ein unverbesserlicher Optimist war?
Condorcet hat die Beharrlichkeit der herrschenden Systeme sträflich unterschätzt. Klingt irgendwie bekannt, oder?
Er erkannte die Bedeutung einer allgemeinen Bildung als wesentlich für eine Demokratie. Wo stehen wir heute? In zahlreichen Ländern schicken Eltern ihre Kinder in teure Privatschulen, um der nach unten nivellierten Bildung zu entgehen. Es entwickeln sich Parallelgesellschaften, die kaum in den Griff zu bekommen sind.

Condorcet war seiner Zeit weit voraus. Manche seiner Ideen hallen bis heute nach. Doch wo sind heute Menschen vom Schlage Condorcets? Wo sind sie, die Vordenker?

Am Ende seines Buches sendet uns Per Molander einen Hoffnungsschimmer, wenn er sagt „Condorcets Traum können wir weitertragen, aber zugleich müssen wir die Warnung des Doktor Rieux aus dem Motto zu diesem Buch in Erinnerung behalten und beherzigen – dass der Pestbazillus niemals ausstirbt oder verschwindet, sondern jederzeit seine Ratten aufwecken und zum Sterben in die Stadt schicken kann.“ (S. 270)

Fazit:

Ein wichtiges Buch, das nicht unbedingt einfach zu lesen ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne. Pflegen wir das zarte Pflänzchen Demokratie!

Veröffentlicht am 28.02.2021

Eine österr. Erfolgsgeschichte

Vom Tellerwäscher zum Visionär
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Wolfgang Maria Gran, den ich schon durch „Legenden des Skisports“ kennengelernt habe, beschreibt in seinem neuen Buch die Karriere des Josef „Sepp“ Dygruber, der die Giganten der Geschirrspültabs herausgefordert ...

Wolfgang Maria Gran, den ich schon durch „Legenden des Skisports“ kennengelernt habe, beschreibt in seinem neuen Buch die Karriere des Josef „Sepp“ Dygruber, der die Giganten der Geschirrspültabs herausgefordert hat.

Kaum jemand macht sich Gedanken über so alltägliche Dinge wie Tabs für den Geschirrspüler. Man verwendet sie, flucht über sie, wenn sie sich nicht gut auflösen und kauft sie meistens im Sonderangebot. Welche Innovation dahinter steckt, bzw. welche umweltfreundlichen Komponenten sie enthalten oder eben nicht, wird gerne vernachlässigt.

Der Autor zeigt den Weg des anfangs als „Öko-Revoluzzer“ verlachten Unternehmers auf. Auch Rückschläge und Misserfolge werden nicht verschwiegen.

Der in einem kleinen Salzburger Ort geborene Dygruber sollte nach den Plänen seines Großvaters, Bankdirektor mit einem dicken Auto werden. Man kann nur froh sein, dass daraus nichts geworden ist.

Der Schreibstil des Autors ist launig und so darf auch ein Blick auf Dygrubers Werbeikone Dagmar Koller nicht fehlen, die ihre Bekanntheit und das Blondchen-Schema gekonnt in Szene setzt.

Dass der Firmengründer nach wie vor geerdet ist und ein Gespür für die kleinen Leute hat, zeigt sein Engagement für den Nachwuchssport. Bevor aus Anna Fenninger die berühmte Anna Veith geworden ist, ist Dygruber als Sponsor eingesprungen.

Auch für die Zukunft hat Josef Dygruber noch einiges vor. Seine Vision ist eine „Öko-Fabrik“.

Fazit:

Diese Erfolgsgeschichte habe ich gerne gelesen und gebe 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.02.2021

Komplex Zusammenhänge gut erklärt

Iss dich klug!
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Nachdem ich schon von Manuela Macedonia das Buch „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke!“ gelesen habe, war ich auf ihren neuen Ratgeber sehr gespannt.

Wieder vermittelt die Neurowissenschaftlerin viel ...

Nachdem ich schon von Manuela Macedonia das Buch „Beweg dich! Und dein Gehirn sagt danke!“ gelesen habe, war ich auf ihren neuen Ratgeber sehr gespannt.

Wieder vermittelt die Neurowissenschaftlerin viel Wissen mit Humor und persönlichen Erfahrungen. Faszinierend finde ich vor allem, wie stark sich gesunde Ernährung in der Schwangerschaft auf die kognitiven Fähigkeiten des Kindes auswirken. Dass Alkohol, Medikamente und Drogen während der Schwangerschaften tabu sein sollten, ist ja nichts Neues aber durch welche Nahrungsmittel bestimmte Hirnzellen stimuliert werden können und vielleicht kleine Einsteins hervorbringen, ist schon sehr interessant.

Diese Thesen sind spannend erzählt, allerdings auch gleichzeitig die (in meinen Augen) klitzekleine Schwäche des Buches: Durch gezielte Ernährung können nur Ungeborene eine größere Gehirnleistung erhalten. Wie man seine aktuelle Klugheit behalten oder vielleicht noch ein wenig verbessern könnte, wird erst im letzten Drittel des Buches erklärt. Dabei hält die Autorin ein Plädoyer für bestimmte Fette und lehnt einseitige Diäten ab.

Mit leicht verständlichen Worten erklärt sie, in welchem Gehirnareal unsere Vorliebe für Süßes wohnt, welches Essen gant sicher schadet und, dass der eine oder andere Fasttag auch dem Gehirn nicht schadet.

Jedem Kapitel steht eine kleine persönliche Anekdote aus der Familie Macedonia voran. Die entzückenden Zeichnungen, die mir schon in „Beweg dich!“ angenehm aufgefallen sind, lockern auch dieses Buch auf.

Fazit:

Ein gelungenes Buch über die komplexen Zusammenhänge von Nahrung und Gehirnleistung, dem ich sehr gerne 4 Sterne gebe.