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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.01.2021

Wahrheit oder doch nicht?

Leonardos Fahrrad
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Wer glaubt, dass Fake News ein Produkt des 21. Jahrhunderts ist, der irrt. Schon frühere Präsidenten und Diktatoren habe sich getürkter Wahrheiten bedingt. Manche, wie die zahlreichen gefakten (weil selbst ...

Wer glaubt, dass Fake News ein Produkt des 21. Jahrhunderts ist, der irrt. Schon frühere Präsidenten und Diktatoren habe sich getürkter Wahrheiten bedingt. Manche, wie die zahlreichen gefakten (weil selbst in Auftrag gegebenen) Glückwünsche diverser Staatsmänner zu seinem eigenen Geburtstag, lassen den ehemaligen rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu beinahe wie ein armes, ungeliebtes Würstchen dastehen.

Gefälschte oder verfälschte Nachricht gibt es seit mehr als 3.000 Jahren. Autor Peter Köhler hat einige aus unterschiedlichen Epochen, Kontinenten und Gesellschaftsschichten zusammengetragen. Manches klingt wirklich skurril, manches doch ziemlich glaubwürdig.

Wie sagt eine interviewte Passantin so treffend: „Wahrheit oder nicht - ich glaube die Geschichte“ (S. 72)

Dazu hat er die unterschiedlichsten Fake News in zehn großen Kapiteln zusammengefasst. Sie reichen von „Politik in postfaktorischer Zeit“ bis hin zum „Final“ in dem bekannte Persönlichkeiten wie Paul McCartney 1967 einen vorzeitigen Medientod sterben (mussten). Doch wie man weiß, leben Totgesagte länger. Der Musiker hat erst vor kurzem ein neues Album herausgebracht. Und nein, Elvis lebt tatsächlich nicht mehr.

Veröffentlicht am 14.01.2021

Ein gelungenes Sittenbild

Der Mann im roten Rock
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Julian Barnes entführt seine Leser in das Paris des Fin de Siècle. Der Leser lernt einen interessanten Mann dieser Zeit kennen: Dr. Samuel Pozzi, Chirurg und Gynäkologe. Die Ausstrahlung des schönen und ...

Julian Barnes entführt seine Leser in das Paris des Fin de Siècle. Der Leser lernt einen interessanten Mann dieser Zeit kennen: Dr. Samuel Pozzi, Chirurg und Gynäkologe. Die Ausstrahlung des schönen und charmanten Arztes öffnet ihm die Türen zur High Society von Paris. Pozzi trifft auf die Intellektuellen seiner Zeit. So haben Sarah Bernhardt, Marcel Proust, Èmile Zola, Joris-Karl Huysmans oder der Kunstsammler und Dichter Robert Montesquiou ihre Auftritte. Pozzi war ihnen Freund und kultivierter Gesprächspartner. Doch diese elitären Zirkel haben auch ihre Schattenseiten. Dekadenz und Allüren lassen manche nicht gar so sympathisch erscheinen.

Meine Meinung:

Gut gelungen ist dem Autor die Darstellung der langsam zerfallenden Epoche. Auch über Paris, das als die bestimmende Kulturhauptstadt angesehen wird, ziehen sich die düsteren Wolken des Ersten Weltkriegs zusammen.

Der Fortschrittsglaube ringt mit der Dekadenz - dieser Konflikt wird sich im kommenden Krieg entladen.

Fazit:

Ein gelungenes Sittenbild des Fin de Siècle. Nicht ganz einfach zu lesen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 09.01.2021

Jeder Neuanfang ist eine Herausforderung

Marta
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Monika Hürlimanns Roman enthält zahlreiche interessante Informationen über das Leben in Polen unter dem kommunistischen Regime. Zum Beispiel über die Mangelwirtschaft, obwohl der Kommunismus doch den Menschen ...

Monika Hürlimanns Roman enthält zahlreiche interessante Informationen über das Leben in Polen unter dem kommunistischen Regime. Zum Beispiel über die Mangelwirtschaft, obwohl der Kommunismus doch den Menschen das Paradies auf Erden versprochen hat. Bis spät in die 1980er Jahre ist stundenlanges Anstellen um Güter des täglichen Bedarfs inklusive Vordrängens mancher Personen, nur um dann zu erfahren, dass die ersehnte Ware bereits ausverkauft ist, Alltag. Das muss auch Marta, die ihrer berufstätigen Mutter zur Hand geht, mehrfach erfahren, während ihr Zwillingsbruder Tomek kaum einen Handgriff zur Bewältigung des Haushalts tun muss, dafür aber mehr zu essen bekommt. Warum die Ungleichbehandlung der Kinder?
Dann werden die Koffer und die Familie verlässt illegal Polen. Während die Mutter perfekt deutsch spricht, müssen die Kinder die neue Sprache erst lernen.

Doch Deutschland wird nicht die letzte Station von Marta sein, die als Ärztin in der Schweiz Fuß fasst. Wieder steht ein Neuanfang in einem fremden Land und einer Sprache, die nur teilweise geläufig ist, auf der Tagesordnung.

Meine Meinung:

Dieser Roman, der autobiografische Züge enthält, beschäftigt sich mit den Themen illegale Aus- und Einreise, mit Integration, Auf-sich-allein-gestellt-sein, ungleiche Behandlung von Zwillingen sowie von zahlreichen Familiengeheimnissen.
Auf viele Fragen, die Marta gerne ihrer Mutter gestellt hätte, findet sie erst durch Dritte eine (mögliche) Antwort. Die Mutter selbst gibt sich zugeknöpft, beinahe unnahbar und wenig empathisch. Zumindest Marta gegenüber, denn Tomek, wird von ihr immer in Schutz genommen und gewissermaßen erhöht.

Die Überraschung ist groß, als Marta während ihrer Ausbildung bzw. Tätigkeit als Psychiaterin einige der Geheimnisse ihrer Mutter enthüllt. Nun braucht sich Marta nicht mehr wundern, warum sie selbst so ist, wie sie ist. Einige der mütterlichen Konflikte sind auf sie übertragen worden.

Der Roman ist grundsätzlich gut gelungen. Nur das mehrmalige Herumspringen zwischen Orten und Zeiten hat mir nicht so ganz gefallen.

Die Zeit Martas als Studentin war mir ein wenig zu detailliert beschrieben. Die hätte ich mir ein wenig straffer gewünscht, da sie die Handlung nicht allzu viel weiter bringt. Dafür wäre ein Einblick in die Aufarbeitung von Martas Leben im Zuge der Psychiaterausbildung interessant gewesen. Aber, da hier Autobiografisches in den Roman eingeflochten ist, ist ein mehr an Information vielleicht Eindringen in die Persönlichkeit der Autorin.

Fazit:

Ein durchaus lesenswerter Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 05.01.2021

Hat mich nicht vollends überzeugt

Die im Dunkeln sieht man nicht
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Das Buch geht auf eine Initiative der NachDenkSeiten zurück, jener Webseite, die zum kritischen Nachdenken anregt und die ich auch gerne besuche, um einen anderen Blickwinkel zu erhalten.

In 70 ausgewählten ...

Das Buch geht auf eine Initiative der NachDenkSeiten zurück, jener Webseite, die zum kritischen Nachdenken anregt und die ich auch gerne besuche, um einen anderen Blickwinkel zu erhalten.

In 70 ausgewählten Briefen und eMails werden die Erfahrungen, Ängste und Nöte der deutschen Bevölkerung mit der Covid-19-Pandemie dargestellt. Vieles liest sich ähnlich, der Aufschrei, seine persönliche Freiheit sei eingeschränkt und die eigene Bequemlichkeit beschnitten, macht mich persönlich ärgerlich.

Als Österreicherin kann ich nicht beurteilen, ob dies wirklich so ist, wie beschrieben.

Leider gibt es auch bei uns Menschen, die Verschwörungstheorien verbreiten und sich nicht an die verordneten Maßnahmen halten. In meinem Umkreis haben viele gejammert, dass die Urlaube ausfallen und man nicht reisen durfte. Was ist die Alternative zu den strengen Regeln? Alles offenlassen? So tun als ob es keine Pandemie gäbe? Einen ähnlichen Weg hat Schweden eingeschlagen, den „Erfolg“ sieht man an den Sterbezahlen.

Natürlich sind die Einkommensverluste und Einbußen groß, aber deswegen gleich eine Diktatur des Staates vermuten? Vielleicht liegt der Aufschrei auch daran, dass die meisten von uns in der sozialen Hängematte großgeworden sind und weder Krieg noch Diktatur und die damit verbundenen Beschränkungen erlebt haben.

Natürlich sind die Politiker überfordert. Eine solche Pandemie ist in unserer satten Gesellschaft ein Novum.

Natürlich sind manche Entscheidungen zu hinterfragen. Aber das Geraunze, dass in einem deutschen Bundesland dieses und in einem anderen jenes erlaubt oder verboten ist, ist Jammern auf hohem Niveau. Warum beginnt die Ausgangssperre in einem Bundesland früher bzw. später? Warum beschließen die unterschiedlichen Kommunen verschiedene Maßnahmen? Die Unterschiede passieren deswegen, weil wir in demokratischen Ländern leben.

Natürlich muss man sich als mündiger österr. Staatsbürger wundern, warum Buchhandlungen nicht aufsperren durften, aber Waffengeschäfte „als Geschäfte zur Abdeckung des persönlichen Bedarfs“ schon. Da wiehert der Amtsschimmel doch gewaltig. Also ich stufe meinen täglichen Bedarf an Büchern höher ein als an Munition. Von ersteren brauche ich viele, von zweiterem genau gar nichts.

Auch meine Familie war und ist betroffen. Wir sind noch immer im Homeoffice, unser Sohn war mehrere Wochen in Kurzarbeit. Unser Urlaub ist ins Wasser gefallen. Wir durften unsere Oldies, die in einem Pensionistenheim in Wien leb(t)en von 13. März bis 08. Mai nicht sehen. Die beiden wurden von den Betreuern fürsorglich behandelt, mehrmals getestet (immer negativ). Auffallend war, dass weil die täglichen langen Spaziergänge ausgefallen sind (nur der Garten bzw. die Dachterasse war erlaubt), ein langsamer Muskelschwund eingetreten ist. Als Oma im Bad gestürzt ist und im Krankenhaus anschließend ein überdurchschnittlich schnell wachsendes Karzinom festgestellt wurde, hat die Pflegedienstleitung ihren dementen Mann in eine entsprechende Station verlegen lassen. Alles sehr liebevoll und professionell, nie hatten wir Zweifel an der Richtigkeit der Maßnahmen. Die letzten paar Tage ihres Lebens durfte Oma im Zimmer von Opa erleben. Wir konnten uns auch von ihr verabschieden. Oma ist im Sommer von uns gegangen, Opa Anfang Dezember. Auch hier, trotz erneuten Lockdowns durfte er unter Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßnahmen doch noch besucht werden. Im Gegensatz zu den im Buch beschriebenen Zuständen/Vorfällen haben wir bei Anrufen immer Auskunft bekommen, im Gegenteil, das Pflegepersonal hat auch ungefragt zwei bis dreimal in der Woche über Opas Zustand berichtet, dass er letztlich an einer Lungenentzündung gestorben ist, hat sicher auch damit zu tun, dass er Oma vermisst hat, mit der er (bis auf wenige Wochen) mehr als 60 Jahre täglich zusammen war.

Mit fällt es diesmal schwer, das Buch zu bewerten. Einerseits ist es wichtig und notwendig, andersdenkenden Raum zu geben, andererseits finde ich diese siebzig ausgewählten Wortmeldungen nicht unbedingt als repräsentativ. Das Sample ist meiner Meinung nach nicht aussagekräftig genug. Nach welchen Kriterien sind die Beiträge ausgewählt worden?

Mit dem Unverständnis und Ärger, dass Fußball für kleine Vereine verboten, aber internationale Spiele stattfinden dürfen, gehe ich 100% d’accord.

Ich denke, das Gemeinwohl hat im Fall einer solchen Bedrohung Vorrang gegenüber der Freiheit des Einzelnen. Wie heißt es so schön „Meine Freiheit endet dort, wo die des nächsten eingeschränkt wird“.

Veröffentlicht am 04.01.2021

Fesselnd bis zur letzten Seite

Das dunkle Dorf
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Dieser 6. Fall für Commissario Grauner bringt ihn und sein Team an die Grenzen der Belastbarkeit.

Sara Grauner ist seit ein paar Tagen nicht nach Hause gekommen und ihre Eltern machen sich natürlich Sorgen. ...

Dieser 6. Fall für Commissario Grauner bringt ihn und sein Team an die Grenzen der Belastbarkeit.

Sara Grauner ist seit ein paar Tagen nicht nach Hause gekommen und ihre Eltern machen sich natürlich Sorgen. Bei der Suche nach Hinweisen zu ihrem Aufenthalt entdecken sie eine größere Menge Suchgift. Ein wahres Teufelszeug, wie er nach der Analyse erfährt, denn es wird aus handelsüblichen Chemikalien in großen Mengen hergestellt und überschwemmt zum Spottpreis auch Südtirol.

Gleichzeitig muss er den mysteriösen Tod eines Dorfpolizisten aufklären, der in einem Nobelhotel in Wolkenstein, im Grödnertal, erschossen aufgefunden worden ist.

Als dann noch sein Kollege und Freund Claudio Saltapepe spurlos verschwindet, läuten alle Alarmglocken. Saltapepe ist nämlich zu seinem Schutz aus Neapel nach Südtirol versetzt worden, hat er doch maßgeblich zur Verhaftung eines mächtigen Mafiabosses beigetragen. Ist dieser Clan jetzt auf Rachefeldzug?

Meine Meinung:

Schon in den letzten beiden Fällen ist die Leichtigkeit der Krimis ein wenig verloren gegangen. Doch diesmal schrammt Grauner haarscharf an der Katastrophe vorbei. Dass man als Polizist (in Italien) immer damit rechnen muss, von Verbrechern entführt und getötet zu werden, ist Grauner grundsätzlich bewusst. Dennoch ist er von der Brutalität der Gangster hier in seinem geliebten, manchmal auch verschrobenen Südtirol überrascht. Beinahe auf sich alleine gestellt, wirft er seine üblichen Marotten über Bord und reist (er der seine enger Heimat nicht gerne verlässt) sogar nach Neapel. Grauner kann sich (beinahe) auf niemanden mehr verlassen. Fast im Alleingang, ohne Wissen seiner Vorgesetzten wie Staatsanwalt Belli, begibt er sich in die Höhle des Löwens. Denn wem kann er noch trauen? Es scheint, als opferte Belli Saltapepe für ein „großes Ganzes“.

Lenz Koppelstätter ist ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel gelungen, bei dem lange nicht klar ist, wer die Katze bzw. die Maus ist. Diesmal räumt er mit der Idylle im verschneiten Südtirol gründlich auf. Selbst die neapolitanische Mafia geht von ihren eisernen Grundsätzen wie der „famiglia“ ab und verbündet sich mit denen, die ihnen den meisten Gewinn versprechen.

Bis zum Schluss ist nicht ganz klar, ob die Katastrophe ausbleibt oder nicht.

Gut gefällt mir, dass Silvia Tappeiner, die Assistentin in der Questura mehr Raum erhält und mit Dottoressa Filippi, der Gerichtsmedizinerin, ihren Beitrag leistet. Schmunzeln musste ich, dass Tappeiner dem Neapolitaner Saltapepe das Skifahren beibringen soll.

Fazit:

Ein Highlight am Krimihimmel, das bis zur letzten Seite fesselt. Gerne gebe ich für diesen 6. Band bzw. für die ganze Reihe eine Leseempfehlung und 5 Sterne.