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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.02.2023

Mehr Milieustudie, denn Krimi

Der Kuss des Kaisers
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Dieser historische Krimi entführt uns in das Wien von 1908 und beschert uns ein Wiedersehen mit dem sympathischen Polizeiagenten Johann Pospischil und seinem Assistenten Frisch. Seit der letzten Mordermittlung ...

Dieser historische Krimi entführt uns in das Wien von 1908 und beschert uns ein Wiedersehen mit dem sympathischen Polizeiagenten Johann Pospischil und seinem Assistenten Frisch. Seit der letzten Mordermittlung sind rund zehn Jahre vergangen. Nun wird im Brunnen des Schlossgartens im Belvedere eine abgehackte Hand und wenig später ein Sack mit weitere Leichenteile gefunden. Nur der Kopf der Leiche fehlt, was eine Identifizierung vorerst unmöglich macht. Nun haben die beiden die delikate wie unangenehme Aufgabe im Belvedere zu ermitteln.

Warum?

Zum einen ist das Obere Belvedere die Residenz des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie sowie Sitz des „Schattenkabinetts“ und zum anderen wird im Unteren Belvedere die Ausstellung zu Gustav Klimts Gemälde „Der Kuss“ vorbereitet. Da kann man keine zerstückelte Leiche brauchen.

Neben Pospischil, der es gewöhnt ist, als ziviler Polizeiagent von den Uniformierten herablassend behandelt zu werden, lernen wir Erna Kührer, eine Reinigungskraft mit Ambitionen sowie einige Hofschranzen kennen, die sich auf ihre Stellung einiges einbilden.

Meine Meinung:

Es dauert eine geraume Zeit, bis der eigentliche Krimi rund um die Leichenteile beginnt.

Zuvor ist die Geschichte eher eine Milieustudie, die das Leben der Familie Kührer recht gut beschreiben. Erna Kührer ist eine ziemlich ehrgeizige Frau, die ihren erarbeiteten, kleinen Wohlstand wie die trockene Wohnung und ihre Arbeit als Putzfrau im Belvedere nicht verlieren will. Im Gegenteil, sie will Kammerzofe bei Gräfin Sophie werden. Dafür ist ihr beinahe jedes Mittel recht. Ihr Mann Franz ist arbeitslos und leidet an einer Hautkrankheit. Miteinander haben sie vier Kinder, Daniel, Klementine und Zwillinge. Daniel ist ein Kleinkrimineller, der anstatt zu arbeiten, lieber dem Glückspiel frönt und keiner Rauferei aus dem Weg geht. Als er nach einem längeren Aufenthalt außerhalb Wiens zurückkehrt, entdeckt die Schönheit der kleinen Klementine und beschließt, daraus Kapital zu schlagen.

In Zusammenhang mit Daniel musste ich schmunzeln, denn das von ihm häufig frequentierte Wirtshaus „Zum Alten Heller“ in der Ungargasse kenne ich. Es hat leider seit einigen Jahren geschlossen.

Wie wir schon aus dem Vorgänger, „Der Offizier der Kaiserin“ wissen, sind dem Pospischil die technischen Errungenschaften wie die Elektrische nicht ganz geheuer.

Leider ist die Autorin dieser Zeit weit voraus und lässt im Kapitel 20 die Ermittler über einen „genetischen Fehler“ diskutieren. Zwar hat Gregor Mendel schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an seiner Vererbungslehre gearbeitet, doch der Begriff „Gen“ wie wir in heute kennen, hat sich erst ab den 1930-er Jahren entwickelt. Und Franz Kührer spricht von „einem Schub“ bei seiner Hautkrankheit (Schuppenflechte?). Mir ist schon bewusst, dass es nicht einfach ist, das heutige Wissen auszublenden..

Der Schreibstil ist leicht zu lesen. Die Sprache der Menschen ist der Zeit angepasst. Die einen sprechen Wiener Dialekt, die andern verwenden das gestelzte „Erzen“ und „Siezen“.

Ein wenig irritierend sind die Szenen, in denen Sophie, die Gemahlin von Franz Ferdinand, vorkommt. Ja, sie wurde wegen ihrer morganatischen Heirat vom kaiserlichen Hof geschnitten, aber das einer Putzfrau vorzuraunzen? Das erscheint mit doch ein wenig unglaubwürdig.

Das Cover gefällt mir nicht so besonders.

Ich hatte schon bald einen Verdacht, der sich bestätigt hat.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der eher eine Milieustudie als Krimi ist, 4 Sterne.

Veröffentlicht am 11.02.2023

Horvath ermittelt diesmal in eigener Sache

Horvath auf der Flucht
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„Horvath auf der Flucht: Des Lehrers dritter Fall“ ist die Fortsetzung der humorvollen Krimi-Reihe von Autor Marc Hofmann. Diesmal muss der sympathische wie kauzige Deutsch- und Geschichtelehrer des Freiburger ...

„Horvath auf der Flucht: Des Lehrers dritter Fall“ ist die Fortsetzung der humorvollen Krimi-Reihe von Autor Marc Hofmann. Diesmal muss der sympathische wie kauzige Deutsch- und Geschichtelehrer des Freiburger Gymnasiums Gregor Horvath in eigener Sache ermitteln, denn er findet den Orthopäden Dr. Stiehler erschlagen in der Praxis. Blöderweise hat der Vater zweier missratener Schüler einen Prozess gegen Horvath angestrebt. Somit ist der Lehrer dringend tatverdächtig, hat er doch die Möglichkeit und ein Motiv.

Ausgerechnet Kommissar Masic, der Intimfeind seines Zwillingsbruders Martin, der wie man aus den Vorgängern weiß ebenfalls Kriminalbeamter ist, führt die Ermittlungen und schießt sich, natürlich um Martin Horvath ans Bein zu pinkeln, auf Gregor als Mörder ein. Nur beweisen kann er es (noch) nicht.

Horvath hat aber noch an anderen Fronten zu kämpfen: Die Schulen haben wegen der Corona-Pandemie geschlossen und es muss mittels Distance Learning unterrichtet werden, was ihm gar nicht leicht fällt. Handy, Moodle, TikTok & Co könn(t)en ihm weiterhin gestohlen bleiben. Lieber zitiert er seine Lieblingsschriftsteller.

Im Moment allerdings fühlt er sich wie einst Josef K. in Franz Kafkas Werk „Der Prozess“. Da Horvath nicht willens ist, für eine Tat, die er nicht begangen hat, vor Gericht zu stehen, beginnt er mithilfe einiger Schüler, zu ermitteln. Unerwartete Unterstützung erhält er von Stiehlers Witwe, die ihm ein Notizbuch ihres Mannes übergibt.

Meine Meinung:

Auch der dritte Fall für Gregor „Pauker“ Horvath ist flüssig und locker geschrieben. Man kann sich den Deutsch-Lehrer, der eher konservativ, aber dennoch unkonventionell ist, recht gut vorstellen. Dieser vermeintliche Widerspruch führt zu humorvollen Szenen. Horvath ist ein Lehrer, den man vermutlich mit der Lupe suchen muss. Er geht auf seine Schüler ein. Schrullig seine seine Angewohnheiten, jedes Gegenüber zu korrekter Grammatik zu bekehren, sowie ständig ein passendes Zitat auf den Lippen zu haben. Ähnlich wie sein liebster Krimi-Held Hercule Poirot bedient er sich allerlei Gedankenspielereien.

Autor Marc Hofmann weiß, worüber er schreibt, ist er doch im Brotberuf selbst Lehrer an einem Freiburger Gymnasium. Sein trockener Humor, mit dem er das Chaos des Schulalltags während der Corona-Pandemie beschreibt, hat mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht.

Das orangerote Cover passt zu den beiden Vorgängern (knallgelb und giftgrün) und hat mit der Brille einen hohen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem dritten, sehr persönlichen Fall 4 Sterne.

Veröffentlicht am 10.02.2023

1923 - Ein Jahr des Umbruchs

1923
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Das Jahr 1923 ist durch eine Vielzahl von politischen Konflikten, national bzw. bilateral, geprägt. Für viele Menschen ist das Jahr die Endstation ihres bisherigen Lebens.

Es beginnt mit einem Knalleffekt: ...

Das Jahr 1923 ist durch eine Vielzahl von politischen Konflikten, national bzw. bilateral, geprägt. Für viele Menschen ist das Jahr die Endstation ihres bisherigen Lebens.

Es beginnt mit einem Knalleffekt: Französische und belgische Truppen besetzen Anfang Jänner das Ruhrgebiet, da man den Reparationszahlungen an Frankreich nicht nachkommen will und kann. Unterschiedliche politische Gruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Anstatt den Ernst der Lage zu begreifen und gemeinsam eine Lösung herbeizuführen, wird versucht, durch Gewalt die eine oder andere Gruppe an die Macht zu bringen.

Während der Großteil der Bevölkerung arbeitslos ist und hungert, frönt eine Minderheit dem Luxus. Es wird geprasst, als gäbe es kein Morgen. Man tanzt die Nächte durch, nimmt Drogen wie die Tänzerin Anita Berger. Das Filmgeschäft boomt, damit Menschen wenigstens für ein paar Stunden ihr Elend vergessen können.

Männer kämpfen mit ihren Fäusten, um zu überleben, Frauen setzen ihre ganzen Körper ein.

Neben Berlin ist auch München ein Zentrum dieses Rückblicks, in dem Autor Peter Süß zahlreiche Ereignisse wie in einem Kalendarium nach Monaten geordnet, aufzählt. Neben Berichten über die knallharte Wirklichkeit erzählt das Buch auch Anekdoten und blickt in die Wohnungen (noch nicht) bekannter Künstler. Wir dürfen der Familie Mann, Franz Kafka, Bert Brecht, Lotte Lenya sowie Oskar Kokoschka begegnen. Die einen vermögend, die anderen von der Hand in den Mund lebend.

Den Titel finde ich interessant, denn normalerweise heißt es ja „Endstation, alles Aussteigen“.

Fazit:

Diesem Rück- und Überblick in/auf das Jahr 1923 gebe ich 4 Sterne.

Veröffentlicht am 05.02.2023

Acht Frauen - acht Schicksale

Miss Kim weiß Bescheid
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Nach ihrem feministischen Bestseller »Kim Jiyoung, geboren 1982« erzählt die südkoreanische Schriftstellerin Cho Nam-Joo Geschichten aus dem Leben von acht Landsfrauen.

Diese Alltagsgeschichten sind ...

Nach ihrem feministischen Bestseller »Kim Jiyoung, geboren 1982« erzählt die südkoreanische Schriftstellerin Cho Nam-Joo Geschichten aus dem Leben von acht Landsfrauen.

Diese Alltagsgeschichten sind gut zu lesen. Kurz und knapp schildern sie die persönlichen Schicksale von Mädchen und Frauen zwischen 10 und 80 Jahren. Dabei werden Themen wie das heimliche Filmen von Frauen in der Öffentlichkeit, Hatespeech und Cybermobbing auf Social-Media-Plattformen, häusliche Gewalt, weibliche Identität im Alter und die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz erlebt.

Interessant zu lesen sind Ähnlichkeiten bzw. die Unterschiede in den Biografien der Frauen. Dann manches, was die jeweilige Ich-Erzählerin erlebt, passiert auch in unseren Breiten.

Fazit:

Diesem interessanten Einblick in das Leben südkoreanischer Frauen gebe ich gerne 4 Sterne.

Veröffentlicht am 03.02.2023

Eine gelungene Fortsetzung

Der Blumenkavalier
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Fanny, die jüngste Tochter der adeligen Familie Wohlleben kehrt nach einem England-Aufenthalt gemeinsam mit ihrer älteren, schwangeren Schwester Sophie nach Wien zurück. Sie will ihr Kind, wegen der besseren ...

Fanny, die jüngste Tochter der adeligen Familie Wohlleben kehrt nach einem England-Aufenthalt gemeinsam mit ihrer älteren, schwangeren Schwester Sophie nach Wien zurück. Sie will ihr Kind, wegen der besseren ärztlichen Versorgung in Wien zur Welt bringen. Außerdem will sie ihrer garstigen Schwiegermutter entkommen.

Fanny, deren Ehemann in einer der Schlachten gegen Napoleon gefallen ist, feiert demnächst ihren 18. Geburtstag und freut sich, endlich die Trauerkleidung ablegen und in ihr eigenes Palais ziehen zu dürfen. Die junge Witwe wartet sehnsüchtig auf ihre große Liebe Paul, doch der ist vor einiger Zeit verschwunden. So stürzt sie sich in die Gestaltung von Palais und Garten.

Bei einem Pferderennen lernt sie den reichen und charismatischen ungarischen Magnaten Gyula Graf Erdély kennen, mit dem sie ihre große Leidenschaft für Pferde teilt.

Meine Meinung:

Der dritte Teil dieser Serie um Fanny von Wohlleben bietet wieder einen Einblick in die adelige Gesellschaft Wiens des Biedermeiers.

Wieder mit dabei sind das frivole Ehepaar von Trattenbach, das mit seinen erotischen Eskapaden seinerzeit die damals knapp sechzehnjährige Fanny verführt hat, sowie einige historische Persönlichkeiten wie Friedrich von Gentz oder Kaiser Franz, der als Gartenliebhaber bekannt ist und auch selbst Hand angelegt hat. Wir dürfen auch einen Blick in den Salon der Karoline Pichler machen, die Künstler und Dichter sowie das Who-is-Who des Biedermeiers in ihren Räumen empfängt.

Die Geschichte an sich entwickelt sich für meinen Geschmack ein wenig zu sehr in Richtung Liebesroman. Ein wenig unwahrscheinlich ist, wie viele „Mitspieler“ nun adelig sind. Sei es, dass sie wie Emilia herausfinden, wer die Eltern waren oder wie Paul Faber, der vom Kaiser zum Baron geadelt wird. Die Nobilitierung von reichen Kaufleuten ist zwar nicht ganz ungewöhnlich und findet unter Kaiser Franz Josef ihren Höhepunkt, um Geld in die leeren Staatskassen zu spülen. Ob es wirklich genügt, dem Kaiser seltene Pflanzen von einer Reise mitzubringen, um in den Adelsstand erhoben zu werden? Der alte Hofadel, dem Fannys Mutter ja angehört, sieht auf den neuen Geldadel naserümpfend herab. Aber, Ausnahmen bestätigen die Regel und Fannys Mutter will, dass ihre Kinder glücklich werden.

Das Cover gefällt mir diesmal nicht ganz so gut als die der beiden Vorgängerbände. Es wirkt viel zu modern, während jene von „Debütantenball“ und „Seidenwalzer“ jeweils an ein Gemälde erinnern.

Von der im 18. und 19. Jahrhundert beliebten Sprache der Blumen hätte es im Text durchaus mehr sein können. Für interessierte Leser sind die Bedeutungen der Blumen, die der Dame des Herzens überreicht wurden angeführt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der uns in die Zeit des Wiener Biedermeiers mitnimmt, 4 Sterne.