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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.12.2019

EIn Fall für Pierre Durand

Provenzalischer Rosenkrieg
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Pierre Durand lebt, nach aufregenden Jahren als Sonderermittler, nun beschaulich mit Freundin Charlotte in dem malerischen Sainte-Valerie. Er ist Dorfpolizist und ärgert sich über den überbordenden Papierkram ...

Pierre Durand lebt, nach aufregenden Jahren als Sonderermittler, nun beschaulich mit Freundin Charlotte in dem malerischen Sainte-Valerie. Er ist Dorfpolizist und ärgert sich über den überbordenden Papierkram und seinen Chef Maurice Marechal, den neuen Bürgermeister, der es mit der Bürokratie sehr genau nimmt.

Da kommt ihm Anouk, die verzweifelte Freundin von Charlotte, gerade recht, die ihn dringend um Hilfe bittet. Sie steht unter Verdacht, ihren betagten Nachbarn Hervé Bousquet durch vergiftete Pralinen ermordet zu haben.
Obwohl er keine Befugnisse hat im nahegelegenen Grasse zu ermitteln, beginnt Pierre gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Monnier, Beweise für Anouks Unschuld zu suchen. Ganz einfach scheint die Sache nicht zu sein, denn Anouk ist Erbin von Bousquets Vermögens. Ein recht handfestes Motiv, wie man weiß. Dazu kommt, dass der Unfalltod von Lucien Aubert, eines anderen Parfumeurs, nun in einem anderen Licht erscheint. Ist Anouk eine Doppelmörderin?

Meine Meinung:

Der Titel hat mir einen Schlammschlacht zweier in Scheidung lebender Eheleute suggeriert und mich in die Irre geführt. Daher war ich ein wenig überrascht, dass mich diese Geschichte in die Welt des Parfums geführt hat. Dieses Missverständnis hat der Spannung wenig Abbruch getan, denn ich habe mich schnell auf die neue Situation einstellen können. Mir hat es gut gefallen, wieder über die Herstellung von Parfums zu lesen. Ich durfte als Jugendliche, anlässlich von Sprachferien in Nizza, eine Führung in einer der Parfumfabriken in Grasse erleben. Außerdem habe ich einiges über Giovanni Maria Farina, dem Erfinder des „Aqua Mirabilis“ gelesen, daher ist mir die Welt der Düfte nicht ganz unbekannt.

Der sechste Fall für Pierre Durand ist nach einem ähnlichen Muster wie seine Vorgänger „gestrickt“. Der etwas unterforderte Dorfpolizist, der gerne als „Retter der Witwen und Waisen“ seine Kompetenzen überschreitet, und durch seine Alleingänge immer wieder das Missfallen seines Chefs, des Bürgermeisters, hervorruft. Beim alten Bürgermeister Rozier war das alles kein Problem, doch der neue ist ein, nun ja, gewöhnungsbedürftiger Bürokrat.
Ich gehe davon aus, dass die ausgesprochene Kündigung noch nicht das Ende von Pierre Durands Polizeikarriere bedeutet. Es scheint diese Cliffhanger eher auf das Ende von Maurice Marechal als Bürgermeister hindeuten. In Sainte Valerie ist man ja im Demontieren des Bürgermeisters ja geübt.

Fazit:

Wer gerne einen Krimi aus der Provence liest und mehr über die komplexe Zusammensetzung der Düfte erfahren will, ist hier genau richtig. Gerne gebe ich für diesen Krimi 4 Sterne.

Veröffentlicht am 31.12.2019

Ein sehr persönliches Klassentreffen

Das Jubiläumsklassentreffen der Kriegskinder - Nachkriegskinder - Wunderkinder
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Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und ...

Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und oft auch nebeneinander gesessen ist, wissen die Teilnehmer nur wenig voneinander, gerade soviel, dass einige als Flüchtlinge im Gymnasium von Beerheim aufgenommen worden sind.

So werden sie vom 96-jährigen ehemaligen Klassenvorstand aufgefordert, ihre Lebensgeschichte in Kurzform darzustellen. Was dann folgt, sind höchst emotionale Geschichten von Flucht und Vertreibung, von ermordeten Verwandten und anderen traumatischen Kriegserlebnissen.

Dieses Buch habe ich mit großem Interesse gelesen, zumal ich in diesem Jahr mit meinen Klassenkameraden das 40-jährige Maturatreffen gefeiert habe. Allerdings weniger opulent und nicht wirklich emotional. Vielleicht ist dieses Buch ein Ansporn, das nächste runde (oder halbrunde) Jubiläum in ähnlicher Form zu begehen.

Fazit:

Ein sehr persönliches Stück Zeitgeschichte, das hier im Rahmen eines Abituriententreffens erzählt wird. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 31.12.2019

Wahltag ist Zahltag, auch 2019

Wahl 2019
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Das vergangene Jahr war für Österreich und seine Bewohner recht aufregend. Wir mussten auf Grund des als „Ibiza-Videos“ bekannten Skandals und dem darauf folgenden Zusammenbruch der türkis-blauen Regierung, ...

Das vergangene Jahr war für Österreich und seine Bewohner recht aufregend. Wir mussten auf Grund des als „Ibiza-Videos“ bekannten Skandals und dem darauf folgenden Zusammenbruch der türkis-blauen Regierung, im September zu den Wahlurnen schreiten.

Die beiden Autoren lassen in 17 Beiträgen Journalisten und Mitarbeiter aller Parteien zu Wort kommen. Nur die FPÖ gibt kein Statement ab. Es wird die Vorgeschichte und das unsägliche Video zusammengefasst, es wird analysiert und die aktuelle politische Lage in Österreich besprochen.

Interessant ist u.a. der Beitrag von Ruth Wodak (S. 223), einer Sprachwissenschaftlerin, die die Wortwahl des Jahres 1986 und mit der aktuellen vergleicht.

Auch Oliver Rathkolbs Sicht auf “250 Jahre korruptes Österreich“ hat mir gut gefallen.

„Es war ein paranoider Wahlkampf, geprägt von Skandalen, Verdächtigungen und negativen Emotionen. Am Ende setzten sich jene einmal mehr jene durch, die frühzeitig eine klare Strategie definiert hatten - und deren Kampagnenwerkzeuge auf der Höhe der Zeit waren.“ (S. 11).

Gegen klare Ziele ist wohl wenig einzuwenden, zumal den meisten Wählern eine eindeutige Struktur lieber als ein ständiges Herumlavieren ist. Man möchte sich doch gerne auf eine stabile Regierung verlassen können. (Es muss ja nicht gleich der „Starke Mann“ sein.)
Dass die SPÖ den EInsatz der modernen Kommunikationsmittel beinahe verschlafen hat, ist ziemlich peinlich. Da waren die anderen Mitbewerber schneller.

Ich gebe zu, zu den wenigen Staatsbürgern zu gehören, die kein einziges der vielen Fernsehduelle gesehen hat. Es war schon recht schwierig, diesen auszuweichen.

Fazit:

Eine gelungene Analyse der Wahl’19 und der Vorgänge, die dazu führten. Gerne gebe ich hier 5 Sterne

Veröffentlicht am 31.12.2019

Fesselnd, düster, brutal

1794
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Die Thriller-Reihe um Michael Cardell geht weiter. Man schreibt das Jahr 1794, das ebenso finster wie das vergangene ist.
Cardell soll den Mord an einer jungen Frau aufklären, die in der Hochzeitsnacht ...

Die Thriller-Reihe um Michael Cardell geht weiter. Man schreibt das Jahr 1794, das ebenso finster wie das vergangene ist.
Cardell soll den Mord an einer jungen Frau aufklären, die in der Hochzeitsnacht ermordet worden ist. Als Täter wird der Ehemann recht schnell ausgemacht. Der wird, auf Grund seiner adeligen herkunft nicht zum Tode verurteilt, sondern in ein Irrenhaus gesteckt, was zu dieser Zeit allerdings einem Tod auf Raten gleich kommt.

Als Cardell diesen Fall übernimmt, weiß er noch nicht, welchen menschlichen Abgründen er gegenüberstehen wird. Außerdem wartet noch eine Überraschung auf Michael Cardell: er erhält mit Emil Winge, dem Bruder an Schwindsucht verstorbenen Cecil Winge, einen neuen Partner.

Meine Meinung:

Düster, beklemmend und fesselnd wie der erste Band - so lassen sich die 560 Seiten in einem Satz zusammenfassen.

Dieser historische Thriller ist nichts für Zartbesaitete. Der Autor beschreibt die menschlichen Abgründe recht detailliert und keine Grausamkeit ist ihm fremd. Wir tauchen tief in das historische Stockholm des 19. Jahrhunderts ein, das ohnehin nicht arm an Unmenschlichkeit ist. Dennoch in diesem Fall laufen dem Leser doch kalte Schauer über den Rücken.

Der Schreibstil ist packend, manchmal kaum auszuhalten, ob der gespenstig, grausamen Stimmung. Das Buch ist wieder in vier große Kapitel, den Jahreszeiten entsprechend unterteilt.

Das Cover ist wieder genial und hat einen tollen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Wer einen stellenweise grausamen Thriller sucht, wird hier fündig, andere sollten die Finger von diesem Buch lassen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.12.2019

Hoch brisant und fesselnd bis zur letzten Seite

Teuflischer Walzer
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Nach endlosen acht Jahren ohne einen Krimi aus der Feder von Frank Tallis dürfen wir nun wieder in das Wien des Fin de Siècle eintauchen.

Man schreibt das Jahr 1904 und in einer alten, aufgelassenen ...

Nach endlosen acht Jahren ohne einen Krimi aus der Feder von Frank Tallis dürfen wir nun wieder in das Wien des Fin de Siècle eintauchen.

Man schreibt das Jahr 1904 und in einer alten, aufgelassenen Klavierfabrik wird der entstellte Leichnam eines Mannes gefunden.
Inspektor Oskar Reinhardt wird mit der Aufklärung des Mordes betraut. Es scheint, als wäre der Mann von einem Femegericht verurteilt und hingerichtet worden zu sein.
Gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Hausmann und seinem Freund, dem Psychoanalytiker Dr. Max Liebermann versucht Reinhardt das Verbrechen in mühevoller Kleinarbeit aufzuklären. Reinhardt bedient sich dabei den neuesten Erkenntnissen der Kriminalistik wie z.B. der Daktyloskopie und nimmt Liebermanns Erfahrung im Umgang mit Verdächtigen in Anspruch.

Dass sie dabei einer Verschwörung, die bis in allerhöchste Kreise führt, auf die Spur kommen, können sie anfangs nicht wissen. Der oder die Täter scheinen immer einen Schritt voraus zu sein. Als sich dann noch der Geheimdienst einschaltet, ist neben Fingerspitzengefühl auch Raffinesse gefragt, denn der Fall beinhaltet sprichwörtlich jede Menge Sprengstoff.

Meine Meinung:

Wie wir es von Frank Tallis gewohnt sind, sind einfache whodunit-Krimis seine Sache nicht. Seine Kriminalfälle zeichnen sich durch einen komplexen Plot aus, der durchaus die eine oder andere überraschende Wendung bereit hält. Die historischen Details sind penibel recherchiert. So können wir neben medizinischen Größen wie Sigmund Freud auch Ferdinand Porsche begegnen, von dem sich Reinhardt und Liebermann in das (fiktive) Palais Khevenhüller bringen lassen.
„Sind Sie zufällig Ferdinand Porsche, der Gewinner des Exelberg-Rennens?“ (S. 368).
Ganz wohl ist dem Ermittler bei der Fahrt in der Kraftdroschke und dem Fahrstils nicht, aber sein Zweifel an der Sicherheit des Automobils räumt Porsche wie folgt aus: “ Es ist viel sicherer, als eine Kiste mit vier Rädern an vier Pferde zu hängen, die einander nicht mögen und Gehirne wie Walnüsse haben.“ (S. 370) Darüber musste ich doch sehr schmunzeln.

Porsche hat eine Fahrtzeit von vier Minuten versprochen, die Fahrt aber in 3:50 geschafft.

Neben so netten Zeitgenossen, treiben auch finstere Gestalten wie die Agenten der Ochrana, dem russischen Geheimdienst, und andere Verschwörer, die die Monarchie stürzen wollen, ihr Unwesen.

Auch Freuds Bemerkung über die Schriften von Gustave Le Bon, dem Arzt und Universalgelehrten („Psychologie der Massen“), „Politiker vereinfachen stark, binden das Publikum mit emotionalen Aufrufen, die mehr dem Vorurteil als dem Verstand geschuldet sind. Sie erhalten Auftrieb von Leuten die hinter ihnen stehen, werden vorangetragen von Wellen des Gefühls. Ja, eine politische Partei ist eine andere Form der Masse.“ (S. 254/255). Wie recht doch Prof. Freud hatte! Dieses Zitat hat mir kalte Schauer über den Rücken laufen lassen.

Neben der eigentlichen Krimihandlung und Jagd nach den Verschwörern können wir auch noch am familiären und kulturellen Leben der Familien Reinhardt und Liebermann teilnehmen. Die Freunde nehmen sich die Zeit für gemeinsame Liederabende, aus denen sie häufig neue Gedanken für ihre Arbeit schöpfen.

Schön ist auch der Seitenblick auf die jüdische Familie Liebermann senior, die nun endlich Amelia Lydgate kennenlernen und von der jungen, intelligenten Frau überrascht sind. Zuvor haben sie ja immer wieder erfolglos versucht, Max mit einer jüdischen Tochter des einen oder anderen Geschäftsfreundes zu verheiraten.

Fazit:

Dieser atmosphärisch dicht gewebte Krimi hat sich durch die sprachliche Gewandtheit 5 Sterne verdient.