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Veröffentlicht am 30.01.2019

Eine ungewöhnliche Darstellung

Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft
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Dieser Comic ist die ungewöhnliche Biografie eines ungewöhnlichen Menschen, des Wiener Architekten Karl Schwanzer. (1918 - 1975)

Schwanzer hat wie kaum ein anderer seiner Leidenschaft gefrönt, doch anders ...

Dieser Comic ist die ungewöhnliche Biografie eines ungewöhnlichen Menschen, des Wiener Architekten Karl Schwanzer. (1918 - 1975)

Schwanzer hat wie kaum ein anderer seiner Leidenschaft gefrönt, doch anders als viele andere österreichischen Architekten ist er nicht (mehr) so präsent. Kaum jemand weiß, dass er den Pavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel konzipiert hat. Nach dem Ende der Weltausstellung ist das Gebäude abgebaut und nach Wien gebracht worden, wo es als Museum des 20. Jahrhunderts vulgo „Das Zwanzger-Haus“ bekannt ist. Da ihm schon damals Nachhaltigkeit (auch wenn man das damals nicht so nannte) wichtig war, hat Schwanzer darauf geachtet, dass Bauteile wiederverwendet werden konnten.

Karl Schwanzer hat an sehr vielen Architekurwettbewerben teilgenommen und einige auch gewonnen. So z.B. konnte er in Brasilia, der neuen Hauptstadt Brasiliens, einige Gebäude errichten. Oder den Firmensitz von BMW in München (1972) oder das sogenannte „Philips-Haus“ in Wien, das nun zu einem Wohngebäude umgebaut wird.

Selbst wenn er bei den Wettbewerben nicht reussiert oder umplanen muss, läßt er sich nicht unterkriegen. Sein Credo lautete: „Das Projekt ist tot - es lebe das nächste Projekt“.
Häufig verwirft er seine Planungen und es gibt das geflügelte Wort vom „goldenen Papierkorb“, in den er seine verworfenen Entwürfe versenkt hat.

Ganz leicht ist ihm der Erfolg nicht gemacht worden, denn „Als Architekt, der keiner Clique angehört, steht man abseits. Auch mit seiner Meinung.“

Meine Meinung:

Eine sehr interessante Lebensgeschichte, die auch recht ungewöhnlich präsentiert wird. Die Idee dazu hatte Karl Schwanzer 1973 selbst, der dafür auch noch einen eigenen Verlag gegründet hat.

Fazit:

Eine Hommage an einen großen Architekten, der heute zu Unrecht fast vergessen ist. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 30.01.2019

Ein Krimi, der unter die Haut geht

Die Akte Kalkutta
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Es ist Ende Oktober als Chefinspektor Leo Lang zu einem Einsatz in die Lobau gerufen wird, der ihm so ziemlich alles abverlangen wird. Ein Kind wird erschossen und mit zerstörtem Gesicht aufgefunden. Will ...

Es ist Ende Oktober als Chefinspektor Leo Lang zu einem Einsatz in die Lobau gerufen wird, der ihm so ziemlich alles abverlangen wird. Ein Kind wird erschossen und mit zerstörtem Gesicht aufgefunden. Will sein Mörder die Identifizierung unmöglich machen? Doch mit Hilfe des Gerichtsmediziners gelingt es, dem Kind ein Antlitz zu geben, das engelhaft ist. Aufgrund der blauen Augen und der hellen Haare, wird „Silvio“ – so der Fallname – als mitteleuropäisches Kind geführt. Doch warum gibt es keine Vermisstenmeldung? Warum geht dieses Kind niemand ab?

Als wenig später wird die Leiche eines Vertreters für Gastronomiebedarf erschossen aufgefunden. Die Tatwaffe ist dieselbe wie bei Silvio. Was hat der biedere Familienvater, dessen Lebensstil ein wenig zu üppig ist, mit dem kleinen Jungen, dem noch dazu eine Niere entfernt wurde, zu tun?

Mit akribischer Recherche gehen Leo Lang und sein Team jedem noch so kleinen Hinweis nach und entdecken einerseits eine Spur zu einem Waisenhaus in Kalkutta, einer Privatklinik in Wien und andererseits einen Anhaltspunkt, der Silvios wahre Identität lüften könnte.

Meine Meinung:

Dieser Krimi, den ich an einem Tag ausgelesen habe, weil er mich so in den Bann gezogen hat, ist das Debüt der oberösterreichischen Autorin Heidi Emfried. Das Szenario, das sich die Autorin ausgedacht hat, wird in ähnlicher Weise bereits praktiziert und liegt dennoch über unserem Vorstellungsvermögen.

Die Charaktere sind zutiefst menschlich. Da ist zum einen Leo Lang, der vor einigen Jahren seine kleine Tochter durch eine Krankheit verloren hat und zum anderen Marlene, die Besitzerin eines kleinen Maßsalons, die vorab als Expertin für Näharbeiten in Leos Leben hereinschneit und durch ihr vielfältiges Wissen über Stoffe, einen wichtigen Hinweis zu Silvio geben kann. Auch Leos Team besteht aus verschiedenen spannenden Charakteren. Hier ist der, fast ausschließlich im breiten Wiener Dialekt sprechende Nowotny als besonders herausstechend zu nennen.

Anders als in vielen Krimis arbeiten Staatsanwaltschaft oder Vorgesetzte nicht gegen die Ermittler. Allerdings haben alle so ihre politischen Zwänge, die hier nicht verschwiegen werden. Knapp Ressourcen an Mensch und Mittel erzeugen Druck auf die Ermittler. Das lässt Leo Lang manchmal auch zu ungewöhnlichen Alleingängen greifen. Der Erfolg gibt ihm Recht, gewagt ist es trotzdem.

Sprachlich bewegt sich der Krimi auf hohem Niveau. Ein kleiner Lapsus ist mir dennoch aufgefallen: es muss Rom (die weibliche Form ist Romni) statt Roma, wenn man einen Angehörigen der Volksgruppe der Roma meint.
Die Autorin beobachtet und schreibt punktgenau und messerscharf.
Sehr gut gefällt mir die Schilderung des Ermittlungsalltags, der abseits von jeglicher „Action“ häufig der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. Heide Emfried beschreibt diese Recherchen strukturiert, beinahe schon technisch nüchtern. Hier kommen ihre Kenntnisse aus der Informatik durch – man kann beinahe ein Ablaufdiagramm im Hintergrund sehen. Polizeiarbeit hat eben viel mit dem Abhaken von Listen, langweiligen Befragungen, „if, then“ sowie Abarbeiten von vorgegebenem Procedere zu tun. Die Lösung dieses komplexen Falles fällt nicht vom Himmel, sondern ist das Ergebnis von akribischer Arbeit und einem gut durchdachtem Plot.

Schmunzeln musste ich über die Beschreibung der Uniformen der Stewardessen der Austrian Airlines, deren blickdichten roten Strumpfhosen wirklich hässlich sind.
"Da sie außer Dienst war, trug sie saloppe Alltagskleidung, was ihr wahrscheinlich ohnehin viel besser passte als die AUA-Uniform, die Lang überhaupt nicht gefiel. Das viele Rot, besonders bei den Strümpfen, stand den wenigsten, fand er."
Auch die Szene in Langs Küche als er mit Marlene über Koriander philosophiert hat mir gut gefallen.

Fazit:

Diesem fesselnden Krimi, der unter die Haut geht, gebe ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 30.01.2019

Gasperlmaiers 7. Fall

Letzter Stollen
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Ausgerechnet während der Feier zu seinen 50. Geburtstag muss Gasperlmaier dem seltsamen Anruf der Betreiberin des Salzbergwerks nachgehen: Es scheint, als fehlte ein Besucher des Schaubergwerks – und soviel ...

Ausgerechnet während der Feier zu seinen 50. Geburtstag muss Gasperlmaier dem seltsamen Anruf der Betreiberin des Salzbergwerks nachgehen: Es scheint, als fehlte ein Besucher des Schaubergwerks – und soviel sei verraten, er wird nicht der einzige Abgängige bleiben.
Wenig später wird die erste Leiche gefunden. Es ist ein Kunsthändler, der wenig verwunderlich, nach einem Bild aus der Raubkunstsammlung der Nazis sucht.

Wird Gasperlmaier an der Seite von Frau Doktor Kohlross diesen kniffligen Fall lösen können, bei dem nichts so ist, wie es scheint?

Meine Meinung:

Herbert Dutzler zeichnet wie immer einen Gasperlmaier, der es lieber gemütlich hat, der sowohl Höhenangst als auch Spundus vor der Tiefe der Bergwerksstollen hat, aber dennoch in den Stollen hineingeht.
Ein bisschen hat er sich weiter entwickeln dürfen, der Gasperlmaier. Immerhin ist er inzwischen im Besitz eines Smartphones. Der Konsum von Leberkäsesemmeln und Alkohol im Dienst ist nach wie vor hoch. Da sollte vielleicht einmal eingeschritten werden, denn eigentlich herrscht in Bundesdienststellen Alkoholverbot. Vielleicht könnte die Arbeitsmedizin eine Begehung machen und dies anmerken? Immerhin hat es ja auch der pensionierte Postenkommandant Friedrich Kahlß geschafft, seine Ernährungsgewohnheiten umzustellen.

Endlich erfährt der neugierige Leser wie es mit dem Privatleben der Frau Doktor bestellt ist. Hier erweist sich Gasperlmaier als aufmerksamer Zuhörer.

Gut hat mir gefallen, dass aktuelle Themen wie Ausländerfeindlichkeit, Unterbringung von Asylwerber und die Sensationsgier der Medien (in Form der unvermeidlichen Maggie Schablinger) angesprochen werden. Der Krimi spielt nicht umsonst in Altaussee, dessen Bergwerke als Versteck der, von den Nazis in ganz Europa zusammengeraubten Kunstwerken, dienten. Das sorgt nach wie vor für Interesse, zumal so manch Einheimischer damals plötzlich zu viel Geld gekommen sein soll.

Auch die Verschwörungstheorie passt gut zu Altaussee, auch wenn man darüber ein wenig den Kopf schütteln kann.

Der Schreibstil ist wie immer flott und leicht zu lesen. Das Lokalkolorit kommt auch nicht zu kurz.

Wie alle Taschenbücher aus dem Haymon-Verlag hat auch dieses hier abgerundete Ecken, was ein schönes Alleinstellungsmerkmal ist. Die Farbe des Covers ist mit pink für einen Krimi ein wenig gewagt, doch passt es gut zum Stil der sechs farbenprächtigen Vorgängern.

Fazit:

Dieser Krimi hat mir, bis auf Gasperlmaiers Hang zu Schnaps und Bier, bis jetzt am besten gefallen. Gerne gebe ich hier 4 gute Sterne.

Veröffentlicht am 30.01.2019

30 Jahre Architekturgeschehen

Karl Schwanzer – Spuren / Traces
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Rechtzeitig zu Karl Schwanzers 100. Geburtstag ist dieser Bildband erschienen. Auf den der Einleitung folgenden Seiten stellen die Autoren den (architektonische) Lebenslauf des Geburtstagskindes sowie ...

Rechtzeitig zu Karl Schwanzers 100. Geburtstag ist dieser Bildband erschienen. Auf den der Einleitung folgenden Seiten stellen die Autoren den (architektonische) Lebenslauf des Geburtstagskindes sowie seine Arbeitsphilosophie dar. Da dieses Buch für ein internationales Publikum gedacht ist, in deutscher und englischer Sprache.

Wie es sich für Architekturfotografie gehört, sind die Bilder unerhört detailreich und plastisch. So gibt es Fotos, die sich mich Details wie dem Anschluss Fußboden an Wand beschäftigen Ein immer wieder vernachlässigtes Bestandteil eines Bauwerks, dem selten Beachtung geschenkt wird, aber wenn es schlampig oder lieblos ausgeführt wird, den Gesamteindruck eines Raumes/Gebäudes völlig zerstören kann.

Die verschiedensten Fotografinnen (ja, Schwanzer hat mehrheitlich mit Frauen zusammengearbeitet) haben seine Werke aus unterschiedlichen Perspektiven fotografiert. In Schwanzers Nachlass finden sich mehrere Tausend Bilder.

Karl Schwanzer (1918-1975) hat 30 Jahre die internationale Architektur geprägt. Als Nachkriegsarchitekt verwendet er häufig Stahlbeton, der häufig roh, ja beinahe archaisch, verarbeitet wird. Kein bunter Schnickschnack, kein Ornament oder Verkleidung durch spiegelnde Fassadenplatten verunziert die Fassaden. (siehe Philips-Haus, die österr. Botschaft in Brasilia oder BMW-Zentrale). Bei einigen Bauten wie dem Zubau zum MAK (Museum für Angewandte Kunst bzw. Akademie für Angewandte Kunst) oder der Pfarrkirche Auferstehung Christi in Wien-Donaustadt verwendet er sowohl außen als auch innen Sichtziegel als Gestaltungselemente.

Dazu gibt es eine Fotostrecke über Karl Schwanzer als Möbeldesigner. Die Architekten dieser (und der vorhergehenden) Generationen haben hier eine Art „Gesamtkunstwerk“ zu errichten versucht. Gebäude zu bauen ohne auf Interieur zu achten, ist damals fast unvorstellbar. So entwirft Schwanzer, wie Carl Auböck, Roland Rainer oder Clemens Holzmeister u. a. gleich passende Möbel.

Das großformatige Buch ist in einer hochwertigen Aufmachung erschienen. Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, einprägendes haptisches Erlebnis ist die, in den in sattem rot gehaltenen Buchdeckel eingeprägte Schnecke.

Fazit:

Ein würdiges Geburtstagsgeschenk für einen Architekten, der beinahe vergessen ist. Gerne gebe ich für diesen prächtigen Bildband 5 Sterne.

Veröffentlicht am 24.01.2019

Qualitätsjournalismus gegen Fake-News

Reporter
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Seymour M. Hersh ist DER amerikanische Enthüllungsjournalist. Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, „Es gab noch nie einen Präsidenten, der mich leiden konnte. Ich nehme das als Kompliment.“

Nun ...

Seymour M. Hersh ist DER amerikanische Enthüllungsjournalist. Er kann von sich mit Fug und Recht behaupten, „Es gab noch nie einen Präsidenten, der mich leiden konnte. Ich nehme das als Kompliment.“

Nun hat er mit diesem Buch eine Art Memoiren vorgelegt, in dem er seinen Werdegang als Sohn einer jüdischen Familie zu eben jenem Journalisten erzählt, vor dem eine Menge Leute zittern mussten. Dabei geht er mit vielen Präsidenten Amerikas hart ins Gericht. Er berichtet aus dem reichen Schatz an Reportagen über verlogene, gefälschte und verschwiegene Machenschaften aus und im Weißen Haus. Er erzählt über seine Arbeitsweise und gibt tiefe Einblicke in seine großen Reportagen: über Kissinger, die Mafia-Connections der Kennedys bis zu den Hintergründen der Massaker von Vietnam. Von Militärs, die tausende Soldaten im Vietnamkrieg opfern und Untersuchungen behindern.

Hersh gilt als unbestechlicher Journalist, der sich nichts und niemandem beugt. Nicht alles, was er erfahren hat und weiß, gibt er preis. Er schützt seine Informanten. Damit vermasselt er sich einige Male eine Karriere bei diversen Zeitungen. Allerdings nimmt er dies in Kauf, um weiter als Enthüllungsjournalist arbeiten zu können.

Hersh macht sich auch Gedanken, wohin sich der Journalismus entwickelt. In Zeiten der Rund-um-die-Uhr-Nachrichten werden Berichte und Stories häufig nur mehr oberflächlich oder gar nicht geprüft. Es scheint al wären die „goldenen Zeiten“ des Enthüllungsjournalismus vorbei. Redaktionen scheuen die Kosten für ordentliche Recherchen und fürchten juristische Schritte.

Meine Meinung:

Mit seinem ungeheuren Wissen über die Zusammenhänge in der großen Weltpolitik und der etwas kleineren des Journalismus, bringt uns der Autor die Zahlen, Daten und Fakten der Reportagen näher. Hersh verkörpert wie kein anderer die „vierte Macht im Staat“. Seine kritischen Fragen haben reihenweise Politiker ins Schwitzen gebracht und manche vor den Kadi.

Wir erhalten in diesem Buch viele persönliche Einblicke in Leben und Arbeit des berühmten Investigativ-Journalisten und spannende Hintergrundinformationen und pointierte Anekdoten. Seymour Hersh gibt mit diesem Buch, das eine Pflichtlektüre für alle Journalismus-Studenten und angehende Reporter sein muss, ein glühendes Bekenntnis zur Pressefreiheit und Qualitätsjournalismus.

„Ich war immer der Ansicht, einer Zeitung ginge es darum, die Wahrheit herauszufinden, und nicht lediglich über die Diskussionen darüber zu berichten.“

Fazit:

Ein Buch, das man vor allem in Zeiten wie diesen, unbedingt lesen muss „Qualitäts-Journalismus im Kampf gegen Fake News und Populismus“. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.