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Venatrix

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Veröffentlicht am 11.01.2019

Eine Hommage an eine Stadt

Istanbul
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Die Historikerin und Autorin Bettany Hughes hat mit diesem fast 1.000 Seiten umfassenden Buch eine Hommage an eine Stadt geschaffen, die sich als Mittlerin zwischen Orient und Okzident versteht. Dazu passt ...

Die Historikerin und Autorin Bettany Hughes hat mit diesem fast 1.000 Seiten umfassenden Buch eine Hommage an eine Stadt geschaffen, die sich als Mittlerin zwischen Orient und Okzident versteht. Dazu passt das prächtige Cover, das einen großartigen Blickfang abgibt.

„Istanbul kennen heißt wissen, was es bedeutet Kosmopolit zu sein. Die Stadt erinnert uns daran, dass wir tatsächlich Weltbürger sind.“ (S. 752)

Byzantion, Byzanz, Konstantinopel oder Istanbul – die Stadt ist so vielfältig wie ihre Namen.

In acht großen Kapiteln stellt uns die Autorin die Metropole vor:

• Byzantion – Stadt des Byzas(bis ca. 311 n. Chr.)
• Konstantinopel – Stadt Gottes (bis ca. 475 n. Chr.)
• Das Neue Rom (bis ca. 565 n. Chr.)
• Das Sehnen der Welt (bis ca. 1050 n. Chr.)
• Stadt des Krieges (bis ca. 1320)
• Allahs Stadt (bis ca. 1575)
• Reichsstadt (bis ca. 1800)
• Stadt der Revolten – Stadt der Chancen (bis in die Gegenwart)

Die Autorin erzählt die Entwicklung der Stadt zum überwiegenden Teil chronologisch, doch gibt es, wenn nötig, Seitenblicke und Zeitsprünge.

Das umfangreiche Werk liest sich trotz der vielen Seiten angenehm, an manchen Stellen wie ein Roman. Viele Zitate, Anekdoten, Fotos und Landkarten bereichern dieses Buch.
Der rund 200 Seiten starke Anhang mit Quellen- und Literaturangaben, einem Orts- und Personenregister ist eine üppige Ergänzung für alle jene, die noch tiefer in die Materie eindringen wollen.


Für meinen Geschmack ist der Zeit vor 1050 ein kleinbisschen zu viel Raum gegeben. Das letzte Kapitel bis zur Gegenwart hätte für mich persönlich ein wenig detaillierter und länger ausfallen dürfen. Aber, das ist jammern auf höchstem Niveau. Bettany Hughes ist ja Historikerin und nicht Politikwissenschaftlerin.

Wie sagte schon Sultan Murad IV. im Jahr 1638:
„Oh mein Gott! Gewähre, dass diese Stadt bis ans Ende der Zeiten wächst und gedeiht!“

Dem ist wohl wenig hinzu zu fügen. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Politik diesem frommen Wunsch nicht entgegen wirkt.

Veröffentlicht am 06.01.2019

hat mich diesmal nicht vollends überzeugt

Der Kommissar und das Biest von Marcouf
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In seinem 9. Fall als externer Berater muss sich Commissaire Philippe Lagarde mit dem Mord an einem Liebespaar und der extrem dünnen Personaldecke der französischen Polizei herumschlagen.
Während der ...

In seinem 9. Fall als externer Berater muss sich Commissaire Philippe Lagarde mit dem Mord an einem Liebespaar und der extrem dünnen Personaldecke der französischen Polizei herumschlagen.
Während der Ermittlungen, ihm steht wieder eine junge, engagierte Gendarmin zur Seite, werden allerlei Spuren entdeckt, die alle samt in den diversen Sackgassen enden. Da wird, sogar von einem Verdächtigen, ein weiteres Liebespaar gefunden. Die Todesursache ist dieselbe wie beim ersten Fall. Treibt hier ein Serienmörder sein Unwesen?

Meine Meinung:

Im nunmehr neunten Fall scheint die Krimi-Reihe um Philippe Lagarde ein wenig abgenützt zu sein. Jedes Jahr einen Krimi zu schreiben, ist bestimmt anstrengend. Immer mehr Tote – das kann wohl nicht das Rezept für hohe Verkaufszahlen sein. Auch die Abwesenheit von qualifizierten Personal und die Anwesenheit von Annie, einer hübschen, ehrgeizigen und jungen Mitarbeiterin der örtlichen Gendarmerie, die den Profi Lagarde unterstützt, haben wir schon mehrmals gehabt.

Das Motiv des Täters erscheint ein wenig banal, aber das ist wohl ein wenig aus dem Leben gegriffen. Wie oft töten Menschen aus Langeweile, Eifersucht oder Geltungsdrang?

Die Kulisse des Krimis ist wieder die Normandie, genauer gesagt die einsame Vogelinsel Île de Terre. Das Lokalkolorit, inklusive kulinarischem Streifzuge durch die Speisekarten der örtlichen Gasthäuser kommt nicht zu kurz.

Fazit:

Es gibt eindeutige bessere Fälle für Philippe Lagarde, daher diesmal nur 3 Sterne.

Veröffentlicht am 05.01.2019

Ein vielschichtiger Krimi - fesselnd bis zur letzten Seite

Totwasser
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Die Anwältin Linn Geller ist als Pflichtverteidigerin von Grace Riccardi, einem Model, bestellt worden. Grace steht unter dem Verdacht, in England ihren Ehemann, einen beliebten Serien-Darsteller ermordet ...

Die Anwältin Linn Geller ist als Pflichtverteidigerin von Grace Riccardi, einem Model, bestellt worden. Grace steht unter dem Verdacht, in England ihren Ehemann, einen beliebten Serien-Darsteller ermordet zu haben. Obwohl alle Indizien für diese These sprechen und Grace auch ein Geständnis ablegen will, ist Linn von der Schuld ihrer Mandantin nicht restlos überzeugt.

Die Anwältin, die nach einem schweren Unfall noch nicht wieder völlig hergestellt ist und sich eine neue Existenz aufbauen muss, fliegt nach England, um nochmals mit den Zeugen zu sprechen. Hilfe erfährt sie vom örtlichen Ermittler Harris, der ihr nach anfänglichem Zögern, auch Unterlagen zur Verfügung stellt, die sie eigentlich gar nicht einsehen dürfte.

Meine Meinung:

„Totwasser“ ist ein Krimi, der an der Grenze zum Thriller balanciert. Schon der mehrfache Ortswechsel zwischen Stuttgart und Cornwall sowie der mehrmalige Perspektivenwechsel erhöhen die Spannung. Nahezu mühelos wechselt Linn Geller in die englische Sprache, was die Ermittlungen erheblich erleichtert. Während sie in Stuttgart sich immer wieder den Dämonen der Vergangenheit und dem drohenden Konkurs ihrer neu eröffneten Kanzlei ausgesetzt fühlt, kann sie in Cornwall ihre wahre Klasse ausspielen. Akribisch recherchiert sie, stößt auf einige Ungereimtheiten, die die Ermittler sowohl in Deutschland als auch in England nicht ganz so toll aussehen lassen.
Die Charaktere sind vielschichtig und haben allerlei Ecken und Kanten. Davon sind nicht nur die Anwältin, Oper und Täter sondern auch der Staatsanwalt und die Richterin betroffen. Theoretisch sollten die beiden ja unabhängig voneinander arbeiten. Doch in diesem Fall, greift eine ehemalige persönliche Beziehung in die Zusammenarbeit ein.

Ich gehe davon aus, dass der Unfall, der Linn Geller so schwer traumatisiert hat, in einem zweiten Band aufgearbeitet werden kann. Denn dieses Geheimnis muss doch auch noch gelüftet werden.

Fazit:

Ein fesselnder Krimi, den ich in einem Tag gelesen habe. Bitte mehr davon! Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 30.12.2018

Konnte mich nicht überzeugen

Mordflüstern
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Worum geht’s?

Krimiautor Lars Faber kehrt nach einem längeren Wienaufenthalt wieder in seine Geburtsstadt Hamburg zurück. Unmittelbar darauf beginnt er das Flüstern seiner verstorbenen Mutter zu hören, ...

Worum geht’s?

Krimiautor Lars Faber kehrt nach einem längeren Wienaufenthalt wieder in seine Geburtsstadt Hamburg zurück. Unmittelbar darauf beginnt er das Flüstern seiner verstorbenen Mutter zu hören, die ihn zu weiteren Krimis animiert. Das Perfide daran ist, dass die Morde dann auch tatsächlich passieren und Lars‘ näheres Umfeld betreffen. Der psychisch ohnehin leicht angeschlagene Autor weiß nun nicht mehr, wer Freund oder Feind ist.
Dann wird sein Onkel, in dessen Haus er wohnt, entführt und Lars beginnt selbst zu recherchieren.

Meine Meinung:

Als erklärten Hamburg-Fan haben mich der Untertitel und das Cover sofort angesprochen.

Die Idee finde ich interessant. Die Umsetzung ist meiner Ansicht nach nicht so gut gelungen. Der Krimi ist aus Lars‘ Sicht geschrieben. Der Leser weiß oft nicht, was erlebt Lars jetzt wirklich und was geistert nur in seinem Kopf herum. Manche Szenen sind gut gelungen, manch weniger. Mir fällt es schwer, den Gedankengängen zu folgen. Manch Szenenwechsel erscheint mir zu abrupt. In der Filmbranche würde man von einem „harten Cut“ sprechen, denn manchmal beginnt die nächste Szene bevor die vorherige schlüssig zu Ende erzählt wurde.

Lars scheint ein emotionaler Krüppel zu sein, denn die Entführung seines Onkel berührt in kaum. Lieber sucht er nach seinem persönlichen Glück. Die Charaktere erscheinen mir zu oberflächlich und zu blass, teilweise auch unglaubwürdig in ihren Handlungen.

Gut beschrieben finde ich das Verlagswesen, in dem immer wieder mit harten Bandagen um Auflagen und Bestseller gekämpft wird.

Fazit:

Leider konnte mich dieser Krimi so gar nicht überzeugen. Daher reicht es gerade einmal für 2 Sterne.

Veröffentlicht am 28.12.2018

Das schiskal des Klaus B.

Raubkind
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Die Autorin erzählt in diesem Buch die schier unglaubliche Geschichte von Klaus B., der einem polnischen Kind, dass 1943 seinen Eltern geraubt und in eine deutsche Pflegefamilie gebracht wurde.

Warum? ...

Die Autorin erzählt in diesem Buch die schier unglaubliche Geschichte von Klaus B., der einem polnischen Kind, dass 1943 seinen Eltern geraubt und in eine deutsche Pflegefamilie gebracht wurde.

Warum? Wieso? Gab es das öfter? Dorothee Schmitz-Köster gilt als Spezialistin für die NS-Geschichte und des „Lebensborns“.
In der Gesamtheit der NS-Verbrechen muten die Dramen rund um den „Lebensborn“ als gering an. Doch, wie man aus dem vorliegenden Buch erkennen kann, ist die Verschleppung blonder, blauäugiger Kinder aus den diversen Protektoraten kein Zufall. Diese Kinder sollen, nach eingehender rassischer Begutachtung, in treudeutschen Familien zu aufrechten Deutschen erzogen werden. Dazu nimmt man ihnen ihre Identität, ihre Sprache, die Herkunft und sogar ihre Geburtsdaten. Dass dies nur mit kleineren Kindern funktionieren kann, ist den NS-Schergen klar.

Im Rahmen von Forschungen stößt die Autorin (die im Buch nur Journalistin genannt wird) auf die Biografie von Klaus B.. Sie nimmt mit dem inzwischen Mittsiebziger Kontakt auf. Anfangs sind weder Klaus noch seine Frau Sonja von der Recherche überzeugt. Was soll es bringen, nach so langer Zeit eventuell mögliche Verwandte ausfindig zu machen?

Erst nachdem die Autorin einige handfeste Beweise, die sich auf Grund der Verschleierung (falsches Geburtsdatum etc.) nur aufwändig und schwer beschaffen lassen, stimmt Klaus B. einer intensiven Forschung nach seiner Herkunftsfamilie zu. Und das Unglaublich tritt zu Tage: Es gibt sie, seine Familie in Polen. Und nicht nur das! Sie hat mehrmals nach ihm suchen lassen, ohne Erfolg, weil ja Namen und behördliche Angaben verfälscht wurden.

Die polnische Verwandtschaft kommt Klaus in Deutschland besuchen. Die Verständigung ist schwierig, da nur ein Familienmitglied deutsch spricht. Zu einem Gegenbesuch kann sich Klaus B. nicht aufraffen, da er seit langem herzkrank und sich einer solchen emotionalen Strapaze, die Orte seiner frühen Kindheit wieder zu sehen, nicht aussetzen will und kann.

Meine Meinung:

Der Autorin ist ein packendes Dokument eines Unrechts gelungen. Klaus ist, wie wir erfahren nicht das einzige „Raubkind“. Es gibt einige belegte (sehr ähnliche) Fälle und eine nicht abschätzbare Dunkelziffer.

Sehr eindrücklich schildert die Autorin wie sie das Schicksal von Klaus B. minutiös aufrollen kann. Allerdings, habe ich persönlich den Eindruck, verbeißt sie sich dermaßen in die Recherche, dass das eigentliche Ziel, das Schicksal von Klaus zu erforschen, ins Hintertreffen gerät. Hin und wieder klingt auch von ihre Seite, Zweifel an ihrer Mission an. Doch ohne diese Hartnäckigkeit, die manchmal sehr fordernd ist, wäre es nicht gelungen, Klaus‘ Familie ausfindig zu machen.
Unglaublich auch, welche Urkunden in welchen Archiven nach wie vor schlummern und nur durch persönlichen Engagement (manchmal auch unter Umgehung des offiziellen Dienstweges) ans Tageslicht kommen.

Erschütternd ist auch der Umgang der (aktuellen) Behörden, wenn es darum geht, diesen „Raubkindern“ Renten zu gewähren. Man hat hier nach wie vor das Gefühl, dass solche Ansprüche „ausgesessen“ werden sollten.

Berührend und für mich verständlich ist das Verhalten von Klaus. Dass er ein Pflegekind in einer Nazi-Familie war, ist ihm ja bekannt, die Umstände nicht. Ich kann seine Vorbehalte seiner plötzlich aufgetauchten Familie gegenüber, gut verstehen. Jahrzehntelang im Glauben, ein Waisenkind zu sein, aufgewachsen zu sein und dann plötzlich eine vielköpfige Familie zu haben, das würde wohl viele aus der Bahn werfen. Dazu kommt, dass er ja mit der Propaganda, Polen wären minderwertig, groß geworden ist. Und nun ist er selbst einer? Die Gedanken, welcher Staatsbürger er nun sei, lassen sich gut nachvollziehen.
Ich kann verstehen, dass er sich nicht in das emotionale Chaos stürzen möchte, wenn er die Orte seiner Kindheit besuchen würde.

Der Schreibstil ist sehr sachlich. Trotzdem weckt er beim Lesen Emotionen, die zwischen Trauer, Wut und Freude hin und her gerissen sind. Die abgebildeten Fotos und Dokumente, die teils aus den Archiven und teils von der Familie stammen, ergänzen diese penibel recherchierte Biografie.

Fazit:

Die Geschichte von Klaus B. steht stellvertretend und exemplarisch für die Geschichte jener Kinder, die ihren Eltern gewaltsam entrissen wurden. Vielleicht gelingt es ja noch, die eine oder andere Familie zusammenzuführen.