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Venatrix

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Veröffentlicht am 24.10.2018

Ein empfehlenswertes Sachbuch

Bürgerkrieg
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Bürgerkrieg/David Armitage/5 Sterne

In mehreren sehr informativen Kapiteln erfahren wir einiges über den Begriff „Bürgerkrieg“

Was ist Bürgerkrieg eigentlich und wer hat ihn „erfunden“?

Bürgerkrieg ...

Bürgerkrieg/David Armitage/5 Sterne

In mehreren sehr informativen Kapiteln erfahren wir einiges über den Begriff „Bürgerkrieg“

Was ist Bürgerkrieg eigentlich und wer hat ihn „erfunden“?

Bürgerkrieg wird jedenfalls als Gegenteil zum „Angriffskrieg“ gegen andere Territorien verstanden.
Der Autor unterscheidet Konflikte innerhalb eines Staatsgebildes u.a. zwischen Aufstand, Revolution, Erbfolgekrieg und Bürgerkrieg. Allerdings sind die Grenzen fließend.

Wichtigstes Merkmal eines Bürgerkriegs ist, dass es sich hier um einen innerstaatlichen Konflikt handelt. Die Menschen leben seit langer Zeit Seite an Seite, sprechen in den meisten Fällen dieselbe Sprache und, sind manchmal miteinander verwandt. Genau das ist das Perfide am Bürgerkrieg, dass die Fronten auch innerhalb von Familien liegen. An Grausamkeiten steht ein Bürgerkrieg einem Expansionskrieg um nichts nach. Der Bürgerkrieg spaltet das Land. Es gibt keinen „gemeinsamen“ Feind, sondern „nur“ jeder gegen jeden.

Erfunden haben ihn die Römer: z.B. Marius gegen Sulla, Caesar gegen Pompeius. Hier handelt es sich um Machtkämpfe zwischen Gleichrangigen - Cives gegen Cives.

„Bürgerkriege können nur von jenen geführt werden, die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind.“ (Römische Sichtweise)

Der Kampf gegen die Sklaven-Armee des Spartakus‘ ist die Niederschlagung eines Aufstandes.

Die Französische Revolution ist ein klassisches Beispiel dafür, dass eine Revolution, ursprünglich gegen die Herrscher gerichtet, dann zum Bürgerkrieg wird und anschließend zu einem Expansionskrieg wird, der ganz Europa überzieht.

Doch diese Definition des Bürgerkrieges hat so seine Tücken. Wie verhält es sich beim langjährigen Kampf zwischen dem Haus Lancaster und York in England?

Was ist mit dem Unabhängigkeitskrieg der britischen Kolonien in Amerika, die sie gegen das Mutterland erheben? Klassischer Bürgerkrieg oder nicht?

Der Sezessionskrieg zwischen Süd- und Nordstaaten wird immer wieder als „amerikanischer Bürgerkrieg“ bezeichnet, doch ist er das wirklich?

Ein klassischer Bürgerkrieg tobte in den 1990er Jahren am Balkan, als Jugoslawien zerfällt.
Sehr interessant, weil häufig nicht hinlänglich bekannt, ist, dass für innerstaatliche Konflikte die Regeln der „Genfer Konvention“ nicht galten. Bürgerkrieg heißt auch oft, dass sich Außenstehende nicht einmischen soll(t)en. Wenn man aber den Blick auf Afghanistan, Syrien oder die Konflikte in Afrika richtet, so gibt es hier sehr wohl Einmischung von außen. Geld- und/oder Waffenlieferungen, militärische Berater etc. sichern Staaten wie den USA oder Russland ihren Einfluss in der Region.

„Was Bürgerkriege bedrohlicher macht als andere Kriege, ist, dass jeder von uns im eigenen Hause Wache stehen muss.“ (Michel de Montaigne (1533-1592 „Essays“, S. 103)

Dem ist wohl wenig hinzuzufügen.


Fazit:

Ein empfehlenswertes Sachbuch für alle Geschichtsinteressierten und jene, die sie für die aktuelle internationale Politik interessieren. Gerne gebe ich 5 Sterne.


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Veröffentlicht am 22.10.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Bluthaus
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Während Frida Paulsen auf dem Apfelhof ihrer Eltern mithilft und über ihre weitere Zukunft bei der Polizei nachdenkt, ändert sich sowohl im Leben ihrer Freundin Jo als in dem ihres Kollegen Bjarne Haverkorn ...

Während Frida Paulsen auf dem Apfelhof ihrer Eltern mithilft und über ihre weitere Zukunft bei der Polizei nachdenkt, ändert sich sowohl im Leben ihrer Freundin Jo als in dem ihres Kollegen Bjarne Haverkorn einiges.

Jo wird verdächtigt eine Frau ermordet zu haben. Doch anstatt mit der Mordkommission zu kooperieren, versucht die Detektivin den Fall auf eigene Faust zu lösen und ihre Unschuld zu beweisen. Dabei verschwindet sie spurlos …

Bjarne hat mit den eigenen Dämonen der Vergangenheit zu kämpfen, als ihm seine frühere Freundin erklärt, dass er Vater einer vierzigjährigen Tochter ist, die todkrank ist und eine neue Leber braucht.
Einzig Frida scheint diesmal, obwohl noch vom Dienst karenziert, die Fäden in der Hand zu halten und heftet sich auf Jos Fersen. Sie stößt dabei auf das „Bluthus“, ein sogenanntes „Safe-house“ der Polizei, in dem sich vor Jahren ein blutiges Drama abgespielt hat.

Meine Meinung:

Die Spannung ist stellenweise kaum auszuhalten. Ich habe das Buch mehr oder weniger in einem Stück gelesen. Die düstere Atmosphäre rund um das Bluthus ist der Autorin gut gelungen. Geschickt führt sie die Leser in die Irre. Die eine oder andere Spur entpuppt sich als Sackgasse.
Elegant sind die Rückblenden zu dem, lange zurückliegenden Verbrechen eingeflochten. Stück für Stück enthüllt sich langsam die Tragödie.
Frida und Bjarne haben sich wieder ein wenig weiterentwickelt. Jeder hat sein Schicksalspäckchen zu tragen. Für Frida scheint sich der Weg zurück in die Mordkommission wieder aufzutun. Bjarne muss erst einmal wieder gesund werden. Nachdem er ohnehin schon an der Grenze zur Pensionierung steht, könnte er sich ins Privatleben zurückziehen und Frida als väterlicher Freund zur Seite stehen. Das wäre doch eine Idee für einen 3. Band, oder?
Der Schreibstil ist wie schon in „Totenweg“ gut zu lesen. Dem Leser sind wenig Atempausen vergönnt. Tempo und Spannungsbogen sind recht hoch.

Fazit:

Ein bis zur letzten Seite fesselnder Krimi, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Spricht mir aus der Seele

Betrachtungen eines Unkorrekten
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Journalist und Moderator Heinz Sichrovky bezeichnet sich selbst als „Unkorrekten“, weil er sich gegen den derzeit herrschenden Zeitgeist, Literatur auf „politische Unkorrektheit“ zu prüfen und umzuschreiben, ...

Journalist und Moderator Heinz Sichrovky bezeichnet sich selbst als „Unkorrekten“, weil er sich gegen den derzeit herrschenden Zeitgeist, Literatur auf „politische Unkorrektheit“ zu prüfen und umzuschreiben, ausspricht.
Der Genderwahn ist ihm ebenso ein Dorn im Auge wie die das krampfhafte Vermeiden des Wortes „Mohr“. Shakespeare oder die Pippi Langstrumpf neu schreiben? Nein, das geht für Sichrovsky (und für mich) gar nicht.
In gewohnt satirischer Weise präsentiert er seine bissigen Gedanken zum unkorrekt Sein. In vielen Dingen kann ich ihm leichten Herzens zustimmen. Das für mich zu lange Verweilen bei Elfriede Jelinek, der unangepassten Literaturnobelpreisträgerin, kostet einen Stern.

Veröffentlicht am 20.10.2018

Einblick in eine Gemeinde vor 1938

Wo Dollfuß baden ging
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Antisemitismus ist keine Erfindung der Nazis. Diese Geisteshaltung zieht sich seit Jahrhunderten durch die Geschichte.

Am Bespiel der Fremdenverkehrsgemeinde Mattsee wird gezeigt, wie handfeste wirtschaftliche ...

Antisemitismus ist keine Erfindung der Nazis. Diese Geisteshaltung zieht sich seit Jahrhunderten durch die Geschichte.

Am Bespiel der Fremdenverkehrsgemeinde Mattsee wird gezeigt, wie handfeste wirtschaftliche Interessen und politische Ausgrenzung ineinanderfließen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen, wie jene des Salzkammergutes, brüstet sich Mattsee bereits 1921 „judenfrei“ zu sein. Das kurbelt den Fremdenverkehr an, weil viele Deutschnationale lieber „unter sich“ sein wollen.

Der letzte jüdische Sommergast in Mattsee ist der Komponist Arnold Schönberg, der samt Familie und Entourage, der auch einige seiner Schüler angehören, im Juli 1921 hier auf Sommerfrische weilt. Er wird während seines Aufenthaltes bedroht und mehr oder weniger des Ortes verwiesen. Vermietern, die an Juden vermieten wird unverhohlen mit nachhaltigen Konsequenzen gedroht, sodass sich niemand mehr traut, jüdische Gäste aufzunehmen.

Ab 1927 nimmt das Ehepaar Seyß-Inquart in Mattsee Quartier, ein paar Jahre später, auch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß. Er will in der beschaulichen Atmosphäre schwimmen lernen, weil in Benito Mussolini zu einem Adria-Aufenthalt eingeladen hat.

Meine Meinung:

Das Buch besteht aus mehreren Teilen und ist das Ergebnis der „Bildungswoche Mattsee 2016“, das unter dem Motto „Erinnern“ stand.

Zu Beginn liest es sich ein wenig trocken. Wie eine Dorfchronik enthält es eine Fülle von Zahlen, Daten und Fakten. Doch dann werden Augenzeugenberichte, Dokumente und die eine oder andere Anekdote eingeflochten. Eine Vielzahl von Bildern ergänzt diese Dokumentation.

Interessant ist die starke familiäre Verflechtung einiger Einwohner mit der Familie Göring. Gleich zwei Dorfgrößen sind jeweils mit einer Schwester Görings verheiratet.

Doch nicht nur die Darstellung des inneren Mattsees, hat mir sehr gut gefallen. Der Herausgeber eröffnet dem Leser auch den Blick für die österreichische Innenpolitik. Die Klimm- und Winkelzüge des Ständestaates sind gut herausgearbeitet.

Sehr interessant, weil fast schon komisch, ist die Geschichte rund um die ungarische Stephanskrone, die der geflüchtete ungarische Faschistenführer Ferenc Szálasi heimlich an den Mattsee bringt. Die Stephanskrone ist (gemeinsam mit den anderen Reichsinsignien) quasi die Legitimation der Herrschaft von Ungarn. Wer sie in Händen hält, ist „König von Ungarn“.

Fazit:

Das Buch bietet einen guten Einblick in die Zeit vor 1938. Dieses Ergebnis der „Bildungswoche Mattsee 2016“ kann ich nur empfehlen. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.10.2018

Ein netter historischer Roman

Land im Nebel
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Land im Nebel/Nicole Peters/3 Sterne

Nicole Peters nimmt ihre Leser mit in das Jahr 1796. Die Truppen der französischen Revolutionsarmee stehen am Rhein.

Wir begleiten Henri Benoit de Montfort, einen ...

Land im Nebel/Nicole Peters/3 Sterne

Nicole Peters nimmt ihre Leser mit in das Jahr 1796. Die Truppen der französischen Revolutionsarmee stehen am Rhein.

Wir begleiten Henri Benoit de Montfort, einen als Franziskaner verkleideten Deserteur und Überlebenden des Massakers in der Vendée auf seiner Flucht durch das Herzogtum Berg. Unterwegs macht er die unliebsame Bekanntschaft des Herrmann von Hatzfeld. Ausgerechnet in jenem Kloster, in dem Herrmanns Bruder Markus als Mönch lebt, findet Henri Aufnahme.

Wir lernen Johanna, die Tochter des Freiherrn von Hallberg-Broich und Attenbach kennen, die ihren Vater darum bittet, den Pächtern Pauls die Abgaben zu erlassen, weil ein Feuer deren Scheune vernichtet hat. Bei einem ihrer Besuche im Kloster begegnet sie Henri und beide erleiden den „Coup de foudre“.

Meine Meinung:

Diese Liebesgeschichte ist im Umfeld der politischen Wirren der Revolutionskriege angesiedelt. Der Stern Napoleons geht langsam auf. Er schwebt wie ein ferner Nebel über dem Rheinland. Handfester sind da schon die französischen und österreichischen Truppen, die über das Land fegen und abwechselnd Zerstörung hinterlassen. Interessant ist die Unschlüssigkeit des Landadels dargestellt. Soll man sich den revolutionären Franzosen anschließen oder nicht?
Johannas Vater ist gegen die Invasionstruppen und hat so manches blutiges Geheimnis. Die Herren von Hatzfeld stehen vor allem auf ihrer eigenen Seite und versuchen aus dem Chaos Nutzen zu ziehen.

Die Personen sind gut charakterisiert, wenn auch einen Tick zu modern. Vor allem Johanna ist sehr unkonventionell dargestellt. In Ermangelung eines Sohnes erhält sie eine gute Schulbildung und am Ende die Leitung des Gutes.
Eine gute Figur macht auch Pater Ignatius, der christliche Nächstenliebe ohne viel zu fragen einfach lebt. So sagt er einfach zu Henri „...ich hätte dir auch geholfen, wenn du keine Kutte getragen hättest. So steht es in unseren Büchern geschrieben...“

Der Schreibstil ist locker und flüssig. Für meinen Geschmack drückt sich die einfache Landbevölkerung in den Dialogen ein bisschen zu gewählt aus. Die von Henri eingestreuten Zitate Voltaires finde ich dagegen sehr passend.
Aufgefallen ist mir, dass Henri an seinen Reitkünsten zweifelt. Also, wenn man einmal reiten kann, verlernt man das nicht so schnell. Als Adeliger aus der Vendée konnte er wahrscheinlich reiten, bevor er laufen konnte.

Das Personenregister und die Anmerkungen sind eine gute Ergänzung.

Ganz sicher bin ich mir nicht, ob dieser Roman eine Liebesgeschichte oder eine Story über die geschichtlichen Ereignisse sein soll. Für die Romanze treffen sich Johanna und Henri zu selten. Das politische Geschehen ist nicht eindeutig genug. Aus dem Motiv, die Franzosen vertreiben zu wollen, hätte schon einiges mehr werden können. Zum Bespiel Verbündete suchen, konspirative Treffen etc.. Das eine Gespräch auf diesem Ball ist mir da zu wenig.

Fazit:

Ein netter historischer Roman, der einige interessante Ideen aufweist, aber noch einige Luft nach oben hat. Gerne gebe ich gute 3 Sterne.