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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.10.2018

Ein opulentes Meisterwerk

Der Spielmann (Faustus-Serie 1)
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Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Faust, der seine Seele dem Teufel verschreibt, um dafür mehr Wissen zu erlangen?

Oliver Pötzsch, den meisten Lesern durch die Henkerstochter-Saga und die „Ludwig-Verschwörung“ ...

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Faust, der seine Seele dem Teufel verschreibt, um dafür mehr Wissen zu erlangen?

Oliver Pötzsch, den meisten Lesern durch die Henkerstochter-Saga und die „Ludwig-Verschwörung“ bekannt, nimmt sich dieser schillernden Persönlichkeit an, die tatsächlich um 1486 in Knittlingen gelebt hat.

Der Autor schildert das Leben des jungen Johann Georg, von seiner Mutter „Faustus“ genannt, der so gar nicht in die grobschlächtige Bauernfamilie hineinpasst. Faustus ist zart, feingliedrig, intelligent und wissbegierig. Damit ist er ein Außenseiter und wird von den meisten Leuten gemieden.

„Manchmal kam es Johann so vor, als wäre er der Einzige, der nicht in dieses Weltgefüge passte.“ (S. 46)

Nur das Nachbarsmädel Margarethe gibt sich mit ihm ab. Und genau das wird ihm zum Verhängnis. Faustus wird aus dem Dorf gejagt und schließt sich dem herumziehenden Schausteller Tonio del Moravia an, der das Potential, das in Faustus schlummert, erkennt.
Faustus fühlt sich das erste Mal in seinem noch jungen Leben angekommen und übersieht, dass Tonio sein eigenes perfides Spiel mit ihm treibt.

Meine Meinung:

Oliver Pötzsch hat aus diesem wohlbekannten Stoff einen fesselnden historischen Roman gewoben. Wir erleben die dörfliche Enge, das Anderssein und reisen mit Tonio und Faustus kreuz und quer durch Europa.
Die Charaktere sind detailliert und präzise ausgearbeitet. Tonio als Inbegriff des Bösen, der sich als „Seelenfänger“ versteht. Faustus, der ewig Suchende, rastlos und rücksichtslos, als er sein Ziel, Margarethe wieder zu finden, verfolgt. Allerdings wohnen „zwei Seelen in seiner Brust“: er ist auch ein Liebender, der sich über die Konventionen hinwegsetzt. Faustus schwankt stets zwischen Gut und Böse.

Der Schreibstil ist wunderbar opulent, manchmal, der Zeit entsprechend, grausam und blutrünstig.
Ich habe es sehr genossen, die Zitate aus Goethes Faust zu lesen, habe ich doch meine Maturaarbeit über den Faust-Stoff geschrieben und dabei Goethes Werke mit dem von Christopher Marlow verglichen.

Oliver Pötzsch gelingt es perfekt, Fakten und Fiktion zu verbinden. Der Leser muss schon sehr gut aufpassen, das auseinander zu halten. Die wenigen historischen Quellen beschreiben den realen Faustus als Gelehrten, als Zauberer und manche als Betrüger – je nachdem von welcher Warte aus Faustus gesehen wird.

Sehr interessant ist auch die Entstehungsgeschichte rund um dieses Buch. Der Autor streifte bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp wegen des Ausfalls der Deutschen Bahn in Knittlingen herum. Da kann man sich bei der DB nur herzlich bedanken.

Ich freue mich schon sehr auf den zweiten Band „Der Lehrmeister“, der voraussichtlich im Herbst 2019 erscheinen wird.

Fazit:

Ein opulentes Meisterwerk der Sprachkunst, dem ich 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 13.10.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Die Tote im Fechtsaal
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Helga Glaesener entführt ihre Leser in das Dresden von 1869. Die Kluft zwischen arm und reich ist deutlich zu spüren. Die Wohnungsnot öffnet Spekulanten und anderem lichtscheuen Gesindel breite Betätigungsfelder. ...

Helga Glaesener entführt ihre Leser in das Dresden von 1869. Die Kluft zwischen arm und reich ist deutlich zu spüren. Die Wohnungsnot öffnet Spekulanten und anderem lichtscheuen Gesindel breite Betätigungsfelder.

Annie Troll betreibt eine Fechtschule nur für Frauen und hat mit ihrem Vermieter ebenso Probleme wie mit dem zwielichtigen Zwerg Schmitt, der von allen Kleingewerbetreibenden Schutzgeld erpresst. Annie will sich ihr hart erarbeitetes Geld nicht abnehmen lassen.

Als Annie eine ihrer Schülerinnen, eine bekannte Tänzerin, ermordet auf dem Fechtboden auffindet, engagiert sie den ehemaligen Staatsanwalt und nunmehrigen Privatermittler Daniel Raabe. Denn allzu viel Vertrauen in die Staatsgewalt hat die gute Annie nicht, denn wie erwartet, steht für die Polizei, in Person von Max Heller und von Römer, Annie als Täterin fest. Bloß die Beweise fehlen noch. Doch warum sollte Annie die Kuh, die Milch gibt, töten?

Gemeinsam mit Daniel Raabe durchleuchtet sie das Privatleben der Tänzerin, das mehrere Geheimnisse birgt.

Rech bald stoßen sie auf versteckte Liebesbriefe, die auf die Dresdner Freimaurerloge hindeuten.

Raabe, der selbst von Dämonen der Vergangenheit gejagt wird, weil er beim Brand seines Hauses Ehefrau und Kind verloren hat, experimentiert mit neuen Ermittlungsmethoden: Es schwört auf die Aussagekraft von Fingerabdrücken.

Werden Annie und Daniel den Mörder der Tänzerin finden und gleichzeitig dem erpresserischen Zwerg Schmitt das Handwerk legen?

Meine Meinung:

Ich kenne schon einige historische Romane von Helga Glaesener wie zum Beispiel die Toskana-Trilogie oder die „Safran-Händlerin“. Immer wieder sind Krimielemente darin verknüpft und starke Frauen behaupten sich.

Der Schreibstil ist wieder leicht und flüssig. Wir erhalten Einblick in die schwierigen Verhältnisse dieser Zeit. Elegant und unterschwellig erhält der Leser hier Geschichtsunterricht. Wir erfahren etwas über den Entdecker der Daktyloskopie William Herschel und über die herrschenden sozialen Zustände.

Daniel Raabe könnte die sozialen Schranken, die zwischen ihm und Annie bestehen einfach ignorieren. Ich denke, die beiden sind auf dem besten Weg ein unkonventionelles Paar zu werden.

Gemein ist der Cliffhanger, mit dem dieser Roman endet. Das deutet auf eine Fortsetzung hin, auf die ich mich sehr freue.

Fazit:

Ein durchaus sozialkritischer historischer Roman, der mich gefangen hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.10.2018

Erinnerung an die Kindheit

Worte der Kindheit
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Mit dieser Sammlung von Sprüchen, (Halb)Wahrheiten und Bonmots lässt Autor Norbert Golluch unsere Kindheit auferstehen.
Nicht alle Stehsätze passen auf alle deutschsprachigen Gegenden Europas, da es doch ...

Mit dieser Sammlung von Sprüchen, (Halb)Wahrheiten und Bonmots lässt Autor Norbert Golluch unsere Kindheit auferstehen.
Nicht alle Stehsätze passen auf alle deutschsprachigen Gegenden Europas, da es doch regionale Eigenheiten gibt.

Stellenweise musste ich herzhaft lachen, weil ich häufig die Stimmen meiner Mutter oder der Großeltern noch (oder wieder?) im Ohr hatte. Besonders die Geschichte mit „alle dürfen das“ ist mir in Erinnerung geblieben. Oma pflegt auf mein „Alle in meiner Klasse dürfen das“, zu sagen: „Wenn alle vom Donauturm springen, springst du auch?“ Auch unser Sohn hat das Killer-Wort „alle“ auf den Lippen. Ich habe ihn dann gebeten 2 oder 3 Namen der amorphen Masse „alle“ zu nennen.

Manche Phrase ist den Kriegsjahren und den Entbehrungen geschuldet, wie z. B. „Was auf dem Teller ist, wird gegessen“. Dies sollte mit Nachsicht beachtet werden.

Ein Stehsatz in meiner Familie war auch: „Die armen Kinder in Afrika würden sich freuen, so etwas Gutes zu essen zu bekommen.“

Diese Reminiszenz an unsere Kindheit ist humorvoll geschrieben. Aus der Entfernung der Jahre kommen uns manche Sätze seltsam vor. Man muss hier den zeitlichen Kontext berücksichtigen.

Ich habe mich gut amüsiert, daher 5 Sterne

Veröffentlicht am 13.10.2018

Der Exodus der geistige Elite

Die Flucht der Dichter und Denker
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Herbert Lackner, Journalist und Autor, hat in seinem Buch „Die Flucht der Dichter und Denker“ die Leidenswege der intellektuellen Elite Deutschlands und Österreichs nachgezeichnet, die während der Nazi-Diktatur ...

Herbert Lackner, Journalist und Autor, hat in seinem Buch „Die Flucht der Dichter und Denker“ die Leidenswege der intellektuellen Elite Deutschlands und Österreichs nachgezeichnet, die während der Nazi-Diktatur aus ihrer Heimat fliehen mussten.

Viele dieser Geschichten sind in groben Zügen bekannt, doch ist es dem Autor gelungen, mir noch unbekannte Details ausfindig zu machen. Vor allem die sozialistischen und/oder kommunistischen Verfolgten sind nicht immer ganz so bekannt.

Immer wieder zieht Lackner Vergleiche mit den aktuellen Flüchtlingsströmen. So werden die Helfer der damaligen Zeit gelobt, obwohl der eine oder andere durchaus gut verdient hat. Heute wären sie alle Schlepper. Wenig bekannt ist auch, dass Eleanor Roosevelt sich intensiv für verfolgte Juden eingesetzt hat, ihr Ehemann, davon wenig begeistert war, weil er einen Wahlkampf zu gewinnen hatte. Ihrem Engagement ist der Einsatz von Varian Fry zu verdanken, der mit einer Liste der interessantesten (und vermutlich für die USA nützlichen) Flüchtlingen bewaffnet nach Europa reiste, um diese Menschen zu retten. Die Rettungsaktion war ursprünglich für rund 200 Personen gedacht, geworden sind es dann letzten Endes über 2.000. Die Hilfe Frys war recht pragmatisch und unterschiedlich. Manche Flüchtlinge hatten zwar die Dokumente beisammen, aber schlichtweg kein Geld mehr, die begehrten Schiffspassagen zu kaufen. Da konnte Fry mit seinen Dollars leicht helfen. Spannend, weil mir bislang unbekannt, ist die Geschichte des Bill Freier, der eigentlich Bil Spira heißt. Freier stammt aus Wien und fristet sein Dasein als Straßenzeichner in Marseille. Seine Begabung beim (Ver)Fälschen von Passbildern verhilft vielen Verfolgten zu neuen Papieren.

In einem Epilog berichtet Herbert Lackner, was aus einigen Flüchtlingen geworden ist.

Meine Meinung:

Ein sehr interessantes Buch, aus dem ich bislang Unbekanntes erfahren habe. Es passt gut zu Evelyn Steinthalers Buch „Mag’s im Himmel, mag’s in der Hölle sein“ das von berühmten Schauspielern berichtet, die mit einer jüdischen Partnerin verheiratet waren und Nazi-Deutschland nicht verlassen haben.

Den Anstoß zu Herbert Lackner Buch gab niemand geringerer als Alt-Bundespräsident Heinz Fischer, dessen Ehefrau Margit, im schwedischen Exil ihrer sozialistischen Eltern, Anni und Otto Binder, zu Welt gekommen ist.

Fazit:

Eine gute Dokumentation über die Vertriebenen der Nazi-Zeit. Gerne gebe ich hierfür 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.10.2018

Intrigen am Hof Kaiser Rudolf II.

Alchimie einer Mordnacht
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Prag im Winter 1599. Der junge Gelehrte Christian Stern trifft in der Goldenen Stadt ein. Sein Ziel ist es, an Kaiser Rudolfs Hof aufgenommen zu werden. Rudolf gilt als Freund der Wissenschaften und scheut ...

Prag im Winter 1599. Der junge Gelehrte Christian Stern trifft in der Goldenen Stadt ein. Sein Ziel ist es, an Kaiser Rudolfs Hof aufgenommen zu werden. Rudolf gilt als Freund der Wissenschaften und scheut auch nicht davor zurück möglichen Scharlatanen Audienzen zu gewähren.
Doch bevor es zur Begegnung mit Rudolf kommt, stolpert Stern gleich an seinem ersten Abend betrunken über die Leiche der Magdalena Kroll, Tochter des angesehenen Arztes. Zunächst selbst als Verdächtiger in das Gefängnis gesteckt, wird Christian Stern vom Kaiser persönlich mit der Mordermittlung beauftragt. Die gestaltet sich für Stern denkbar schwierig. Nicht nur, dass er ja fremd in der Stadt ist, macht man ihm seine Herkunft zum Vorwurf: Christian Stern ist der uneheliche Sohn des Erzbischofs von Regensburg.
Zu Beginn bemüht sich der junge Gelehrte Licht ins Dunkel zu bringen. Doch als der potentielle Täter, Magdalenas möglicher Liebhaber, tot aufgefunden wird, steht er ziemlich ratlos da.
Unversehens verstrickt sich Christian Stern in diversen Palastintrigen. Wer zieht hier die Fäden? Wird er die Morde aufklären können?

Meine Meinung:

Das Buch ist eher ein historischer Roman als ein Krimi. Ermittlungstechnische Ansätze kommen einfach zu kurz. Das stört mich allerdings gar nicht. Interessanter finde ich die Beschreibung von Kaiser Rudolf und seinem Spleen mit der „Wunderkammer“. Rudolf gilt ja als hochgebildet, ist aber dennoch nicht für das Regieren geschaffen. Lieber vergräbt er sich in die Wissenschaft, oder was man damals dafürhält. Die häufig wechselnden Launen, die Sprunghaftigkeit und die Menschenscheu deuten auf eine Geisteskrankheit hin.
Gut gefällt mir, dass mehrere neben dem Kaiser andere historische Persönlichkeiten ihren Auftritt haben. So darf Christian Stern mit Tycho Brahe und Johannes Kepler diskutieren. Er soll Edward Kelley, das Medium des Alchimisten John Dee aus dem Gefängnis in Most holen.
Gut gelungen finde ich die Beschreibung des Zwiespalts in dem die Gesellschaft am Beginn des 17. Jahrhunderts befunden hat. Herrschaft von Gottes Gnaden, Auseinandersetzung um die Religionen und Aberglaube quer durch alle Bevölkerungsschichten.

Die Vettern- und Günstlingswirtschaft wird ebenso thematisiert, wie die Zügellosigkeit der Mächtigen.
Wahrscheinlich nicht von allen Lesern gerne gesehen ist die antiquierte Sprache, die dem Original nachempfunden ist. Manchmal ist der ausschweifende, opulente Schreibstil ermüdend. Die Charaktere sind bis ins kleinste Detail beschrieben, was die eigene Fantasie ein wenig an die Kette legt. Gemeinsam mit Christian Stern können die Leser Prag durchstreifen. Die Beschreibung der Stadt mit ihren stinkenden Gassen ist sehr anschaulich und detailreich dargestellt. Allerdings wäre für mein Dafürhalten ein wenig Zurückhaltung besser gewesen.
Die Erzählperspektive aus der Sicht des alten Christian Stern, der sich an ein reiches Leben erinnert ist gut gelungen.

Fazit:

Das Buch zeichnet die komplexen Zustände an Rudolfs Kaiserhof in Prag sehr gut nach. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.