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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2018

Fesselnd bis zur letzten Seite

Amsterdam blutrot
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“Am Fis hätte sie es merken müssen. Der Ton, den Maximiliane Mikulicz sonst immer dunkelorange und eiförmig wahrnahm, blitzte an diesem Montag im Mai blutrot und scharfkantig vor ihrem inneren Auge auf. ...

“Am Fis hätte sie es merken müssen. Der Ton, den Maximiliane Mikulicz sonst immer dunkelorange und eiförmig wahrnahm, blitzte an diesem Montag im Mai blutrot und scharfkantig vor ihrem inneren Auge auf. Wie eine gut geschliffene Mordwaffe. Eine benutzte Mordwaffe.”

Damit beginnt das 2. Kapitel von “Amsterdam blutrot”. Maximiliane, Maxi genannt, ist Klavierlehrerin in Amsterdam und reich gesegnet mit untalentierten und faulen Klavierschülern. Sie hat eine gar nicht so seltene Gabe: Sie hört einen Ton und verbindet ihn sofort mit einer Farbe. Das F der C-Dur Tonleiter, das sie an dieser Stelle im Musikstück erwartet, sollte als sanftes Blau erscheinen. “Synästhesie” ist der Fachbegriff dieser Erscheinung.

Doch das ist nicht das einzige Ungewöhnliche an Maxi, die eigentlich aus Wien stammt. Sie lebt mit zwei Mitbewohnern, der Medizinstudentin und Model Tess, die oft wechselnde Männerbekanntschaften und manchmal auch Leichenteile zum Experimentieren mit nach Hause nimmt und Fotograf Rudel, der leider jede Pflanze inbrünstig zu Tode pflegt und dessen Zimmer einer Müllhalde gleicht, auf ihrem Hausboot. Maxi liest mit Vorliebe indische Krimis und stolpert selbst gerne über reale Leichen.

Die aktuelle Leiche ist die Mutter eines Klavierschülers, was Maxi dazu verleitet, sich in die Ermittlungen “einzubringen”. Und, sie wird nicht die einzige Tote bleiben.
Der ermittelnde Kriminalbeamte, Hoofdinspecteur Cornelius Bontekoe, ist ebenfalls ein etwas schräger Charakter, hat er doch eine ausgesprochene Klavierlehrerinnenphobie und lebt mit Karin, einer 70-jährigen Schildkröte zusammen.

Bald macht die Theorie eines Serienmörders die Runde. Was haben die ermordeten Frauen gemeinsam? Den Callboy?

Die Musikerin Lena Avanzini hat einen spannenden und gleichzeitig unterhaltenden Krimi geschrieben. Humor und Nervenkitzel bilden eine interessante und außergewöhnliche Symbiose. Die eigenwilligen, aber liebenswerte Charaktere geben dem Krimi genauso eine besondere Note, wie das Lokalkolorit in Amsterdam.

Die Autorin führt ihre Leser mehrfach an der Nase herum und präsentiert eine überraschende, aber plausible Lösung.

Fazit:

Ein Krimi der bis zur letzten Seite fesselt. Gerne gebe ich fünf Sterne.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Auftakt einer neuen Krimiserie

Schwammerlsaison
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Wolfgang Pesec lockt seine Leser in die Wälder rund um Graz. “Schwammerl klauben” ist die Devise. Doch nicht allen passt das. Und schwupps, gibt es die erste Leiche, den pensionierten Politiker Dr. Dröster. ...

Wolfgang Pesec lockt seine Leser in die Wälder rund um Graz. “Schwammerl klauben” ist die Devise. Doch nicht allen passt das. Und schwupps, gibt es die erste Leiche, den pensionierten Politiker Dr. Dröster.

Revierinspektor Reiniger muss der Witwe die Todesnachricht überbringen und wird von ihr mit einem köstlichen Gughupf gelabt. Letztlich übernimmt die Kripo den Fall. In den Händen von Oberst Draxler und Major Spazierer, zwei interessanten Charakteren, scheint der Mord gut aufgehoben, bis es weitere Leichen gibt.

Die dritte im (Ermittler)Bunde ist Hilde Ranner, deren kompliziertes Privatleben für meinen Geschmack ein wenig zu viel Raum einnimmt.

Meine Meinung:

Schön sind die unterschiedlichen Charaktere gezeichnet. Lokale Besonderheiten und steirischer Schmäh Machen diesen Krimi leicht lesbar.
Das Glossar am Ende hilft allen jenen, denen die österreichichen bzw. Steirischen Ausdrücke nicht so geläufig sind, gut über die Runden.

Der Showdown am Ende geben dem Krimi noch einmal so richtig Gas.

Fazit:

Ein gelungener Auftakt zu einer neuen Krimireihe, deren zweiter Band “Maronizeit” demnächst gelesen wird. 4 Sterne.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Ein toter Geschäftsmann in Meran

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton
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Die arbeitslose Journalistin Lissie von Spiegel reist nach Meran, an das sie gute Kindheitserinnerungen hat, und gibt dort die Touristin. Prompt wird sie vom mächtigen Platzhirschen und Schürzenjäger Karl ...

Die arbeitslose Journalistin Lissie von Spiegel reist nach Meran, an das sie gute Kindheitserinnerungen hat, und gibt dort die Touristin. Prompt wird sie vom mächtigen Platzhirschen und Schürzenjäger Karl Felderer angequatscht. Als Felderer am nächsten Morgen ermordet aufgefunden wird, erwacht ihr journalistisches Interesse. Doch sie nicht mit der Reaktion des italienischstämmigen Commissario Luciano Pavarotti gerechnet. Der Ermittler kann leider weder singen noch trifft er bei den Mitarbeitern den richtigen (Umgangs)Ton. Lediglich die Körperfülle hat er mit seinem berühmten Namensvetter gemeinsam.

Pavarotti bittet Lissie für ihn die eine oder andere Ermittlungsarbeit zu übernehmen, da ihm die eingeschworenen Südtiroler keinerlei Auskunft geben wollen, zu tief sitzt der Hass auf alles Italienische seit dem Zusammenbruch der Donaumonarchie und dem verlorenen Zweiten Weltkrieg.

Recht bald ist klar, dass der Tote mehr als einen Feind hatte. Auch an der Auswahl von Motiven herrscht kein Mangel. Noch bevor annähernd Licht ins Dunkel gebracht werden kann, wird Karls Vater ermordet. Wie hängen die beiden Fälle zusammen? Denn, dass es einen Zusammenhang geben muss, ist klar. Nur welchen?

Meine Meinung:

Das Ermittlerduo Pavarotti(von Spiegel ist ungewöhnlich und vermutlich selbst in Italien eher unwahrscheinlich. Allerdings ergeben sich aus dieser Zusammenarbeit einige interessante historische Aspekte. Gut in persönliche Erinnerung ist mir die vierte und letzte Phase der „Südtiroler Bumser“, die in den Jahren 1967-69 Sprengstoffanschläge auf italienische Einrichtungen in Südtirol verübten und dabei mehrere Menschen töteten. Südtirol, das sich nie zu Italien zugehörig fühlt(e), sondern lange eine Vereinigung mit Nordtirol anstrebte. Diese geschichtlichen Details werden subtil in den Krimi eingearbeitet. Die historischen Hintergründe belasten sowohl Lissie als auch Luciano durch die Beteiligung beider Väter an diversen Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit.

Aufgefallen ist mir, dass fast alle Charaktere ziemlich negativ gezeichnet sind. Die Vorurteile Pavarottis seinen Mitarbeitern gegenüber und die „selbsterfüllende Prophezeiung“, dass die wirklich faul, nachlässig oder dämlich reagieren, gefallen mir nicht so gut. Als Autorin sollte man nicht selbst werten, sondern das seine Figuren tun lassen. Dafür gibt’s einen Punkt Abzug.
Die Beschreibung von Meran und der Umgebung ist gut gelungen. Manchmal passt der eine oder andere Satz in seiner Sprachmelodie nicht zum Redner.

Fazit:

Dieser Krimi gewährt tiefen Einblick in die Historie dieses wunderschönen Landstrichs. Drei Sterne.

Veröffentlicht am 26.01.2018

Vom Bauchladen zum Konsumtempel

Das Haus der schönen Dinge
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Wie wir es von der Autorin gewöhnt sind, ist ihre Geschichte rund um das fiktive Münchner Warenhaus Hirschvogl auf dem Rindermarkt opulent geschrieben.

Wir können hautnah die Eröffnung des Kaufhauses, ...

Wie wir es von der Autorin gewöhnt sind, ist ihre Geschichte rund um das fiktive Münchner Warenhaus Hirschvogl auf dem Rindermarkt opulent geschrieben.

Wir können hautnah die Eröffnung des Kaufhauses, zu der auch der Prinzregent erscheint, miterleben. Wir lernen die Familienmitglieder allen voran Jakob und Thea Hirschvogl sowie deren Kinder Benno, Lily und Sepp kennen. Wir machen Bekanntschaft mit ihren Ängsten, Sorgen und ihrer Begeisterung für das Warenhaus. Doch auch die Widersacher und Konkurrenten werden nicht ausgespart.

Über rund hundert Jahre spannt sich der Bogen der Familiensaga, Höhenflüge und persönliche Niederlagen inklusive.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten beschert der Kaufmannsfamilie – wie Millionen anderer Juden – das größte Unglück.

Meine Meinung:

Ein stimmungsvolles Bild der Warenhäuser, in denen man viele Stunde staunend verbringen konnte.
Die oberste Maxime: jeder Kunde wird gleich willkommen geheißen, egal ob er nun viel oder wenig Geld zum Einkaufen hat. Die persönliche Beratung steht im Vordergrund.
Interessant habe ich den Einblick in die Werbestrategien gefunden. Oder die starke Bindung der Mitarbeiter an das Haus durch damals nicht übliche Sozialleistungen.
Ich kann mich gut an meine Kindheit erinnern, als ich mit meiner Großmutter einen dieser Einkaufstempel (Gerngroß und Herzmansky in Wien) besuchen durfte. Diese Eindrücke sind beim Lesen wieder hochgekommen.

Heidi Rehn versteht es meisterhaft ihren Lesern die Atmosphäre zu vermitteln. Die Beschreibung der beklemmenden und dramatischen Wende in den 1930ern lassen die Gänsehaut aufziehen.

Wie es sich für einen dicken historischen Roman gehört, werden viele Details erwähnt. Hin und wieder verliert sich der Leser in klitzekleinen Feinheiten, was aber meiner Ansicht dem Gesamtkonzept keinen Abbruch tut.

Fazit:

Eine wunderbar, opulente erzählte Familiensaga, die sich so oder so ähnlich in Deutschland bestimmt zugetragen hat. Gerne gebe ich fünf Sterne.

Veröffentlicht am 26.01.2018

LIzzie Martin ermittelt wieder

Ein guter Blick fürs Böse
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Die Autorin Ann Granger nimmt ihre Leser mit ins Viktorianische London. Mitten im 19. Jahrhundert ist London eine Millionenstadt, in der sich nicht nur rechtschaffene Bürger, sondern auch allerlei Gauner, ...

Die Autorin Ann Granger nimmt ihre Leser mit ins Viktorianische London. Mitten im 19. Jahrhundert ist London eine Millionenstadt, in der sich nicht nur rechtschaffene Bürger, sondern auch allerlei Gauner, Obdachlose und Arme herumtreiben.

Wir begegnen zum vierten Mal Elizabeth Martin, verehelicht mit dem respektablen Benjamin Ross, seines Zeichens Ermittler beim legendären Scotland Yard. Lizzie, wie sie von ihrem Ehemann genannt wird, hat eine ausgeprägte Leidenschaft: Sie ermittelt für ihr Leben gern. Leider goutiert Bens Vorgesetzter, Superintendent Dunn, diese wie er meint, „unweibliche“ Neugier nicht und so muss Ben immer wieder Schelte für seine Frau entgegennehmen.

Worum geht’s in diesem Fall?

Der etwas ärmlich, aber dennoch als Gentleman erkennbare Thomas Tapley lebt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ehepaar Ross im Haus der Quäkerwitwe Mrs. Jameson als Untermieter. Man grüßt sich, doch ein näherer Kontakt besteht nicht.
Dann beobachtet Lizzie, die mit ihrem Dienstmädchen Bess spazieren geht, wie Tapley von einem Clown verfolgt wird. Wenig später wird Tapley in seinem Zimmer ermordet aufgefunden.

Ross wird mit der Mordermittlung beauftragt und Lizzie teilt ihre Erkenntnisse mit ihrem Mann.
Je weiter der Yard in die Familienverhältnisse des Ermordeten eindringt, desto mehr Geheimnisse treten zu Tage.

Wieso lebte Tapley in Armut, obwohl er Grundbesitzer war? Welche Rolle spielt die Französin, die eine Heiratsurkunde mit Tapley vorweisen kann? Wieso hat Tapley abermals geheiratet, obwohl er eigentlich andere Neigungen hatte? Und was ist mit Flora, seinem einzigen Kind aus erster Ehe, das seit dem frühen Tod der Mutter bei Jonathan Tapley, einem Cousin und seiner Frau lebt?
Der Fall nimmt an Brisanz zu als ein weiterer Mord geschieht.

Nach und nach Inspektor Ross enthüllt – mit tatkräftiger Unterstützung von Lizzie – weitere dunkler Familiengeheimnisse.

Meine Meinung:

Die Autorin gibt ihrem Krimi den klassischen Aufbau: Zuerst werden die Figuren vorgestellt, dann geschieht das Verbrechen.
Noch weiß der Leser nicht, wie sich die Geschichte entwickelt. Interessant und sehr spannend wechseln die Perspektiven. Einmal sehen wir den Fall aus Bens Sicht, das andere Mal aus Lizzies, weiblicher Sicht. Das ist überhaupt ein besonderer Kunstgriff, die weibliche Intuition einfließen zu lassen. Oftmals gibt Lizzie den entscheidenden Tipp, wenn die Ermittlungen stagnieren. Das gefällt mir gut. Lizzie kommt immer wieder ein wenig naseweis herüber, doch das lockert die steife, maskuline Welt im Viktorianischen London auf.
Gut beschrieben sind die Klassenunterschiede, die auch vor den Bediensteten nicht Halt machen, wenn der Butler, den Polizisten hochnäsig anweist, doch den Dienstboteneingang zu benützen.
Die Figuren sprechen die, der jeweiligen Schicht angepasste Sprache und wirken dadurch authentisch. Die Oberschicht kommt oft nicht gut weg. Lizzie hat die soziale Ader ihres Vaters geerbt und kümmert sich um Personen, die am Rande der Gesellschaft stehen. So verschafft sie dem Gassenjungen Joey eine Anstellung als Pferdebursch beim ehemaligen Preisboxer und nunmehrigen Fuhrwerksunternehmer Wally Slater.
Diese fein heraus gearbeiteten Klassenunterschied der Gesellschaft, lassen die damalige Zeit auferstehen.

Fazit:

Ein historischer Krimi, der die Scheinheiligkeit dieser Zeit gut wiedergibt. 4 Sterne