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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.09.2023

Regt zum Nachdenken an

Am Ende wird alles sichtbar
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Dieses Buch von Autor und Schauspieler August Schmölzer spielt in der Nachkriegszeit in einem nicht näher bezeichneten Bergdorf.

Die Menschen sind ob der schlechten Wirtschaftslage und durch den Krieg ...

Dieses Buch von Autor und Schauspieler August Schmölzer spielt in der Nachkriegszeit in einem nicht näher bezeichneten Bergdorf.

Die Menschen sind ob der schlechten Wirtschaftslage und durch den Krieg misstrauisch. Und so begegnen sie Josef, dem Kriegsheimkehrer mit Argwohn. Josef, selbst traumatisiert durch die Ereignisse, die er als Kriegsberichterstatter erlebt und fotografiert hat, arbeitet als Totengräber. Eine Arbeit, die niemand im Dorf machen will, die ihm aber die Möglichkeit gibt, mit Michael, jenem Kind, das er gleich zu Beginn seiner Karriere als Kriegsberichterstatter nicht retten konnte. Ob als Sühne oder um in Ruhe gelassen zu werden - beides ist möglich.

Als dann noch ein kleiner Junge ermordet wird, brechen die alten Vorurteile der Dorfbewohner wieder auf, und Josef, der mit seinen eigenen Dämonen kämpft, wird scheel angesehen. Es ist der zweite Junge, der in diesem Dorf ermordet wird, doch sein Tod wird anders betrauert als der des anderen Kindes. Denn das war ja nur der Sohn eines Deserteurs aus einem Nachbardorf. Die Fremdenfeindlichkeit ist ein bösartiger Charakterzug dieser Dorfbewohner. Auch der Gemeindearzt ist zugezogen und erdreistet sich, dem amtierenden Bürgermeister mit einer neuen Partei das Amt streitig zu machen und bemerkt mehrmals, dass den unruhigen Geistern ein Krieg fehle. Und dann stirbt das dritte Kind, das Steine nach Josef geworfen hat, und man macht Jagd auf den Gemeindearzt.

„Wenn wir die Wahl gewinnen, werden wir die Dinge nicht mehr schleifen lassen. Dann wird wieder Ordnung in unserer Stadt einkehren. Ordnung, wie wir sie verstehen!“

Dieses durchaus als Drohung gemeinte Statement macht es für Josef und seine nun verwitwete Jugendliebe Ragusa leicht, das Bergdorf zu verlassen und einen Neuanfang zu wagen.

„Bedenken Sie aber, dass wir uns nur weiterentwickeln, wenn wir aus der Vergangenheit lernen, wenn wir fähig sind, sie anzunehmen.“

Meine Meinung:

Dieses, nur 144 Seiten dünne Buch hat es in sich. Nicht die Anzahl der Seiten ist gewichtig, sondern der Inhalt. Viel mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Der gleichnamige Film, in dem August Schmölzer den Postenkommandanten spielt, hat kommt Mitte November 2023 in die österreichischen Kinos.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, das durch seine geschliffene Sprache und Eindringlichkeit besticht, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 27.09.2023

Fesselnder Reihenauftakt

Mit kalter Präzision
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Nachdem Forensiker Dr. Fred Abel den Dienst in der Rechtsmedizin quittiert hat, wird Sabine Yao seine Nachfolgerin als Professor Herzfelds Stellvertreterin. Sie ist nun der Hauptcharakter der neuen Reihe ...

Nachdem Forensiker Dr. Fred Abel den Dienst in der Rechtsmedizin quittiert hat, wird Sabine Yao seine Nachfolgerin als Professor Herzfelds Stellvertreterin. Sie ist nun der Hauptcharakter der neuen Reihe rund um die Rechtsmedizin in Berlin.

Der erste Fall hat es ziemlich in sich, denn die Ehefrau des Schönheitschirurgen Dr. Roderich Kracht wird tot aufgefunden. Da Kracht mit wichtigen Leuten aus Politik und Wirtschaft bestens vernetzt ist, wird gleich eine Soko gegründet, der Sabine Yao zugeteilt wird, zumal bei der Bestimmung des Todeszeitpunktes Ungereimtheiten aufgefallen sind. Obwohl Dr. Kracht ein offensichtlich wasserfestes Alibi hat, durchleuchtet Yao seine Biografie und stößt auf eine biografische Lücke von zwei Jahren.

Wenig später taucht bei einem vier Jahre zurückliegenden, angeblichen Selbstmord einer Frau, der Name Kracht abermals auf. Zufall? Sabin Yao glaubt an viel, aber nicht an Zufälle. Unterstützung erhält sie von anderen Teammitgliedern, was sie allerdings nicht vor Alleingängen bewahrt, die sie in Lebensgefahr bringen.

Meine Meinung:

Mit diesem Reihenauftakt ist Michael Tsokos ein fesselnder Thriller gelungen. Wir erfahren viele technische Details aus der Welt der Forensiker sowie erhalten das Vorurteil über IT-Nerds bestätigt (detailverliebt, unrasiert, schlampig gekleidet, dicke unmoderne Brille und ziemlich eigenwillig im Umgang mit anderen Menschen). Allerdings, und das ist meiner Ansicht die große Stärke von Michael Tsokos‘ Büchern, ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Mitarbeiter bis auf wenige kleine Sticheleien sehr gut. Es gibt diesmal keine nervigen Polizeipräsidenten, Journalisten oder Kollegen, die auf den Job des anderen lauern. Das gefällt mir sehr gut! Ich bin es langsam leid, über menschliche Wracks in den Polizeidienststellen zu lesen. Ja, der Job ist fordernd und die Scheidungsrate sehr hoch. Fred Abels hat für sich und seine Familie die Konsequenzen gezogen, und den Job an den Nagel gehängt. Er fährt damit, wie wir Leser erfahren werden, sehr gut.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Auftakt der neuen Reihe mit Sabine Yao als Hauptperson 5 Sterne.

Veröffentlicht am 24.09.2023

Spurensuche

Kajzer
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Obwohl Autor Menachem Kaiser den Namen seines Großvaters trägt, weiß er über ihn nur, dass dieser als Einziger der Familie die Shoah überlebt hat und sich jahrelang um die Rückgabe des Hauses seiner Kindheit ...

Obwohl Autor Menachem Kaiser den Namen seines Großvaters trägt, weiß er über ihn nur, dass dieser als Einziger der Familie die Shoah überlebt hat und sich jahrelang um die Rückgabe des Hauses seiner Kindheit bemüht hat.

Während eines beruflichen Aufenthaltes in Polen beschließt Enkel Menachem Kaiser, jenes Haus zu suchen. Mit nichts als einer Adresse in der Hand startet er eine stellenweise kafkaesk anmutende Spurensuche.

Während dieses jahrelangen, zermürbenden Kampfes lernt Menachem unterschiedliche Menschen kennen: Da sind die Mieter in Häusern, die enteignet worden sind, aktive Schatzsucher und Forscher, Dolmetscher, Anwälte und Richterinnen. Als Enkel Kaiser schließlich entdeckt, dass Menachem Kajzer (so die alte Schreibweise des Namens) doch nicht der einzige Überlebende der Shoa war, stellt er sich zunehmend die Frage: Warum mache ich das eigentlich?


Meine Meinung:

Dieses Buch, das der Autor als Sachbuch bezeichnet, ist nicht immer leicht zu lesen. Was als vage Idee, das enteignete Mietshaus seiner Großeltern zurückzufordern beginnt, endet - nun ja - noch nicht.

Je tiefer Kaiser in die Familiengeschichte eindringt, desto mehr verstrickt er sich in der Bürokratie Polens. Dass die aktuelle Regierung den Justizapparat umbaut („reformiert“), ist nicht gerade hilfreich. Denn es geht schlicht um die Frage, sind Menachem Kaisers Verwandte tot oder nicht. Man könnte glauben, die Antwort sei einfach, zumal der eine oder andere das biblische Alter von 140 Jahren überschritten haben müsste. Doch die polnische Justiz scheint hier einige, für Außenstehende nicht verständliche, Unterschiede zu machen, ob jemand „für tot erklärt“ werden soll, oder es sich um „eine Anerkennung des Todes“ handelt. Kaisers Rechtsanwältin, die er im Buch die „Killerin“ nennt, hat den falschen Antrag eingebracht, weshalb die Verwandten nicht für tot erklärt werden können, weil ein Tod während der Shoa, ohne der Todeslisten der Deutschen, diffus wäre. So wird verlangt, dass er alle jene Todeslisten beizubringen hat, auf denen die Namen Kaisers Verwandten NICHT vermerkt sind. Kafka lässt grüßen!

Ob es sich dabei um juristische Spitzfindigkeiten oder Antisemitismus handelt, diese Interpretation überlasse ich den Lesern.

Fazit:

Ein Buch über eine jüdische Familiengeschichte, die ganz anders als die üblichen Großeltern/Enkel-Geschichten ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 22.09.2023

Eine gelungene Fortsetzung

Rache am Neusiedler See
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In seinem zweiten Fall bekommt es Ex-Polizist Nikolaus Lauda, nicht verwandt oder verschwägert mit dem berühmten Rennfahrer, der sich eigentlich hier am Neusiedlersee nur vor deutschen Mafia verstecken ...

In seinem zweiten Fall bekommt es Ex-Polizist Nikolaus Lauda, nicht verwandt oder verschwägert mit dem berühmten Rennfahrer, der sich eigentlich hier am Neusiedlersee nur vor deutschen Mafia verstecken wollte, mit einem Kriminalfall zu tun, der ihn persönlich trifft.

Doch der Reihenfolge nach:

Aus der Verlegenheitslösung ist nun ein Daueraufenthalt geworden und der Ex-Polizist nimmt die eine oder andere Gelegenheitsarbeit an. Diesmal soll er als Sicherheitsoffizier die Jungfernfahrt eines Kreuzfahrtschiffs auf dem Neusiedlersee begleiten. Immerhin ist Johann Gludovatz, ein gefeierter Schlagerstar, an Bord, den es zu beschützen gilt.

Es kommt, wie es kommen muss, der prominente Passagier ist plötzlich unauffindbar. Als Sicherheitschef muss sich Lauda widerwillig der Sache annehmen, vor allem auch deswegen, weil der Schiffseigner Maximilian Pländer ein mächtiger Mann ist, der sprichwörtlich über Leichen geht, wie seinerzeit die Mutter seiner ermordeten Frau leidvoll erleben musste. Und dann liegt Gludovatz‘ Leiche plötzlich in Laudas Kabine und Gludovatz wird nicht der einzige Tote bleiben.

Meine Meinung:

Lukas Pellmann hat hier einen durchaus humorvollen Kriminalroman nach einem bewährten Strickmuster geschrieben: nämlich jenem des „Locked room mystery“. Nachdem ein Schiff eine ziemlich geschlossene Gesellschaft ist, ist der Täter in den Reihen der Anwesenden zu suchen. Doch wer kann es gewesen sein? Jemand von der Crew? Oder doch ein (weiblicher) Passagier? Oder war alles ganz anders?

Fragen über Fragen, denen sich Nikolaus Lauda stellen muss und auf die es zunächst keine schlüssigen Antworten gibt. Erst allmählich fügt sich ein Puzzleteil zum anderen.

Fazit:

Eine gelungene Fortsetzung, der ich 4 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 22.09.2023

Eine verbotene LIebe

1941. Liebe in herzlosen Zeiten
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Der in der Schweiz internierte polnische Soldat Marek verliebt sich in die junge Sofia, obwohl das Fraternisieren streng verboten ist und unter Strafe steht. Die beiden finden immer wieder eine Möglichkeit, ...

Der in der Schweiz internierte polnische Soldat Marek verliebt sich in die junge Sofia, obwohl das Fraternisieren streng verboten ist und unter Strafe steht. Die beiden finden immer wieder eine Möglichkeit, sich zu treffen. Es passiert, was passieren muss, erstens werden die beiden von einem Jungbauern „zufällig“ gesehen und anschließend denunziert und zweitens wird Sofia schwanger. Heiraten ist verboten, Mark muss in den Arrest und Sofias Vater entpuppt sich nach dem anfänglichen Schock als Pragmatiker: Sofia zieht zu ihrer Tante nach Zürich.

Es gilt die Widerstände zu überwinden. Mehr als einmal müssen die Leser bangen. Werden es die beiden schaffen, den behördlichen Vorschriften, die ihrer Liebe im Weg stehen zu trotzen?

Meine Meinung:

Mit Spannung habe ich dieses Buch aus dem für den Verlag Emons unüblichen Genre „Liebesroman“ erwartet und gelesen.

Die Schweizer Autorin Margrit Cantieni bringt uns in ihrem historischen Roman bislang wenig beachtetes Thema näher: Die Schweizer und ihre Haltung den im Land internierten Soldaten des Zweiten Weltkriegs gegenüber. Anhand der Liebesgeschichte zwischen Marek, einem polnischen Soldaten, der in Graubünden interniert ist, und der Bündnerin Sofia, die eine Lehrerinnenausbildung absolviert, wird Kehrtwende der Schweizer Bevölkerung gezeigt. Aus der anfänglichen Solidarität mit den Soldaten, die fast Heldenstatus erlangen, weil sie sich nicht für eine hoffnungslose Sache verheizen lassen wollen und in die Schweiz geflüchtet sind, wird mit Fortdauer des Weltkrieges Ablehnung und Hass. Es ist politisch durchaus verständlich, ist doch die neutrale Schweiz von Hitler-Deutschland und den von der Wehrmacht besetzten Gebieten Frankreichs sowie von Mussolinis Italiens umgeben (um nicht zu sagen umzingelt). Je länger der Krieg dauert, desto spürbarer sind die Einschränkungen und spaltet die eidgenössische Bevölkerung. So wird den Bauern vorgeworfen, sich auf Kosten der Arbeiter zu bereichern. Dabei wird vergessen, dass die Landwirtschaft ohne Männer, Pferde und Maschinen auskommen muss, aber die Anbauflächen vervielfacht worden sind.

Daher sieht man in den internierten Soldaten und den Geflüchteten nur unnütze Esser, die die ohnhin knappen Nahrungsmittelvorräte weiter schmälern. So ist es kaum verwundert, dass die faschistischen Ideen auch in zahlreichen Schweizer Köpfen auf fruchtbaren Boden fallen. So faszinierend wie schrecklich das ist, hat man doch immer das Bild der fast klinisch-sauberen Schweiz im Kopf.

Sehr gut ist die Gemütslage der beiden Protagonisten, Marek und Sofia, beschrieben. Er will nach dem Ende des Krieges wieder in seine Heimat Polen zurückkehren, sie Graubünden jedoch nicht verlassen. Dieser Konflikt schwelt die ganze Zeit über den beiden. Wie die Geschichte ausgeht, lest bitte selbst.

Fazit:

Ein sehr gut gelungener historischer Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.