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Venatrix

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Veröffentlicht am 20.09.2023

nichts für Zartbesaitete

Zerstörung, 1947
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Gleich vorweg, dieser zweite Krimi aus der Reihe „Adler, weibliche Kriminalpolizei, Berlin“ ist nichts für Zartbesaitete. Zahlreiche Verbrechen werden detailliert geschildert.

Man schreibt das Jahr 1947. ...

Gleich vorweg, dieser zweite Krimi aus der Reihe „Adler, weibliche Kriminalpolizei, Berlin“ ist nichts für Zartbesaitete. Zahlreiche Verbrechen werden detailliert geschildert.

Man schreibt das Jahr 1947. Berlin ist in vier Besatzungszonen aufgeteilt, was die Verwaltung und die Jagd nach Nazi-Größen sowie nach anderen Verbrechern nicht wirklich erleichtert. Die Stadt liegt nach wie vor in Trümmern und die Frauen müssen sich den neuen Herausforderungen stellen. Denn neben dem Aufräumen, dem Anstellen um die wenigen Nahrungsmittel, kehren ihre Männer, versehrt an Körper und Geist aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Jede, jeder ist sich selbst die bzw. der Nächste, Mitgefühl ist durch eine allgemeine Verrohung abhandengekommen.

In dieser Nachkriegsgesellschaft wird in den Ruinen des Anhalter Bahnhofs die Leiche einer vorerst unbekannten Frau gefunden: erdrosselt, ohne Papiere und mit Säure übergossen. Sie wird nicht die einzige entstellte Tote bleiben.

Luise Adler von der weiblichen Kriminalpolizei setzt alles daran, den Serienmörder zu stellen. Dabei muss sie nicht nur gegen die Windmühlen der alliierten Besatzungsverwaltungen, sondern auch gegen ihre eigenen Dämonen kämpfen. Was sie noch nicht weiß, die dunklen Schatten der Vergangenheit ihr Leben bedrohen. Nebenbei erhält sie eine neue Polizeikollegin, die manchmal übermotiviert, die diffizilen Ermittlungen unabsichtlich torpediert.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist alles andere als leichte Kost. Hier zeigt sich, dass der Zweite Weltkrieg das Schlechteste in den Menschen hervorgeholt hat, das selbst vor dem eigenen Kind, das das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, nicht Halt macht. Die prekäre Lebensmittelsituation, die zahlreiche Menschen dazu zwingt, ihre letzten Habseligkeiten (oder Diebesgut) auf dem Schwarzmarkt zu veräußern, sowie die skrupellosen Geschäftemacher sind ebenso Thema, wie die Prostitution von Frauen und Kindern, die ihre Körper feilbieten, um Überleben zu können. Als krassen Gegensatz hierzu sehen wir die Nazi-Bonzen, die es vorerst geschafft haben, unterzutauchen und, während sie auf eine Fluchtmöglichkeit nach Südamerika suchen, ihre Taten zu verschleiern, und Mitwisser sowie Feinde eliminieren.

Doch es gibt sie noch, die Hilfsbereitschaft, wenn auch als zartes Pflänzchen und ein wenig unter dem Dreck versteckt. So wird ein kleines Mädchen, dessen Mutter einen dieser Säureanschläge überlebt, von Luise Adlers Vater beaufsichtigt.

Stephan Weichert ist mir diesem zweiten Krimi für Luise Adler ein ziemlich realistisches Bild der frühen Nachkriegszeit gelungen. Er rückt den manchmal romantisch verklärten Blick auf die sogenannten Trümmerfrauen und den Schwarzmarkt hier ziemlich abrupt zurecht.

Fazit:

Obwohl ich recht bald eine Idee vom Täter hatte, denn der Autor streut das eine oder andere Indiz geschickt in die Handlung, bleibt dieser Krimi fesselnd bis zur letzten Seite, weshalb er 5 Sterne von mir erhält.

Veröffentlicht am 20.09.2023

Ein gelungenes Debüt

Flammentochter
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„Flammentochter“ ist der Debütroman von Nasila von Staudt, der auf einer wahren Begebenheit beruht und einen Blick auf ihre eigene Familiengeschichte wirft. Worum geht’s also?

Man schreibt das Jahr 1627. ...

„Flammentochter“ ist der Debütroman von Nasila von Staudt, der auf einer wahren Begebenheit beruht und einen Blick auf ihre eigene Familiengeschichte wirft. Worum geht’s also?

Man schreibt das Jahr 1627. Europa wird seit knapp zehn Jahren von Kriegen überzogen, die erst 1648 (also nach dreißig Jahren) mit dem Westfälischen Frieden enden wird. Was als Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten begonnen hat, entwickelt sich zu einem territorialen Krieg, der nicht nur ganz Europa betrifft, sondern auch ungeahnte Folgen hat.

Nach dem Tod ihrer Eltern an der Pest wird die 13-jährige Margaretha Hörber in die Obhut des Müllerehepaares Ursula und Hans Hermann gegeben. Gemeinsam mit einigen anderen Waisenkindern wird sie vor allem von Ursula Hermann als billige Arbeitskraft missbraucht. Schläge und Demütigungen sind ebenso wie Nahrungsentzug für kleinste Vergehen an der Tagesordnung. Zudem ist es der Müllerin ein Dorn im Auge, dass Margaretha, nach dem Willen von Margarethas Bruders, zwei Tage in die Schule gehen darf, damit etwas Bildung erhält.

Um aus diesem gewalttätigen Umfeld zu entkommen und bei ihrem älteren Bruder leben zu dürfen, fasst das Mädchen einen verhängnisvollen Entschluss: Sie bezeichnet sich selbst als Hexe und setzt damit einen Prozess in Gang, dessen Ausgang ungewiss ist.

Margaretha wird aufgrund der Anzeige der Müllerin verhaftet, eingekerkert und vor Gericht gestellt. Ein ungewöhnlich langer Prozess beginnt, in dem das Mädchen um sein Leben bangen muss, zumal ein selbst ernannter Hexenjäger namens Schreckenfuhs (sic!) aus Würzburg den Prozess und das Mädchen in die benachbarte Stadt ziehen will. Dort wird mit Frauen, die der Hexerei beschuldigt werden, kurzer Prozess gemacht und die Scheiterhaufen lodern.

Meine Meinung:

Die Ereignisse um Margaretha Hörber aus Rothenburg ob der Tauber sind historisch belegt. Allerdings, so schreibt die Autorin im Nachwort, sind einige fiktive Charaktere eingeführt. Dieser Debütroman liest sich fesselnd, zumal der Ausgang solcher Hexenprozesse im Allgemeinen bekannt sind.

Sehr interessant finde ich Margarethes Einstellung zu Gott. Sie zweifelt an ihm, dem angeblich gütigen Gott, da er Kriege und Seuchen zulässt, die ihren Eltern das Leben gekostet hat. Die Gespräche, die sie mit dem protestantischen Pastor im Gefängnis führt, wirken sehr reif.

Die Spannung, wie die Schöffen urteilen werden, steigert sich von Seite zu Seite ins schier Unerträgliche. Das Ende kommt dann fast zu schnell.

Die Leser leiden mit Margaretha und ihrem Bruder mit. Wir erhalten Einblick in die Gerichtsbarkeit dieser Zeit, die sehr gut und detailliert beschrieben ist. Dazu verwendet die junge Autorin die Gerichtsakten, die sie in den Archiven von Rothenburg an der Tauber recherchiert hat.

Der Schreibstil ist schnörkellos. Nasila von Staudt nennt auch die unangenehmen Dinge wie Ehrgeiz oder Machtstreben im Kleinen wie im Großen beim Namen.

Fazit:

Ein fesselnder historischer Debütroman, der penibel recherchiert ist. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.09.2023

Ein penibel recherchierter hist. Roman

Der Porzellaner
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Dieser interessante historische Roman entführt uns in das Kurfürstentum Sachsen, genauer nach Dresden. Es herrscht August der Starke (1670-1733). Doch zum Leidwesen zahlreicher Hofschranzen mischt sich ...

Dieser interessante historische Roman entführt uns in das Kurfürstentum Sachsen, genauer nach Dresden. Es herrscht August der Starke (1670-1733). Doch zum Leidwesen zahlreicher Hofschranzen mischt sich seine Mätresse Constantia von Cosel (1680-1765) in die Regierungsgeschäfte ein und beeinflusst den Kurfürsten nachhaltig. August führt zahlreiche Kriege und gibt Unsummen für seine Bauvorhaben sowie seine Sammelleidenschaften aus. Daher geht er den zahlreichen Scharlatanen, die ihm versprechen, Gold machen zu können auf den Leim. Damit ist er nicht der einzige. Auch der junge Bergarbeiter Samuel Stölzel aus Freiberg erliegt der Verlockung aus minderen Materialien das Edelmetall herzustellen. In Meißen trifft Stölzel auf Johann Friedrich Böttger, der dem Kurfürsten die Goldherstellung mit einem Taschenspielertrick vorgaukelt.

Recht bald wird Samuel klar, dass Böttger nur leere Versprechen von sich gibt. Bei ihren Versuchen entdecken sie allerdings etwas anderes: Den Weg zum Porzellan. Auf der Meißener Albrechtsburg wird geforscht und letztlich, nach Jahren der zahlreichen Fehlversuche und allerlei Unwägbarkeiten sowie Streitereien um Geld und Einfluss gelingt es, ähnlich feines und durchscheinendes Porzellan herzustellen, wie jenes aus China, das in der adeligen Welt zahlreiche besessen Sammler findet.

Letztlich hat Samuel Stölzel die Allüren von Böttger satt, bricht seinen Arbeitsvertrag und flieht 1720 nach Wien. Dort hat Claudius du Paquier 1718 die Wiener Porzellanmanufaktur als zweite in Europa gegründet. In den wenigen Monaten, die er in Wien verbringt, beschäftigt er sich mit der Aufglasurmalerei, die dann nach seiner Rückkehr in Meißen zum bekannten blau-weißen Muster führt, das das Cover ziert.

Meine Meinung:

Ich habe diesen historischen Roman sehr gerne gelesen. Zum einen, weil ich 2022 die Porzellanmanufaktur in Meißen sowie die Albrechtsburg besichtigt habe und zum anderen, weil ich als Wienerin die Wiener Porzellanmanufaktur Augarten kenne.

Annick Klug verpackt die Geschichte der Meißner Manufaktur in eine durchaus spannende Geschichte rund um die beiden historisch belegten Porzellaner Johann Friedrich Böttger (1682-1719) und Samuel Stölzel (1685-1737).

Sehr geschickt sind die historischen Hintergründe eingeflochten. Wir dürfen an den Intrigen am Hof des Kurfürsten sowie seiner langjährigen Liebe mit der Cosel teilhaben. Dieser Part ist für mein Dafürhalten ein wenig zu ausführlich geraten, zumal ich die Cosel aus anderen Büchern kenne. Aber das ist Jammern auf höchstem Niveau.
Der Schauplatzwechsel nach Wechsel hat mir sehr gut gefallen, bin ich doch in der Nähe des ehemaligen Standortes der Porzellanmanufaktur du Paquiers in der Rossau (heute Teil des 9. Bezirks Alsergrund), die übrigens pleite ging und von Maria Theresia verstaatlicht worden ist, aufgewachsen.

Gut herausgearbeitet ist auch die Gier nach Gold zur Befriedigung der Ausgaben der Herrschenden. Die Untertanen haben wenig davon. Die Porzellanarbeiter werden zwar besser bezahlt als die übrigen Arbeitnehmer, müssen aber regelmäßig auf ihr Geld warten, weil der Kurfürst ständig in Geldnöten ist.

Die große Blüte des europäischen Porzellans aus Meißen, Wien und Sévres bei Paris wird noch kommen. Dann spült das „Weiße Gold“ Geld in die Kassen.

Fazit:

Ein penibel recherchierter historischer Roman, dem ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Veröffentlicht am 10.09.2023

Ein ansprechendes KOchbuch

Veronikas Hofküche
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Auf dieses Kochbuch habe ich gespannt gewartet und bin nicht enttäuscht worden. Endlich wieder mit Topfen, Germ und Schlagobers kochen und backen, statt Quark, Hefe und Sahne verwenden zu müssen. Und erst ...

Auf dieses Kochbuch habe ich gespannt gewartet und bin nicht enttäuscht worden. Endlich wieder mit Topfen, Germ und Schlagobers kochen und backen, statt Quark, Hefe und Sahne verwenden zu müssen. Und erst wie der Karfiolsalat munden wird!

Im Ernst, dieses Kochbuch ist wie Heimkommen. Veronika Brudl ist Biobäuerin im Innviertel und hat hier für

Vorspeisen
Hauptspeisen
Nachspeisen
Vorratsküche
Brot und Gebäck
Kuchen und Süßes
Grundrezepte

zahlreiche Rezepte aufgeschrieben.

Das eine oder andere wird gleich in den nächsten Tagen ausprobiert, z.B. die Kräutertascherl (S. 23). Schauen wir einmal, ob der Topfenblätterteig (Grundrezept S. 238) gelingt.

Neben bekannten Mehlspeisen wie Apfelstrudel gibt es ein interessantes Rezept zu einem „Mohn-Apfel-Guglhupf“ (S. 146), der auch mit Dinkel- oder Einkornmehl gebacken werden kann.

Ein farbliches Highlight (nicht nur für Anhänger des Fußballclubs Austria Wien) ist das Heidelbeer-Milchbrot (S.196) das durch seinen violett-weißen Germteig besticht. Kann auch - wie angegeben - ganz patriotisch in rot-weiß-rot gebacken werden.

Die Zutaten sind leicht zu bekommen und die Anleitung liest sich gut strukturiert. Zu jedem Rezept ist dann die fertige Speise appetitlich abgebildet, damit Koch oder Köchin weiß, wie das Endprodukt aussehen soll.

Fazit:

Ein ansprechendes Kochbuch, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 10.09.2023

Neuheidentum aus Sicht der Archäologie

Wicca · Kelten · Schamanen
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Der Klappentext verspricht „Archäologische Fakten und Fiktionen im Neuheidentum, kompakte Informationen für Fans der Fantasy-Szene, Anhängerinnen spiritueller Praktiken sowie Interessierte an alten Religionen ...

Der Klappentext verspricht „Archäologische Fakten und Fiktionen im Neuheidentum, kompakte Informationen für Fans der Fantasy-Szene, Anhängerinnen spiritueller Praktiken sowie Interessierte an alten Religionen und Archäologie“.

Im Großen und Ganzen hält das Buch, was der Klappentext verspricht, aber leider liest es sich ziemlich trocken wie eine Diplomarbeit. Bitte nicht falsch verstehen - ich lese sehr gerne Sachbücher und scheue auch vor Diplomarbeiten nicht zurück, aber dieses Thema hätte für ein breites Publikum doch wesentlich lebendiger gestaltet werden können.

Jutta Leskovar unterteilt ihr Buch in folgende Abschnitte:

Einleitung
Neuheidentum - ein Überblick
Neuheidnische und verwandte Erscheinungsformen
Themen, Orte und Objekte
Abschließende Betrachtungen

Der Ausflug zur Geschichte der Jahreszeitenfeste und Kalender lässt mich schmunzeln. Der sogenannte „Keltische Baumkalender“, der Eingang in die Szene gefunden hat, ist eine (schlaue ?) Erfindung aus den 1970er-Jahren. Der Olivenbaum enttarnt den Kalender als willkürlich und künstlich geschaffen. Denn Olivenbäume wachsen zu der Zeit, als die Kelten lebten, im warmen Mittelmeerraum. Die Kelten jedoch sind nördlich der Alpen verortet.

In ihren abschließenden Betrachtungen schreibt die Autorin, die Ur- und Frühgeschichte studiert hat:

„Neuheid
innen auf der ganzen Welt sind an Vergangenheit interessierte und über Vergangenheit teilweise sehr gut informierte Menschen. Sie recherchieren, diskutieren und sie praktizieren. Ihr Fokus mag auf der Ausübung einer Religion liegen, aber sie kehren immer wieder zurück zu dem, was aus ihrer Sicht „die Anfänge“ sind - und die liegen in der Frühgeschichte.“

Ich hätte mir noch eine Beschreibung von solchen neuheidnischen Riten, die vielleicht an ihre Ursprünge angelehnt sein könnten, gewünscht.

Jutta Leskovar geht auf S. 141 ff auf den Überschneidungs- und Konfliktbereich zwischen Archäologie und Neuheidentum ein, wenn es um das Recht der „Nutzung“ eines bestimmten Fundortes geht.

Die zahlreichen Fotos und Abbildungen von Kraftorten und Artefakten bereichern dieses Buch.

Fazit:

Eine interessante Betrachtung des Phänomens Neuheidentum, das leider ein wenig trocken dargeboten wird. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.